Die Abenteuer von Mara, Anja und Vanessa - Georg Hartmann - E-Book

Die Abenteuer von Mara, Anja und Vanessa E-Book

Georg Hartmann

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Beschreibung

Regina, die Cousine Anjas, hatte einen philippinischen Mann geheiratet, der zwei eigene Kinder mit nach Deutschland brachte und drei von seiner tödlich verunglückten Schwester. Regina hat selbst noch einen Sohn. Die große philippinisch-deutsche Patchwork-Familie führt zu einigen Integrationsschwierigkeiten, die in diesem Buch lebendig beschrieben werden und die in einer bestimmten Weise typisch sind. Auch Mara, Anja und Vanessa, die dieser Familie helfen wollen, geraten zeitweise an ihre Grenzen. Ein aufschlussreiches und informatives Buch mit vielen Verweisen auf die Schwierigkeiten der heutigen Wohlstands-, Überfluss- und Wegwerfgesellschaft. In jedem Fall lesenswert.

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Kapitelverzeichnis

Kapitel 1

Wohlstandselend

Kapitel 2

Die neue Generation für die Rettung der Welt(?)

Kapitel 3

Erfreuliche Neuigkeiten

Kapitel 1

Wohlstandselend

Anja hatte eine Cousine, die einst Chef-Stewardess und später Krankenschwester gewesen war. Sie wohnte mit ihrer Familie irgendwo an der Grenze von Sachsen zu Oberfranken im Haus ihrer verstorbenen Eltern. Innerhalb der Verwandtschaft Anjas wusste man, dass diese Frau im mittleren Alter durch ihre neue Familie in Schwierigkeiten geraten war. Anja war von ihren Eltern beauftragt worden, in diesem Haushalt so ein bisschen nach dem Rechten zu schauen. Vanessa und ich begleiteten sie.

Zur Mittagszeit kamen wir drei in einem kleinen Dorf an und gelangten auch schnell zum Haus ihrer Cousine Regina.

Die Überraschung war für mich groß, denn wir fanden eine Frau vor, die eine große Patchworkfamilie managte.

Völlig ungewöhnlich war es, auf ein Ehepaar zu treffen, bei dem der Mann aus den Philippinen stammte. So etwas hatte ich noch nicht erlebt.

Im Laufe des Mittagessens erfuhren wir mehr über diese Familie.

Mich wunderte nur, dass selbst am Sonntag, einem Tag, an dem alle zu Hause waren, kein gemeinsames Mittagessen stattfand.

Keines ihrer Kinder war gekommen, uns zu begrüßen.

Es herrschte eine eigenartige Stille.

Ab und zu tauchte jemand im Esszimmer mit einem Badetuch-Haarturban, im Bademantel, mit In-Ear-Kopfhörern und Handy auf, suchte etwas in der Küche im Kühlschrank und verschwand dann wieder, ohne zu grüßen oder sich vorzustellen.

„Das ist die neue Willkommens- und Esskultur“, sagte Anja sarkastisch.

Sie war mit ihren Eltern schon mehrmals hier gewesen und kannte diese Familie.

Regina war die einzige Tochter eines Ehepaares, das schon vor einigen Jahren verstorben war. Der Vater war Arzt gewesen, die Mutter Krankenschwester und später Hausfrau. Regina war einst sorgsam und behütet aufgewachsen, hatte das Abitur und sollte die Arztpraxis des Vaters übernehmen.

Doch damals wollte sie erst einmal die Welt sehen und meldete sich als Stewardess. Bei der renommierten Cathay Pacific Airline, einer 5-Sterne-Fluggesellschaft aus Hongkong, arbeitete sie mehrere Jahre und stieg bis zur Chef-Stewardess auf. Dort lernte sie auch eine philippinische Stewardess kennen, die aus Cebu kam. Sie hatte die Familie dieser Freundin bei Aufenthalten in Cebu des Öfteren besucht. Der Ehemann Ernesto, war einst Hotelmanager gewesen. Dieses Ehepaar hatte zwei Töchter.

Auf ihrem letzten Flug als Stewardess vor dem Mutterschaftsurlaub besuchte sie noch einmal die Familie in Cebu. Sie war bestürzt, nur den Mann und die Kinder vorzufinden, die in einem kleinen Wellblech-Gartenhäuschen eines Verwandten dahinvegetierten. Ihre Freundin war vor einigen Wochen bei einem Fährunfall ums Leben gekommen. Ernesto lebte seither als Witwer.

Regina hatte nicht gewusst, dass ihre Freundin heimlich der Spielleidenschaft verfallen war. Diese hatte erhebliche Spielschulden hinterlassen und vor dem Fährunfall noch das ganze Haus verspielt. Der Ehemann und die Kinder hatten ausziehen müssen, weil der Besitz von einer Kreditbank gepfändet worden war.

Vier Wochen vorher war die Schwester Ernestos beim Zusammenstoß zweier Busse ums Leben gekommen und mit ihr auch deren Ehemann.

Ernesto hatte die drei elternlosen Kinder seiner Schwester sofort aufgenommen. Doch nun stand er alleine mit fünf Kindern da. Zu all dem Unglück war das Hotel, in dem er gearbeitet hatte, wegen finanzieller Schwierigkeiten aufgegeben worden.

Zusätzlich hatte sich Ernesto beim Ausbau des Gartenhäuschens schwer an der Hüfte verletzt und geriet dadurch nicht nur in die Arbeitsunfähigkeit, sondern auch noch in die Arbeitslosigkeit.

Regina war damals sehr berührt vom unglücklichen Schicksal dieses Mannes, hatte großes Mitleid mit ihm und blieb mit ihm in Kontakt. Sie unterstützte ihn finanziell, da sie dieses Elend sehr bewegte.

Regina hatte einst auf einem ihrer Flüge einen Arzt kennengelernt, von dem sie später auch ein Kind bekam, ihren Sohn Florian.

Als Regina Mutter wurde, stellte sie ihre Tätigkeit als Stewardess ein und begann kurze Zeit später eine Ausbildung als Krankenschwester. In dieser Zeit starb sowohl ihre Mutter und ein Jahr später auch ihr Vater. In all den Wirren des Lebens kam sie auch dahinter, dass der Arzt, den sie eigentlich heiraten wollte, bereits verheiratet war.

Regina war völlig am Boden zerstört.

Ihre Enttäuschung förderte den Kontakt mit Ernesto.

Nach ihrer Ausbildung flog sie mit ihrem Söhnchen Florian nach Cebu, um Ernesto zu besuchen. In dieser schwierigen Situation waren sich die Beiden sehr nahegekommen. In Regina reifte der Plan, Ernesto und die fünf Kinder aus dem Elend herauszuholen.

Sie hatte das Vermögen und das große Haus ihrer Eltern geerbt, Platz und Geld hatte sie genug. Es dauerte fast ein Jahr, bis alle Voraussetzungen für die Ausreise von Ernesto und seinen fünf Kindern erfüllt waren. Schon kurz nach der Ankunft in Deutschland war alles so weit geregelt, dass die beiden in Deutschland standesamtlich heiraten konnten.

Regina freute sich für ihren Sohn Florian auf ein reges Familienleben in dieser großen Familie und sie hatte das Gefühl, mit Ernesto einen vernünftigen und ehrlichen Ehemann gefunden zu haben. Die fünf Kinder von den Philippinen, mit denen sich Regina sehr gut verstand, empfand sie als Bereicherung.

Wie man ihr in der Klinik mitteilte, bestand die Aussicht, die Hüftverletzung von Ernesto durch zwei Operationen in Deutschland fast vollständig zu heilen. Die Prognose versprach, dass er nahezu ganz genesen würde.

Diese Nachricht bescherte den beiden noch einen zusätzlichen Optimismus.

Regina und Ernesto verlebten wunderschöne gemeinsame erste Jahre in ihrer Patchworkfamilie und sie fühlte sich nahezu bestätigt, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Regina arbeitete halbtags als Krankenschwester, während Ernesto die Betreuung der Familie übernahm. Die Rollenverteilung hatte dem philippinischpatriarchalisch geprägten Ernesto anfangs einige Schwierigkeiten bereitet, aber er hatte eingesehen, dass jemand im Haus sein musste, wenn Regina arbeitete.

Die Suche nach einer Stelle in einem Hotelmanagement in Deutschland war leider noch nicht erfolgreich gewesen. Er wollte sowieso noch die zweite und letzte Hüftoperation abwarten, um wieder voll ins Arbeitsleben einzusteigen.

Die Kinder Ernestos und seiner Schwester waren in der Zwischenzeit fast alle volljährig.

Patrick, der Älteste, hatte eine Ausbildung zum Elektriker abgeschlossen und lebte bereits selbständig in der Nähe von Frankfurt.

Helen war 27 Jahre alt und hatte eine Ausbildung als Bankkauffrau gemacht. Sie wohnte, wie ihre Schwestern auch, noch im Haus.

Imelda war 22 Jahre alt.

Amina, die Schwester nach ihr, war fast 20 Jahre alt.

Dann kam noch Mira, die bereits 17 Jahre alt war. Florian, der Sohn Reginas, war auch schon 16 Jahre alt.

Helen, die älteste Tochter, war eine sehr gut aussehende Filipina, die schon mehrere lokale Schönheitswettbewerbe gewonnen hatte. Im Augenblick erschien sie etwas still und verschlossen. Das musste früher fast umgekehrt gewesen sein. Alles hing wohl damit zusammen, dass sie zwei Jahre zuvor einen afghanischen Asylanten kennengelernt hatte. Dieser junge Mann passte nicht in das Schema des üblichen Asylanten. Er war gutaussehend, schlank, groß, höflich und in der Regel gut gekleidet und hatte auch bessere Manieren. Dieser junge Mann stammte aus einer wohlhabenden, paschtunischen Familie in Afghanistan. In dieser Familie gab es drei Töchter und vier Söhne. Der Vater bestand darauf, dass ein Sohn in die USA, ein Sohn nach Australien und einer nach Deutschland ging, um den Betrieb des Vaters auch in anderen Teilen der Welt auszubauen. Der Vater handelte mit Teppichen, wertvollen Holzschnitzereien und massiven Silberdekorationen.

Wegen bürokratischer Schwierigkeiten und Schikanen war der Sohn kurzentschlossen mit dem Flugzeug nach Bulgarien geflogen und mit Bussen bis Österreich gelangt. Dort hatte er sich in die Gruppen der Asylanten nach Deutschland eingereiht und war über Zirndorf bei Nürnberg in eine Asylunterkunft gekommen.

Auf einer Charity-Veranstaltung hatten sich Helen und er kennengelernt. Helen war auf den ersten Blick sofort verliebt in diesen zurückhaltenden, höflichen und gutaussehenden jungen Mann, der etwas märchenhaft Orientalisches und Geheimnisvolles an sich hatte. Sein Lächeln und sein Auftreten waren wirklich gewinnend. Kein Wunder, dass Helen den Boden unter den Füßen verlor und sich unsterblich in diesen jungen Mann verliebte.

Achmed war ihr Ein und Alles.

Ihre Umgebung musste sie zu dieser Zeit nur undeutlich wahrgenommen haben, denn sie sah nur noch ihn.

Helen war Bankkauffrau, brachte die Schalterstunden so notdürftig über die Runden, weil sie immer an ihn denken musste. Nach der Arbeit flog sie auf den Schwingen der Liebe nach Hause zu Achmed, um mit ihm in tiefer Liebe zu verschmelzen.

Die Liebe kann wundersam sein, sie kann die Welt verwandeln, sie kann die Sterne auf die Erde holen und die Gefühle bis an die Grenzen des Universums weiten.

Und so ähnlich muss es bei Helen gewesen sein. Achmed war häufig am Computer tätig, denn er hatte vor, ein Verkaufsdepot für die Waren seines Vaters zu etablieren.

Helen konnte es gar nicht erwarten, diesen jungen Mann zu heiraten. Im Internet hatte sie schon nach Hochzeitskleidern gesucht. Zur Sicherheit hatte sie sich auch schon nach Roben für Schwangere umgeschaut.

Nun ja, man konnte nicht wissen.

Normalerweise machen Männer den Heiratsantrag, doch in ihrer Euphorie war sie es gewesen, die nahezu kniend den Antrag gestellt hatte. Sie wäre auch jederzeit bereit gewesen, zum Islam überzutreten und einen muselmanischen Namen anzunehmen. Er nickte ihr wohlwollend zu und gab ihr zu bedeuten, dass in der Tradition seines Landes seine Familie entscheiden werde.

Da Asylanten ein Anrecht auf Urlaub in ihren Herkunftsländern zusteht, aus denen sie geflüchtet sind, reichte er einen dreiwöchigen bezahlten Urlaub im Migrationsamt für Afghanistan ein, der auch genehmigt wurde.

Helen hatte auf ihre Kosten zwei Tickets besorgt und so flogen sie erst nach Islamabad in Pakistan, denn ein Flug nach Kabul war zu jener Zeit zu gefährlich. Über Peshawar gelangten sie mit dem Bus nach Dschalalabad, dem Hauptsitz der Großfamilie.

Helen war vom orientalischen Flair dieser Gegend hin und weg. Sie hatte das Gefühl, mit Achmed in einem Märchenwunderland zu sein. Die orientalischen Speisen versetzten sie in einen zusätzlichen Rausch der Sinne.

Das Märchen aus Tausend und einer Nacht schien Wirklichkeit zu werden.

Sie lebte in einer palastähnlichen Anlage und hatte sich schon einige prächtige Punjabis, indisch-pakistanische Saris und afghanische Burkas gekauft.

Sie genoss es, in einer seidenen Burka ins Bett zu gehen, sich von Achmed entblättern zu lassen und den Rausch der Sinne orientalischer Nächte und traumhafter Schäferstunden zu genießen.

Das afghanische Märchen schien kein Ende zu nehmen.

Nach einer Woche gab es im großen Empfangssaal eine Familienversammlung mit 80 Mitgliedern der Großfamilie. Es gab Musik, Tänze und ein großes festliches Essen.

Als nach dem Essen Ruhe eingekehrt war, bildete sich noch einmal eine große Runde und das zukünftige Brautpaar kam in die Mitte zu sitzen.

Der Großvater war der Vorsitzende des zwölfköpfigen Familienrates, der einen Tag zuvor getagt hatte. Als sich der Großvater erhob, um den Beschluss des Familienrates zu verkündigen, erstarben im selben Moment alle Geräusche.

Man hätte eine Nadel auf den Boden fallen hören. Für Helen läuteten schon die Hochzeitsglocken.

Alle warteten gespannt.

Dann sagte der Großvater:

„Achmed war mit dem Auftrag nach Deutschland geschickt worden, dort eine Deutsche zu heiraten und nicht eine Filipina, deren Verwandte dauernd bei uns um Geld betteln würden.

Der Familienrat hat aus diesem Grund beschlossen, Helen nicht in unsere Familie aufzunehmen.

Außerdem ist sie ein Jahr älter als Achmed. Das widerspricht unserer Tradition.“

Dann setzte er sich wieder und ein großes Geflüster begann den Saal zu erfüllen. Helen saß wie versteinert und hatte größte Schwierigkeiten, das zu verarbeiten, was sie gehört hatte. Sie konnte es einfach nicht glauben.

Doch dann erhob sich Achmed und geleitete sie aus dem Saal. Draußen in der Vorhalle umarmte er Helen sehr fürsorglich. Sie schaute ihn bittend an und fragte:

„Ist das, was dein Großvater gesagt hat, wirklich wahr?“

Es fiel Achmed sehr schwer, gleich darauf zu antworten. Doch dann nickte er traurig und flüsterte leise:

„Ja, der Familienrat hat entschieden: Es ist aus.“

In diesem Moment brach Helen ohnmächtig zusammen.

