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Im Jahre 2010 waren deutsche Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan in die schwersten Gefechte seit Bestehen der Bundeswehr verwickelt. Zu dieser Zeit erhielt das Panzergrenadierlehrbataillon 92 in Munster den Auftrag, für knapp sieben Monate die militärische Verantwortung in der nordafghanischen Kunduz-Provinz zu übernehmen. Nach einer achtmonatigen Einsatzvorbereitung stand unsere Kompanie im Juni 2011 als erste Einheit der Task Force Kunduz III geschlossen in Afghanistan und begann wenige Tage nach ihrer Ankunft mit den ersten Patrouillen im Unruhedistrikt Chahar Darreh.
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Seitenzahl: 66
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Für die Gefallenen, Verwundeten, Traumatisierten und Hinterbliebenen des Afghanistan-Einsatzes.
Wir vergessen euch nicht!
Stimmen zum Buch
„Eine starke und eindringliche Darstellung der Panzergrenadiertruppe im Einsatz in Afghanistan. Zugleich ein wichtiges Zeitdokument, das nahtlos von Folgegenerationen gezogen werden kann, wenn wir vor vergleichbaren Herausforderungen stehen werden. Panzergrenadiere sind das wohl vielseitigste und anspruchsvollste Manöverelement, immer und überall im gesamten Einsatzspektrum der Streitkräfte einsetzbar – das macht sie so wertvoll.“
Brigadegeneral Björn F. Schulz, Kommandeur Panzertruppenschule und General der Panzertruppen
„Der Einsatz in Afghanistan ist Geschichte. Umso wichtiger ist die öffentliche Debatte, zu der Marcel Bohnert und Andy Neumann mit ihrem Buch einen wichtigen Beitrag leisten. Sie geben wichtige Einblicke in die Perspektive der Panzergrenadiertruppe in der robusten Phase der ISAF-Mission. Nach der Lektüre drängt sich einmal mehr die Frage auf, was die Bundeswehr aus dem Einsatz am Hindukusch gelernt hat."
Prof. Dr. Sönke Neitzel, Universität Potsdam
„Ich erinnere mich lebhaft an die Tage und Nächte, die ich als Medic mit der Panzergrenadiertruppe in Afghanistan verbracht habe. Ihre Professionalität war unübertroffen; jeder Handgriff, jede Entscheidung zeugte von jahrelanger Ausbildung und eiserner Disziplin. Wir begleiteten Konvois durch die gefährlichsten Regionen, stets auf der Hut vor versteckten Gefahren. Inmitten dieser ständigen Bedrohung bildete sich eine Kameradschaft, die stärker war als jede Waffe, die wir trugen. Wir waren nicht nur Soldaten und Kollegen, sondern eine Familie, die einander blind vertraute und bedingungslos unterstützte.“
Hagen Vockerodt, Autor »1638 Tage im Krieg«
„Afghanistan im Herbst 2010: Im Rahmen einer hubschraubergestützten Zugriffsoperation planten wir den Sicherungsring gemeinsam mit Kameraden der Panzergrenadiertruppe aus. Im Mondlicht starteten wir mit Hubschraubern aus unserem Feldlager. Im Landeanflug auf unser Zielobjekt konnten wir aus der Luft sehen, wie die »Grennis« mit ihren Schützenpanzern unter uns in die vorgeplanten Stellungen rollten. Alles funktionierte reibungslos – die Grenadiere waren pünktlich auf die Sekunde. Die Operation war auch dank dieser Professionalität ein Erfolg und ist nur ein Beispiel für viele positive Erfahrungen, die ich während meiner Dienstzeit im Kommando Spezialkräfte mit Panzergrenadieren machen durfte.“
Christian Gerstner, Autor »Unter dem Schwert«
"Als Fallschirmjäger haben wir im Einsatz mit unseren Panzergrenadieren exzellent zusammengearbeitet. Ihre Motivation, Professionalität und letztendlich auch ihre »Eisenschweine« haben unsere infanteristischen Fähigkeiten perfekt ergänzt. Nicht nur einmal waren sie in brenzligen Situationen das Zünglein an der Waage zu unseren Gunsten."
Johannes Clair, Autor »Vier Tage im November«
"Wir Panzergrenadiere spielten eine bedeutende Rolle im Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr, insbesondere während des ISAF-Einsatzes. Im Jahr 2009 hat mein Zug als schweres Element der Quick Reaction Force 3 die ersten Schützenpanzer nach Kunduz gebracht. Schon kurz nach ihrem Eintreffen hat sich unser Hauptwaffensystem am 19. Juli 2009 das erste Mal im Gefecht bewährt. Panzergrenadiere wurden seitdem oft als Träger des Gefechts angesehen, da sie über wesentliche Fähigkeiten verfügten, um in diesem besonderen und herausfordernden Einsatz zu bestehen. Sie zeigten sich in Afghanistan flexibel, anpassungsfähig und entschlossen. Durch Mobilität und Feuerkraft trugen sie maßgeblich zur Sicherheit und Stabilisierung im Operationsgebiet bei. Panzergrenadiere konnten im Afghanistan-Einsatz beweisen, dass sie eine unverzichtbare Rolle in der modernen Kriegsführung spielen. Wir können zu Recht stolz auf unsere Truppengattung sein!"
Oberstabsfeldwebel Jan Hecht, Träger des Ehrenkreuzes der Bundeswehr für Tapferkeit
Inhaltsverzeichnis
1
Prolog: »Operation Tür« (Kunduz, Afghanistan, September 2011)
2
Einleitung: Herausforderungen irregulärer Kriegführung
3
Weg zum Einsatz von Panzergrenadieren in Afghanistan
4
Einsatz einer Panzergrenadierkompanie: 200 Tage Kunduz
4.1
Einsatzvorbereitung
4.2
Einsatzverlauf
4.3
Einsatzresümee
5
Einsatzwert von Panzergrenadieren in Afghanistan
6
Unser Vermächtnis
7
Ausblick
8
Epilog (Airfield Termez, Usbekistan, Juni 2011)
Autoren
Bibliografie
Weitere Informationen
1 Prolog: »Operation Tür« (Kunduz, Afghanistan, September 2011)
Der 9. September ist ein Tag, der vielen von uns noch lange in Erinnerung bleiben wird. Auch für viele Afghanen hat er eine besondere Bedeutung: Es ist der nationale Gedenktag zu Ehren von Ahmad Schah Massoud. Der Kampf gegen die Sowjetarmee ließ den Tadschiken Anfang der 1990er Jahre zu einer Legende werden und als Anführer der Mudschaheddin-Kämpfer wurde er später zur Symbolfigur des Widerstandes gegen die Taliban. Am 9. September 2001 starb Massoud durch die Bombe zweier als Journalisten getarnter Selbstmordattentäter. Kurz danach wurde er durch den afghanischen Präsidenten offiziell zum Nationalhelden erklärt.
Exakt zehn Jahre später brummen in der nordafghanischen Kunduz-Provinz die Motoren deutscher Schützenpanzer und Gefechtsfahrzeuge. Seit einer knappen Dekade ist auch die Bundeswehr in den Krieg am Hindukusch involviert.
Über die Jahre hatte sich die ISAF 1-Mission von einem humanitär orientierten Stabilisierungseinsatz zu einem Kampfeinsatz entwickelt und forderte unter Bundeswehrangehörigen und alliierten Verbündeten seine Opfer. Im Jahre 2010 hatte der damalige Generalmajor Hans-Werner Fritz die deutschen Ausbildungs- und Schutzbataillone in Dienst gestellt; zwei voll ausgestattete Gefechtsverbände, die als Task Forces Kunduz und Mazar-E-Sharif an vorderster Front operierten. Spätestens damit wurde der veränderten Bedrohungslage auch auf taktischer Ebene endgültig Rechnung getragen.
Wir waren Teil der Task Force Kunduz III und begannen in den frühen Morgenstunden des 9. Septembers 2011 mit der »Operation Tür« im Unruhedistrikt Chahar Darreh. Absicht war es, zwei Dingo-Türen aus der Ortschaft Isa Khel zu bergen, die sich dort seit dem Karfreitagsgefecht 2010 befanden. Sie zeugten von jenem blutigen Tag, an dem drei deutsche Soldaten in schweren Kämpfen ihr Leben ließen und etliche weitere verwundet wurden. Neben dem Kunduz-Bombardement im September 2009, bei dem ein deutscher Oberst zwei durch Aufständische gekaperte Tanklastzüge angreifen ließ, gilt der Karfreitag 2010 als tiefer Einschnitt und Wendepunkt in der öffentlichen Wahrnehmung des deutschen Einsatzes.
An diesem Morgen des 9. Septembers 2011 befindet sich der verstärkte Infanteriezug Bravo mit auf- und abgesessenen Kräften am Ort des damaligen Geschehens. Trotz der frühen Uhrzeit hat das Thermometer bereits die 40-Grad-Marke durchbrochen. Die Soldatinnen und Soldaten bahnen sich schwer bepackt ihren Weg nach Isa Khel. Pioniere und Kampfmittelspezialisten detektieren den Boden nach Sprengfallen und die gepanzerten Fahrzeuge schieben sich in ihrem Schutz allmählich an den Fluss, in dem Infanteristen der Kompanie die Türen vor einigen Wochen entdeckt hatten. Sie wurden dort durch die Bevölkerung zur Kanalisierung des Wasserlaufes genutzt. Die Operation hatten wir seitdem sorgsam vorbereitet, wobei nicht nur die Sicherheitslage in Isa Khel eine Rolle spielte. Uns war es ebenso wichtig, die Türen durch Metallplatten zu ersetzen, um die Einheimischen nicht gegen uns aufzubringen. Zudem hatten wir das Einverständnis unserer Vorgänger aus dem Jahre 2010 eingeholt und die praktische Umsetzung der Bergung der mehrere hundert Kilo schweren Türen geplant.
Unsere Soldatinnen und Soldaten führen Gespräche mit Einheimischen und sichern den Vormarsch der Gefechtsfahrzeuge in alle Richtungen. Den mit der Bergung befassten Kräften ist die Anstrengung und Anspannung anzusehen. Eine ganze Weile läuft alles nach Plan. Unmittelbar nach der schweißtreibenden Bergung der Türen – gegen 10:30 Uhr – erreicht die Kompanie die Information, dass sich auf dem Hochplateau Westplatte nahe der Ortschaft Nawabad ein IED-Strike 2 auf einen Spähtrupp der Aufklärungskompanie ereignet hatte, bei dem deutsche Soldaten verwundet worden waren. Die Operation in Isa Khel wurde sofort abgebrochen und nach einem Koordinierungshalt an der Höhe 432, bei dem wichtige Unterstützungskräfte in den bereits aufgefahrenen Panzergrenadierzug Charlie eingegliedert wurden, verlegten die alarmierten Kräfte mit voller Geschwindigkeit zum fast zehn Kilometer entfernten Anschlagsort.
Der Motor des vorausfahrenden Schützenpanzers Marder überhitzte und fiel an einer Engstelle kurz vor Erreichen des Zuganges zur Westplatte aus. Der folgende Marder schob den Panzer unter Inkaufnahme der Beschädigung seiner Kühlanlage von der Straße und der Marsch konnte zügig fortgesetzt werden. Während unseres Anmarsches wurden wir durch amerikanische Black Hawk-Helikopter begleitet, die bereits einen knappen Kilometer vor unserem Erreichen der Anschlagstelle zur Landung ansetzten und einen Verwundeten aufnahmen. Unter hohem persönlichen Risiko sind die Black Hawks damit wie so oft in einer »heißen Zone« gelandet und haben so eine schnelle ärztliche Versorgung gewährleisten können.
Nach der Rundumsicherung des Anschlagortes mit den Schützenpanzern erfolgte eine Absuche durch unsere Kampfmittelbeseitiger, um die Gefahr von Second-IEDs 3 zu minimieren. Die aus dem Feldlager Kunduz herangeführten Bergekräfte luden das zerstörte Aufklärungsfahrzeug auf einen Schwerlasttransporter und wichen anschließend unter unserer Überwachung aus.