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Dieses eBook: "Deutsche Literaturgeschichte in einer Stunde - Von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Klabund oder Alfred Henschke (1890-1928) war ein deutscher Schriftsteller. Inhalt: Nibelungen-und Gudrunlied Der Minnesang Walter von der Vogelweide Die deutsche Mystik: Mechthild von Magdeburg, Meister Eckhard und Johannes von Saaz Hartmann von Aue, Wolfram von Eschenbach, Gottfried von Straßburg Die Volksdichtung Zerfall der Ritterpoesie: Oswald von Wolkenstein, Hans Sachs Scherz, Ironie und Satire: Eulenspiegel, Die Rollwagenbücher Luther - Die deutsche Bibel Das Kirchenlied Die Schlesier - Der dreißigjährige Krieg Johann Christian Günther Gottsched, Gellert, Hagedorn Die Anakreontiker Die Idylliker Lessing Klopstock Der Hainbund Wieland Gottfried August Bürger Sturm und Drang Johann Gottfried Herder Friedrich Schiller Der Wandsbecker Bote und der Rheinische Hausfreund Goethe Jean Paul, Hölderlin Die Romantik Eichendorff, Kleist, E.Th.A. Hoffmann Die österreichische Romantik Die Dichter der Befreiungskriege Das junge Deutschland: Herwegh und Heine Uhland und die Schwaben Hebbel, Grabbe, Büchner Laube, Alexis, Hauff, Chamisso, Stifter, Immermann Mörike, Freiligrath, Rückert Die Schweizer: Jeremias Gotthelf, Gottfried Keller, C.F. Meyer, Carl Spitteler 1870/71: Otto Ludwig, Raabe, Storm, Fontane Viele Wege führen nach Rom: Naturalismus, Impressionismus, Expressionismus, Gerhart Hauptmann Nietzsche und George, Hofmannsthal und Rilke, Dehmel und Morgenstern Die deutsche Frauendichtung Das neue Drama: Wedekind Die neue Prosa Die neue Lyrik
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Nibelungen-und Gudrunlied + Der Minnesang + Walter von der Vogelweide + Die deutsche Mystik: Mechthild von Magdeburg, Meister Eckhard und Johannes von Saaz + Die Volksdichtung + Ritterpoesie und mehr
Inhaltsverzeichnis
Diese kleine Literaturgeschichte verfolgt weder philosophische noch philologische Absichten. Sie ist nichts als der Versuch einer kurzen, volkstümlichen, lebendigen Darstellung der deutschen Dichtung. Die Dichtung eines Volkes beruht auf dem Eigentümlichsten, was ein Volk haben kann: seiner Sprache. In diesem Sinne wird und soll sie immer »völkisch« sein. Die deutsche Dichtung ist vergleichbar einem Baum, der tief in der deutschen Erde wurzelt, dessen Stamm und Krone aber den allgemeinen Himmel tragen hilft. Es gibt eine deutsche Erde. Der Himmel ist allen Völkern gemeinsam.
Blüten vom Baum der deutschen Dichtung mögen vom Wind da-und dorthin getragen werden. Zu Früchten reifen werden nur die, die am Baum bleiben. Sie werden im Herbst geerntet werden, und im Schatten des Baumes wird ein ganzes Volk sich an ihnen erquicken.
*
Jener germanische Jüngling, der einsam im Eichenwald am Altare Wotans niedersinkend, von ihm, der jeglichen Wunsch zu erfüllen vermag, in halbartikuliertem Gebetruf, singend, schreiend, die Geliebte sich erflehte, dessen Worte, ihm selbst erstaunlich, zu sonderbaren Rhythmen sich banden, die seiner Seele ein Echo riefen, war der erste deutsche Dichter.
Wie eine Blüte brach ihm das Herz in einer Nacht auf, daß es der Sonne entgegenglühte, eine Schwestersonne. Daß er dem Sonnengott sich als geringerer Brudergott verwandt fühlte, daß er Worte fand wie nie zuvor. Unbewußtes ward bewußt. Liebe machte den Stummen beredt. Er sang einen heiligen Gesang. Er neigte sich dem Gott, er neigte sich der Geliebten, er versank vor sich selbst. Himmel, Erde, Mensch verschmolz in seinem Gedicht.
Die Sehnsucht wurde Wort, das Wort wurde Erfüllung. Aller Dichtung Urbeginn ist die Liebe. Der Weg zur Liebe führt durch Haß und Kampf und Schmerz. Der Urmensch sang den Haß gegen den Feind, den Feind seines Gottes und Räuber seines Weibes. Er singt den Schmerz seiner im Weltall verlorenen einsamen Seele, die dahinfliegt wie ein Meervogel über den Ozean, und nur die Sonne ist ihre Hoffnung. In ihr verehrt er Gottes Auge, das ihn beglänzt, jeden Tag neu, nach fürchterlicher Nacht. Und er sieht auch in sich die ewige Nacht, aus der er nur immer kurz zu Dämmerung und Helle erwacht, und seine Sehnsucht sucht die Nacht immer mehr mit Licht zu erfüllen. Und das Licht zeigt ihm den langen mühseligen Weg des Menschen, welcher aus Finsternis und Sumpf emporführt zu Licht und Gebirg, bis über die Wolken, bis an Gottes Thron selbst.
Inhaltsverzeichnis
Eines der ältesten deutschen Sprachdenkmäler ist das Wessobrunner Gebet, um 800 entstanden, voll von großer Anschauung und starker dichterischer Kraft. Karls des Großen Biograph Einhart († 840) erzählt, daß Karl der Große alle alten Sagen habe aufschreiben lassen. Leider haben seine frömmelnden Nachfolger, von unverständigen Pfaffen aufgereizt, dafür gesorgt, daß derlei »heidnisches« Zeug ausgerottet wurde, wo es sich zeigte. Unersetzbares ist verloren gegangen. Als Ersatz werden uns blasse, versifizierte Heiligenlegenden und Christusgeschichten aufgetischt.
Unter den Nachfolgern Karls des Großen blüht, begünstigt von den Priestern, die lateinische Poesie. Da wir nur von der deutschen Dichtung, dem deutschen Wort sprechen wollen, gehört sie nicht in unsere Betrachtung. Die deutsche Sprache wurde höchstens dazu verwandt, um dem Laien heilige Texte zu übersetzen.
Das stolzeste Epos der Deutschen ist das Nibelungenlied (um 1210). Die sagenhafte deutsche Urzeit entsteht in den Rittern der Völkerwanderung noch einmal. Jeder der Helden: Siegfried, Hagen, Gunther ist ein Held seiner Zeit, aber mit den strahlenden Attributen der Vorzeit umgeben. »Welch ein Gemälde der menschlichen Schicksale stellt uns das Lied der Nibelungen auf«, schreibt A.W. von Schlegel . »Mit einer jugendlichen Liebeswerbung hebt es an, dann verwegene Abenteuer, Zauberkünste, ein leichtsinniger, aber gelungener Betrug. Bald verfinstert sich der Schauplatz; gehässige Leidenschaften mischen sich ein, eine ungeheure Freveltat wird verübt. Lange bleibt sie ungestraft; die Vergeltung droht von ferne und rückt in mahnenden Weissagungen näher; endlich wird sie vollbracht. Ein unentfliehbares Verhängnis verwickelt Schuldige und Unschuldige in den allgemeinen Fall, eine Heldenwelt bricht in Trümmer.« Haben wir nicht alle das Nibelungenlied am eigenen Leib und an eigener Seele verspürt? Ein unentfliehbares Schicksal hat uns, Schuldige und Unschuldige, in den allgemeinen Fall verwickelt, und eine Welt ist in Trümmer gebrochen.
Das Gudrunlied (um 1230) klingt sanfter, bürgerlicher, versöhnender aus. Zwar stehen auch hier Gewalttat und Schande am Anfang. Aber das Lied endet heiter mit einer vierfachen Hochzeit und hellen Blicken in eine rosenrote Zukunft, da kein Haß und kein Kampf mehr sein wird.
Inhaltsverzeichnis
Der Minnesang war von Vaganten und fahrenden Sängern gern gepflegt und in Volksliedern von Mund zu Mund gegangen, ehe sich, unter dem romantischen Einfluß der Troubadoure, die deutschen Dichter seiner annahmen und die Frau als Geliebte und Gattin auf einen goldenen Throne setzten, wie man ihn auf mittelalterlichen Miniaturen der Madonna mit dem Jesuskinde weihte. Von Österreich nahm der Minnesang seinen Anfang. Der von Kürenberg sang um 1150 das Lied vom Falken, den er sich mehr denn ein Jahr gezähmt und der ihm dann »in anderiu lant« entflog. Ein Spielmann, genannt der Spervogel (†1180), dichtete die ersten lehrhaften Sprüche und Fabeln, z.B. vom Wolf, der in ein Kloster ging und ein geistlich Leben führen wollte. Im Kloster vertraute man ihm das Hüten der Schafe an. Die Nutzanwendung braucht man einem Menschen heutiger Zeit nicht besonders nahe zu legen. Derartige Wölfe - und derartige Schafe sind leider heute verbreiteter denn je.
Walter von der Vogelweide
Von 1160 bis 1230 ritt Herr Walter von der Vogelweide durch die Welt. Er kam von Tirol, dort, wo die Berge das Eisacktal vom Himmel abschließen, wo man den Himmel in der eigenen Brust suchen muß. Er trieb seinen mageren, schlecht genährten Klepper durchs Burgtor von Wien, und die Ritter neigten sich vor ihm. Im Bischofssitz von Passau erklang sein Gelächter, das er dem Bischof wie eine Handvoll Haselnüsse an den tonsurierten Kopf warf. Dem heiligen Vater in Rom war er aus deutschem Herzen feindlich gesinnt: er sah, politischer Denker, der er war, daß die Päpste sehr diesseitige römische Politik und Diplomatie trieben, der die deutschen Kaiser sich selten genug gewachsen zeigten. Er stand auf der Wartburg und sah hinab auf das thüringische und deutsche Land. Wie blühte der Frühling, wie sangen die Amseln! Unter einem Wacholderstrauch lagen zwei Liebende. Unter der Linde stand ein fahrender Geiger und geigte zum Tanz. Ein schönes Fräulein lächelte seitwärts, selbstvergessen. Da lächelte Walter von der Vogelweide. Er bückte sich und wand in Eile mit geschickten Fingern einen Kranz aus Butterblumen, die zwischen den Steinritzen auf dem Burghofe blühten, nahm den Kranz, sprang zu dem errötenden Mädchen, verneigte sich, und sprach:
Nehmt, Fraue, diesen Kranz, So zieret ihr den Tanz Mit schönen Blumen, die am Haupt ihr tragt.
Und der alte Geiger, mit dem Totenkopf zum Tanz taktierend strich den Bogen. Tod spielte zum Leben auf. Der Ritter tanzte mit dem Fräulein. Sie hieß Maria wie die Mutter Gottes selber und war ihm Gottesmutter, Gottesschwester, Gottestochter all in eins.
Mit Friedrich dem Zweiten ritt Walter von der Vogelweide 1227 auf den Kreuzzug. Er hasste die Pfaffen und den falschen Gott in Rom. Er wollte den wahren Gott von Angesicht zu Angesicht sehen. Er sang den Kreuzfahrern das Kreuzlied. Und am heiligen Grab sank er ins Knie:
Jetzt erst bin ich beseligt, da mein sündig Auge die heilige Erde betrachten darf.Dahin kam ich, wo den Pfad Gott als Mensch betreten hat.
Ernst und wie von einer Wolke beschattet, kehrte er aus dem heiligen Lande heim. Es war Frühling in ihm gewesen, als er auszog. Palästina war sein Sommer geworden. Nun sah er Herbst und Verwesung, Elend und Bitternis überall. Die Nebelkrähen hingen in Schwärmen über dem deutschen Land. Und in Würzburg war es, wo er den Blick auf den fließenden Main gerichtet, sein letztes Gebet dichtete: jene schönste Elegie deutscher Sprache: Owê war sint verswunden alliu miniu jâr! Im Lusamgärtchen, vor der Pforte des neuen Münsters, wurde das Sterbliche von Walter von der Vogelweide 1230 bestattet. Die letzte Zeit vor seinem Tode hielt er sich von den Menschen fern: er stand stundenlang am Main und fütterte die Vögel und die Fische mit Brotkrumen. Und in seinem Testament bestimmte er, daß aus seiner Hinterlassenschaft mehrere Säcke Körner zu kaufen seien und daß auf seinem Grabe die Vögel stets Körner und Wasser vorfinden sollten.
Noch im Tode wollte er seinem Namen Ehre machen: sein Grab noch sollte den Vögeln eine Weide sein. Lest seine Liebeslieder, ihr Liebenden! Klausner Schwermut, weise uns die Kapelle seiner Melancholie! Wo im kahlen Winter ein frierender Vogel hungrig an eure Fensterscheiben pickt: gebt ihm zu fressen, gedenkt des Herren von der Vogelweide! Solange die deutsche Dichtung besteht, wird sein Name unvergessen sein. ‚ Her Walther von der Vogelweide, swer des vergaez’, der taet mir leide’, rief 1300 Hugo von Trimberg über sein Grab.
Inhaltsverzeichnis
Die Blume der deutschen Mystik keimte zuerst in den Klöstern. Schwester Mechthild v. Magdeburg (1212 bis 1294) schrieb ihr Buch vom fließenden Licht der Gottheit: voll seliger Versunkenheit in Christo. In ihren Ekstasen sah sie Jesus als schönen Jüngling ( Schöner Jüngling, mich lüstet dein) ihre Zelle betreten, er war ihr wie ein Bräutigam zur Braut, und ihre himmlischen Sprüche sind wie irdische Liebeslieder. Ihre Gottesminne (Eia, liebe Gottesminne, umhalse stets die Seele mein!) war der Gottesminne des Wolfram tief verwandt. Die reine Minne (nicht jede höfische oder ritterliche oder bäurische Minne) galt ihr als oberstes Prinzip.
»Dies Buch ist begonnen in der Minne, es soll auch enden in der Minne; denn es ist nichts so weise, so heilig, noch so schön, noch so stark, noch also vollkommen als die Minne«.
Mechthild von Magdeburg ist trunken vor Askese. Ihr Geist kennt die Wollust des Fleisches. Jesus ist ihr zärtlicher Gespiel und sie seine Tänzerin.
Meister Eckhard (1260 bis 1327, gestorben in Köln), ihr mystischer Bruder, verhält sich zu ihr wie ein Kauz oder Uhu zu einer Libelle. Ihr Leben und Dichten war ein Schweben und Ja-sagen, das seine ein tief in sich Beruhen und Ent-sagen. Er liebte das Leid um des Leides willen: jeder Schmerz war ihm eine Station zum Paradies. Er riß die Wunden, die in ihm verheilen oder verharschen wollten, künstlich wieder auf: daß nur sein Blut fließe. Seine Gedanken scheinen verschleiert, ja manche haben dunkle Kapuzen übers Haupt gezogen und sind unerkennbar. Sein Buch der göttlichen Tröstung ist ein Trostbuch für die, die am Tode und am Leben leiden.
Ein Trostbuch rechter Art will auch der »Ackermann von Böhmen« sein, den Johannes von Saaz 1400 in die Welt schickte. Der Dichter kleidet seine Trostschrift in die Form eines Zwiegesprächs zwischen einem Witwer und dem Tod. Der Witwer fordert vor Gericht (dem Gottesgericht) sein Weib vor dem Räuber und Mörder Tod zurück.
»Schrecklicher Mörder aller Menschen, Ihr Tod, Euch sei geflucht! Gott, der euch schuf, hasse Euch; Unheils Häufung treffe Euch; Unglück hause bei euch mit Macht; ganz entehret bleibt für immer!«
so beginnt der Kläger seine Klage. Und der Tod antwortet:
»Du fragst, wer wir sind: wir sind Gottes Hand, der Herr Tod, ein gerecht schaffender Mäher. Braune, rote, grüne, blaue, graue, gelbe und jeder Art glänzende Blumen und Gras hauen wir nacheinander nieder, ihres Glanzes, ihrer Kraft und Vorzüge ungeachtet. Sieh, das heißt Gerechtigkeit.«
In immer verzweifelteren Ausbrüchen pocht der Mensch, aller Menschheit Abgesandter, an das Rätsel des Todes, der ihm sinnlos wie ein Mäher im Herbst unter den Menschen zu hausen scheint, das Glück des Liebenden und die Tat des Künstlers, die Stellung des Königs nicht achtet, bis Gott selbst das Urteil spricht:
»Kläger, habe die Ehre, du Tod aber, habe den Sieg! Jeder Mensch ist dem Tode sein Leben, den Leib der Erde, die Seele uns zu geben verpflichtet.«
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