Der Wehrwolf - Hermann Löns - E-Book

Der Wehrwolf E-Book

Hermann Löns

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Beschreibung

Der Wehrwolf ist ein Roman von Hermann Löns aus dem Jahr 1910; er erzählt, wie eine Schar übel heimgesuchter Bauern sich während des Dreißigjährigen Krieges blutig und gnadenlos gegen marodierende Feinde verteidigt. Der Krieg verheert das Land, und besonders die wehrlosen Bauern haben darunter zu leiden. Harm Wulf verliert seine Familie bereits in den ersten Jahren. Darüber wird er zum sich wehrenden Wulf, zum Wehr-Wulf, der erbarmungslos Landstreicher, Marodeure und alles Kriegsvolk umbringt, was sich in den Bruch wagt. Dort haben sich die Heidebauern in einer alten Wallburg einen befestigten Rückzugsort eingerichtet. Als historisches Vorbild diente Löns dabei der frühmittelalterliche Ringwall von Burg bei Altencelle. (aus wikipedia.de)

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Der Wehrwolf

Hermann Löns

Inhalt:

Hermann Löns – Biografie und Bibliografie

Der Wehrwolf

Die Haidbauern

Die Mansfelder

Die Braunschweiger

Die Weimaraner

Die Marodebrüder

Die Bruchbauern

Die Wehrwölfe

Die Schnitter

Die Kirchenleute

Die Hochzeiter

Die Kaiserlichen

Die Schweden

Die Haidbauern

Worterklärung

Der Wehrwolf, H. Löns

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster, Deutschland

ISBN: 9783849624385

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Hermann Löns – Biografie und Bibliografie

Deutscher Journalist und Schriftsteller, geboren am 29. August 1866 als Sohn des Gymnasiallehrers Friedrich Löns und dessen Frau Clara in Kulm (Westpreußen), verstorben am 26. September 1914 in Loivre, Frankreich. Nach dem Abitur 1886 studiert er Medizin, Naturwissenschaften und Mathematik in Münster, Greifswald und Göttingen. 1890 bricht er das Studium ab und wird kurz darauf  Hilfsredakteur bei der "Pfälzischen Presse" in Kaiserslautern. Nach kurzen Engagements bei mehreren anderen Zeitungen und der Hochzeit mit Elisabeth Erbeck 1893 veröffentlicht er erste satirische Gedichte im "Hannoverschen Anzeiger". 1901 lässt Löns sich scheiden und zieht nach Bremen. Es folgen seine bekanntesten Erzählungen und Bücher über das Leben in der Lüneburger Heide und es zieht ihn immer mehr ins Reich der Natur und des Tierlebens. Als der Erste Weltkrieg ausbricht meldet sich Löns freiwillig um ein Kriegstagebuch zu schreiben. Er fällt schließlich an der Front.

Wichtige Werke:

· Mein grünes Buch, 1901

· Mein goldenes Buch, 1901

· Mein braunes Buch, 1907

· Der letzte Hansbur, 1909

· Dahinten in der Heide, 1909

· Mein blaues Buch, 1909

· Mümmelmann, 1909

· Der Wehrwolf, 1910

· Das zweite Gesicht, 1911

· Der zweckmäßige Meyer, 1911

· Auf der Wildbahn, 1912

· Da draußen vor dem Tore, 1912

· Mein buntes Buch, 1913.

· Goldhals, 1914

· Die Häuser von Ohlenhof, 1917

· Aus Wald und Heide, 1920

Der Wehrwolf

Die Haidbauern

Im Anfange war es wüst und leer in der Haide. Der Adler führte über Tage das große Wort, und bei Nacht hatte es der Uhu; Bär und Wolf waren Herren im Lande und hatten Macht über jegliches Getier.

Kein Mensch wehrte es ihnen, denn die paar armseligen Wilden, die dort vom Jagen und Fischen lebten, waren froh, wenn sie das Leben hatten und gingen den Untieren liebendgern aus der Kehr.

Da kamen eines Abends andere Menschen zugereist, die blanke Gesichter und gelbes Haar hatten; mit Pferd und Wagen, Kind und Kegel kamen sie an, und mit Hunden und Federvieh.

Es gefiel ihnen gut in der Haide, denn sie kamen daher, wo das Eis noch bis in den Mai auf den Pümpen stand und im Oktober schon wieder Schnee fiel.

Ein jeder suchte sich einen Platz und baute sich darauf ein breites Haus mit spitzem Dach, das mit Reet und Plaggen gedeckt war und am Giebel ein paar bunte Pferdeköpfe aus Holz aufwies.

Jeglicher Hof lag für sich. Ganz zu hinderst in der Haide wohnte Reineke; sein Nachbar war Hingst; auf ihn folgte Marten, darauf Hennig, hinterher Hors, und dann Bock und Bolle und Otte und Katz und Duw und Specht und Petz und Ul und wie sie alle hießen, und zuletzt Wulf, ein langer Mann mit lustigen Augen und einer hellen Stimme, der sich da angebaut hatte, wo das Bruch anfing.

Der Wulfshof hatte das beste Weideland von allen Höfen, aber der Bauer hatte auch am meisten mit den Wölfen und Bären zu tun und mit den schwarzbraunen Leuten, die hinten im Bruche lebten. Doch das war ihm gerade recht und seinen Jungens nicht minder; je bunter es herging, um so lieber war es ihnen, und so wurden es Kerle, wie die Bäume, mit Händen, wie Bärenpfoten; aber dennoch konnte sie ein jeder gern leiden, dieweil sie so grall in die Welt sahen und allewege lachten.

Das kam ihnen und ihren Kindern und Kindeskindern auch gut zupasse, denn es ging zuzeiten wild genug her in der Haide; fremde Völker zogen durch, und die Haidbauern mußten mächtig aufpassen, daß sie nicht umgerannt wurden. Aber es waren ihrer von Jahrhundert zu Jahrhundert in Ödringen, wie das Dorf hieß, immer mehr geworden; sie hielten stand, schmissen die Feinde zurück oder bargen die Weibsleute, die Kinder und das Vieh in der Wallburg im Bruche und setzten den Fremden durch Überfallen und Ablauern solange zu, bis sie sich wieder dünne machten.

Die Männer vom Wulfshofe waren dabei immer vorneweg. Manch einer von ihnen blieb mit einem Pfeile im Halse oder einem Speere in der Brust dabei liegen, aber es blieb immer noch einer übrig, der den Namen am Leben hielt.

Mittlerweile nahmen sie immer mehr Land unter den Pflug und machten das Bruch zu Wiesenland und Weide; zehn Gebäude zählte der Hof, der wie eine Burg hinter Wall und Graben in seinem Eichbusche lag, und in dem großen Hause war kein Mangel an Waffen und Geräten aller Art.

In dem Flett standen neben dem Herde ein Dutzend schwerer silberner Teller auf dem Bört an der Feuerwand. Als die Bergbauern ihre Boten schickten und die Haidbauern baten, ihnen beizustehen, die Römer aus dem Land zu jagen, war auch ein Sohn vom Wulfshofe mit ausgezogen. Als er schon ein alter Mann war, lachte er noch, wenn er darauf zu sprechen kam, wie Varus mitsamt seinen Leuten vor die Hunde ging.

"Junge," sagte der alte Mann, "das war ein Spaß! Was haben wir die krummen Hunde geweift! So Stücker zwanzig habe ich allein vor den Brägen geschlagen, daß es nur so ballerte, denn sie hatten alle Kappen aus Blech auf. Na, und denn habe ich zum Andenken die blanken Kümpe mitgebracht. Machen sie sich da nicht fein?"

Mit den Römern waren die Bauern bald fertig geworden, aber dann kam der Franke, und der war zähe wie Aalleder. Holte er sich heute auch eine Jacke voll Schläge, morgen war er wieder da. Ein Wulf war dabei gewesen, als Weking das fränkische Heer am Süntel zu rohem Mett hackte, aber zwei von den Wulfsbauern waren auch unter den Männern, die Karl an der Halsbeeke bei der großen Fähre wie Vieh abschlachten ließ. Als darauf alles, was ein Messer halten konnte, ihm an den Hals sprang, waren auch drei Wulfs dabei; sie waren nicht zurückgekommen.

Schließlich aber sagten die Haidjer sich: "Gegen ein Fuder Mist kann einer allein nicht anstinken." So zahlten sie denn Zins, sagten dem Wode und der Frigge ab, ließen sich taufen und wurden mit der Zeit ganz ordentliche Christen, vorzüglich, als einer von ihnen, der nach der Väter Brauch den alten Göttern einen Schimmel auf dem Hingstberge geschlachtet hatte, dafür unter das Beil mußte.

Ganz zahm wurden sie nach außen hin und sie ließen sich sogar einen fränkischen Ritter vor die Nase setzen. Aber von innen blieben sie die Alten; wenn im heiligen römischen Reiche einmal wieder alles koppheister ging, dann kamen sie vor Tau und Tag über die Haide geritten, steckten die Burg an allen vier Ecken an und schlugen alles, was einen Bart hatte, vor den Kopf.

Das half ihnen auf die Dauer aber doch nichts; die fremden Herren nahmen ihnen mit Gewalt und List ein Recht nach dem andern, und schließlich wurden sie alle zinspflichtige Lehnsmänner bis auf den Wulfsbauern; denn der hatte einen Freibrief als Sattelmeier, weil ein Wulf einmal den Herzog Billung vor seinen Feinden gerettet hatte. Wenn sich nun auch heute das Kloster und morgen der Ritter alle Mühe gab, den Wulfshof anzumeiern, die Wulfsbauern wußten sich davor zu wahren.

Sie hatten ja auch sonst ihre liebe Not, denn bald war Krieg im Lande, bald rührten sich die Raubritter. Wenn der Bauer pflügte, hatte er währenddem den Speer und die Armbrust bei seiner Jacke liegen, und mehr als einmal fing er mit seinen Leuten ein paar Schnapphähne ab und brachte sie über die Seite. Da das aber einmal so war, so machte er sich weiter keine Gedanken darüber; seine Augen blieben hell und das Lachen verlernte er auch nicht.

Als die Bauern die neue Lehre annahmen und dem Pater aufsagten, mußte der Wulfsbauer zu ihm gehen und ihm das klarmachen, weil der Pater ein guter alter Mann war und die Bauern glaubten, kein anderer könne ihm die Sache so gelinde beibringen, wie Harm Wulf, dessen Hauptredensart es war: "Es ist alles man ein Übergang", und dabei schlug er den Wolf in der Kuhle tot und lachte dazu.

Hinterher kamen ja wohl einmal Zeiten, daß auch der Wulfsbauer eine krause Stirn und dunkle Augen kriegte und nicht mehr so laut lachte. Das war Anno 1519, als Hans Magerkohl, der Bischoff von Hildesheim, sich mit dem Braunschweiger Herzog kämmte und die Bauern dabei Haare lassen mußten. In Burgdorf krähte der rote Hahn lauthals und ein Wulf, der dort in eine Ackerbürgerstelle hineingeheiratet hatte, kam mit dem weißen Stocke wieder nach dem Wulfshofe und starb bald vor Herzeleid, denn die braunschweigischen Kriegsvölker hatten seine junge Frau zuschanden gemacht.

Ein Trupp von dem Gesindel kam auch bis vor den Wulfshof; aber da es nur bei zwanzig waren, fanden sie nicht wieder zurück; der Bauer schlug sie mit seinen Söhnen und Knechten tot, fuhr sie in das Bruch und rodete sie bei.

Auch sein Sohn verlernte später auf einige Zeit das Lachen, denn als man den neunten Juli des Jahres 1553 schrieb, kam es auf dem Vogelherde bei Sievershausen zu dem großen Treffen zwischen dem Braunschweiger und dem Sachsen auf der einen und dem Kalenberger und dem Brandenburger auf der anderen Seite.

Schrecklich ging es vor und nach der Schlacht in der Haide zu; doch der Wulfsbauer hatte beizeiten Wind gekriegt und die Frauensleute, die Kinder und das Vieh und alles, was Geldeswert hatte, im Bruche geborgen; er selber aber und seine Leute hatten sich mit den anderen Bauern zusammengetan, und wo sie einen Haufen Fußvolk oder Reiter trafen, denen ging es schlecht. Über zweihundert von ihnen schossen und schlugen die Bauern tot. Wenn sie sie eingruben, lachte der Wulfsbauer und sagte: "Man soll alle Arbeit mit Freuden tun, vorzüglich, wenn sie sich lohnt"; damit meinte er dann die Waffen und das bare Geld, das die Kriegsleute bei sich hatten.

Wenn es auch noch so hart herging, ihre grallen Augen und ihr helles Lachen verloren die Wulfsbauern so leicht nicht; es mußte schon sehr schlimm kommen, daß es anders mit ihnen wurde.

Das tat es denn auch. Es gingen im Jahre 1623 allerlei Gerüchte von einem Kriege um, den der Kaiser mit den Böhmen wegen der neuen Lehre führte und der immer weiter fraß. Zudem hatte es sehr viele wunderliche Zeichen gegeben. Es waren Rosen gewachsen, aus denen wieder Rosen kamen, das Brot hatte geblutet, auf den Koppelwegen lagen Sternschnuppen, drei Tage hintereinander im Juli kamen Unmassen von Schillebolden über die Haide geflogen und hinterher ebensoviele Buttervögel; es gab mehr Mißgeburten beim Vieh, denn je zuvor, die Mäuse heckten unmäßig, Pest- und Sterbevögel ließen sich sehen, am Himmel zeigten sich feurige Männer und ein Stern, der wie ein Schwert aussah, fiel herunter.

Daraus sagten manche Leute Krieg, Hunger, Brand und Pest an. Es dauerte auch nicht lange, daß ein großes Sterben anging, vorzüglich in den Städten, wo die Menschen eng aufeinandersaßen und allerlei fremdes Volk zusammenkam. Um den Herrgott wieder um gut Wetter zu bitten, zogen ganze Haufen von halbnackten Männern und Weibern mit Ketten um den Hälsen hinter einem Kreuze her, heulten und schrien wie unklug, schlugen sich mit Stricken die Rücken, daß das Blut nur so spritzte, und sangen zum Gotterbarmen.

Als Harm Wulf, der Anerbe vom Wulfshofe, Torf nach der Stadt fuhr, war er einem solchen Zuge begegnet und sehr falsch geworden, denn er hatte junge Pferde vor dem Wagen, und die wollten mit Gewalt vom Wege, als die verrückten Völker angebrüllt kamen.

Hinterher mußte er aber darüber lachen; es hatte zu albern ausgesehen, wie sie alle auf einmal die Arme in die Luft schmissen und lossangen: "Hui halt' auf eure Hände, daß Gott dies Sterben wende, hui streckt aus eure Arme, daß Gott sich eur' erbarme!"

"Was für ein dummerhaftiges Lied!" dachte er und pfiff das Brummelbeerlied.

Die Mansfelder

Als er am anderen Morgen durch die Haide ging, lachte er auch vor sich hin, aber nicht mehr über die Geißler, denn die hatte er längst vergessen.

Er dachte daran, was sein Vater ihm gesagt hatte, daß es nämlich an der Zeit wäre, daß er freien müsse und den Hof übernehmen solle. Und er dachte an Rose Ul.

Denn das sollte seine Frau werden, das glatteste Mädchen weit und breit, und Ulenvaters einziges Kind, mit der er immer am liebsten beim Erntebiere getanzt hatte. Darum lachte er vor sich hin.

Er drehte eine Maiblume, die er an der alten Wallburg im Holze abgerissen hatte, zwischen den Zähnen und sah über die Haide, die ganz grün von dem jungen Birkenlaube war und ganz blank von der Sonne.

Vom Bruche her kam zwischen den hohen Machangelbüschen ein Mann angegangen. Er blieb stehen, zeigte mit dem Finger auf die Blume, die Harm im Munde hielt, griente und sagte: "Friggeblumen, wer die bricht, Junggeselle bleibt er länger nicht."

Harm lachte und gab ihm die Hand. Immer mußte er sich wundern, wenn er Ulenvater sah; denn der war so ganz anders, als alle Leute, die er kannte. Jedes Wort, das er sprach, hatte einen doppelten Sinn; er hatte den ganzen Kopf voller Dummheiten, aber auch voller Klugheit, und man sagte von ihm, daß er mehr könne als Brot essen.

Aber das war man ein Altweiberschnack; er war drei Jahre auf die hohe Schule in Helmstedt gegangen und hatte da fleißig gelernt, sowohl geistliche Sachen, wie denn auch, was gegen Krankheiten bei Mensch und Vieh gut war; dann aber war der Hoferbe abgestorben und weil weiter kein Sohn da war, mußte er den Hof annehmen; und nun hieß er zum Spaß der Papenbur.

Er wurde jedoch ein Bauer, wie nur einer, bloß daß er in vielem seinen eigenen Weg ging: so konnte er niemals nach der Kirche hinfinden, denn er sagte: "Wer da weiß, wie man Würste macht, der ißt schon keine." Dann hatte er die Gabe, alles, was er sagte, in Reime zu bringen, wenn er gerade wollte; es wurde keine Hochzeit abgehalten, bei der Ulenvater nicht seinen Vers sagte, und jedesmal einen anderen. Er hatte Augen, die hatten gar keine Farbe; wie Wasser sahen sie aus. Die wenigsten Menschen hielten ihnen stand, und wenn er einen Hund ansah, und war der auch noch so böse, er machte, daß er fortkam.

Nun stand er da, als wenn er nicht bis drei zählen konnte, griente und sagte, indem er auf das Schießgewehr wies, das Harm auf den Rücken hatte: "All wieder nach dem Saufang?" Und dann lachte er lauthals, denn der Saufang war dicht beim Ulenhofe, und wenn Harm am Saufang war, dann dauerte es nicht lange und Rose hatte vor dem Hofe zu tun.

Das war auch jetzt so. Als Wulf dort angekommen war und gesehen hatte, daß der Fang noch aufstand, steckte er drei Finger in den Mund und pfiff wie der Schwarzspecht. Es dauerte eine Weile, da hörte er hinter sich ein Geräusch; als er sich umdrehte, sah er bei einer Eiche etwas Feuerrotes, und das war ein roter Rock, und nun gab es ein Jagen um den Baum und dann ein Quieken.

"Ach, Junge," pustete das Mädchen und ihre Brust ging auf und ab, "du bringst mich ja rein von Atem! Und schickt sich das wohl?" Aber dann ließ sie sich doch dahinziehen, wo das Moos ganz eben und trocken war, und ließ sich küssen und küßte wieder, und zählte, wie oft der Kuckuck rief, denn so lange sollte sie leben; aber er rief bloß zweimal und da sagte sie: "So ein fauler Hund!" und lachte dabei.

Vom Hofe rief es. Das Mädchen sprang in die Höhe: "Bis heute abend! Mutter ruft schon. Komm aber nicht vor dem Vesper, denn bis dahin habe ich alle Hände voll zu tun." Sie machte sich los und Harm sah ihr lachend nach, wie sie so flink dahinging, daß der rote Rock wie eine Flamme hin und her wehte, und ihr Haar, das leuchtete wie eitel Gold unter der kleinen Mütze, um die die Bindebänder man so flogen.

Ehe sie über das Stegel stieg, sah sie sich noch einmal um; dann war sie fort und Harm war zumute, als wenn die Sonne nicht mehr so schön schien und als ob die Vögel lange nicht mehr so lustig sängen; aber dann pfiff er das Brummelbeerlied durch die Zähne und lachte wieder vor sich hin, als er über die Haide ging, und seine Augen waren so blau wie der Himmel über ihm.

Das blieben sie auch bis zur Hochzeit und auf ihr erst recht. Es war eine große Hochzeit und lustig ging es dabei her, obzwar kein einziger Mann betrunken war.

Einige Bauern redeten zwar davon, daß es immer gefährlicher im Reich aussähe, aber was fragte Harm Wulf danach, als er mit seiner jungen Frau unter Lachen und Juchen in die Dönze geschoben wurde, und nach den feurigen Männern am Himmel und dem blutenden Brot und den Pest- und Sterbevögeln? Er nahm seine Rose in den Arm und sagte: "Eine Ule habe ich gefangen, aber was für eine glatte Ule auch!" Und dann lachte er über seinen Witz.

Er blieb am Lachen bis auf den Tag, daß seine Rose zu liegen kam, aber dann lachte er noch mehr, bloß nicht so laut und mehr mit den Augen; denn ein Junge lag neben ihr, ein Junge, ein Staat von einem Jungen ein wahrer Bär von einem Jungen, einer von zehn vollwichtigen Pfunden und ein hübscher Junge von vornherein.

"Ja," sagte er am dritten Tage zu seiner Frau, die schon wieder Farbe auf den Backen hatte, "was ist das nun eigentlich, ein Ulenküken oder ein Wolfslamm?" Und dann lachte er laut über seinen Schnack.

Er lachte, wenn er zur Arbeit ging, er lachte, wenn er von ihr kam. Er hatte früher auch ein schönes Leben gehabt, aber so, wie es jetzt war, mit solcher glatten Frau und so einem gesunden Jungen, das war doch ganz etwas anders! Er konnte sich vor Freude gar nicht bergen, so wählig war ihm zumute, und wenn ab und zu Reineke oder Marten oder einer von den anderen Ödringern sich so anstellte, wie eine Krähe, wenn der Fuchs ankommt, und erzählte, was er in Celle oder Burgdorf oder Peine gehört hatte: daß nämlich Krieg in der Welt war und es nicht mehr lange dauern werde, bis daß es auch in der Haide an zu stinken anfange, der Wulfsbauer pfiff, wenn er säete oder pflügte, das Brummelbeerlied, dachte an seine Rose und an seinen lüttjen Hermke und daran, wie gut er es doch getroffen hatte.

Hermke konnte ihm schon an der Hand seiner Mutter entgegentappeln und "Vater!" rufen, wenn Harm vom Felde kam, und es war so weit, daß er bald einen Bruder oder eine Schwester bekommen sollte, da ritt der Bauer eines Morgens nach der Stadt, um seinen Hofzins beim Amte zu bezahlen. Es war ein schöner Morgen; die Birken an den Straßen waren eben aufgebrochen, alle Finken schlugen, die Dullerchen sangen und das Bruch war von oben bis unten rot, denn der Post war am Blühen. Harm setzte sich in einen schlanken Trab, daß der Sand hinter ihm nur so mülmte, denn er dachte: "Je eher du in der Stadt bist, desto früher bist du wieder auf dem Hofe."

Er kam aber erst am späten Abend nach Hause und er kam zu Fuße an. Als er nämlich seine Steuern bezahlt hatte und nach dem Kruge vor der Stadt ging, wo er seinen Falben eingestellt hatte, um das Torgeld zu sparen, da war dort ein wildes Leben. Ein Mansfelder Feldhauptmann mit einem Trupp Kriegsvolk war angekommen und es ging hoch her. Die Kerle hatten alle rote Köpfe von Bier und Schnaps und nun schrien sie und bölkten und kriejöhlten und machten sich mit den verlaufenen Frauensleuten, die sie bei sich hatten, allerlei Kurzweil, daß es eine Schande war, das anzusehen. Die Töchter des Wirts und die Mägde waren übel dran; sogar die Wirtsfrau, die doch gewiß kein Ansehen mehr hatte, konnte sich vor den Lümmeln nicht bergen.

Als der Wulfsbauer um das Haus nach dem Stalle gehen wollte, kam ihm ein Kerl entgegen, der eine rote Feder auf dem Hute und einen gefährlichen pechschwarzen Schnauzbart unter seiner langen Nase hatte. Als er den Bauern sah, juchte er laut auf, nahm ihn in den Arm, küßte ihn auf beide Backen, daß Harm der Schnapsgeruch um die Ohren schlug, faßte ihn an die Schultern, hielt ihn von sich ab, lachte über sein ganzes gelbes Gesicht, nahm ihn wieder in den Arm und brüllte: "Brudderhärz mainiges! Wie lange habben wirr uns nicht gesähenn? Aberr die Freide, die Freide! Auf das wollen wirr aberr einen trrinkenn!" Er zog den Bauern, der gar nicht wußte, was er davon halten sollte, unter das Fenster und schrie: "Frau Wirrtinn, zwei Birr fürr mainen Freind und mich, wo ich so lange nicht gesähenn habbe."

Die Großmagd brachte das Bier, aber als der fremde Kerl sie in den Arm kniff, machte sie Wulf mit den Augen Zeichen, denn sie war eine Häuslingstochter aus Ödringen, und als der Reiter das Bier hinnehmen wollte, juchte sie auf und ließ beide Krüge fallen. Der fremde Mensch schimpfte Mord und Brand, aber da rief der Hauptmann und er mußte fort. Als Harm schnell machte, daß er weiter kam, winkte ihn Trine Reineke auf die Diele: "Wulfsbauer," sagte sie, "um Christi Blut und Wunden, daß du bloß den Ludervölkern nicht Bescheid tust! Wer Bescheid tut, der ist angeworben. Kiek, da ist Krischan Bolle, den haben sie schon eingeseift, den Döllmer! Mit jedwedem hat er auf Bruderschaft angestoßen und nun hat er den bunten Lappen um den Arm und kann sich morgen für Gott und den Deubel totschießen lassen."

Ängstlich sah ihn das hübsche Mädchen, das auf dem Wulfshofe als Lütjemagd angefangen hatte, in die Augen: "Sieh man bloß zu, daß du weiter kommst! Je eher daß du fortkommst, je besser ist das für dich. Das sind ja keine Menschen nicht, das ist das reine Vieh. O Gotte!" Sie schlug die Schürze vor das Gesicht und weinte los.

"Na, Deern," beruhigte Harm sie, indem er ihr auf die Schulter schlug, "das ist alles man ein Übergang. Aber recht hast du, wer hier nichts verloren hat, soll sich nicht weiter aufhalten." Er bezahlte die beiden Krüge Bier, gab dem Mädchen ein Bringgeld und ging nach den Ställen. Da war es noch toller als vor dem Hause. Sieben Roßknechte, einer noch schlimmer aussehend als der andre, hielten einen alten Trödeljuden zum besten, spuckten ihm in die Hände, warfen ihm seine Waren durcheinander und wollten ihn zwingen, Schweinewurst zu essen. Drei andere stachen eine Sau ab, einer machte sich mit einem Taternmädchen das knapp zwölf Jahre alt sein konnte, zu schaffen, ein anderer lag besoffen auf dem Mist und noch einer hatte einen Hahn in den Händen und drehte ihm den Hals ab.

"Gottes Wunder," dachte der Bauer, "was ist das für eine Zucht und Wirtschaft!" Er drückte sich an den betrunkenen Völkern vorbei und ging in den Pferdestall. Sein Falber war da, hatte aber ein herrschaftliches Geschirr um und zwei Mantelsäcke aufgeschnallt. Er schirrte ihn ab, machte sich ein Halfter aus einem Ende Strick und führte das Pferd aus dem Stalle. Schon war er meist vom Hofe, da kam ihm ein Reiter, der einen roten Bart hatte, der ihm bis über den Kragen hing, entgegen und schnauzte ihn an, wo er mit dem Pferd hinwolle.

"Das ist doch von jeher mein Falber gewesen!" gab ihm der Bauer zurück. "Ferdl, Tonio, Pitter, Wladslaw, daher, daher!" schrie der rotbärtige Mensch; "wem ist das Pferd hier, diesem Mann da oder Korporal Tillmann Anspach? Häh? Ruft ihn mal her! Wollen doch mal sehen, wessen Wort mehr gilt, das von einem ehrlichen Kriegsmann, der für die reine Lehre fechten tut, oder von so 'nem Bauern, der zu Fuße kommt und zu Pferde weiter will!"

Harm bekam einen roten Kopf und faßte nach der Hosennaht, wo er das Messer stecken hatte, aber er besann sich, denn er war einer gegen anderthalb Dutzend, und nun kam auch der Korporal an, ein Mensch, so dürr wie ein Bohnenstiefel und mit einer Narbe vom Auge bis zum Kinn, und hinter ihm noch ein Dutzend Reiter, die alle Gesichter hatten wie dem Gottseibeiuns seine Vetternschaft.

Als der Korporal hörte, wovon die Rede war, schüttelte er den Kopf, hob zwei Finger hoch und schwur: "So wahr ich hier auf zwei Beinen stehe," und dabei hob er den einen Fuß auf, "verdammigt will ich sein, wenn das nicht der Falbe ist, den ich zu Martini von Schlome Schmul zu Kölle am Rhing für dreißig schwere Taler und einen guten Weinkauf erstanden habe. Darauf will ich leben und sterben, so wahr ich ein getreuer Christenmensch und kein papistischer Hundsfott bin!"

Harm Wulf sah sich um: er stand zwischen dreißig oder mehr verwogenen Kerlen, denen es auf eine Handvoll Menschenblut weiter nicht ankam. Betrunken waren sie ja alle, und wenn er erst auf dem Falben saß und er gab ihnen die Eisen in die Zähne! Aber der Gaul war schließlich nicht wert, daß er sich dafür in Not und Gefahr begab, und das Tier hatte eine dumme Gewohnheit: es stand auf den Pfiff! Sollte es also einem von den Kerlen in den Kopf kommen, zu flötjen, dann war er der Dumme und seine Frau konnte auf ihn lauern, bis sie alt und grau war, denn drei, viere von den Koppelknechten machten schon ihre Messer locker, und das Frauensmensch da mit dem schwarzen Haare, von dem die Butter nur so herunterlief, stieß den Kerl, der neben ihr stand, den scheeläugigen mit den Blatternarben, in einem fort in die Rippen und machte Augen wie ein Wolf, der Luder wittert.

Harm Wulf lachte mit eins auf. "Kinder und Leute," juchte er, "das ist ja hier ein Leben, noch doller als beim Martensmarkt auf der Burg! Da wird so ein Haidbauer, als wie ich bin, der man alle halbe Jahre einen fremden Menschen zu sehen kriegt, ganz dösig von im Koppe. Ist ja auch wahr! Ich habe ja meinen Falben in der Burg! Ja, ja, man soll vor dem Mittagbrot den Schnaps aus dem Balge lassen. Na, denn nichts für ungut! Irren ist menschlich, sagte der Hahn, da gab er sich mit der Ente ab. Und nun wollen wir einen nehmen, daß die Haide wackelt!"

"Kiek sieh," schrie er lauthals, "da ist ja auch mein alter Freund," und damit nahm er den Mann mit dem schwarzen Schnauzbart, der die rote Feder auf dem Hute stecken hatte, unter den Arm und schrie über den Hof: "Howingvater, Trine, Deern, hille, hille! Bier her!"

Als die Reiter ihm lachend folgten, warf er einen Reichstaler auf das Fensterbört und sang: "Ich hab' noch einen Taler, der soll versoffen sein," stieß mit jedwedem an und machte seine Witze, aber dabei wahrte er sich den Rücken, behielt seine Lippen trocken und goß das Bier und den Schnaps über seine Schulter gegen die Wand.

Die hübsche Trina wußte nicht, wo sie so schnell Bier herkriegen sollte, so lustig ging es zu. Aber als sie zum achten Male wiederkam, war der Wulfsbauer nicht mehr da. Er hatte einen Witz von Ulenvaters quantester Sorte zum besten gegeben, und als die betrunkene Bande vor Lachen nicht wußte, wo sie bleiben sollte, und einer dem anderen, der sich auf die Landessprache nicht verstand, verklarte, was der Bauer gesagt hatte, und sich auf die Reithosen schlug und wie ein Ochse brüllte, da gab Wulf der Wirtin etwas in das Ohr, und auf einmal schrie die: "Das Essen ist da! Zum Essen!" Da standen alle auf und Wulf drückte sich hinter die Bäume.

Er kam glücklich davon. Einen Koppelknecht, der ihm in die Möte kam, stieß er mit der Faust unter das Herz, daß der Mensch ohne ein Wort in die Jauche schlug. Der Rotbart fragte ihn: "Brudder, libber Brudder, trinken wirr noch eins?" aber er gab ihm einen Buff, daß der Kerl mit dem Kopf in die Hecke schoß, und als das Taternmädchen Hallo schreien wollte, machte er ein paar Augen und hielt ihr das Messer vor das Gesicht, daß sie erst so weiß wie ein Bettuch wurde, ihn dann anlachte und sagte: "Ei a su a starkes Mahn, hiebsches Mahn!" Er aber trat sie von sich weg und sprang in den Busch, und als er erst dort war, da verholte er sich, biß die Zähne durcheinander, machte eine Faust und fluchte: "Ich sollte man bloß, ich sollte man, wenn ich noch ein lediger Kerl wäre! dann solltet ihr mir den Falben bezahlen, was er wert ist, ihr Schweinepack!"

Aber als er dann in der Haide war, beruhigte er sich, und als er meist beim Hofe war und seine Frau ihm entgegenkam, ganz weiß im Gesicht und ordentlich blau unter den Augen, denn noch keinmal war er so lange ausgeblieben, da konnte er schon wieder mit dem Munde lachen und ihr das, was ihm zugestoßen war, so erzählen, als wenn das bloß ein dummer Spaß gewesen wäre.

Doch als er hinterher in der Butze lag und überdachte, wie es ihm gegangen war, machte er die Finger an beiden Händen krumm. Wenn er nicht an seine Frau gedacht hätte, die da neben ihm lag und so ruhig schlief, als wenn es auf der Welt nichts und weiter nichts als lauter Engel gab, dann hätte er am liebsten geflucht wie sein Schwiegervater, wenn der ganz falsch war, loslegte: "Das tote Pferd soll dich schlagen!" hätte er geflucht.

Aber so lag er da, ohne sich zu rühren, obzwar ihm stickend heiß war. Den Morgen hatte er noch das Brummelbeerlied durch die Zähne geflötet, als er nach der Stadt ritt, und jetzt? Jetzt lag er da und dachte an das Lied, das der rotbärtige dicke Kerl ihm in das Gesicht gebrüllt hatte, derselbe Kerl, dem er nachher den Heckenstößer gezeigt hatte. Wie ein unkluges Stück Vieh hatte er gebrüllt:

Der Mansfeld kommt, der Mansfeld kommt, der Mansfeld ist schon da, truderiderallala, jetzt ist der Mansfeld da.

Die Braunschweiger

Am folgenden Tage aber, als der kleine Hermke auf seinen Knieen Hopphoppreiter machte, ihm die Ohren lang zog und lustig krähte, bekam er wieder helle Augen, doch als er nachher säete, wollte ihm das, was er im Kruge belebt hatte, nicht aus dem Sinne.

"Das soll doch mit dem Deubel zugehen," dachte er, "daß ich dem hergelaufenen Kerl das Pferd für nichts und wieder nichts lassen soll und obendrein noch einen ausgeben muß!" Er dachte lange über die Sache nach und weil er doch auf dem Ulenhofe zu tun hatte, besprach er sich mit seinem Schwiegervater.

"Tja," sagte Ulenvater und spuckte in das Feuer, "tja, das ist eine dummerhaftige Sache. Du kannst den Schaden ja wohl bören, aber ein Pferd ist doch kein Hühnerei und reichlich gut zum Verschenken. Weißt du was? Ich habe sowieso in Celle zu tun, und da wollten die Völker ja hin, wie du sagst. Ich will mal sehen, was sich machen läßt. Ich komme mit den Herren vom Hofe ganz gut aus, seitdem sich unser Herzog damals hier auf der Jagd über das wilde Schweinelied halb ungesund gelacht hat. Vielleicht ist es gut, daß du mitfährst. Heute kann ich nicht, aber morgen."

Sie fuhren dann auch am andern Morgen los. Es war wieder ein schöner Tag; die Lerchen sangen über der Haide und im Bruche flötete der Kolüt. Die beiden Bauern aber sahen brummig vor sich hin und als sie vor sich drei Reiter zu Gesicht bekamen, faßte Harm die Zügel fester und Ulenvater legte die Pistole, die er mitgenommen hatte, neben sich in das Wagenstroh. Die Reiter aber ritten vorbei, indem sie ihnen nur eben dankten, als sie ihnen die Tageszeit boten.

Es waren drei Kerle mit Gesichtern, wie sie der Teufel nicht besser haben kann; der eine konnte seine Augen gar nicht von dem Gespanne wegkriegen, und als Harm sich umdrehte, sah er, daß sie haltgemacht hatten und miteinander redeten. Aber dann setzten sie sich in Trab und ritten quer in die Haide hinein.

Noch allerlei Volk begegnete ihnen; zuerst zwei Landstreicher, dann drei, dann Tatern, die mit ihrem Planwagen dahergezogen kamen, und in dem es von nackigten Kindern wimmelte. Eins davon, ein Mädchen, das wohl schon an die dreizehn Jahre alt war, aber so bloß war wie ein Fisch, sprang aus dem Wagen und ehe Harm es sich versah, saß es bei ihm auf dem Sattelpferd und bettelte ihn an und drei, vier andere machten sich bei Ulenvater im Wagen zu schaffen.

"Das Takelzeug ist noch zäher als wie Hirschläuse," meinte der Wulfsbauer, als sie die nackte Gesellschaft abgeschüttelt hatten, und er setzte hinzu: "Was für Völker jetzt im Lande herumstromen! Eine Schande ist es, daß da nichts getan wird! Gaudiebe und Vagelbunden sind beinahe die Herren jetzt. Wenn das so beibleibt, kann es noch gut werden."

Indem er sich nach den Zigeunern umsah, wurde er gewahr, daß die drei Reiter umgedreht hatten und hinter ihnen herkamen. Das schien ihm verdächtig und deshalb ließ er die Pferde ordentlich laufen; so kam er früher vor der Stadt an, als die Reiter.

Bei dem Tore sah es bunt aus; eine Menge fremden Kriegsvolkes lag dort, und als die Bauern den Wächter fragten, was das für eine Bewandtnis habe, hörten sie, daß das allerlei Gesindel war, daß der Halberstädter Bistumsverwalter Christian von Braunschweig gegen die Kaiserlichen angeworben hatte. Die Leute hielten sich ziemlich anständig, denn sie lagen unter den Kanonen der Stadt und eine Abteilung herzoglicher Kriegsknechte unter einem Hauptmann paßte auf, daß sie keinen Unfug anstellten. Aber Harm dachte sich, als er sie besah: "Die mehrsten sehen aus, als wenn sie mit einem Strick um den Hals weggelaufen sind."

In Celle spannten sie in der Wirtschaft zur goldenen Sonne aus, wo sie gut bekannt waren, und frühstückten mit vier Bauern aus dem Gau Flottwede. "Wir werden bald allerlei gewahr werden," meinte der Wathlinger Burvogt; "die Wienhäuser Nönnekens haben sich schon dünne gemacht, denn sonst könnten sie wohl bald ihr Nonnenfleisch losgeworden sein. In Altencelle haben die Halunken von Kriegsleuten den Bauern mit Gewalt die Würste und Schinken genommen und sie obendrein mit Schlägen zugedeckt. Der Vollmeier Pieper in Burg liegt auf den Tod; er wollte es nicht leiden, daß sie sich an seinen Töchtern vergriffen, und da hat ihm ein Kerl mit dem Säbel über den Kopf geschlagen, daß der Brägen herauskam."

Er sah sich um und flüsterte dann: "Der Kerl, der das getan hat, ist aber auch verschwunden; es wird gesagt, die Knechte haben ihn um die Ecke gebracht. In Wathlingen sind auch zwei von den Brüdern fortgekommen. Meinen Segen haben sie!"

"Das ist das eine," sagte ein Bauer aus Eicklingen, "das ist das eine. Seines Lebens ist man nicht mehr sicher, und dazu kommen noch die Steuern. Der Landtag hat die dreifache Schatzung ausgeschrieben und es heißt, daß das nicht das letztemal sein soll, denn das Land braucht jetzt Geld für Soldaten. Ja, das ist wohl so, und das wäre auch noch auszuhalten, aber dann kommen die fremden Völker und legen uns auch noch allerlei Lasten auf, das heißt, wenn sie nicht überhaupt nehmen, was sie kriegen können. Pohlmanns Ludjen haben sie eine milchende Kuh von der Weide genommen, und als er wenigstens Geld wollte, haben sie ihn ausgelacht, und als Hein Reimers vom Felde kam, ist er zwei gute Pferde auf die Art losgeworden. Wenn das so weiter geht, gibt es kein Recht und kein Gesetz mehr!"

Nun erzählten die Ödringer, weswegen sie nach Celle gekommen waren; aber alle meinten, sie sollten den Falben ruhig in den Rauchfang schreiben, denn wenn die Obrigkeit hinter alle solche Sachen hinterfassen sollte, dann hätte sie viel zu tun. Ul aber meinte, versuchen wollte er es doch und ging los.

Nach zwei Stunden kam er wieder und ließ den Kopf hängen, wie ein krankes Huhn. Ganz begossen sah er aus. "Ja, Junge," sagte er, "ist das ein Betrieb! Angeschnauzt haben sie mich; ich sollte sie mit solchen Dummheiten in Ruhe lassen, denn sie hätten Notwendigeres zu tun, als hinter deinem Pferde herzulaufen. Na, so unrecht haben sie ja nicht, denn wie mir der zweite Koch erzählte, geht es ja jetzt in der Welt her, wie in einem Ameisenhaufen, bei dem der Specht zugange ist. Die Kaiserlichen kommen von der einen, der Braunschweiger und der Durlacher von der anderen Seite, und was unser regierender Herzog ist, der muß zusehen, daß er sich nicht dabei die Finger klemmt. Na, Mertens meinte, Herzog Georg, den sie doch zum Kreisoberst gemacht haben und der an die zwanzigtausend Mann unter sich hat, der wird schon dafür sorgen, daß sie uns nicht lebendig schinden. Aber den Falben bist du darum doch quitt. Tors Pferd soll den Kerl schlagen!"

Er schlug sich Feuer für seine Pfeife, spuckte vor sich hin und sah seinen Eidam an: "Ich weiß nicht, ich glaube, es geht nicht anders: wir müssen daran denken, was dein Großvater immer sagte: Helf dir selber, dann helft dir auch unser Herregott! Denn warum? Die Obrigkeit, die wird alle Hände voll zu tun haben, daß sie im allgemeinen für Ordnung sorgt, soweit das angeht; der einzelne Mann muß sich selber wahren. Ich weiß man nicht, wie wir das anstellen sollen; denn was sollen wir zum Beispiel machen, wenn solche Galgenvögel, wie sie vor dem Tore liegen, hundert Stück und mehr, nach Ödringen verschlagen werden?"