Diener kamen und trugen sie hinaus auf eine Bank, die im Schatten lag.

Achmed zog sich in eines seiner Zimmer zurück. Das Büro von Achmeds Vater hatte Helens Ticket umgebucht und so flog sie schon am nächsten Tag wieder zurück nach Deutschland.

Seither war es still um sie geworden.

Der Hochmut, alles besser zu machen und alles besser zu wissen, war nahezu verschwunden.

Trotzdem war sie immer noch die beste Vertraute und Ratgeberin ihres Vaters, aber sie war in vielem bescheidener geworden.

In der Reihenfolge der Autoritäten hatte sich für Ernesto aber nichts verändert:

Erst kam Helen, dann lange Zeit nichts, dann Imelda, die auch alles besser wusste und deren Freund Ali - und dann erst der liebe Gott, dahinter die restlichen Kinder und dann, weit abgeschlagen, seine Frau Regina.

Achmed war später wieder nach Deutschland zurückgekehrt, war einem Tennisclub beigetreten und hatte dort eine attraktive, junge deutsche Frau kennengelernt, die auch vom Familienclan akzeptiert worden war.

Die 22jährige Imelda, die Tochter von Ernestos Schwester aus einer ersten Beziehung mit einem thailändischen Händler, war ein scheues und mehr oder minder in sich gekehrtes Wesen. Sie arbeitete in einem größeren Speditionsbetrieb und war dort in der Lagerverwaltung tätig. Soziale Kontakte pflegte sie so gut wie keine. In der Regel verließ sie ihr Schneckenhaus fast nie. Männer hatte sie bis dahin nur als asexuelle Wesen oder Mitarbeiter registriert. Über den Unterschied zwischen Mann und Frau hatte sie sich bis dato noch keine großen Gedanken gemacht.

Umso verwunderlicher war es, dass sie seit einiger Zeit einen Freund hatte.

Doch, wie hatte sich diese unglaubliche

Wandlung ergeben?

Eine Marokkanerin mittleren Alters war mit einem Deutschen verheiratet. Sie betrieb so nebenher eine Heiratsvermittlung auf privater Basis. Ihre Angewohnheit war es, sich bei Bekannten Bilder von Kindern und heranwachsenden Jugendlichen auf dem Handy zeigen zu lassen. Auf einem Weiterbildungskurs für Ausländer war sie auf Ernesto getroffen. Als sie nach Fotos von dessen Kindern fragte, war ihr Imelda aufgefallen.

Gleich dachte sie an ihre Schwester und deren Sohn Ali.

Denn die Schwester dieser Marokkanerin hatte vier Kinder, von denen die Vermittlerin schon drei erfolgreich an den Mann beziehungsweise an die Frau gebracht hatte. Das vierte Kind war der 19-jährige Sohn Ali, für den die Eltern schon seit dessen 14. Geburtstag erfolglos eine zukünftige Frau gesucht hatten.

In Marokko ist es durchaus nichts Außergewöhnliches, selbst Kinder im frühen Alter für eine spätere Ehe zu vermitteln.

Der Vater von Ali entstammte der Großfamilie der Abd el-Kader, einer Tuareg-Sippe im Atlasgebirge. Dessen Vater wiederum hatte dort noch immer eine ansehnliche Kamelherde.

Alis Vater hatte einen höheren Schulabschluss und hatte einst für zwei Jahre in einer deutschen Firma gearbeitet, die sich in Vietnam für den Aufbau nach dem Krieg kümmerte. Die Familie hatte er nach Indochina mitnehmen können. Dadurch hatte auch seine Frau Zugang zum Lebensalltag der Vietnamesen gefunden. Es hatte ihr dort sehr gut gefallen. Als sie wieder nach Deutschland zurückgekehrt waren, schwärmte sie immer wieder von Vietnam und Südostasien und den schönen Mädchen dort.