Der weiße Heiland - Gerhart Hauptmann - E-Book

Der weiße Heiland E-Book

Gerhart Hauptmann

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Beschreibung

Hauptmanns Versdrama rund um die spanischen Eroberungskriege. Eindrucksvoll entführt der Dichter in das Mexiko um 1500. Der legendäre spanische Eroberer Cortez macht sich auf den Weg in die Hauptstadt des Aztekenreiches. Es kommt zum Krieg der beiden Kulturen und vor eindrucksvoller Kulisse entspinnt sich ein Ränkespiel aus Macht und Gewalt, an dessen Ende das wahre Wesen des "weißen Heilands" zutage kommt.-

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Gerhart Hauptmann

Der weiße Heiland

Dramatische Phantasie

Saga

Der weiße Heiland

 

Coverbild/Illustration: Shutterstock

Copyright © 1920, 2021 SAGA Egmont

 

Alle Rechte vorbehalten

 

ISBN: 9788726956955

 

1. E-Book-Ausgabe

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.

 

www.sagaegmont.com

Saga ist Teil der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt.

Dramatis Personae

Montezuma, Kaiser von Mexiko Guatemotzin, sein Sohn Cacamatzin, mexikanischer Fürst Qualpopoca, mexikanischer Fürst Marina, eine Mexikanerin Der Priester des QuetzalcoatlDer Oberpriester des HuitlipochtliErster Opferpriester des Huitlipochtli Zweiter Opferpriester des Huitlipochtli Der Erste GelehrteDer Zweite GelehrteDrei Töchter MontezumasFernando CortezPedro de Alvarado, Ritter Las CasasGomara, Hausgeistlicher des Cortez Pater OlmedoDiego OrdazChristoval de GuzmanDon Juan XamarilloJeronimo de AguilarBernal DiazGonzalo de SandovalVelasquez de LeonMartin LopezErster OffizierZweiter OffizierEin WundarztSpanische Ritter und Soldaten, Mexikanische Adlige, Haushofmeister des Cortez, Tempeldiener, Krieger, Läufer, Diener, Mädchen, Weiber und das Volk.

Erste Szene

Ein Gemach im kleinen Tempel des Quetzalcoatl zu Tenochtitlan. Ein mit astronomischen Zeichen bedeckter Vorhang verschließt die hintere Hälfte des Raumes. Davor steht ein Priester.

Montezuma erscheint, mit geringem Gefolge, das sich in der Entfernung

hält, darunter Cacamatzin und Guatemotzin.

Montezuma

Nachdem er langsam und wie geistesabwesend auf und ab geschritten ist, bleibt er vor dem Priester stehen.

Sprich mir von dem weißen Gotte,

Priester! Ich will jene Mär

wieder hören! Welche, weißt du.

Der Priester

Die Altvordern deines Hauses,

allgewalt'ger Herr und König,

unterwarfen dieses Land.

Der Gebieter ihrer Scharen

war, wie du, ein Sohn der Sonne.

Bist du seines Bluts und göttlich,

nennen Kunden unsrer Tempel

ihn sogar den Sonnengott.

Als er seiner Kinder Herrschaft

unbesiegbar hier gegründet,

schwang er sich zurück zum Himmel

auf den Flammenthron des Weltalls.

Montezuma

Die Verheißung melde mir.

Der Priester

Die Verheißung, die der Gott

seinen Priestern hier zurückließ,

lautet: Wenn dreitausend Sommer

auf der Winter Schnee gefolgt sind,

kehre er zu euch zurück,

um die lang verbannten Kinder

heimzuholen in den Glanz.

Montezuma

Und die Rechner Eurer Gilde,

die auf Jahr und Stunde achten,

meinen nun ...?

Der Priester

Die Zeit sei nah,

glauben wir, der Wiederkehr,

wo zum andernmal die Gottheit

mit dem Goldhelm niedersteiget,

Himmelsfarbe in den Augen,

weißen Glanz im heil'gen Antlitz,

golden flüssiger Strahl ihr Haar.

Montezuma

Ich bin häßlich!

Der Priester

Sohn der Sonne:

wenn der Nebel deines Trübsinns,

durch dies Wort, gleich einer Wolke,

deiner Schönheit Blitz auch schwächte,

blendet sie das Auge dennoch,

daß es schmerzend sich verschließt.

Montezuma

Priester, ist die mächtige Gottheit

weiß von Antlitz, weiß von Haaren,

weiß gegliedert, blauen Auges,

scheint's, daß sie mich haßt, nicht liebt.

Oder weshalb wär' ich sonst

schwarzen Haars und schwarzen Auges?

Ekler, dunkelfarbiger Haut?

Warum wißt ihr nicht zu sagen,

weshalb mein Geschlecht verbannt ward

in die traumbeladne Welt?

Was wir wohl an ihm gesündigt,

dem Urvater unsres Blutes,

daß er uns so hart gestraft hat?

Ihr verdient den Tod, ihr habt

Gottes Wort nicht treu bewahrt. –

Und wie steht's mit den Gerüchten,

daß ein Volk von fremden Räubern,

weiß und mördrisch wie Dämonen,

über unsre Grenzen einbricht?

Die bestürzten Boten stammeln

Dinge, die unfaßbar sind:

glaubt man ihnen, tragen jene

Blitz und Donner in der Faust,

reiten wilde Fabeltiere,

feuerspeiend und geflügelt,

töten fernhin, nur im Wink.

Der Priester

Herr, du kamst zur rechten Stunde.

Von den Grenzen deines Reiches

dringt verworrenes Gerücht:

jene fürchterlichen Fremden,

heißt es, warfen deinen Erbfeind,

bändigten die Tlascalaner,

herrschen jetzt in ihrer Hauptstadt.

Doch unsterblich sind sie nicht.

Montezuma

Was uns Dienern des Mexitli

nie gelang: gelang es ihnen,

müssen's Göttersöhne sein.

Und was mehr: sie sind uns freundlich.

Cacamatzin, fünfundzwanzig Jahre alt, ein Fürst im Gefolge des Montezuma, wirft sich in Devotion vor ihm nieder.

Du willst reden, Cacamatzin.

Sprich!

Cacamatzin

O Herr, trau nicht den Teufeln,

die das große Wasser ausspie!

Gib Befehl an die Provinzen,

aufzubieten deine Kriegsmacht,

jeden, bis zum letzten Mann!

Denn sie kommen nicht als Freunde,

jene scheußlichen Dämonen,

ärgre Feinde hatt'st du nie.

Montezuma

Priester, weiter! Deine Worte

sind mit Himmelsglut geschwängert,

Ahndungen durchschüttern mich.

Was will mir dein Blick verkünden,

schillernd, nenne dein Geheimnis!

Denn noch mehr verbirgst du mir.

Der Priester

Sohn der Sonne, was in Knoten,

was in Bilderschrift bewahrt ist,

was im Volk lebendig umgeht

von der Wiederkunft des Heilands –

o erdrückender Gedanke! –,

scheint es, wird zu Wirklichkeit.

Doch die Diener Quetzalcoatls,

der da kommt – sind nicht unsterblich!

Montezuma

Wie denn weißt du das?

Der Priester

Ich weiß es!

König! Wunder, die geschahen,

grausige, sind zu berichten.

Alles fügt sich, klar am Tage,

nach der Überlieferung.

Doch es hat Unwissenheit

sich auch allbereits versündigt

an den Dienern Quetzalcoatls:

schwerer Sorgen voll verkünd' ich's,

und die Wahrheit siehe hier.

Der Vorhang öffnet sich, und man erblickt das abgeschlagene langgelockte Haupt eines spanischen Ritters, in einer goldenen Schüssel, auf dem Altar. Dieser ist von Tempeldienern flankiert.

Montezuma

der zuerst nicht erkennt, nähert sich langsam dem abgeschlagenen Haupte, zittert und steht tief erschüttert still. Dann entringt sich seinen Lippen

's ist ein Sonnensohn!

Der Priester

Nicht anders!

Ganz so wie die Schrift ihn schildert,

doch ihm fehlt Unsterblichkeit.

Montezuma

Wer weiß das, voreiliger Priester?

Ist die Gottheit nicht allmächtig?

Und, beleidigt, will sie strafen,

jeden Zaubers Herrscherin?

Laßt mich schauen! Schweigt! Entfernt euch

Und wo ist die Frevlershand,

die ein Haupt, das zu berühren

Ehrfurchtsschauer mir verbieten,

von dem Gottesleib getrennt hat?

Wo der Mann, den Ewigkeiten

zu entsühnen noch zu kurz sind?

Wo? Ich will es wissen! Wo?

Der Priester

Wo der Täter dieses Mordes

sein verfluchtes Leben fristet:

niemand weiß es! Denn ein Jäger

des Kaziken Qualpopoca,

der Statthalter ist zu Nautla,

fand im Forst dies heilige Haupt.

So berichtet mir der Fürfürst.

Montezuma

Qualpopoca schläft zu Nautla,

liegt zu Bett, ja liegt im Grabe:

tote Diener sind mir unnütz.

Und wie kam dies Haupt hierher?

Der Priester

Dein Vasall hat es gesendet.

Montezuma

Wie?

Der Priester

Durch einen Bauern, Herr,

der's in einem Sack hierhertrug.

Montezuma

wendet steh an sein Gefolge

Hört ihr dies? O Guatemotzin!

solche Diener hat dein Vater:

dumpfe Tiere, ohne Sinn!

Welche Schande! Nicht in goldner

Herrschersänfte des Kaziken,

nicht von Königen geleitet,

nicht im langen Zug der Priester

unterm dumpfen Paukendonner

unsrer Tempel zog es ein,

dieses Haupt, in unsre Hauptstadt,

sondern schmählich und entwürdigt.

Blutige Sühne fordert das!

Guatemotzin

wirft sich vor Montezuma nieder

Kaiser, Gnade! Nicht ein jeder

sieht dies Haupt wie du mit Lust:

Graun, ja Haß erzeugt's in anderen,

kalte Schrecken haucht es aus.

Der Priester

Nicht dem Wissenden. Sieh dies.

Tempeldiener bringen den vergoldeten Kriegshelm des Spaniers.

Montezuma

staunend

Eines Gottes Kriegshelm! Köstlich! –

Guatemotzin! Cacamatzin!

Eure Schrecken sind erklärlich.

Nur der Gottentstammte kennt

nicht die Furcht beim Nahn der Götter.

Und sie nahn: wer zweifelt noch?

Ich ertrag' es nicht, mein Herz

hämmert allzu wild vor Freuden.

Heilige Schauer töten mich.

Er faßt nach seinem Herzen, das Gefolge eilt herzu und stützt ihn.

Zweite Szene

Ein Saal im Palaste des Montezuma in Tenochtitlan. Die Wand entlang harren Diener. Die fürstlichen Jünglinge Cacamatzin und Guatemotzin schreiten auf und ab in Erwartung des Kaisers. Es ist früher Morgen.

Cacamatzin

Furchtbar ist's: nichts überzeugt ihn.

Guatemotzin

Welch ein Irrwahn. Mögen jene

Blitz und Donner mit sich führen,

brausend Sonnendrachen reiten,

unverwundbar sind sie nicht.

Cacamatzin

Nein! Das ist es! Was verröchelt

unter Feindesfaust, ist sterblich.

Sterblich aber und verweslich

sind die wahren Götter nicht.

Guatemotzin

Nichts von Göttern! Aas, nichts weiter

war das weiße Haupt im Tempel.

Eklen, blutverfilzten Haares,

schielenden, gebrochnen Blickes.

Der dies Haupt auf seinen Schultern

trug, von riesigem Geschlechte

mag er, mag ein Gottmensch sein:

doch er kämpfte, ward erschlagen,

litt und starb in seinem Blute,

er verzuckte so wie wir.

Cacamatzin

Überzeug ihn! Felsenstarre

hält des Kaisers Sinn gefesselt.

Grade das ist ihm Bestät'gung,

was du von dem abgeschlagnen

blutigen Haupt im Tempel sagst.

Götter, spricht er, sind's trotzdem.

Ihr seid Menschen, wißt von Menschen,

so erklärt er immer wieder:

Ich nur bin der Sonne Sohn,

bin ein Tonatiuh und kenne

Sonnenkinder und ihr Schicksal!

Der Kazike Qualpopoca tritt ein.

Qualpopoca

Junge Fürsten, gebt mir Auskunft:

Ist der Kaiser schon erwacht?

Guatemotzin

Nein!

Qualpopoca

So sagt mir, die ihr stündlich

in des Kaisers Dunstkreis atmet,

Zeugen jeder Laune seid,

die des Herrschers Antlitz streifet,

was bewog die Majestät

grade jetzt, mich herzurufen?

An der fernen Landesgrenze

bin ich nötiger als hier.

Cacamatzin

Herr, wir wissen's.

Qualpopoca

Ins entblößte

Nautla brechen fremde Räuber.

Riesen, die dem Blitz gebieten.

Doch es sei durchs Schwert, durch Blitze:

stirbt man doch nur einen Tod.

So vermocht' ich's, meinen Kriegern

Mut zu machen, bis sie standen,

mutig kämpften wie die Leuen.

Doch was soll ich hier, wo jeder

Augenblick, den ich verweile,

Städte, Land und Leute kostet ...

Guatemotzin

Herr, Ihr saht sie? Saht sie selber?

Saht sie lebend? Saht sie wirklich?

Reitend auf den Sonnendrachen?

Fernhin mordend durch den Blitz?

Ist es wahr, was man berichtet?

Oder hat die niedre Menge

Furchtgespenster ausgeheckt?

Qualpopoca

Sie sind sterblich! Sie sind sterblich!

Eh ich's wußte – sollt' ich lügen? –,

ward selbst ich von Furcht gelähmt.

Seit ich's weiß, bin ich entschlossen.

Jener Tag, wo ich's erfuhr,

jene Stunde sei gesegnet.

Unsre schwarzen Panther hatten

einen von den weißen Göttern,

von den Donnrern, heimgebracht.

Schaudernd nur band ihn der Priester

an den runden Block aus Jaspis;

wie der Mondgott, rund gebogen,

hing der Riese regungslos.

Und wir zagten! Zagten lange:

sollten wir die Trommeln rühren

und den Opferbrauch vollziehn?

Denn wie aus dem Kern der Sonne

schien in Wahrheit uns geschnitten

dieser rückgebäumte Leib.

Lichte Götterarme spreizend,

schien's, er warte eines Winkes,

um mit seinem Opferblocke

machtvoll sich emporzuheben

in den Strahlengrund des Lichts.

Doch ich winkte, und die Diener

stießen in die großen Muscheln!

Und des Teocalli dumpfe

Pauken kündigten dem Kriegsgott

unser kühnes Opfer an.

Sei es drum, mag sein, ich bebte,

als der Priester jetzt den Steindolch

zaudernd, wie mir schien, erhob:

doch nur einen Augenblick!

Dann entriß sich mir ein Brüllen,

als der weiße Gott sich färbte

und ein Blutstrahl schwarz hervorschoß. –

Und ich trat hinzu, ihr jungen

Fürsten, daß der heiße Regen

die Gewänder mir verdarb,

unverwandten Auges forschend

jede Regung des Gewaltigen,

als man ihm das Herz herausbrach.

Furchtbar schweigend war sein Blick,

als er seines eignen Herzens

rauchend Pulsen sah. Dann starb er.

Starb, wie jeder stirbt! Ward kraftlos,

wurde schwer und schlaff und starb.

Cacamatzin

Und das abgeschlagne Haupt

ist das seine?

Qualpopoca

Ja, du sagst es.

Schrieb ich gleich, es sei im Walde

samt dem Helme aufgefunden.

Cacamatzin

Was, den Hergang nach der Wahrheit

zu berichten, hielt dich ab?

Qualpopoca

Vorsicht war's, um des Mexitli

Tempelpfaffen nicht zu kränken

in des Reiches erster Stadt,

denen dieses Opfer zustand.

Cacamatzin

Wißt ihr, daß der junge Priester

Quetzalcoatls, den des Kriegsgotts

blutige Priester tödlich hassen,

sei's durch Schlauheit oder Fügung,

in Besitz des Haupts geriet?

Und es, selbst wie eine Gottheit,

auf des Sonnengottes Altar

zwischen Gold und Blumen ausstellt?

Und so wies er's unserm Kaiser,

der, verfolgt von diesem Toten,

Fabelträumen unterliegt.

Montezuma, gefolgt von Dienern, tritt schnell ein.

Montezuma

Wovon sprecht ihr?

Schweigen.

Euer keiner

will das Wort dem andern rauben.

So viel Edelmut beschämt mich,

und um es euch gleichzutun,

schenk' ich allen euch die Antwort.

Er schreitet langsam und in sich versunken die Reihe der Diener ab. Diese sowie die Standespersonen haben um ihre kostbare Tracht beim Eintritt des Kaisers unscheinbare Überwürfe zusammengezogen.

Ich bin einsam. Frost umgibt mich.

Niemand liebt mich. Knechte schenkt mir

nur und Feinde diese Welt!

Meine Töchter!

Es werden drei schöne Mädchen zwischen elf und vierzehn Jahren gebracht. Schweigend stehen sie vor ihm. Er streicht nachdenklich über ihre Scheitel.

Kennt ihr mich?

Seht, sie zittern! – Nennt mich Vater! –

Nennt mich Vater! oder geht!

Die Töchter werden hinausgeführt.

Ich bin einsam. – Knechte seh' ich,

keine Freunde, keine Brüder,

keine Götter um mich her!

Qualpopoca

nähert sich in tiefer Devotion

Zwar nicht Götter, auch nicht Brüder

deiner Hoheit sich zu nennen

darf dem Rate der Vasallen

deines Reichs verstattet sein.

Auch der Freundschaft Ruf erreichet

nicht des Sonnensohnes Gipfel.

Doch was Ehrfurcht nicht verbietet:

Lieb' und Treue hegen wir.

Montezuma

Warum kehr' ich immer wieder

aus der Höhle meines Innern

in das falsche Licht zurück,

wo die Ohnmacht meines Daseins

mich aus ödem Raum umängstet?

Nichts vermag ich. Und das heilige

Gottesblut, das in mir rollt,

wenn ich schlummre, wenn ich träume,

stockt wie Blei am wachen Tag.

Helft mir, helft mir: ich bin elend!

Bin ein Bettler nur, kein Kaiser,

und der Leichnam meines Selbst. –

In den Schoß und Kern der Sonne

eingegangen, heimgenommen,

ruh' ich selig und bewußtlos

nachts in traumlos tiefem Schlaf

oder wirke in die Träume

schaffend mit der Lust der Gottheit.

Dann verbreit' ich schöpferischen

Winkes Welten, wölbe Himmel,

schleudre, wie der Sämann Körner,

Sternensaaten in den Raum.

So ins Große, so ins Kleine,

wünschend ohne Wunsch, mich wandelnd,

schalt' ich über Weltalls Grenzen

oder bilde diese Erde

frei zum Paradiese aus.

Täler, Ströme treten lautlos

aus dem Äther in ihr Dasein,

Inseln steigen, und ich bilde

glückbeschenkte Menschenvölker,

Vögel, Fisch und Wurm hinein.

Doch was red' ich! Mich umgeben

wachend widerliche Dinge,

die mir fremd und sinnlos sind. –

Qualpopoca, sei willkommen:

welche Sorge führt dich her?

Qualpopoca

Dein Befehl!

Montezuma

Befehl? Behüte

uns vor Hochmut! Mir befehlt ihr,

mächtige Fürsten! Nicht ich euch.

Denn bei euch ist Macht und Klugheit.

Qualpopoca

Mein Gebieter, was verbrach ich?

So verhöhnt man Missetäter,

deren Urteil schon gefällt ist.

Montezuma

Urteil fällen steht bei dir.

Ich bin nur ein Tor und kindisch.

Qualpopoca

Herr, du strafst mich grausam.

Montezuma

Oh,

hätt' ich Macht, ein Haar zu krümmen!

Oder wo in meinen Reichen

lebt ein Mann so frei von Tücke,

daß er zehnmal nicht des Tages

heimlich mich bei sich verrät?

Qualpopoca

Herr, wär's auch mein eignes Blut,

wär's mein Sohn, der nur von ferne

dächte, was du jetzt gesagt hast,

schleppt' ich ihn vor deine Henker

oder schlüg' ihm selbst das Haupt ab.

Montezuma

Du bist heftig!

Qualpopoca

Mehr als heftig.

Denn ich fürchte nicht den Tod

halb so sehr als eine Meinung,

die, wie deine, mich ins Herz stößt.

Montezuma

Trotz! Ich kenn' ihn! Meine Henker

sollen seine Söhne würgen:

er erwürgt den Willen mir.

Du bist falsch, denn du betrogst mich.

Oder ward der Sonnensohn

nicht im Tempel hingeschlachtet?

Qualpopoca

Ja! Es ist geschehn! Ich log!

Montezuma

Auf den Richtblock!

Cacamatzin

Sonnenkaiser!

Auch mein Leben nimm, auch mich!

Montezuma

Giftiges Gewürm umkriecht mich,

feig und falsch und blind den Grund,

den ich trete, unterwühlend:

Ihr seid Schlangen! Säulen nicht.

Säulen brauch' ich, Fundamente

meiner Herrschaft, Pfeiler! Balken!

die den Tempel meines Hauses

gründen, türmen, tragen, halten

wider Zeit und Ewigkeit!

Guatemotzin

Herr, das ist es: wir sind Pfeiler!

Doch du gräbst uns aus dem Grunde,

und so sinken wir dahin.

Aber lieber will ich selber

in die Nacht des Todes eingehn

als in jene, die herannaht,

wenn der fremde Teufel siegt.

Montezuma

Er wird siegen! Stürzt denn köpflings

in die Gräber eures Glücks,

Toren, die ein Irrwahn blind macht!

Wer bin ich, und wer seid ihr,

die ihr meinem höh'ren Wissen,

meinem göttlichen, zu trotzen

blöden Sinns euch unterfangt.

Überschritten unsre Grenzen

hat der Gott, hat Quetzalcoatl,

meines Hauses heiliger Urahn:

jede Fiber meines Leibes,

froh erschauernd, sagt es mir.

Und ihr wollt wie Gottverlaßne,

wie Verdammte ihn bekriegen?

Ihn, der donnernd kommt, im Lichthelm,

überschleichen, morden, opfern,

schlachten wie ein jagdbar Tier?

Qualpopoca

Herr, in meiner letzten Stunde

sag' ich noch, du bist im Irrtum.

Jenes Rudel weißer Wölfe

hat der Abgrund ausgespien,

und ihr Leitwolf ist kein Gott.

Montezuma

Ruft den Priester Quetzalcoatls!

Qualpopoca

Quetzalcoatls? Seine Priester

hassen Krieg und meiden Blut.

Ihnen scheint ein Bettler göttlich.

Montezuma