Der Wiener Alltagspoet fährt U6 - Andreas Rainer - E-Book

Der Wiener Alltagspoet fährt U6 E-Book

Andreas Rainer

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Beschreibung

"Andreas Rainer ist der Vermesser der Wiener Seele" Falter Seit vier Jahren hört Andreas Rainer Wien nun schon zu und sammelt Kleinode aus der Großstadt für seine Seite Wiener Alltagspoeten. Nun hat er selbst zur Feder gegriffen - und einen Fahrschein für die U-Bahn gelöst: In 17 Geschichten im Takt der U6 zeichnet er das Bild einer Stadt, in der man mit Prunk um sich wirft, während zwanzig Meter weiter bereits die Welt untergeht. "Wer durch Wien geht, streift unzählige Schicksale und Alltage. Tragödie und Komödie liegen nebeneinander auf der Straße. Irgendwann dachte ich mir: Das muss man aufschreiben. Für all die Alltagspoeten da draußen." Andreas Rainer

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Andreas Rainer

Der Wiener Alltagspoetfährt U6

story.one - Life is a story

1. Auflage 2022

© story.one – the library of life – www.story.one

Eine Marke der Storylution GmbH

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags, der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen sowie Übersetzung, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Copyright-Inhabers reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Sämtliche Angaben in diesem Werk erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr. Eine Haftung der Autoren bzw.

Herausgeber und des Verlages ist ausgeschlossen.

Gesetzt aus Minion Pro und Lato.

© Coverfoto: Andreas Hofer, www.andreas-hofer-fotograf.at

© Fotos: Andreas Hofer, www.andreas-hofer-fotograf.at; Erich Karnberger, iStock; Mohammad Reza Razmpour, Unsplash; zodebala, iStock; Arno Senoner, Unsplash; Dorsa Fathollahi, Unsplash

Printed in the European Union.

ISBN: 978-3-903715-20-2

eISBN: 978-3-903715-21-9

Wer durch Wien geht, streift unzähligeSchicksale und Alltage. Tragödie undKomödie liegen nebeneinander aufder Straße. Irgendwann dachte ichmir: Das muss man aufschreiben. Fürall die Alltagspoeten da draußen.

FAHRPLAN

„Bitte alle einsteigen“

Das wahre Meer der Wiener

Träumen von Nowosibirsk

Rauschzustände

Schlaganfälle und Traummaschinen

Zwei Happy Hours und eine Mondfinsternis am Wiener Gürtel

Am Brunnenmarkt

Im Chelsea geht die Nacht zu Ende

Zwischen Abgrund und Jenseits

Der Anfang der Welt

Moon River im Westend

Von Hietzing nach Wien

Helden von übermorgen

Die Diagnose

Flucht ans Schöpfwerk

Wiens Manhattan

Die unerträgliche Pünktlichkeit der Wiener Öffis

Gürtel-Sightseeing-Tipps

„Bitte alle einsteigen“

Eine der ersten Einsendungen, die ich nach der Gründung der Wiener Alltagspoeten erhalten habe, lautete: „Welche Institution in Wien enthält Vertreter aus mehr als 190 Staaten?“ Die Antwort lautet: die U6. Bis zum heutigen Tag habe ich dieses Zitat nicht veröffentlicht – vielleicht habe ich es mir für dieses Buch aufgehoben.

Die U6 durchquert die Stadt nicht nur geografisch von Norden nach Süden, von Transdanubien bis Liesing. Sie bildet auch mental einen Querschnitt durch Wien. Wer wissen möchte, wie Österreichs Hauptstadt wirklich lebt, atmet und riecht, der muss nur einsteigen und mitfahren. Auch wenn der Kebabgeruch mittlerweile durch das Essverbot (weitestgehend) eliminiert wurde, und selbst wenn einige der Geschichten über Wiens sagenumwobene U-Bahnlinie vielleicht doch nur Legenden sind, ist die U6 für die Wiener ein dankbares Thema: Jeder kann mitreden, und jeder hat diese eine, wahnwitzige Anekdote, die stets nach dem dritten Bier ausgepackt wird, und von der man selbst nicht so genau weiß, ob sie tatsächlich so stattgefunden hat. Ihr Ruhm reicht dabei weit über die Grenzen der Stadt bis hinein in entfernte Bundesländer. Manchmal beobachte ich Schülergruppen aus der Steiermark oder Tirol, die zum ersten Mal in ihrem Leben U6 fahren. Gespannt warten sie darauf, dass eine der vielen Anekdoten, die sie im fernen Spielberg oder Wörgl gehört haben, vor ihren Augen Wirklichkeit wird.

Vielleicht habe ich selbst einen kleinen Teil zur Bildung dieses Mythos beigetragen, schließlich bietet die U6 auch die Bühne für etliche Zitate meiner Wiener Alltagspoeten. Für dieses Buch habe ich aber beschlossen, das Zuhören sein zu lassen, das Mikrofon auf Pause zu stellen. Hier geht es nicht um die Geschichten der Menschen da draußen, sondern um die einer einzigen Person: von mir selbst.

Da die folgenden Beobachtungen im Lauf vieler Jahre erlebt wurden, wird in einigen von ihnen noch in Lokalen geraucht, in der U-Bahn gegessen und ohne Maske gefeiert. Manche der erwähnten Schauplätze sind mittlerweile umgebaut, renoviert oder abgerissen worden, sodass sie der eine oder andere jugendliche Leser vielleicht gar nicht erkennen wird. Ich nehme euch nicht nur mit quer durch die Bezirke Wiens, sondern auch durch die letzten zwanzig Jahre dieser Stadt – und meines eigenen Lebens. Wien ist geduldig, die Stadt lässt jeden in ihr leben und jeden über sie schreiben. Sie war Schauplatz so vieler Erzählungen, Theaterstücke, Filme und Romane. Unzählige kleine und große Kleinode sind von ihren Straßen aufgesammelt und festgehalten worden. Die folgenden Texte mögen deshalb im gesamthistorischen Kontext kaum ins Gewicht fallen. Vielleicht sind sie nur winzige Leuchtpunkte inmitten eines Lichtermeers an Erzählungen. Doch sie alle zusammen sind die Geschichten meines Lebens.

Wien hat viel zu erzählen. Doch wenn der Lärm der Stadt zu viel wird, setzt sogar der Wiener Alltagspoet manchmal die Kopfhörer auf. Der Soundtrack zum Buch. The Naked And Famous – Punching In A Dream

Neue Donau: Das wahre Meer der Wiener

„In Afghanistan gibt es diesen See, nur zwanzig Minuten von Kabul entfernt. Wenn ich hier an der Donau sitze, die Augen schließe und einatme, dann glaube ich für einen Moment, wieder zu Hause zu sein“, erzählt ein junges Mädchen mit Kopftuch in fast akzentfreiem Deutsch. Die ihr gegenübersitzende, deutlich ältere Dame zündet sich eine Zigarette an, ohne Feuerzeug, sondern den gerade erlöschenden Vorgänger verwendend. „Da is’ sicher a schen“, antwortet sie in breitem Wienerisch. Als Dritter in der ungleichen Runde sitzt ein Mann, der jünger ist als die Österreicherin, aber deutlich älter als die Afghanin. Sein Balkanakzent ist derart ausgeprägt, dass man genau hinhören muss, um die darin eingewobenen Worte herauszuhören. In seiner eigenwilligen Sprache, einer Mischung aus dem Aufbrausen des Balkans und der Verzweiflung des Ostens, erzählt er von der Donau, die in seiner Heimat sieben Kilometer breit ist, ein reißender Fluss statt des geordneten Wiener Dahinfließens. In seiner Kindheit hat er blankgewaschene Steine in die blauen Fluten geworfen und sich vorgestellt, dass das Wasser in seinen Händen nur ein paar