Die andere Mutter - Lise Gast - E-Book

Die andere Mutter E-Book

Lise Gast

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Beschreibung

Eine junge Frau aus der Stadt wird vor eine große Aufgabe gestellt. Heide hat vor kurzem geheiratet und zieht mit ihrem Mann auf ein Gut. Dort lebt jedoch auch die Mutter der verstorbenen ersten Frau ihres Mannes. Daher gibt sich Heide alle Mühe um sich mit der Gutsherrin anzufreunden und mit ihr zusammenzuarbeiten, was nicht immer leicht für sie ist. Wird sie es schaffen, an ihren Aufgaben zu wachsen und sich in ihrer Rolle auf dem Gut einzufinden? Dies erfährt der Leser in diesem Buch und lernt die vielen inneren Werte kennen, die die Charaktere vertreten.-

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Die andere Mutter

Lise Gast

SAGA Egmont

Die andere Mutter

Copyright © 1954, 2018 Lise Gast und Lindhardt og Ringhof Forlag A/S

All rights reserved

ISBN: 9788711508930

1. Ebook-Auflage, 2018

Format: EPUB 2.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach

Absprache mit Lindhardt og Ringhof gestattet.

SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk — a part of Egmont www.egmont.com

Für

Frau Irma Carl

in herzlicher

Verbundenheit

Da bist du ja“, sagte Eri. Sie nahm Heide das Köfferchen aus der Hand. Ihre Worte klangen so herzlich vertraut, daß Heide glaubte, nie fort gewesen zu sein. Eri hakte sie unter. Die Spannung der Erwartung löste sich bei Heide in ein Gefühl der Verbundenheit und wohligen Geborgenheit. Sie ließen sich im Strom der Ankommenden der Sperre zutreiben.

Was für ein freundliches Gesicht doch eine Großstadt haben konnte! Das milde Licht des Frühsommerabends, die bunten Fahnen, die für den Empfang irgendwelcher Gäste an hohen Masten auf dem Bahnhofsplatz wehten, die Anlagen, bunt von Blumen, und die hellen Sommerkleider der Frauen wirkten auf Heide wie ein Willkommensgruß.

„Du, schön ist es hier“, sagte sie und drückte den Arm der Freundin, „merkwürdig, ich habe dies gar nicht entbehrt und finde es jetzt wieder wunderschön.“

„Wollen wir heimbummeln?“ fragte Eri freundlich. „Es läuft sich so nett heute abend.“

Es war ihr gleich bei der Ankunft aufgefallen, daß Heide schlecht aussah. Sie war blaß und hatte um den Mund einen verängstigten Zug, den man früher bei ihr nicht gekannt hatte.

„Oder“, fuhr sie leiser fort, „wird es dir vielleicht zu viel nach der Reise?“

„Aber nein. Ich soll ja viel gehen. Peter wollte nur“ —

„Daß du dich bei mir erholst. Eine wundervolle Idee. Dein Peter scheint mir ein Juwel zu sein. Den hätte ich auch sofort geheiratet. Schade, daß er dich wollte und nicht mich. Ich hätte allerdings an seiner Stelle auch dich genommen statt meiner; aber dies nur nebenbei. Auf jeden Fall sollst du es jetzt gut bei mir haben und dich erholen.“

Plaudernd oder schweigend wanderten sie miteinander hinaus in die Vorstadt zu dem winzigen Häuschen, das in einem kleinen Garten lag. Als Innenarchitektin mußte Eri sozusagen „Reklame wohnen“, d. h. auf eine neue, geschmackvolle, überlegte Art, aber so, daß es niemandem bewußt wurde, warum es eigentlich bei ihr so angenehm war.

„Du bist hier ganz dein eigener Herr“, sagte sie, als sie Heide in das Zimmer führte, durch dessen große Fenster man in den Garten hinaussah. „Ich will sehen, daß ich nachmittags nicht allzuspät nach Hause komme, um dir trotz meiner Arbeit möglichst viel Gesellschaft zu leisten. Vor allem aber sollst du schlafen, so viel und so lange du kannst. Wenn du willst, kannst du auch spazieren gehen oder ein gutes Buch lesen.“

Sie deutete dabei auf die Bücherborde unter den beiden Fenstern. Heide staunte über das schöne Zimmer, das durch moosgrüne Sessel, eine helle Stehlampe und ein zitronengelbes Kaffeeservice, das auf einem kleinen Rauchtisch stand, eine sehr persönliche Note hatte. Früher, als sie noch mit Eri zusammenwohnte, war es bei ihnen sehr anders gewesen. Eri sprach weiter, in ihrer ruhigen Art:

„Wenn du mein Herz erfreuen möchtest, dann könntest du immer ein leckeres Abendbrot richten. Im übrigen darfst du auch mit Peter telefonieren, Zeitschriften ansehen und dich jeden Tag auf mein Nachhausekommen freuen. Freude verschönt und macht gesund. — — Ich bin so froh, daß du hier bist“, schloß sie in einem herzlichen Ton.

