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Mara sitzt in München im Englischen Garten und genießt den schönen Nachmittag im Biergarten. Aus Platzmangel bittet ein junges Pärchen, bei ihr am Tisch sitzen zu dürfen. Im Gespräch stellt sich heraus, dass die junge Frau einst Überlebende eines Dramas im südchinesischen Meer war, als thailändische Piraten das überfüllte Boot vietnamesischer Flüchtlinge überfielen. In einer aufrührenden Schilderung erzählt das Paar eine dramatische Geschichte: Ihr deutscher Mann hatte sie damals unter abenteuerlichen Umständen aus den Händen der südostasiatischen Mafia befreit und mit ihrem Bruder und ihrem Vater in Deutschland zusammengebracht. Mara lauscht einer dramatischen und wunderbar einfühlsamen Liebesgeschichte, die sie zutiefst berührt und die ihr zeigt, dass es noch wahre Liebe gibt und dass dann und wann Wunder geschehen. Eine Love-Story, die zu Herzen geht.
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Seitenzahl: 129
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Kapitel 1
Zwei Vietnamesen in Deutschland
Kapitel 2
Beginn der Suche in Bangkok
Kapitel 3
Der amerikanische Journalist
Kapitel 4
Der kambodschanische Arzt
Kapitel 5
Min Hois Befreiung
Kapitel 6
Große Gefühle
Kapitel 7
Der Flug nach Deutschland
Kapitel 8
Großes Wiedersehen
Es war ein wunderschöner Herbstnachmittag, als ich in München von der Uni mit dem Fahrrad in den Englischen Garten fuhr. Ich hatte gerade eine Vorlesung über Konflikte im damaligen Indochina gehört und war noch ziemlich absorbiert von all den Vorgängen in dieser Zeit. Deshalb beschloss ich, etwas abzuschalten und mich zu entspannen.
Im Biergarten am Chinesischen Turm brauchte ich eine Weile, um ein schattiges Plätzchen zu finden, denn es war ziemlich voll. Ich bestellte mir ein großes Glas mit kühler Zitronenlimonade und genoss die Pause im Alltag. Ich schaute den Leuten zu und machte mir so meine Gedanken. Menschen aus aller Herren Länder, Menschen mit verschiedenen Hautfarben und verschiedenen Schicksalen gingen vorbei und nahmen meine Gedanken mit.
Das war für mich wie Fernsehen.
Solche Situationen luden mich auch immer wieder ein, über den Sinn des Lebens nachzudenken, denn wenn ich so viele Leute sah, dann ahnte ich irgendwie auch viele Geschicke, Fügungen und Bestimmungen. Jeder trug so seine eigene Geschichte mit sich herum. Und das veranlasste mich, immer wieder über die Sinnfrage nachzudenken. Das hatte ich früher nicht gekannt, aber durch meinen Daddy hatte ich gelernt, geistig etwas tiefer zu schürfen, aufmerksamer zu beobachten und genauer hinzuschauen.
Es gibt viele Bücher zu diesem Thema und es gibt auch viele Weise, Gurus, Sadhus, Wahrsager und Schamanen in allen Teilen der Welt, die behaupten, alles genau zu wissen und bereits jenseitige Erfahrungen gemacht zu haben. Entscheidende Fragen sind aber trotzdem noch offen geblieben.
Wer konnte schon Schicksale entschlüsseln und über die letzten Dinge dieser Schöpfung genaue Auskunft geben?
Ich schaute hinauf in den weiß-blauen Himmel Bayerns und ließ mich mit den Wolken treiben.
Flog unsere Weltgemeinschaft alleine durch das All oder gab es in den Galaxien noch weitere Gemeinschaften?
Konnte es sein, dass es auf der Erde Menschen gab, die von der Venus abstammten, also Venusianer waren?
Immerhin gibt es einige, die das behaupten.
Andere glauben zu wissen, von ihrem Ursprung her Marsianer oder Atlanter gewesen zu sein.
Während meine Gedanken so dahinschwammen, kam ein junges, sympathisches Pärchen an meinen Tisch. Sie fragten, ob sie sich bei mir dazusetzen dürften, denn im Augenblick waren alle Tische belegt.
Selbstverständlich war ich gerne bereit, den Schattenplatz mit den beiden zu teilen.
Wie sich im Verlauf des Gesprächs herausstellte, war sie eine Vietnamesin und er ein Deutscher.
Da war natürlich mein Interesse geweckt.
Bald entwickelte sich eine rege Diskussion über das einstige Indochina, über das heutige Südostasien und seine politische Gegenwart.
Bevor ich aufbrach, um zum Studentenwohnheim zu fahren, luden mich die beiden ein, einmal bei ihnen vorbeizukommen, denn sie hatten mir versprochen, mehr aus ihrer gemeinsamen Geschichte zu erzählen.
Wir tauschten unsere Adressen und Telefonnummern aus und dann machte ich mich auf den Weg.
Zwei Wochen später, an einem Nachmittag, war es dann so weit. Ich fuhr mit der Straßenbahn und besuchte sie in einem Haus am Stadtrand von
München. Ich freute mich, Min Hoi und Wolfgang wiederzusehen. Sie hatten einen schönen Kaffeetisch hergerichtet. Der Kaffee duftete wunderbar und auch der Nusskuchen schmeckte hervorragend. Natürlich war ich gespannt, ihre Geschichte zu hören.
Wolfgang war es dann, der begann:
„Also, es war so, dass ich damals an meinem Schreibtisch saß und für einige Augenblicke gedankenverloren durch das Fenster schaute. Vom ersten Stock der Hypothekenbank bot sich ein guter Blick auf einen blumengeschmückten Platz mit einem schönen Biergarten. Meine Gedanken wurden von den vorbeifahrenden Autos mitgenommen, von Fußgängern wieder zurückgebracht und hineingewirbelt in die Bläue des Himmels, wo sie wieder verschwanden. Im Spiel der Reflexionen und Erinnerungen schwebten auch wehmütige Gefühle, eine gewisse Sehnsucht, die nur derjenige kennt, der schon einmal länger draußen war in der Welt. Ich kann mich noch gut erinnern, dass mein Blick auf ein kleines Bild auf dem Schreibtisch wanderte, das mich mit meinem selbst ausgebauten Campingbus im Sudan zeigte.
Ich war damals in den Semesterferien weit herumgekommen. Viele Monate hatte ich im Ausland zugebracht und war wochenlang auf einsamen Wegen gefahren und gewandert. Ich hatte mich damals selbst gewundert, dass ich noch so problemlos in der Bank untergekommen war, denn mit meiner Lebensanschauung passte ich ganz und gar nicht in dieses durch Zahlen geprägte System. Manchmal wusste ich selbst nicht, warum ich noch in dieser Bank arbeitete. Seit einem Jahr befand ich mich in der Innenrevision der Bank und überprüfte die Kontostände der einzelnen Abteilungen.
Gerade an diesem Tag hatte ich die Stäbe des Achtstundenkäfigs besonders gefühlt. Die Zeit wollte einfach nicht vorbeigehen. Ich überprüfte die Zahlenkolonnen und Salden, suchte nach Belegen und bevor ich michʼs versah, war es schon 17.00 Uhr, Zeit für die Abnahme der Kassenabrechnungen.
Routinemäßig hakte ich bestimmte Beträge ab, ging hinunter in den Schalterraum und bestätigte den Kassenbestand mit meiner Unterschrift.
Die meisten Angestellten rüsteten schon zum Heimgehen, denn ein anstrengender Arbeitstag hatte ein Ende gefunden. Ich verstaute die Akten, verschloss den Stahlschrank und wollte das Gebäude gerade durch den Hintereingang verlassen, als ich ein leises Schluchzen in der Registratur vernahm.
Ich ging noch einmal zurück, öffnete die Tür und sah einen älteren Vietnamesen mit verhärmten Zügen, der, in sich zusammengesunken, auf einem Stuhl saß und weinte. Dieser Mann war vor zwei Wochen eingestellt worden. Er gehörte zu jenen boat-people, die aus Vietnam geflüchtet und durch Zufall im Südchinesischen Meer aufgefischt worden waren.
Mitfühlend ging ich auf den Alten zu, legte ihm die Hand auf die Schulter und schaute ihm aufmunternd in das verweinte Gesicht. Mit Betroffenheit erblickte ich den tiefen Schmerz dieses verzweifelten Mannes. Ich sagte lange nichts und wartete. Bruchstückhaft erfuhr ich dann in einem nahezu unverständlichen Kauderwelsch aus Englisch und wenigen Brocken Deutsch, worum es ging.“
Nun griff Min Hoi in das Gespräch ein und sagte in sehr gutem Deutsch:
„Meine Eltern waren damals vor den Kommunisten aus Nordvietnam in den Süden geflüchtet. In Saigon hatten sie einen Gemischtwarenladen aufgemacht, der unserer Familie ein durchschnittliches Einkommen ermöglichte. Wir lebten damals in bescheidenem Wohlstand und fühlten uns zufrieden. Wir waren fünf Kinder, die alle in Saigon zur Welt gekommen waren. Wir hatten alle eine vernünftige Erziehung und eine gute Ausbildung erhalten. Mein ältester Bruder war Ingenieur geworden. Meine älteste Schwester hatte es bis zur Leiterin eines Kindergartens gebracht. Mein zweitältester Bruder hatte an einer Fachhochschule für Maschinenbau studiert. Und ich hatte das Privileg, eine Dolmetscherschule besuchen zu dürfen. Ich lernte die englische und die französische Sprache, denn Vietnam war lange Zeit eine Kolonie der Franzosen gewesen. Es gibt noch viele Vietnamesen, Kambodschaner und Laoten, die Französisch sprechen.
Mein jüngster Bruder wollte nach dem Abitur Medizin studieren.
Als 1975 die letzten Amerikaner gedemütigt das Land verlassen mussten, übernahmen die Nordvietnamesen die Herrschaft auch in Südvietnam. Sie gingen sofort daran, all jene Vietnamesen zu suchen, die damals aus Nordvietnam geflüchtet waren. Diese Familien wurden sofort aufs Land vertrieben und in Umerziehungslager gesteckt. Meine Eltern gehörten auch zu dem Personenkreis, der damals verdächtigt wurde, mit dem französischen Feind zusammengearbeitet zu haben. Deshalb waren auch wir inhaftiert worden. Das Leben in diesen Camps war geprägt durch Hunger, Prügel, Folter, Politschulungen und Demütigungen.
Mein Vater und mein ältester Bruder wurden immer wieder gezwungen, Selbstkritik zu üben, ihre kapitalistische Vergangenheit zu verurteilen und weitere Freunde aus früherer Zeit zu nennen. Sie wurden noch in weitere Lager verlegt, bis wir sie aus den Augen verloren. Nach zwei Jahren wurde mein Vater entlassen. Nach langem Suchen kehrte er in unser neues Lager zurück, denn auch wir waren in der Zwischenzeit zu einem Umzug gezwungen worden. Mit Entsetzen musste mein Vater feststellen, dass auch meine älteste Schwester in ein neues Umerziehungslager verschleppt worden war. Niemand kannte ihren Aufenthalt. Sie tauchte nie wieder auf. Ein halbes Jahr später erhielten wir von einem guten Bekannten die Nachricht, dass mein ältester Bruder in einem Lager den Tod gefunden hatte.
Aus Angst um mich und meine zwei Brüder entschied sich mein Vater eines Tages zur Flucht. Im rückwärtigen Teil unseres Hauses in Saigon hatten wir einen kleinen Garten. Dort hatte mein Vater kurz vor dem Einmarsch der Kommunisten einige Dollars vergraben. Unter abenteuerlichen Umständen rettete er diesen kleinen Schatz. Damit erkaufte er für uns die Flucht. Mit der inoffiziellen Duldung kommunistisch-korrupter Funktionäre, die das gesamte Fluchtgeld einstrichen, gelangten wir auf ein wackeliges Holzboot. Ursprünglich war es nur für 20 Personen ausgelegt. Mit 62 Personen völlig überladen, tuckerten wir hinaus auf das Meer. Die Katastrophe war eigentlich schon vorprogrammiert. Wir hatten zu wenig Trinkwasser, nicht genug Konserven und die drei Bootsleute verfügten nur über Erfahrungen in Küstengewässern.
Sie hatten auch kaum Ahnung, dass ganze Rudel von Thai-Piraten, die sich seit Jahren auf Vietnamflüchtlinge spezialisiert hatten, schon auf uns warteten. Diese Piraten waren zum Teil halbkreisförmig positioniert, sodass wir chancenlos ins Verderben schipperten. Und so kam es denn auch, wie es tragischerweise kommen musste. Dreimal wurden wir geplündert, ausgeraubt, bedroht und geschlagen. Viele wurden getötet. Beim ersten Mal wurden wir nur nach Wertsachen untersucht und einige ausgewählte Frauen und Mädchen wurden vor den Augen aller vergewaltigt. Zehn wurden mitgenommen. Beim zweiten Mal traten die Thai-Piraten schon brutaler auf. Sie nahmen die verbliebenen Gebrauchsgegenstände mit und vergewaltigten meine Mutter. Als mein Vater das verhindern wollte, wurde er schwer verletzt.
Auch diese Piraten nahmen Frauen und Mädchen mit. Ich war zum Glück noch nicht entdeckt worden, weil mich mein Vater hinter ein Brett geklemmt hatte. Beim dritten Mal ließen die Piraten ihre Wut an den wenigen Überlebenden aus, weil fast nichts mehr für sie übrig geblieben war. Einige wurden selbst ihrer Kleidung beraubt, geprügelt und wieder wurden Frauen an Deck vergewaltigt. Als sie meine Mutter aus unserer Mitte zerren wollten, glaubte mein jüngerer Bruder Tuc, sie verteidigen zu müssen, weil mein Vater verletzt war. Er erhielt von einem Piraten einen Schlag mit einer Eisenstange auf den Kopf und wurde schwer verletzt über Bord geworfen. Daraufhin bekam meine Mutter Schreikrämpfe, was einen Piraten so aufregte, dass er sie auf der Stelle erschlug und den leblosen Körper mit einigen Fußtritten ins Wasser beförderte. Unvorsichtigerweise stieß auch ich einen Schrei des Entsetzens aus und wurde dadurch entdeckt. Einer der Unmenschen packte mich am Arm und warf mich auf das Boot der Piraten, wo ich in das Halbdunkel unter Deck geprügelt wurde. Dort befanden sich noch mehrere total verängstigte junge Frauen und Mädchen.
Nach fünf Stunden Fahrt erreichten wir eine Insel, auf der wir in eine Wellblechhütte eingesperrt wurden, in der sich bereits 20 andere junge Frauen und Mädchen befanden. Die folgenden Tage waren der reinste Horror. Einige der Frauen und Mädchen wurden verrückt, bevor wir aufs Festland weitertransportiert wurden. Von dort aus ging es dann auf der Ladefläche eines Trucks nach Bangkok. Eine junge Frau hatte sich in ihrer Verzweiflung von der Ladefläche gestürzt und war von einem nachfolgenden Lastwagen überrollt worden.
In einem unscheinbaren Hotel wurden wir untergebracht. Dann kam eine Krankenschwester und untersuchte uns. Mädchen, die noch Jungfrauen waren, kamen in einen separaten Raum. Ich war auch dabei. In den nächsten zwei Wochen ging es uns verhältnismäßig gut, denn wir sollten in einem möglichst guten Zustand weiterverkauft werden.
Eines Tages mussten wir uns in einer Reihe nackt aufstellen und es kamen gutgekleidete Männer, die uns wie auf einem Sklavenmarkt begutachteten. Ein Mann im mittleren Alter deutete auf mich und gab die Anweisung, mich anzukleiden. Ich wurde wie eine Gefangene abgeführt und musste in einer Luxuslimousine auf dem Rücksitz Platz nehmen. Anschließend wurde ich in eine sehr große Villa gebracht, die von einer hohen Mauer umgeben war. Wie ich später herausfand, handelte es sich bei diesem Haus um den Privatharem eines sehr reichen thailändischen Managers, der in dunkle Machenschaften verstrickt war. Insgesamt befanden sich zwölf Mädchen und junge Frauen in diesem Haus.
Ich spürte sehr schnell, dass ich mit Drogen, die in die Speisen gemischt worden waren, enthemmt und abhängig gemacht werden sollte. Was dann auch gelang.
An einem Tag, an dem ich besonders high gemacht worden war, fand meine Entjungferung statt. Er ließ mich in den Salon holen, begann mich zu liebkosen und rammelte mich dann brutal und gnadenlos über einen längeren Zeitraum wie eine Prostituierte. Anschließend wurde ich in mein Zimmer getragen und mit Blut verschmiert aufs Bett geworfen.
Bei den ersten Malen hatte ich fürchterliche Schmerzen, die sich aber mit der Zeit legten. Ein paarmal im Monat musste ich ihm zu Willen sein.“
Min Hoi war sichtlich ergriffen von ihrer Schilderung und legte eine Pause ein.
Deshalb übernahm Wolfgang das Wort:
„Nachdem mir Min Hois Vater und ihr Bruder bereits mehrere Male genau erzählt hatten, was sich damals abgespielt hatte, als Min Hoi auf dem Piratenschiff abtransportiert worden war, kann ich hier die Geschichte fortsetzen.
Die beiden Männer trieben mit 12 anderen Überlebenden verängstigt, verstört, apathisch, teilweise nackt, ohne Wasser und ohne Nahrung hilflos auf See. Zuletzt gerieten sie in einen Sturm. Bei Windstärke 9 wurden sie durch das Rettungsschiff Cap Anamur entdeckt und geborgen.
Von der Familie hatte nur der Vater und sein Sohn Hoa überlebt. Min Hoi selbst galt als verschollen.
In Singapur wurden die beiden Männer sechs Wochen nicht vom Schiff gelassen, weil sich die Behörden weigerten, die Flüchtlinge aufzunehmen und von Bord zu lassen. Jubel brach aus, als die Nachricht eintraf, dass die europäische Gemeinschaft bereit war, 18 der Überlebenden aufzunehmen. Ein nahezu Dreihundert-Millionen-Volk von Europäern hatte sich nach heftigen Debatten und Telegrammschlachten zwischen Singapur und den Hauptstädten Westeuropas bereit erklärt, wieder einmal 18 Menschen aufzunehmen. Es sollten möglichst nur junge kräftige und gesunde Menschen nach Europa kommen. Bei der Selektion auf der Hafenpier wurde Hung, der Vater von Min Hoi, von seinem Sohn getrennt. Das Mitleid eines Botschaftsbeamten aus der Bundesrepublik verhinderte die endgültige Tragödie und so konnten beide in die Bundesrepublik einreisen.
Nach einem Jahr erhielten sie eine Arbeitserlaubnis. Hoa konnte eine Kfz-Mechaniker-Lehre beginnen und Hung, Min Hois Vater, erhielt für sechs Monate den Posten eines Hausmeistergehilfen in der Bank. Weil er nur wenig Deutsch verstand, wurde er halbtags zum Bündeln entwerteter Karteikarten und zur Bedienung des Reißwolfes eingesetzt.“
Wolfgang erzählte auch, dass ihr Bruder Hoa einmal von deutschen Skinheads niedergeschlagen worden war. In der kargen Zwei-Zimmer Unterkunft im Kellergeschoss eines ehemaligen Lagerhauses waren auch die Scheiben eingeworfen worden. Die beiden hatten damals Angst, sich alleine auf die Straße zu begeben.
Wolfgang erzählte weiter:
„Ich war damals von der bruchstückhaften Erzählung Hungs derart betroffen gewesen, dass ich mich spontan anbot, ihn nach Hause zu bringen. Hoa wartete bereits und hatte sich Sorgen um den Vater gemacht. Erleichtert faltete er die Hände, verbeugte sich vor mir und bot mir an, auf einem Hocker Platz zu nehmen,
Aus Freude über den Besuch hatten mich die beiden spontan zum Essen eingeladen. Es gab ein einfaches Reisgericht mit etwas Thunfisch. Hoa hatte einmal mit Bleistift ein erstaunlich genaues Familienporträt angefertigt, das er mir dann zeigte. Ich kann mich gut erinnern, dass dem Vater die Tränen über die Wangen liefen, als mir Hoa die einzelnen Personen beschrieb.
Ich weiß auch noch gut, dass ich mich sehr spät verabschiedete und tief gerührt war von dieser Familientragödie. Lange konnte ich in jener Nacht nicht einschlafen.
Am nächsten Tag ging ich in der Mittagspause in einen Supermarkt und einen Baumarkt und kaufte kräftig ein: