Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Ihre eigene Trauung am Strand hat die berühmte Eheberaterin Kate Lawrence perfekt organisiert. Nur einer fehlt am Hochzeitsmorgen: der Bräutigam. Kate steht vor dem Scherbenhaufen ihrer Lebensplanung -- und ihrer Karriere. Was wird geschehen, wenn das Fernsehpublikum live miterlebt, dass der Hochzeits-Guru am Altar sitzengelassen wurde? Kate braucht einen, irgendeinen Bräutigam für die perfekte Show, und zwar sofort. Da bietet sich der bodenständige, symphatische Lucas Wright an, die Rolle zu übernehmen. Doch kann aus der Show echte Liebe werden? Und warum will Lucas sie überhaupt heiraten? Die inspirierende Geschichte einer wahren Liebe voller Witz und Romantik.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 455
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Der SCM Verlag ist eine Gesellschaft der Stiftung Christliche Medien, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.
ISBN 978-3-7751-7274-5 (E-Book)
ISBN 978-3-7751-5626-4 (lieferbare Buchausgabe)
Datenkonvertierung E-Book:CPI books GmbH, Leck
1. Auflage 2017 (2. Gesamtauflage)
Dieser Titel erschien zuvor im Johannis-Verlag unter der ISBN 978-3-501-01631-2.
© der deutschen Ausgabe 2009 und 2017
SCM-Verlag GmbH & Co. KG · Max-Eyth-Straße 41 · 71088 Holzgerlingen
Internet: www.scm-verlag.de; E-Mail: [email protected]
Originally published in English under the title: A Convenient Groom
© der Originalausgabe 2008 by Denise Hunter
Published by arrangement with Thomas Nelson, a division of
HarperCollins Christian Publishing, Inc.
All Rights reserved. This Licensed Work published under License.
Übersetzung: Bianca Behrens
Umschlaggestaltung: Kathrin Spiegelberg, Weil im Schönbuch
Titelbild: shutterstock.com
Layout/Satz: St.-Johannis-Druckerei C. Schweickhardt GmbH, Lahr/Schwarzwald; überarbeitet von: typostudio fritsch, Altdorf
Über die Autorin
Eins
Zwei
Drei
Vier
Fūnf
Sechs
Sieben
Acht
Neun
Zehn
Elf
Zwōlf
Dreizehn
Vierzehn
Fūnfzehn
Sechzehn
Siebzehn
Achtzehn
Neunzehn
Zwanzig
Einundzwanzig
Zweiundzwanzig
Dreiundzwanzig
Vierundzwanzig
Fünfundzwanzig
Sechsundzwanzig
Siebenundzwanzig
Achtundzwanzig
Neunundzwanzig
Dreiβig
Einunddreiβig
Zweiunddreiβig
Dreiunddreiβig
Danksagung
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
Denise Hunter ist Autorin von mehr als 25 Büchern, die international veröffentlicht wurden. »Der zweite Bräutigam« wurde sogar zur Grundlage eines Filmdrehbuchs. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren drei fast erwachsenen Söhnen in Indiana.
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
Partnersuche gleicht einer Einkaufstour. Im Schaufenster sieht alles super aus. Aber sobald man im Laden ist, verliert manches Kleidungsstück schnell seinen Glanz.Auszug aus Wie ich den richtigen Mann finde von Dr. Kate
Das rote Lämpchen auf ihrem Handy blinkte warnend, aber bevor Kate Lawrence den Anruf entgegennehmen konnte, wurde sie von Anna abgelenkt. Anna war ihre Brautjungfer und stand heftig winkend am Strand. Gleich darauf hörte sie Annas weiche Stimme über ihr Headset. »Kate, kannst du mal kommen? Es gibt da noch einige Sachen, die wir klären müssen.«
»Komme gleich.« Kate hielt ihr Klemmbrett mit dem Ellenbogen fest, ging die Treppe von Jetty Pavilions Veranda hinunter und dann zum Strand. Der Sand hier an der Küste von Nantucket war weich, ihre hohen Absätze sanken tief ein. In nur sechs Stunden würden an dieser Stelle Reihen mit weißen Stühlen stehen; vierunddreißig Gäste würden die feierliche Vermählung von Kate und Bryan Montgomery in einem wunderschönen, handgeschnitzten Pavillon verfolgen.
Wo war der Pavillon denn überhaupt? Sie blickte auf die Uhr und dann in Richtung Festzelt, wo Arbeiter in weißer Arbeitskleidung geschäftig hin- und herliefen. Von Lucas war keine Spur zu sehen.
Sie ging auf Anna zu, der die Sorgenfalten genauso gut standen wie ihr Hosenanzug der Marke »Anne Klein«. Anna war die beste Empfangsdame, die Kate sich wünschen konnte. Ihr kompetentes Auftreten hatte schon so manches Paar beruhigt, das sie in Kates Büro geführt hatte.
Jetzt flatterten Annas lange, braune Haare wie eine wild gewordene Fahne im Wind und peitschten ihr ins Gesicht, sodass sie diese mit ihrer von Sommersprossen übersäten Hand immer wieder wegstreichen musste. »Soiree’s haben gerade angerufen. Ihr Lieferwagen musste kurzfristig in die Werkstatt und die Blumen kommen etwas später, höchstens eine Stunde.«
Kate trug die Verspätung in ihren Zeitplan ein. »Das macht nichts.« Gut, dass sie den Ablauf nicht zu knapp geplant hatte.
»Murray’s hat auch angerufen. Außer deinem Vater hat noch keiner der Herren seinen Smoking abgeholt.«
Bryan und sein Trauzeuge hätten um halb zehn bei Murray’s sein müssen. Das war vor einer Stunde. »O.k., ich kümmere mich darum. Noch etwas?«
Annas Sorgenfalten vertieften sich und sie blinzelte, als der Wind ihr in die Augen blies. »Der Fahrer ist krank, aber es wird versucht, einen Ersatz zu finden. Und dann haben die Weatherbys angerufen und gefragt, ob sie kurzfristig noch kommen können – sie hatten eigentlich gedacht, dass sie gar nicht in der Stadt sind, aber ihre Pläne haben sich geändert.«
Kate nickt. »Gut, gut. Ruf sie an und sag, dass sie gerne kommen können. Ich werde dem Partyservice Bescheid sagen.«
»Deine Pressesprecherin – Pam? – hat versucht, dich zu erreichen. Hast du die Nachricht auf deinem Handy gesehen? Sie meinte, dass sie dir eine hinterlassen hat. Na ja, auf jeden Fall sind deine neuen Bücher heute Morgen angekommen. Sie hat das hier für dich abgegeben.« Anna zog unter ihrem Klemmbrett ein gebundenes Buch hervor. »Ta Ta!«
»Mein Buch!« Kate starrte auf das Deckblatt, auf dem in schwungvoller Schrift »Wie ich den richtigen Mann finde!« stand. Darunter war als Cartoon ein Pärchen abgebildet. Der Mann kniete und hielt um die Hand der Dame an, darüber stand in einen bunten Rahmen eingefasst in großen Buchstaben Kates Name. Sie berührte mit den Fingerspitzen den glänzenden Bucheinband, fuhr mit dem Finger die leicht erhobenen Buchstaben nach und genoss den Augenblick in vollen Zügen.
»Pam möchte schnell ein paar Fotos machen, bevor die ersten Gäste ankommen: Du hältst das Buch, so was in der Art. Aber es wäre wahrscheinlich gut, wenn du sie noch mal anrufst.«
Wieder machte sich Kate eine Notiz und griff gleichzeitig schon nach ihrem Handy, um es anzustellen.
»Und wie ist es, kannst du noch mehr gute Nachrichten verkraften?«, fragte Anna. Ihre blauen Augen funkelten und strahlten. Das mussten wirklich sehr gute Nachrichten sein.
»Ich denke schon. Was ist es denn?«
»Die New York Times schickt einen Reporter und einen Fotografen vorbei. Sie will eine Titelgeschichte über die Hochzeit und dein neues Buch herausbringen.«
Kate atmete tief die frische Seeluft ein. Ihr Verleger von Rosewood Press würde vor Freude sicher Rad schlagen. »Das ist fantastisch! Sicher wollen sie auch ein Interview machen.« Sie überflog schnell ihren Zeitplan und suchte nach einem Zeitfenster für das Interview. Vielleicht nach dem Empfang der Gäste? Ideal wäre das auch nicht, aber sicher würde Bryan dafür Verständnis haben. Die New York Times. Diese Zeitung würde die Verkaufszahlen sicher enorm steigern. Vielleicht könnte sie es sogar bis in die Bestseller-Listen schaffen.
»Hier ist die Nummer.« Anna reichte ihr einen gelben Notizzettel. »Dieser Typ von der Regenbogenpresse schleicht hier übrigens schon den ganzen Vormittag herum und versucht herauszufinden, wer der Bräutigam ist. Ich habe ihm gesagt, dass er es wie alle anderen auch erst in sechs Stunden erfahren wird. Die anderen Pressevertreter kommen eine Stunde vor der Zeremonie und Pam hat die Stühle dort drüben für sie reserviert.« Anna zeigte auf den mit einem weißen Band abgegrenzten Bereich hinter den Stuhlreihen.
»Gut. Ich will, dass sie so wenig wie möglich auffallen. Das ist schließlich meine Hochzeit und man heiratet ja nur einmal.«
»Na ja, auf jeden Fall hofft man das«, sagte Anna. »Kann ich sonst noch etwas für dich tun?«
Kate umarmte sie von der Seite. So viel Zuneigung hatte sie ihrer Assistentin bisher noch nie gezeigt. Ihre Finger drückten sich in Annas rundliche Schulter. »Du bist ein Geschenk des Himmels. Ich wüsste nicht, was ich ohne dich tun würde.«
»Oh, jetzt fällt mir ein, was ich vergessen habe. Der Pavillon. Er sollte eigentlich schon längst hier sein. Ich habe versucht, Lucas anzurufen, habe aber nur seinen Anrufbeantworter erreicht. Und seine Handynummer habe ich nicht.«
»Sein Laden ist geschlossen und ein Handy hat er nicht.« Dieser Mann hatte keine Armbanduhr und ein Handy wollte er schon gar nicht mit sich herumtragen. Es wäre sicher besser gewesen, wenn sie eine so wichtige Aufgabe einem anderen übertragen hätte. Kate blickte wieder auf ihre Uhr. »O.k., ich fahre mal rüber und sehe nach.«
Die Fahrt in die Stadt ging schnell und problemlos. In Kates Kopf aber schwirrten hundert Einzelheiten, die noch zu erledigen waren. Musste sie an einem Fußgängerübergang warten, dann nutzte sie die Zeit und machte sich Notizen. Sie schaute auch immer wieder bewundernd auf die Titelseite ihres neuen Buches und rief kurz bei Pam an, um noch einmal über den Reporter der New York Times zu sprechen. Die Zeit verging wie im Flug und als sie auflegte, war sie schon vor Lucas’ Geschäft angekommen.
Auf dem Schild, das über dem Schaufenster hing, stand »Möbel im Landhausstil«. Und im ersten Stock hing an einem Metallstab ein Holzschild mit dem Namen ihrer eigenen Firma: »Kate Lawrence, Eheberatung«. Sie musste Lucas noch daran erinnern, das Schild zu entfernen. Würde sie das nicht tun, dann würde er es noch ein weiteres Jahr da hängen lassen oder wenigstens noch so lange, bis ein neuer Mieter eingezogen wäre.
Kate stieg aus ihrem Wagen und steckte ihren Schlüssel in das rostige Schlüsselloch der Ladentür. Drinnen im Laden ging sie an der Treppe vorbei, die zu ihrem Büro hinaufführte, und dann weiter durch das im Dunkeln liegende Labyrinth von Möbeln in den hinteren Teil des Hauses, wo sie Lucas zu finden hoffte. Sie stieß mit ihrem Schienbein gegen eine Tischkante. Autsch! Das würde sicher einen dicken blauen Fleck geben.
Sie horchte und konnte das schrille Geräusch einer Maschine hören, ein gutes Zeichen. »Lucas?« Sie klopfte laut an die Metalltür. Der Lärm stoppte.
»Komm rein.«
Sie öffnete die Tür. Lucas Wright blickte vom Zementboden des Pavillons zu ihr auf. Dabei fiel ihm eine Strähne seines länglichen Haares über ein Auge. Er schaute sie lange an, drehte sich dann zur Spindel um und fuhr mit seiner großen Hand prüfend über die geschnitzten Kurven.
»Solltest du jetzt nicht am Strand sein?«, fragte er.
Kate verschränkte ihre Arme. »Genau dasselbe könnte ich dich auch fragen.«
Lucas richtete sich auf und entfernte sich vom Pavillon. Dabei fiel Kate auf, wie geschmeidig seine Bewegungen trotz seiner Größe waren. Sägespäne vom Boden hatten sich auf seine verwaschene Jeans und sein schwarzes T-Shirt geheftet. »Ich bin gerade fertig geworden.«
»Schon vor einer Stunde hättest du am Strand sein sollen. Der Pavillon muss vor der Tonanlage aufgestellt werden, die Floristin muss ihn noch dekorieren und dann gibt es noch eine Reihe anderer Leute, die auch darauf warten, ihre Arbeit machen zu können.«
Er stand nun vor ihr und sah sie auf diese ganz besondere Weise an. Sie meinte dann immer, er könnte direkt in sie hineinsehen. »Heute ist der große Tag, hm?« Er legte seine Werkzeuge auf den Arbeitsbock, klopfte sich den Staub von den Händen und tat das so langsam, als hätte er alle Zeit der Welt.
Kate blickte wieder auf ihre Uhr. »Wäre es möglich, dass du ihn irgendwann heute noch zum Strand bringen könntest?«
Lucas schritt um den Pavillon herum und blickte ihn noch einmal genau an. Dabei stützte er die Hände in seine Hüfte und hielt den Kopf etwas zur Seite geneigt. »Gefällt er dir?«
Zum ersten Mal seit einer Woche schaute sich Kate den Pavillon gründlicher an – oben die weiße Spitze, die handgeschnitzten Spindeln, der sanft gebogene Eingang. Über dem Bogen waren Grüppchen von Margeriten eingeschnitzt. Die klaren Linien waren charakteristisch für Lucas’ Arbeit, aber eine solch meisterliche Feinarbeit hatte sie noch nie bei einem seiner Holzmöbel gesehen. Der Pavillon hatte eine Eleganz, die ihre Erwartungen weit überstieg. Er machte eine wirklich gute Arbeit. Das musste sie ihm lassen.
»Er gefällt mir sehr gut. Ich liebe die Schnitzereien.« Sie seufzte. Ausgerechnet jetzt, da er sie verärgert hatte, machte er so etwas und brachte sie durcheinander. In seiner Nähe fühlte sie sich immer, als würde sie die Treppe hinunterstolpern.
Konzentrier dich gefälligst! »Er muss zum Strand. So schnell wie möglich.«
»Zu Befehl.« Sein Salut ließ aber keine sonderliche Eile erkennen.
Bevor sie ihm eine passende Antwort geben konnte, klingelte und brummte ihr Handy gleichzeitig und sie zog es aus ihrer Caprihose.
»Hallo?«
»Kate?«
»Bryan.« Sie wandte sich um und machte einige Schritte in Richtung Tür. Dort fiel ihr Blick auf einen groben Arbeitstisch. Daneben stand ein Klappstuhl aus Metall, der mit unzähligen rostigen Kratzern übersät war. »Guten Morgen.« Das Lächeln in ihrer Stimme war nicht zu überhören. »Hast du gut geschlafen?« Sie selbst hatte eine unruhige Nacht hinter sich. Bis fast um zwei Uhr morgens hatte sie sich immer wieder von einer Seite auf die andere geworfen. Aber vor solch einem wichtigen Ereignis war das ja auch normal.
Das Schweigen am anderen Ende war es aber nicht. »Bryan?« War die Leitung unterbrochen?
»Ah, Kate, hast du meine Nachricht bekommen?«
Sie hatte das blinkende Licht heute Morgen durchaus bemerkt, hatte aber angenommen, dass es Pam war. Deshalb hatte sie die Nachricht nicht abgehört. Plötzlich wünschte sie, dass sie es getan hätte.
»Nein. Was ist denn los?«
»Sitzt du?«
»Nein, ich sitze nicht. Sag es einfach.« Eine furchtbare Angst kroch ihr langsam den Rücken hinunter.
»Ich bin auf dem Weg nach Boston«, sagte er. »Ich habe dir heute Morgen eine Nachricht hinterlassen. Du hattest sicher dein Handy abgestellt.«
Kate wurde übel. Sie starrte an die Wand vor ihr – eine Werkzeugwand mit unzähligen Löchern, in denen Metallhaken steckten. Überall hingen Werkzeuge und Schnüre. »Was ist passiert?« War vielleicht irgendein Notfall eingetreten?
Aber welcher Notfall könnte unsere Hochzeit verhindern?
»Ich kann dich nicht heiraten, Kate.«
Die Worte fielen und jedes einzelne zerbröselte unter seinem eigenen Gewicht. Die Übelkeit wurde stärker. »Das ist wirklich nicht witzig, Bryan.« Es war ein furchtbarer Scherz. Aber so oft schon waren seine Witze in der Vergangenheit unangemessen gewesen. Seine Pointen waren so schlecht, dass man immer noch auf den eigentlichen Witz wartete, auch wenn der Witz schon zu Ende war.
»Ich habe mich in eine andere Frau verliebt.«
Schmerz. Ihr wurde so schlecht, dass sie das Gefühl hatte, sich übergeben zu müssen. Ihre Beine wurden weich und fingen an zu zittern. Sie umklammerte das kalte Metall des Klappstuhls. »Was?« War das etwa ihre eigene Stimme, so schwach und dünn? Ihr Mund war ausgetrocknet und es war, als wäre keine Luft mehr in ihrer Lunge.
»Es tut mir so leid«, hörte sie Bryan sagen. »Ich weiß, dass die Situation jetzt schrecklich für dich ist und du hast das wirklich nicht verdient. Aber ich kann dich einfach nicht heiraten. Ich habe lange gebraucht, bis ich verstanden habe, was passiert ist. Erst vor Kurzem ist es mir richtig klar geworden. Es geht nicht anders, ich habe es versucht. Ich kann dich einfach nicht heiraten, wenn ich so fühle. Es tut mir wirklich leid, Kate.«
»Was?« Zu einer anderen Antwort war sie im Augenblick nicht fähig.
»Es ist mir klar, dass es für mein Verhalten keine Entschuldigung gibt. Ich hätte schon früher mit dir sprechen müssen, habe es aber nicht getan. Ich dachte immer noch, dass diese Gefühle wieder verschwinden würden. Aber es ist mehr als nur Torschlusspanik.«
»Aber wir sind jetzt zwei Jahre zusammen, Bryan.«
Das war sicher nicht die klügste Antwort, aber ihr fiel einfach nichts anderes ein. Im Schnelldurchlauf zogen Erinnerungen an ihrem inneren Auge vorbei. Der Tag, an dem sie sich in Boston in einer Schlange bei Starbucks kennengelernt hatten. Sie war dort auf einer Konferenz gewesen. Ihre erste Verabredung im Colonial Theater. Das Verliebtsein über die weite Entfernung und die Wochenendbesuche. Die E-Mails, Telefonanrufe, die Verlobung, das Buch. Alle diese Erinnerungen flogen an ihr vorbei und kamen dann zu einem jähen Ende. Hier in Lucas’ staubiger Werkstatt. Und im Angesicht des Pavillons, der extra für ihre Vermählung angefertigt worden war.
»Meine Familie habe ich schon angerufen, sie wissen Bescheid. Mir ist klar, dass jetzt viel zu erledigen ist, und ich werde dir helfen, was auch immer du von mir willst. Und dann ist da natürlich noch dein Buch … Es tut mir so leid.«
Leid? Es tut dir leid? Vor sich sah sie die sorgfältig hingestellten weißen Stühle, das Zelt, das in diesem Moment errichtet wurde, die Fotografen.
DieNew York Times.
Sie schloss ihre brennenden Augen. Alles musste abgesagt werden.
Und bei diesem Gedanken fühlte sie die Blamage, die zum Schmerz des Verlassenwerdens noch dazukam. Schwer lastete all dies auf ihr und sie zog verzweifelt an ihren Nackenhaaren. Denk nach, Kate! Jetzt nur nicht schlapp machen.
»Bryan, hör auf zu reden und denk darüber nach, was du tust. Vielleicht sind es noch die Gefühle über die Scheidung deiner Eltern, die deine Entscheidung beeinflussen wollen. Diese Art von Angst vor einer Hochzeit ist absolut normal und vielleicht –«
»Nein, darum geht es nicht.«
»Wie willst du das so genau wissen?« Sie zwang sich, ihre Stimme sachlicher klingen zu lassen, ihre beruhigende Stimme zu benutzen – die Stimme, die sie auch dann wählte, wenn es zwischen einem ihrer Pärchen zum Streit kommen wollte. »Wir lieben einander. Wir sind wie füreinander geschaffen. Das hast du selbst hundertmal gesagt.«
»Aber etwas fehlt, Kate.«
Sie schwankte wieder und musste sich mit einer Hand am Stuhl festhalten. »Etwas fehlt?« Was sollte das denn sein?
Als sie noch mit dieser Frage kämpfte, auf die es keine Antwort zu geben schien, fühlte sie, wie eine Hand sich auf ihre Schulter legte und sie zum Stuhl führte. Sie setzte sich. Ihr Kopf war so verwirrt wie eine Zuckerwatte-Maschine. Ihr smaragdgrüner Verlobungsring verschwamm vor ihren Augen.
»Was meinst du damit: ›Etwas fehlt‹? Das Einzige, was fehlt, ist der Bräutigam. Bei unserer Hochzeit, die in fünf Stunden beginnt. Fünf Stunden, Bryan.« Jetzt konnte sie fühlen, wie Hysterie in ihr hochkam. Sie holte tief Luft und verschluckte sich fast an dem Sauerstoff, der in ihre Lunge strömte.
»Ich werde dir helfen, wo immer ich kann.«
»Du könntest helfen, indem du zu unserer Hochzeit kommst.«
In Gedanken ging sie die Liste der Leute durch, die sie anrufen müsste. Ihren Vater, die Gäste, ihren Verleger. Sie dachte an das Geld, das Rosewood Press für ihre große Strandhochzeit ausgegeben hatte. Sie hatte Freunden und Verwandten aus dem ganzen Land Flugtickets geschenkt, hatte den Fotografen, die Blumen, den Partyservice, die Kleidung bezahlt. Kate hatte eigentlich nur eine ganz schlichte Trauung gewollt, aber die Marketingabteilung hatte ganz andere Ideen, jetzt, da das neue Buch herauskommen sollte. »Eine elegante Hochzeit und ein überraschender Bräutigam zur Neuerscheinung des Buches. Denk nur daran, wie viel Aufsehen das erregen wird, Kate.«
Sie spürte einen Knoten im Hals, der sich seinen Weg zu ihrem Herzen brannte.
»Ich werde dich immer gern haben«, sagte Bryan.
Die Worte klangen unendlich hohl, fielen wie eine leere, weggeworfene Limoflasche auf einen verlassenen Strand.
Genug.
Plötzlich hörte das Adrenalin auf, durch ihre Venen zu pulsieren und ließ sie schwach und zitternd zurück. Sie konnte jetzt nicht mehr mit ihm sprechen. Sie würde nicht am Telefon zusammenbrechen, ihn nicht anbetteln, dass er zu ihr zurückkäme. Das würde sowieso nichts bringen. Sie kannte diesen Ton in Bryans Stimme. Er wusste immer genau, was er wollte. Und was er nicht wollte.
Und er wollte Kate nicht mehr. Das erkannte sie mit der gleichen Klarheit, mit der sie auch wusste, dass der morgige Tag schwieriger zu überstehen sein würde als der heutige.
Sie räusperte sich. »Ich muss jetzt auflegen.«
»Kate, sag mir bitte, was ich tun kann. Meine Familie will auch helfen. Ich möchte irgendetwas machen, um es wieder in Ordnung zu bringen.«
Sie wollte ihm sagen, dass er nichts mehr tun konnte. Was hätte man auch machen können, um ihren Schmerz zu lindern oder den bevorstehenden Zusammenprall ihres Privatlebens mit ihrem Berufsleben zu verhindern? Stattdessen war sie wie taub, klappte das Handy zusammen und starrte vor sich an die Werkzeugwand, bis die Löcher immer mehr verschwammen.
Er ließ sie im Stich. Der Mann, den sie liebte, ließ sie einfach sitzen. So war das Ganze nicht geplant gewesen. Auf jeden Fall nicht von ihr. So umsichtig war sie gewesen, hatte an alles gedacht. Und wofür das Ganze? In ihrer Magengrube tat sich ein gähnendes Loch auf.
Statt der Schlagzeile »Eheberaterin findet den Mann fürs Leben« würde man lesen »Eheberaterin am Altar sitzen gelassen«.
Kate hatte bisher nie von sich gedacht, dass sie besonders stolz wäre, aber die Vorstellung, die nächsten vierundzwanzig Stunden überstehen zu müssen, ließ den Gedanken an Zyanid ganz vernünftig erscheinen. Wie konnte das nur gerade ihr passieren? Sie hatte ein Buch darüber geschrieben, wie man den richtigen Mann findet, und war selbst an den falschen geraten. Und das würde morgen die ganze Welt wissen.
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
Der Feind heißt »Spontaneität«. Intelligente Beziehungen müssen sorgfältig und mit Bedacht geplant werden.Auszug aus Wie ich den richtigen Mann finde von Dr. Kate
Lucas sah zu, wie Kate ihr Handy zuschnappen ließ. Vielleicht hätte er den Raum schon verlassen sollen, als er den Ernst in ihrer Stimme erkannt hatte. Aber das war ihm nicht möglich gewesen. Wie ein Fußgänger, der bestürzt Zeuge eines Verkehrsunfalls wird, hatte er Kate beobachtet, als sie die Nachricht bekam. Sobald ihm klar wurde, was Bryan gesagt hatte, hätte er ihn am liebsten ergriffen und ihn so lange verprügelt, bis er denselben Schmerz wie Kate gefühlt hätte. Aber stattdessen hatte er Kate zum Stuhl geführt und dabei den Wunsch gehabt, sie fest in seine Arme zu nehmen und ihr zu versichern, dass alles gut werden würde.
Aber das war das Letzte, was sie wollte.
Jetzt starrte sie die Wand an und rührte sich nicht. Ihr glänzendes schwarzes Haar war glatt und reichte ihr fast bis auf die schlaff herunterhängenden Schultern. Er hatte sie noch nie so regungslos gesehen. Normalerweise war sie immer rund um die Uhr in Bewegung. Das war es, was ihn von Anfang an fasziniert hatte. Ihre Ruhe erschien ihm jetzt unnatürlich.
Er machte einen Schritt auf sie zu. »Kate?«
Sie musste ihn ganz vergessen haben, denn sie zuckte leicht zusammen und fuhr sich mit der Hand über ihr Gesicht, bevor sie sich halb zu ihm umdrehte. Ihr Haar, das sonst immer ordentlich hinter die Ohren geklemmt war, fiel ihr wirr ins Gesicht. Sie blickte ihn nicht an, sondern hatte ihre Augen auf seine Knie gerichtet.
»Lucas.« Sie heftete ihren Blick auf den Fußboden, als ob die Farb- und Lackflecken ein abstraktes Gemälde wären, das es zu interpretieren gälte. »Ich gehe mal davon aus, dass du alles mitbekommen hast.«
Ihre Stimme war sehr leise. Aber dann sah er, wie sie sich aufrichtete, sich ganz umdrehte und ihn direkt ansah. Ein verängstigtes, kleines Mädchen im Körper einer Frau. Eine Sekunde lang sah sie auf den Pavillon, der hinter ihm stand.
»Ich … ich denke, dass ich den Pavillon nicht mehr brauchen werde. Aber ich werde ihn natürlich bezahlen. Er ist wirklich wunderschön.« Beim letzten Wort brach ihre Stimme.
»Darüber mach dir keine Sorgen.«
Er hatte schon erwartet, dass sie zusammenbrechen würde, aber stattdessen stand sie abrupt auf und begann auf und ab zu gehen. Ihre hohen Absätze klackerten dabei laut auf dem Boden. »Ich muss nachdenken«, murmelte sie. »Ich muss nachdenken.« Klack, klack, klack. Drehung. Klack, klack, klack. Drehung.
Lucas war sich nicht sicher, was sie damit meinte. Überlegte sie, wie sie Bryan zurückgewinnen konnte? Oder hatte sie aufgegeben und machte in Gedanken schon eine Liste derjenigen, die sie benachrichtigen musste? Was für ein furchtbarer Schlamassel.
Aber wenn irgendjemand diese Situation meistern konnte, dann war es Kate. Er war Zeuge gewesen, wie sie Ehepaare wieder zusammengeführt hatte, deren Beziehung nur noch an einem seidenen Faden gehangen hatte. Er hatte gesehen, wie sie es geschafft hatte, neben dem Verfassen ihrer Kolumne als Eheberaterin zu arbeiten. Und in ihrer Freizeit hatte sie dann noch ein Buch geschrieben. Kate war eine unglaubliche Frau. Bryan war ein Idiot, wenn ihm das entgangen sein sollte.
Kate hielt unvermittelt an und drückte die Fingerspitzen an ihre Stirn. »Er hat mich verlassen. Ich habe keinen Bräutigam. Die Zeitungen, die Medien, mein Verleger. Meine Karriere. Es ist vorbei.«
Sie trug eine kurze Hose, eine tadellos saubere weiße Bluse und um ihre schmale Taille lag ein schwarzer Gürtel. Sie wirkte zerbrechlich und irgendwie fehl am Platz. Aber Kate sah immer aus, als wäre sie geradewegs vom Bügelbrett gekommen.
»Ich dachte, er liebt mich«, flüsterte sie und ihre Stimme zitterte.
Lucas machte einen Schritt auf sie zu, hielt dann aber an und steckte seine Hände tief in die Hosentaschen. »Es wird alles gut werden.« Das hörte sich nicht sehr überzeugend an, aber das sagte er immer zu seiner kleinen Schwester und Jamie fühlte sich danach meistens ein bisschen besser. Aber Kate war nicht Jamie.
»Nein, es wird nicht alles gut werden.« Sie blickte ihn an. »Er hat mich fünf Stunden vor der Trauung sitzen gelassen. Und von dieser Hochzeit hängt alles ab, persönlich und beruflich. Mein Mann fürs Leben hat mich verlassen. Verstehst du nicht, wie ironisch das ist?«
Vielleicht war er ja nicht die Liebe deines Lebens. Der Satz lag ihm auf der Zungenspitze, aber er konnte sich gerade noch zurückhalten. Kate hielt sich jetzt die Hand vor das Gesicht und Lucas sah, dass ihre Hand zitterte. Er hatte bis jetzt nicht gewusst, dass Kate überhaupt zittern konnte.
»Alle nehmen an, dass ich die Expertin bin. Nicht nur, wenn es um Beziehungen geht, sondern auch bei der Wahl des richtigen Partners. Die Leute schreiben mir, weil sie Rat brauchen. Sie vertrauen darauf, dass meine Antworten auf ihre Probleme richtig sind. Ich habe ein Buch geschrieben, um Menschen zu helfen, eine gute Partnerwahl zu treffen. Und ich kann das noch nicht einmal selbst richtig machen.« Sie sah weg und atmete halb schluchzend ein. »Ich bin eine Versagerin.«
»Du bist keine Versagerin. Dein Verlobter hat eine hirnrissige Entscheidung getroffen; das ist aber nicht dein Fehler.«
Der Metallstuhl quietschte, als sie sich wieder setzte. Das Geräusch hallte laut in der Stille der Werkstatt. »So werden all die anderen das aber nicht sehen.«
Er wusste, dass sie damit wohl Recht hatte. Die Leute neigten dazu, schnell zu verurteilen, besonders, wenn die Medien sie aufhetzten.
»Ich muss etwas tun«, murmelte sie durch ihre Finger hindurch. »Wie kann ich die Situation noch retten?«
Lucas glaubte nicht, dass es möglich wäre. Sie erwartete Gäste, eine Menge Presseleute und dann waren da noch die ganzen Vorbereitungen, die schon für die Hochzeit getroffen waren. Alles war da, nur der Bräutigam fehlte und das war das große Problem.
Nur der Bräutigam fehlt.
Die Worte wirbelten wild in seinem Kopf herum, bis sie eins nach dem anderen ihren Platz fanden, wie Buchstaben in einem Scrabble-Spiel.
Nur … der … Bräutigam … fehlt.
Er rieb sich den Nacken und ging zu seinem Arbeitstisch. Das war wahnsinnig. Er war verrückt. Sie würde ihn auslachen, wenn er es laut aussprechen würde. Bei dem Gedanken daran wurde ihm ganz anders.
Das Handy klingelte und vibrierte. Lucas sah zu, wie es auf dem Metalltisch tanzte.
»Ich kann nicht rangehen«, sagte Kate. »Ich kann es einfach nicht. Ich weiß nicht, was ich sagen soll.« Sie verschränkte ihre Arme und zog die Schultern so weit hoch, als wollte sie die Ohren mit ihnen bedecken.
Zusammen blickten sie auf das Telefon. Ring – bzzzzzzzz … Ring – bzzzzzzzz … Als das Handy verstummte, war die Erleichterung bei beiden groß.
Kate trommelte mit ihren Fingern auf ihre Lippen, zuerst schnell, dann langsamer. Ihre Lippen verloren die Anspannung, dann fielen ihre Mundwinkel langsam nach unten. Auch ihr trotziges Kinn wurde weicher. »Es ist hoffnungslos.«
Das Handy klingelte wieder und setzte seinen Tanz über die Arbeitsplatte fort. Kate starrte es an und machte ein Gesicht, als würde sie es am liebsten quer durch die Werkstatt schleudern.
»Ich werde drangehen.« Er streckte seine Hand aus.
Kate stoppte ihn, indem sie eine Hand auf seinen Arm legte. Ihr Griff war überraschend fest. »Was wirst du sagen?«
Er blickte sie an: Große, grün-braune Augen, deren Verletzlichkeit sich nicht in Worten ausdrücken ließ. »Ich werde einfach eine Nachricht entgegennehmen.«
Einen Augenblick später ließ sie seinen Arm los, er griff nach dem Handy und klappte es auf.
»Hallo?«
Eine Pause. »Ist Kate zu sprechen?«, fragte die atemlose Stimme einer Frau.
»Sie kann gerade nicht ans Telefon kommen. Kann ich ihr etwas ausrichten?«
»Spreche ich etwa mit Bryan? Sagen Sie mir nicht, dass Sie Kate vor der Trauung sehen dürfen.«
»Nein. Ich bin nur ein – ein Freund.« Das war aus seiner Sicht natürlich nur die halbe Wahrheit. Er drehte sich um und lehnte sich gegen den Schreibtisch.
»Okay, gut. Dann sagen Sie ihr bitte, dass sie Pam anrufen soll. Nein, warten Sie, sie kann mich ja in nächster Zeit gar nicht erreichen. Richten Sie ihr aus, dass ich gute Neuigkeiten habe. Das ist ganz wichtig, also müssen Sie es ihr sofort sagen. Die Dr. Phil Show hat angerufen und Kate soll nächsten Monat Gast der Show sein.«
Super. Lucas begegnete Kates Blick und wandte dann die Augen ab. Gerade das, was sie jetzt noch brauchte.
»Haben Sie das notiert?«, fragte Pam.
»Jawohl. Ich werde es ihr ausrichten.« Er schloss das Handy und legte es zurück auf den Tisch. Ganz deutlich konnte er Kates Augen auf sich fühlen. Vielleicht war es ja nicht notwendig, dass er ihr die Nachricht sofort sagen musste.
»Wer war das?« War das Hoffnung, die ihre Stimme lauter werden ließ? Dachte sie etwa, dass Bryan seine Meinung geändert hatte?
»Das war Pam.«
Sie starrte auf ihre manikürten Finger, die sie krampfhaft im Schoß verschränkt hatte. »Oh.«
Sie hatte es wirklich in die Dr. Phil Show geschafft. Er wusste natürlich, dass ihre Bekanntheit durch die Kolumne und das Buch landesweit gewachsen war. Aber Dr. Phil – das war eine ganz andere Liga.
»Was wollte sie denn?«
Ihr Knie streifte sein Bein, als sie sich bewegte. Er verschränkte seine Füße und umfasste die Tischkante. »Nichts, was nicht warten könnte. Sie möchte, dass du sie zurückrufst.«
Der Anblick ihres Gesichts und der forschenden Augen traf ihn tief. Hilfe, wie schön sie war. Er wandte seinen Blick ab.
»Sie hat irgendetwas gesagt, nicht wahr? Etwas, was du mir nicht sagen willst.«
Er konnte es nicht mehr am Tisch aushalten und stand auf. Er hätte wissen müssen, dass sie nicht lockerlassen würde. Er hätte den Anruf nicht entgegennehmen sollen. Sie war eine sehr starke Persönlichkeit und musste es deshalb wissen, auch wenn sie schon mehr zu tragen hatte, als sie eigentlich bewältigen konnte.
»Es tut mir ja sehr leid, aber es geht hier um meine Existenz. Sprich es einfach aus, o.k.?«
Kate hatte sich aufrecht im Stuhl hingesetzt und ihre Hand umklammerte die abgerundete Rückenlehne. Es war ihre linke Hand. Lucas sah den diamantenen Verlobungsring, der im Schein der Arbeitslampen funkelte. »Sie wollte dich nur über ein Interview informieren, das sie organisiert hat, das ist alles. Du kannst sie später zurückrufen, wenn du –«
»Mit wem ist das Interview?« Ihre Stimme forderte eine ehrliche Antwort.
Er atmete tief aus. Sie war wie ein hungriger Hund, der seinen letzten Knochen vor sich hat.
»Ich weiß, dass es etwas Großes sein muss. Pam hätte mich sonst heute nicht angerufen, wenn es nichts Besonderes wäre. Und hör auf, mich so anzusehen.«
»Wie sehe ich dich denn an?«
»So, als hättest du Mitleid mit mir. Also, was ist mit dem Interview?«
O.k., Kate, o.k. Du gewinnst. »Dr. Phil.«
Er konnte zusehen, wie ihr Mund schlaff wurde, wie sie blinzelte und schlucken musste, wie ihre Augen sich veränderten und wie tot wirkten. Er hasste es. Hasste es, dass er seinen Teil dazu beigetragen hatte, dass ihr Gesicht einen solch schmerzhaften Ausdruck hatte.
Jetzt war sie wieder ganz regungslos und auch das hasste er. Vielleicht war es doch nicht zu spät, Bryan zu erwischen und ihm direkt ins Gesicht zu schlagen. Er sollte jetzt eigentlich hier sein und die Scherben aufsammeln, wieder alles in Ordnung bringen. Aber er war nicht hier. Lucas war hier, aber was konnte er tun?
Nur der Bräutigam fehlt.
Die Worte blinkten in seinem Kopf wie die Leuchte eines Leuchtturms und neckten ihn. Das war der pure Wahnsinn. Und selbst, wenn es das nicht wäre, dann wäre es nicht ganz ohne Selbstzweck.
Du könntest Kates Hochzeit retten. Ihren Ruf. Es wäre ehrenhaft, das zu tun.
Aber ich würde ja auch das bekommen, was ich will. Wäre das egoistisch?
Du warst bereit, sie gehen zu lassen, weil du dachtest, dass es das Richtige ist. War das selbstsüchtig? Sie braucht dich jetzt. Und du könntest ihr helfen.
»Was soll ich nur tun?«, fragte Kate. Sie richtete ihre Rehaugen auf ihn, sah ihn an, brauchte ihn. Es wäre total riskant, es zu tun. Dabei wollte er sie doch beschützen, sie an sich ziehen, so wie eine Henne ihre Küken unter ihren Flügeln sammelt.
»Wie kann ich den Leuten denn noch ins Gesicht sehen? Was soll ich der Presse sagen? Und meinem Verleger?« Zum ersten Mal zitterte ihr Mund und sie biss sich auf die Lippen. »Sie haben alles bezahlt. Wusstest du das?«
Sollte er es sagen? Sich selbst anbieten? Würde das überhaupt funktionieren? »Vielleicht könnte es klappen.«
»Was?«
Er hatte nicht gemerkt, dass er laut dachte, bis er Kates Reaktion registrierte. Nun, er steckte schon mittendrin, da konnte er auch kopfüber hineinspringen. »Ich habe eine Idee. Sie ist aber ziemlich verrückt.«
Zu seiner Überraschung verzog sie ihr Gesicht zu einem schiefen Grinsen. »Das passt ja gut, schließlich ist mein ganzes Leben im Moment ziemlich verrückt.«
Er betrachtete sie genau. Da war wirklich etwas wie Hoffnung in ihren Augen zu sehen. »Also, so wie ich es sehe, fehlt eigentlich nur der Bräutigam.«
Sie atmete scharf aus. »Und das ist ja wohl ein nicht unwesentlicher Teil der ganzen Sache, oder?«
Er nickte einmal und hoffte insgeheim, dass sie selber eins und eins zusammenzählen würde, damit er es nicht selber aussprechen müsste. »Was wäre, wenn es einen anderen Bräutigam gäbe?«
Jetzt zuckte sie doch ein bisschen zurück und blinzelte ungläubig. Na prima. Jetzt denkt sie, dass ich vollkommen durchgedreht bin.
»Ich habe aber keine Warteliste und die Bräutigame stehen nicht direkt Schlange.«
Er scharrte mit seinen Füßen und lehnte sich dann gegen den Arbeitsbock. Er wusste nicht, ob er für das gewappnet war, was als Nächstes kommen würde. Sag es einfach. Das Schlimmste, was sie tun könnte, wäre, mir direkt ins Gesicht zu lachen. »Wie wäre es, wenn ich Bryans Platz einnehmen würde?«
Schweigen breitete sich aus und er kratzte die weiße Farbe auf der Spitze seines Turnschuhs weg. Es blieb lange still. Es war ein unbehagliches Schweigen. Wenn er seine Worte zurücknehmen könnte, hätte er es getan. Stattdessen warf er Kate einen Blick zu. Der Ausdruck auf ihrem Gesicht verstärkte seinen Wunsch.
»Warum würdest –« Sie räusperte sich. »Warum würdest du das tun?«
Warum würde ich das tun? Weil ich dich liebe. Aber das konnte er nicht sagen. Warum hatte er nicht besser nachgedacht, bevor er seine große Klappe aufgemacht hatte?
Er zog die Schultern hoch. »Um dir zu helfen«, sagte er.
Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen. »Aber hier geht es um eine Ehe, nicht nur um einen kleinen Gefallen.«
Einen Gefallen. Was wäre, wenn er einen Handel mit ihr eingehen würde? Was, wenn sie im Gegenzug etwas für ihn tun würde? »Ich würde erwarten, dass du auch etwas für mich tust.« Was? Was will ich denn als Gegenleistung haben?
Als sie das hörte, sanken ihre Augenbrauen herunter und sie presste ihre Lippen fest aufeinander. Ihr Blick war direkt und vielsagend und er wusste sofort, woran sie dachte.
»Bild dir bloß nichts ein«, sagte er.
Sie schüttelte ihren Kopf, als wollte sie ein unangenehmes Bild im Kopf loswerden. »Das macht auch nichts. Es würde sowieso nicht funktionieren. Auch wenn der Rest der Welt nicht weiß, wen ich heiraten wollte, mein Vater weiß es. Und ebenso Chloe, mein Verleger und Pam und Anna. Und natürlich auch Bryans Familie.«
Das war natürlich ein Problem, aber könnte man es vielleicht irgendwie lösen? Jetzt, da die Idee ausgesprochen war, gewöhnte er sich immer mehr daran. Er zuckte mit den Schultern. »Denkst du, dass sie schweigen können?«
Sie sah ihn wieder ungläubig an. »Schweigen?« Ihre Finger nestelten am hohen Kragen ihrer Bluse. »Du scheinst es tatsächlich ernst zu meinen.«
Sein Herz pochte wild gegen seine Rippen. Er kratzte an der getrockneten Farbe auf seinem Daumennagel. »Und, was ist? Würden sie …?«
Sie drehte sich um und ihr schwarzes Haar schwang dabei aufreizend durch die Luft. »Du kannst – du kannst mich doch nicht so einfach heiraten. Eine Ehe ist für immer. Für mich ist sie es wenigstens. Man entscheidet mal nicht so einfach zwischen Tür und Angel, dass man jemanden heiratet. Das macht man nicht.« Sie sah ihn wieder an. »Ich mache das nicht.«
Nein, Kate tat so etwas nicht. Sie plante jeden Schritt im Voraus, jedes Detail zur richtigen Zeit, alles in der perfekten Reihenfolge.
Wenigstens hatte sie ihn nicht ausgelacht. Er richtete sich auf und zog seine Schultern hoch. Dabei versuchte er so unbeteiligt wie möglich auszusehen. Einfach war das aber nicht, da er sich wie jemand fühlte, dessen Freundin ihren Kopf weggedreht hatte, als er versuchte, sie zu küssen. »Wie du willst.«
Er begann, das Kabel um die Schleifmaschine zu wickeln. Es war sowieso eine dumme Idee gewesen. Allein die Reaktion seiner Mutter, wenn sie aus ihrem Urlaub zurückkäme und erführe, dass ihr Sohn nicht nur verheiratet war, sondern auch noch mit Kate Lawrence. Sie würde ihm immer wieder mit ihrer Ablehnung in den Ohren liegen. Und auch in den Ohren seines Vaters.
Trotzdem schmeichelte es ihm wenig, dass Kate eher ihren beruflichen Niedergang akzeptierte als ihn zu heiraten. Er versuchte, seinen Schmerz herunterzuschlucken und stellte die Schleifmaschine neben seine Lieblingsbohrmaschine ins Regal. Dabei wartete er auf das Klackern ihrer Absätze, wenn sie die Werkstatt verlassen würde.
Aber er hörte nichts dergleichen. Stattdessen unterbrach Kates Stimme die Stille. »Die Leute, die wissen, dass Bryan der Bräutigam war … was machen wir, wenn einer von ihnen etwas ausplaudert? Und dann sind da noch der Trauschein und der Smoking. Etwas könnte schiefgehen und wenn die Sache dann an die Öffentlichkeit dringen würde, wäre das eine noch viel größere Katastrophe als jetzt – falls das überhaupt möglich wäre.«
Ja, ja, schon gut. Habe schon verstanden. »Es war eine dumme Idee.« Das hatte sie sehr deutlich zu verstehen gegeben. »Du solltest dir deinen kleinen Notizblock rausholen und eine Liste der Sachen machen, die du absagen musst.«
»Warte. Nur eine Minute. Ich muss nachdenken.« Offensichtlich konnte sie das am besten, wenn sie auf und ab ging.
Was auch immer. Er wandte sich wieder seinen Werkzeugen zu. Er wusste nicht, worüber sie noch nachdenken wollte. Jetzt ging es nur noch darum, das Ganze durchzustehen. Und darum beneidete er sie nicht. Aber wenn Bryan imstande war, sie so kurz vor der Trauung zu versetzen, dann war er einfach nicht gut genug für sie.
Er schwieg, während sie weiter nachdachte. Als sie endlich wieder sprach, hatte er jedes einzelne Werkzeug weggepackt – etwas, das seit dem Aufbau des Regals noch nicht wieder passiert war.
»Ich glaube, ich könnte es schaffen, dass jeder unser Geheimnis für sich behält. Mein Verleger und Pam werden sicher nichts sagen. Anna und meinem Vater kann ich voll vertrauen. Zur Trauung kommen auch einige entfernte Verwandte, aber auch die werden nichts herausposaunen, da bin ich sicher.«
Sie dachte laut und sah Lucas dabei nicht einmal an. »Bryans Familie ist klein und die meisten kommen aus der Nähe von Boston. Acht Verwandte wollen kommen und dann ist da noch der Trauzeuge. Bryan könnte sicher dafür sorgen, dass sie schweigen. Wenigstens ist er mir das schuldig.« Der Ausdruck ihrer Augen wurde für einen Augenblick weicher, als würde der Gedanke an ihn sehr schmerzhaft für sie sein.
Kate dachte tatsächlich darüber nach, die Sache durchzuziehen. Er hatte noch nie gesehen, dass sie etwas Spontanes gemacht hatte, und doch war sie hier und erwog tatsächlich, ihn in letzter Minute zu heiraten. Wie groß muss ihre Verzweiflung sein.
Kate betrachtete Lucas von oben bis unten; er wand sich innerlich und fühlte sich so, als wäre er gerade durch eine Prüfung gefallen. »Der Smoking würde nicht passen. Du bist größer und deine Schultern sind auch breiter. Wir müssten uns schnell darum kümmern, was du anziehen könntest. Mr Lavitz ist ein guter Freund von dir, oder?«
»Äh, ja …«
»Der Trauschein könnte auch ein Problem sein.« Sie tappte mit dem Fuß auf den Boden, kaute auf ihrer Lippe und ihre Augen waren suchend auf die Leuchtstofflampen gerichtet, als erwartete sie dort eine Antwort. »Und wir brauchen einen Plan, wie wir wieder aus der Ehe herauskommen. Vielleicht nach einem Jahr? Wir lassen ein bisschen Zeit vergehen, damit mein Buch ein Erfolg wird, und ich könnte schon mit meinem nächsten Buch anfangen. Wir könnten uns dann ohne viel Aufsehen wieder scheiden lassen …«
Sie schloss die Augen. »Ich kann es nicht fassen, dass ich so über die Ehe spreche. Als wäre es irgendein billiges Arrangement ohne wirklichen Wert.«
Lucas beobachtete ihr Gesicht, als sie so mit ihren Prinzipien kämpfte. »Er lässt dir keine andere Wahl. Es ist ja nicht so, als hättest du viele andere attraktive Alternativen.«
Plötzlich sah sie ihn mit gerunzelter Stirn an. »Sag noch mal, warum du das alles machen willst.«
Warum? Warum? Wie könnte sie ihm helfen? Sie war Eheberaterin, aber er war ja nicht verheiratet – noch nicht. Die Ehe seiner Eltern war ziemlich stabil, obwohl sie sich gerne stritten. Jeder wusste, dass es harmlos war, dass es einfach ihre Art war. Aber ein Außenseiter könnte denken …
»Lucas? Wir haben nicht mehr viel Zeit.«
»Die Ehe meiner Eltern. Vielleicht könntest du ihnen helfen.«
Ihre Augen leuchteten auf. Aha, er hatte ins Schwarze getroffen.
»Ist ihre Ehe in Gefahr?«
Er räusperte sich und steckte seine Hände in die Hosentaschen. »In letzter Zeit haben sie sich oft gestritten.« Er brauchte noch stärkere Argumente, wollte aber auch nicht lügen. »Letzten Monat ist meine Mutter für ein paar Tage fortgegangen.« Sie hatte mit ihren Freundinnen einen Wochenendausflug gemacht, aber das musste Kate ja nicht erfahren. »Jamie – meine jüngere Schwester – hat mir erzählt, dass Vater die Abwesenheit meiner Mutter richtig genossen hat.« Eigentlich hatte er gesagt, dass er sich freute, Jamie ganz für sich zu haben. Aber das war doch ziemlich nah dran an der Wahrheit, oder?
»Und du möchtest, dass ich mit ihnen Beratungsgespräche führe?«
»Nein.« Das Wort war ihm ein bisschen zu schnell über die Lippen gekommen. »Beide haben von all diesem psychologischen Geschwafel ziemlich die Nase voll.« Kate zog die Augenbrauen hoch und er beeilte sich, seine Gedanken etwas anders zu formulieren. »Du müsstest sehr geschickt vorgehen. Sie kennenlernen. Es schaffen, dass sie dir vertrauen und dir von sich erzählen. Ich bin sicher, dass du das schaffen könntest.«
»Das ist alles? Das ist alles, was du von mir willst?«
Er wollte noch viel mehr, aber es war zumindest ein Anfang. »Es ist schließlich die Ehe meiner Eltern.«
»Natürlich. Ich habe auch nicht sagen wollen, dass es unwichtig wäre.« Kate legte die Finger zusammen und tippte die Fingerspitzen aneinander. »Ich weiß gar nicht, ob das möglich wäre. Soweit ich weiß, muss man einige Zeit warten, bis man einen Trauschein bekommen kann.«
Daran hatte er nicht gedacht. Vielleicht war der Plan von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen. Aber hatte sein Freund Ethan nicht auch in letzter Minute geheiratet? »Ich denke, dass man das organisieren könnte. Nancy Railings arbeitet bei der Stadtverwaltung und ich habe ihr Haus mit neuen Möbeln eingerichtet. Mal sehen, was ich herausfinden kann.«
Er konnte fast nicht glauben, dass sie tatsächlich darüber nachdachte, den Schritt zu wagen. In ein paar Stunden würde er Kate vielleicht heiraten. Vor Freunden, seiner Familie und der Presse. Seine Beine fingen plötzlich an zu zittern, als er sich daran erinnerte, dass es in der Zeitung einen Artikel mit allen Einzelheiten geben würde. Die Hochzeit würde ein großes Medienereignis sein. Vielleicht würde man ihn auch interviewen wollen.
Sein Mund fühlte sich mit einem Mal ganz trocken an. »Keine Interviews«, sagte er.
Kate war wohl ganz in Gedanken versunken gewesen, denn sie hatte nicht sofort gehört, was er gesagt hatte. »Was hast du gesagt?«
»Die Presse kann so viele Fotos machen, wie sie will, aber ich werde keine Interviews geben.«
Sie zuckte mit den Schultern und behielt ihn dabei im Auge. »Ich bin einverstanden, wir sollten die Situation nicht noch unnötig verkomplizieren. Wie ist es denn mit deiner Familie? Wie wird sie sich fühlen?«
Das gab ihm zu denken. Seine Mutter hatte ihn immer wieder ermutigt, wieder eine neue Beziehung einzugehen, nachdem Emily vor fünf Jahren gestorben war. Aber Kate wäre die letzte Person, die seine Mutter als seine neue Partnerin ausgewählt hätte. Wenn er seiner Mutter sagen würde, dass die Ehe mit Kate nur vorübergehend war, dann würde sie sich Kate gegenüber nicht sehr gut benehmen und sie vielleicht für immer abschrecken. Aber wüsste sie, dass er Kate liebte, müsste sie sich mehr Mühe geben, oder?
»Meine Eltern sind zurzeit nicht in der Stadt, aber mein Bruder und meine Schwester sind hier. Ich rufe meine Eltern nach der Hochzeit an und sage ihnen, dass wir geheiratet haben. Und ich möchte nicht, dass sie die Einzelheiten erfahren. Was sie betrifft, ist unsere Ehe echt.«
Und, wenn alles so verlief, wie er es erhoffte, dann wäre auch kein Plan notwendig, aus der Ehe wieder herauszukommen. Er streckte seine Hand aus. »Abgemacht?«
Er hielt den Atem an und fühlte einen Kloß in seinem Hals.
Kate starrte ihn an und in ihren Augen war eine Mischung aus Angst und Entschlossenheit. Dann legte sie ihre Hand in seine Hand. »Abgemacht.«
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
Den perfekten Mann gibt es nicht. Aber es gibt den Mann, der für Sie der Richtige ist.Auszug aus Wie ich den richtigen Mann finde von Dr. Kate
Wenn Kate noch ein einziges Mal die neue Situation erklären müsste, würde sie sich jedes einzelne Haar vom Kopf reißen. Das nackte Entsetzen war in den Augen von Anna, Chloe und Pam zu sehen und sie hatten darauf bestanden, über alle Eventualitäten zu sprechen. Zusammen waren sie alle Vor- und Nachteile durchgegangen, mehr um die anderen zu beruhigen, als Kate selbst.
Ihr Vater hatte aufrecht und schweigend zugehört. Die einzige väterliche Reaktion war die einsame Sorgenfalte auf seiner blitzsauberen Stirn gewesen.
Alles wird gut werden, Papa. Ich weiß, was ich tue.
Er hatte Kate zu unabhängigem Denken erzogen und bis jetzt hatte er noch nie Entscheidungen von ihr infrage gestellt. Und sogar jetzt war alles, was er sagte: »Kate …«
Als sie Bryan anrief, um ihm ihren Plan und ihre Forderungen mitzuteilen, war am anderen Ende der Leitung zuerst nur Schweigen gewesen. Fast hatte sie seinen offensichtlichen Schock und das unausgesprochene Was willst du machen? genossen. Als sie gerade dachte, dass er möglicherweise hinter dem Lenkrad seines Autos ohnmächtig geworden war, bat er sie darum, zu wiederholen, was sie gesagt hatte. Am Ende musste sie alles dreimal erklären, bis er schließlich versprach, dass seine Familie nichts weitererzählen würde. Sie nahm an, dass er selbst nicht scharf darauf war, dass man davon erfuhr, was er Kate angetan hatte.
Wenigstens eine Gruppe brauchte keine Erklärungen. Lucas hatte sie seinem Bruder und seiner Schwester vorgestellt, Brody and Jamie. Brody, eine schlaksige Version von Lucas mit lockigen Haaren, hatte gerade Semesterferien und Jamie war ein Teenager mit dunklen Haaren und einer Zahnspange. Sie reagierten auf die bevorstehende Trauung ihres Bruders mit einem freundlichen Lächeln, bevor sie sich einen wortlosen Blick zuwarfen, den Kate aus Zeitgründen nicht entziffern konnte.
Nun, vier Stunden, einen Trauschein und unzählige Schreckensmomente später, stand Kate in einem weißen Brautkleid am Fuße des Ganges, der zum Altar führte. Die Kameras der Presseleute klickten unaufhörlich und versuchten, sie aus dem besten Winkel abzulichten. Kate riss sich zusammen und bemühte sich, mit den Augen zu strahlen.
In einer Entfernung von knapp zehn Metern am Ende des Ganges wartete Anna im Pavillon; daneben Lucas’ Trauzeuge Ethan, der Friedensrichter. Und Lucas.
Lucas. Passiert das hier wirklich?
Die Musiker setzten ein und spielten den Hochzeitsmarsch. Kate legte ihre Hand auf den Arm ihres Vaters und machte den ersten Schritt. Vom Meer her kam eine sanfte Brise, die ihr das Haar und den Schleier ein wenig zerzauste und ihr das Kleid, das trägerlos war und einen A-Schnitt hatte, gegen die Beine drückte. Sie hatte dieses Satinkleid endlich nach langem Suchen in einer Boutique in Boston gefunden, nachdem sie zahlreiche Zeitschriften und Läden konsultiert hatte. Aber was hatte es jetzt noch für eine Bedeutung, dass das Kleid perfekt saß oder der Saum genau die richtige Länge hatte?
Wie war es nur zu all dem gekommen? Am Ende des Ganges sollte eigentlich Bryan auf sie warten. Er und sie passten so gut zueinander. Gemäß all ihrer Kenntnisse über Persönlichkeiten und Beziehungen waren sie füreinander geschaffen. Sie hatten so viel gemeinsam – ihre Liebe zum Sport … Organisation … Pünktlichkeit … Loyalität …
Nun ja. Den Punkt der Loyalität müsste sie noch einmal überdenken.
Sie ging an Tante Virginia vorbei, die in der zweiten Reihe saß und ihren charakteristischen kirschroten Lippenstift trug. Ihr braunes Haar türmte sich über ihrem aufgedunsenen, bleichen Gesicht wie Schokoladenraspeln über einem Berg Schlagsahne.
Die Seite, auf der die Familie und die Freunde des Bräutigams sitzen sollten, war halbleer, aber was hätte sie auch bei den kurzfristigen Einladungen erwarten können? Jamie saß neben Brody in der ersten Reihe, ihre braunen Haare wurden von einer Haarspange zusammengehalten. Zwei Teilzeitangestellte aus Lucas’ Laden saßen in der zweiten Reihe und versuchten angestrengt, an einem großen, dünnen Mann vorbei etwas sehen zu können. Kate meinte, den Mann von irgendwoher zu kennen.
Sie stellte sich vor, wie enttäuscht Lucas’ Eltern sein würden, weil sie die Trauung verpassten. Und überhaupt erst von der Zeremonie zu erfahren, nachdem sie schon vorüber war … Aber das hatte Lucas so gewollt, es war seine Entscheidung. Später würden sie die Wogen glätten.
Sie …
Sie würde Teil einer neuen Familie sein. Das wurde ihr mit einem Male klar. Und sie kannte diese Leute nicht einmal– sie kannte ja kaum den Bräutigam!
Hilfe, was mache ich hier?
Sie blickte Lucas erst an, als sie fast am Pavillon angekommen war. Und da erkannte sie ihren Fehler. Eine echte Braut hätte den Bräutigam die ganze Zeit verliebt angesehen. Lächelte sie auch strahlend genug? Ihre trockenen Lippen blieben an ihren Zähnen kleben.
Lucas hatte sich in Schale geworfen, er hatte sogar seinen ständigen Drei-Tage-Bart abrasiert. Sein längliches Haar war aus seinem Gesicht gekämmt. Diese Frisur, kombiniert mit dem eleganten Smoking, gab ihm das Aussehen eines Edelmannes aus dem neunzehnten Jahrhundert. Ihre Blicke begegneten sich, seine Augen zogen sie in sich hinein – ein starkes Rettungsseil in einer Situation, die sich wie ein wilder Sturm anfühlte.
Sie erreichten den Pavillon, ihr Vater hielt an und küsste sie auf ihre Wange. Dann setzte er sich in die erste Reihe.
Jetzt war sie auf sich gestellt.
Was mache ich nur hier? … Was tue ich bloß? …
Mit den letzten Klängen des Hochzeitsmarsches betrat sie den Pavillon und hielt zwischen Anna und Lucas an. Ihr nackter Arm berührte seinen. In einiger Entfernung klickten unaufhörlich die Kameras und nahmen jede Sekunde dieses Ereignisses auf. Sie wusste, dass die besten Fotos morgen in den Zeitungen sein würden. Aber als der Friedensrichter zu sprechen begann, konnte sie nur an die Wärme denken, die sie durch Lucas’ Smoking spüren konnte.
»Die Ehe soll von allen Menschen geachtet werden«, begann er. »Und deshalb soll sie von niemandem leichtfertig eingegangen werden – sondern vielmehr mit Ehrfurcht, nach reiflicher Überlegung und mit großem Ernst.« Er betonte jedes Wort und zog dabei seine buschigen, grauen Augenbrauen missbilligend in die Höhe. Als Kate ihm gesagt hatte, dass Lucas Bryans Platz einnehmen würde, hatte sie halb befürchtet, dass er sich weigern würde, die Zeremonie zu vollziehen. Aber er hatte nur seine Lippen fest zusammengepresst und förmlich genickt.
Jetzt sprach er weiter. »Die beiden hier anwesenden Personen haben sich für das heilige Sakrament der Ehe entschieden, das sie zu einer Einheit macht, bis der Tod sie scheidet.«
Bis der Tod sie scheidet. Sie drehte ihren Kopf kaum merklich Lucas zu. Und in ihre Nase stieg der strenge Geruch von Angst und salziger Meeresluft. Bis zum Tod. Sie kannte ihn doch fast gar nicht!
Was mache ich hier?
Sie atmete tief durch, immer darauf bedacht, dass ihr Gesichtsausdruck nichts verriet.Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Konzentrier dich. Bring erst einmal die Zeremonie hinter dich.
Hatte Lucas auch Angst? Fragte er sich wie sie, in was er da hineingeraten war? Wünschte er sich wieder zurück in seinen Laden, wo er, bedeckt von einer dünnen Schicht Sägespänen, arbeiten konnte? Er gab schließlich ein Jahr seines Lebens auf. Und er würde sehr in der Öffentlichkeit stehen.
Was, wenn er kalte Füße bekam? Genau hier vor allen Versammelten? Zweimal an einem Tag sitzen gelassen. War das eigentlich schon einmal vorgekommen? Sie konnte sich die Schlagzeile schon vorstellen: Dr. Kate am Altar von zwei Bräutigamen versetzt.
Der Friedensrichter hatte zu sprechen aufgehört und die Stille ließ Kate in Panik geraten. Ohne Nachzudenken nahm sie ihre Hand vom Bouquet und suchte nach etwas, an dem sie sich festhalten konnte. Als ihre Finger Lucas’ Hand berührten, umschlossen seine Finger ihre Hand. Seine Hand war warm und stark und – überraschenderweise – selbstsicher. Alles wird gut werden, sagte seine Hand.
Mrs Petrie begann mit ihrem Solo, ihre helle Sopranstimme erhob sich wie ein Schmetterling auf der Brise, die vom Meer kam. Kates Gedanken begannen zu wandern. Diese Musik hätte genau zu Bryan und ihr gepasst. Wie hatte sie so falsch liegen können? Und wer war die Frau, die sein Herz gestohlen hatte? Es war doch erst gestern Abend gewesen, als er sie umarmt und ihr vor der Wohnungstür einen Gute-Nacht-Kuss gegeben hatte. Was hatte er dabei noch einmal gesagt? Ich denke, wir sehen uns bald wieder.
War da nicht schon ein gewisser Unterton in seiner Stimme gewesen? Hätte sein Gesichtsausdruck ihn verraten können? Hatte sie die Warnungen einfach nicht bemerkt? Sie war zu aufgeregt gewesen, um etwas zu registrieren. Und jetzt war Bryan auf und davon.
Und sie war dabei, Lucas zu heiraten. Sie würde ein Jahr ihres Lebens einem Mann schenken, den sie nicht liebte. Ach du liebe Güte, die meiste Zeit mochte sie ihn noch nicht einmal. Sie würde nicht so weit gehen, ihn einen vollkommenen Chaoten zu nennen. Aber manchmal war er einfach so … nervig. So irritierend. Seine Unpünktlichkeit, seine fehlende Ordnung und seine aufreizende Entspanntheit. Sie hatte sich schon häufig gewünscht, für ihn eine Fernbedienung zu haben, auf der sie die Taste zum Vorspulen betätigen könnte.
Sie konnte sich eigentlich keinen Mann vorstellen, der weniger geeignet war als Lucas, sie zu heiraten.
Mrs Petrie beendete ihren Vortrag und setzte sich wieder auf ihren Stuhl. Der Friedensrichter begann nun über den Ernst des Eheversprechens zu sprechen, das sie in einigen Minuten ablegen würden. Kate hätte sich die Ohren am liebsten mit Ohrstöpseln verschlossen. Sie war doch eine Befürworterin von Ehen, die das ganze Leben hielten. Es war ihr Lebensinhalt, anderen Paaren dabei zu helfen, zusammenzubleiben und sich nicht zu trennen. Und jetzt ging sie eine Ehe ein, die nur eine Farce war.
Ich bin eine Heuchlerin. Eine Schwindlerin. Was würden meine Leser denken, wenn sie davon wüssten?
Der Friedensrichter wandte sich nun an sie und Kate versuchte, sich auf ihn zu konzentrieren, als er die Verlesung der Eheversprechen ankündigte. Nun musste sie Lucas ansehen. Sie übergab Anna ihr Bouquet und drehte sich zu Lucas um – unsicher, ob sie überhaupt normal weiteratmen könnte; zum Sprechen fühlte sie sich schon gar nicht in der Lage.
Dann sah sie, dass Lucas seine Lippe ganz leicht nach oben gezogen hatte. Seine Augen blickten sie warm an. Instinktiv beruhigte sie sich.
Ich kann das schaffen.