Heide lächelte ihr zu und zog die kleine Hand der Freundin an ihre Wange. In diesem Augenblick schon empfand sie, daß es gut war, was Peter sich da ausgedacht hatte: ihr Großstadturlaub bei Eri.

Es wurde nicht nur gut, sondern über die Maßen schön in diesem kleinen Heim. Wenn am Morgen die Vögel in dem kleinen Vorgarten zu zwitschern begannen, war es herrlich, sich auf die andere Seite zu legen und weiter zu schlafen in dem süßen Bewußtsein, nichts zu versäumen. Es lag sich so gut auf der breiten, niedrigen Couch unter der leichten Daunendecke. Und es war jeden Tag wieder eine kleine Überraschung, das Tischchen zu betrachten, das Eri unbemerkt am Morgen hereingeschoben hatte. Das Tischlein-deck-dich, auf dem die Kaffeekanne über dem Flämmchen stand, daneben Knäckebrot, Marmelade, Honig, Wurst und die „Tasse von damals“, die Tasse, die Heide Eri einmal geschenkt hatte, als sie noch zusammenhausten, nie Geld hatten und ein solches Geschenk ihre bescheidenen Verhältnisse weit überstieg.

Heide dachte viel in diesen stillen, entrückten Frühsommertagen an damals zurück. Sie konnte jetzt stundenlang daliegen, die Hände im Nacken verschränkt, und in das Blätterspiel vor dem offenen Fenster schauen. Natürlich dachte sie auch an Peter, an Wichartsgrün, das ja nun eigentlich ihre richtige Heimat sein müßte, an die Jungen.

Und an das, was auszusprechen noch verfrüht war, was sie aber im Grunde ganz und gar ausfüllte. Merkwürdig, erst jetzt, da sie fort war von Wichartsgrün, erst jetzt war sie wirklich glücklich, glücklich in einer staunenden, zarten, lauschenden Art.

Schön war dieses schweigende Alleinsein. Aber schön war es auch, wenn Eri kam, Eri mit ihren klugen Augen, ihrem lieben Geplauder und ihrem halblauten, behutsamen Lachen. Sie hatte stets einen neuen Plan: die Blumenausstellung, die gerade jetzt so schön war, ein Mozartkonzert auf der Solitüde, ein Bummel durch den Stadtpark. Manchmal kamen auch Gäste. Dann entschuldigte sich Eri immer, es sei Geschäftsbesuch.

Man solle Wettkämpfe nur auf dem eigenen Sportplatz austragen, und welcher Mann widerspräche wohl einer Frau, bei der er zum Tee eingeladen sei, meinte sie. Heide verfolgte mit einem gewissen Respekt diese Aussprachen und staunte, daß sich schließlich doch alle nach Eri richteten.

„Was willst du, man muß die Leute zu ihrem Glück zwingen“, sagte Eri einmal lachend, als die Gäste sich verabschiedet hatten und sie ordnend umherging, während Heide schon zu Bett lag. Eri trug dann lange, bunte Hosen und sah, schlank und bräunlich, darin wie ein südländischer Knabe aus. Immer hatte sie dann noch etwas Besonderes für Heide, eine eisgekühlte Limonade, Obst, ein bißchen Salat mit Sahne oder ein Stück Schokolade.

„Eigentlich solltest du ja zu uns aufs Land kommen, damit wir dich verwöhnen“, sagte Heide.

„Ich werde schon kommen, eines schönen Tages“, sagte Eri und lachte. „Dann dürft ihr mich verwöhnen. Mitunter brauche ich das, so wie du es jetzt brauchst. Übrigens, wenn gnädige Frau Lust haben, könnten wir morgen vielleicht einmal einen Friseur aufsuchen. Ich will ja nichts gesagt haben, und Kritik liegt mir fern, aber —“, und sie fuhr mit ihrer Hand durch Heides Haar, das sich auf den Kissen ausgebreitet hatte. Es war hellblond, ein wenig fahl, wie von der Sonne gebleicht, und halblang. Heide trug es, auf Wunsch von Frau Wichart, seit ihrer Heirat wieder glatt und zu einem Knoten geschlungen im Nacken. Sie sah Eri fast erschrocken an.

„Sehe ich denn so ungepflegt aus?“

„Ein bißchen schon. Ich muß ohnedies zum Friseur, da kannst du mir ja Gesellschaft leisten. Übrigens kommt morgen abend Doktor Konrad aus München, um eine Meinungsverschiedenheit in einer geschäftlichen Angelegenheit mit mir zu besprechen. Da ist es besser, man ist in jeder Hinsicht wohlgerüstet.“

Ihre dunklen Augen lachten, und Heide gab das Lachen zurück. Man konnte Eri nicht widerstehen, und so kam es, daß auch sie, Heide, am nächsten Abend wieder kurz gewellt und, wie der Haarkünstler versicherte, um zehn Jahre verjüngt dem Besuch entgegensah.

Doktor Konrad, der auf Heides Anwesenheit nicht vorbereitet gewesen war, meinte lachend: