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Franz Grillparzers Trauerspiel "Des Meeres und der Liebe Wellen" ist ein meisterhaftes Werk, das die tragischen Verstrickungen von Liebe und Schicksal auf eindringliche Weise thematisiert. In fünf Aufzügen entfaltet sich die dramatische Handlung vor der zeitgenössischen Kulisse des 19. Jahrhunderts, charakterisiert durch eine lyrische Sprache und tiefgreifende psychologische Einsichten. Die Protagonisten, gefangen zwischen den Wellen der Leidenschaft und dem Sturm des Lebens, symbolisieren die universellen Konflikte, die Grillparzer mit einem eloquenten, emotionalen Stil thematisiert. Dabei vermischt er Realismus mit romantischen Elementen, was das Werk sowohl literarisch anspruchsvoll als auch für ein breites Publikum zugänglich macht. Franz Grillparzer, einer der bedeutendsten österreichischen Dramatiker, ließ sich bei der Schaffung dieses Werkes stark von persönlichen Erfahrungen und der politischen Unruhe seiner Zeit inspirieren. Sein tiefes Verständnis für menschliche Emotionen und sein scharfer Blick auf soziale Fragestellungen sind in "Des Meeres und der Liebe Wellen" deutlich zu erkennen und reflektieren die Spannungen zwischen individueller Freiheit und gesellschaftlichen Normen. Grillparzers umfassende Bildung und sein Schaffen in einer Zeit der Umbrüche prägen seine Schreibe und verleihen seinen Charakteren zusätzliche Tiefe. Für Leser, die sich für klassische Dramatik und die Ergründung menschlicher Leidenschaften interessieren, ist "Des Meeres und der Liebe Wellen" eine unverzichtbare Lektüre. Die emotionalen Konflikte der Charaktere und die tragische Schlussfolgerung laden zur Reflexion über die Zwänge der Liebe und des Schicksals ein. Dieses bedeutende Werk regt nicht nur zum Nachdenken an, sondern erreicht auch auf bewegende Weise die Herzen seiner Leser.
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Des Meeres und der Liebe Wellen
Franz Grillparzer
Trauerspiel in fünf Aufzügen
Personen:
Hero Der Oberpriester, ihr Oheim Leander Naukleros Janthe Der Hüter des Tempels Heros Eltern Diener, Fischer, Volk
(Vorhof im Tempel der Aphrodite zu Sestos. Den Mittelgrund bilden Säulen mit weiten Zwischenräumen, das Peristyl bezeichnend. Im Hintergrunde der Tempel, zu dem mehrere Stufen emporführen. Nach vorne, rechts die Statue Amors, links Hymenäus' Bildsäule. Früher Morgen.)
Hero
(ein Körbchen mit Blumen im Arme haltend tritt aus dem Tempel und steigt die Stufen herab). Nun, so weit wär's getan. Geschmückt der Tempel, Mit Myrt' und Rosen ist er rings bestreut Und harret auf das Kommende, das Fest. Und ich bin dieses Festes Gegenstand. Mir wird vergönnt, die unbemerkten Tage, Die fernhin rollen ohne Richt und Ziel, Dem Dienst der hohen Himmlischen zu weihn; Die einzelnen, die Wiesenblümchen gleich, Der Fuß des Wanderers zertritt und knickt, Zum Kranz gewunden um der Göttin Haupt, Zu weihen und verklären. Sie und mich. Wie bin ich glücklich, daß nun heut der Tag; Und daß der Tag so schön, so still, so lieblich! Kein Wölkchen trübt das blaue Firmament, Und Phöbus blickt, dem hellen Meer entstiegen, Schon über jene Zinnen segnend her. Schaust du mich schon als eine von den Euren? Ward es dir kund, daß jene muntre Hero, Die du wohl spielen sahst an Tempels Stufen, Daß sie, ergreifend ihrer Ahnen Recht, Die Priester gaben von Urväterzeit Dem hehren Heiligtum—daß sie's ergreifend Das schöne Vorrecht, Priesterin nun selbst; Und heute, heut; an diesem, diesem Tage. Auf jenen Stufen wird das Volk sie sehn Den Himmlischen der Opfer Gaben spendend. Von jeder Lippe ringt sich Jubel los, Und in dem Glanz, der Göttin dargebracht, Strahlt auf der Priestrin Haupt— Allein, wie nur? Beginn ich mit Versäumen meinen Dienst? Hier sind noch Kränze, Blumen hab ich noch, Und jene Bilder stehen ungeschmückt? Hier, Hymenäus, der die Menschen bindet, Nimm diesen Kranz von einer, die gern frei. Die Seelen tauschest du? Ei, gute Götter, Ich will die meine nur für mich behalten, Wer weiß, ob eine andre mir so nütz'? Dir Amor sei der zweite meiner Kränze. Bist du der Göttin Sohn, und ich ihr Kind, Sind wir verwandt; und redliche Geschwister Beschädigen sich nicht und halten Ruh'. So sei's mit uns, und ehren will ich dich, Wie man verehrt, was man auch nicht erkennt. Nun noch die Blumen auf den Estrich.—Doch Wie liegt nur das Geräte rings am Boden? Der Sprengkrug und der Wedel, Bast und Binden. Saumsel'ge Dienerinnen dieses Hauses Euch stand es zu. Übt so ihr eure Pflicht? Lieg immer denn, und gib ein kundbar Zeugnis— Und doch, es martert mein erglühend Auge. Fort, Niedriges, und laß mich dich nicht schaun.
(Sich mit Zurechtstellen beschäftigend.)
Dort kommt der Schwarm, von lautem Spiel erhitzt, Nunmehr zu tun, was ohne sie vollendet.
(Janthe und mehrere Dienerinnen kommen.)
Janthe. Ei, schöne Hero, schon so früh beschäftigt?
Hero. So früh, weil's andre nicht, wenn noch so spät.
(Die Dienerinnen stellen das übrige zurecht.)
Janthe. Ei seht, sie tadelt uns, weil wir die Kanne, Das wenige Gerät nicht weggeschafft.
Hero. Viel oder wenig, du hast's nicht getan.
Janthe. Wir waren früh am Werk und sprengten, fegten. Da kam die Lust, im Grünen uns zu jagen.
Hero. Drauf gingt ihr hin und—Nun, beim hohen Himmel! Als du den leichten Fuß erhobst und senktest, Kam dir der Vorhof deiner Göttin nicht, Dein unvollendet Werk dir nicht vors Auge? Genug, ich faß euch nicht, wir wollen schweigen.
Janthe. Weil du so grämlich bist und einsam schmollst, Beneidest du dem Frohen jede Lust.
Hero. Ich bin nicht grämlich, froher leicht als ihr, Und oft hab ich zur Abendzeit beklagt, Wo Spiel vergönnt, daß ihr des Spielens müde, Doch nehm ich nicht dem Ernste seine Lust, Indem ich mit des Scherzes Lust sie menge.
Janthe. Verzeih, wir sind gemeines, niedres Volk. Du freilich, aus der Priester Stamm entsprossen—
Hero. Du sagst es.
Janthe. Und zu Höherem bestimmt.
Hero. Mit Stolz entgegn' ich: ja.
Janthe. Ganz andre Freuden, Erhabnere Genüsse sind für dich.
Hero. Du weißt, ich kann nicht spotten; spotte nur!
Janthe. Und doch, gingst du mit uns, und sahst die beiden, Die fremden Jünglinge am Gittertor—
Hero. Nun schweig!
Janthe. Was gilt's? du blinzeltest wohl selber Ein wenig durch die Stäbe.
Hero. Schweige, sag ich. Ich habe deiner Torheit Raum gegeben, Leichtfertigem verschließt sich dieses Ohr. Sprich nicht und reg dich nicht! denn bei den Göttern! Dem Priester, meinem Oheim sag ich's an, Und er bestraft dich, wie du's wohl verdienst. Ich bin mir gram, daß mich der Zorn bemeistert, Und doch kann ich nicht anders, hör ich dies. Du sollst nicht reden, sag ich, nicht ein Wort!
(Der Priester, von dem Tempelhüter begleitet, ist von der rechten Seite her aufgetreten.)
Hero (ihm entgegen). O wohl mir, daß du kömmst, mein edler Ohm. Dein Kind war im Begriff zu zürnen, heut, Am Morgen dieses feierlichen Tags, Der sie auf immer—O verzeih, mein Ohm!
Priester. Was aber war der heißen Regung Grund?
Hero. Die argen Worte dieser Leichtgesinnten; Der frevle Hohn, der was er selbst nicht achtet, So gern als unwert aller Achtung malte. O daß die Weisheit halb so eifrig wäre Nach Schülern und Bekehrten, als der Spott!
Priester. Und welche war's, die vor den andern kühn, Die Sitte unsers Hauses so verletzt?
Hero (nach einer Pause). Genau besehn, will ich sie dir nicht nennen, Ob ihr die Rüge gleich gar wohl verdient. Schilt sie nur alle, Herr, und heiß sie gehn, Die Schuld'ge nimmt sich selbst wohl ihren Teil.
(Zum Tempelhüter.)
Du aber sieh zum äußern Gittertor, Damit nicht Fremde—
Priester. Hätte denn—?
Hero. Ich bitte!
Priester. So geh!—Und ihr! und meidet zu begegnen Dem Zorne, der sein Recht und seine Mittel kennt.
(Der Tempelhüter nach der linken, die Mädchen nach der rechten Seite ab.)
Hero. Nun ist mir leicht! Ich könnte sie bedauern, Wenn ihre Torheit an sich selber zehrte, Nicht um Genossen würb' und Billigung.
Priester. Sosehr mich freut, daß du den Schwarm vermeidest, Und aus der Menge nicht die Freundin wählst, So sehr befremdet mich, ja ich beklag es, Daß dich zu keiner unter deinesgleichen Des Herzens Zug, ein still Bedürfnis führte. Ein einsam Leben harrt der Priesterin, Zu zweien trägt und wirkt sich's noch so leicht.
Hero. Ich kann nicht finden, daß Gesellschaft fördert; Was einem obliegt muß man selber tun. Dann, nennst du einsam einer Priestrin Leben? Wann war es einsam hier im Tempel je? Vom frühen Morgen drängt die laute Menge, Aus Ost und Westen strömt herbei das Volk. Von Weihgeschenken und von Opfergaben, Von Festeszügen, fremden Beterscharen War nimmer dieses Hauses Schwelle leer. Dann fehlt's ja nicht an mancherlei zu tun: Der Wasserkrug, der Opferherd, die Kränze, Und Säul' und Sockel, Estrich und Altar Zu reinigen, zu schmücken, zu bewahren. Wo bliebe da zum Schwätzen wohl die Zeit, Zum Kosen mit der Freundin, wie du meinst.
Priester. Du hast mich nicht gefaßt.
Hero. Wohl denn, es sei! Was man nicht faßt, erregt auch kein Verlangen. Laß mich so wie ich bin, ich bin es gern.
Priester. Doch kommt die Zeit und ändert Wunsch und Neigung.
Hero. Man klagt ja täglich, daß der Unverständ'ge Beharrt und bleibt, man tadl' ihn wie man will; Weshalb nun den Verständ'gen unverständ'ger Und unbeständ'ger glauben als den Tor? Ich weiß ja was ich will und was wir wählten, Wenn wählen heißen kann, wo keine Wahl. Vielmehr ein glücklich Ungefähr hat mich Nur halb bewußt an diesen Ort gebracht, Wo—wie der Mensch, der müd' am Sommerabend Vom Ufer steigt ins weiche Wellenbad, Und, von dem lauen Strome rings umfangen, In gleiche Wärme seine Glieder breitet, So daß er, prüfend, kaum vermag zu sagen: Hier fühl ich mich und hier fühl ich ein Fremdes— Mein Wesen sich hindangibt und besitzt. Aus langer Kindheit träumerischem Staunen Bin hier ich zum Bewußtsein erst erwacht; Im Tempel, an der Göttin Fußgestelle Ward mir ein Dasein erst, ein Ziel, ein Zweck. Wer, wenn er mühsam nur das Land gewonnen, Sehnt sich ins Meer zurück, wo's wüst und schwindelnd? Ja, diese Bilder, diese Säulengänge, Sie sind ein Äußeres mir nicht, ein Totes; Mein Wesen rankt sich auf an diesen Stützen, Getrennt von ihnen, wär' ich tot wie sie.
Priester. Nur hüte dich, daß so beschränktes Streben Ein Billiger nicht möge selbstisch nennen! Es hält der Mensch mit Recht von seinem Wesen Jegliche Störung fern; allein sein Leben, Ablehnend alles andre, nur auf sich, Des eignen Sinns Bewahrung zu beschränken, Scheint widrig, unerlaubt, ja ungeheuer, Und doch auch wieder eng und schwach und klein. Du weißt, es war seit undenkbaren Zeiten Begnadet von den Göttern unser Stamm Mit Priesterehren, Zeichen und Orakeln, Zu sprechen liebten sie durch unsern Mund: Lockt's dich nun nicht zurück es zu gewinnen Das schöne Vorrecht, dir zum höchsten Ruhm Und allem Volk zu segensreichem Frommen? Ich riet dir oft, in still verborgner Nacht Zu nahen unsrer Göttin Heiligtum Und dort zu lauschen auf die leisen Stimmen, Mit denen wohl das Überird'sche spricht.
Hero. Verschiednes geben Götter an Verschiedne; Mich haben sie zur Sehrin nicht bestimmt. Auch ist die Nacht, zu ruhn; der Tag, zu wirken, Ich kann mich freuen nur am Strahl des Lichts.
Priester. Vor allem sollte heut—
Hero. Ich war ja dort, Noch eh' die Sonne kam, in unserm Tempel Und setzte mich bei meiner Göttin Thron Und sann. Doch keine Stimme kam von oben. Da griff ich zu den Blumen, die du siehst, Und wand ihr Kränze meiner hohen Herrin, Erst ihr, dann jenen beiden Himmlischen, Und war vergnügt.
Priester. Und dachtest?
Hero. An mein Werk.
Priester. An andres nicht?
Hero. Was sonst?
Priester. An deine Eltern.
Hero. Was nützt es auch? sie denken nicht an mich.
Priester. Sie denken dein und sehnen sich nach dir.