Die ausländischen Militärradiosender und ihre Bedeutung für die Entwicklung der Populärkultur in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg - Martin Philipp Wiesert - E-Book

Die ausländischen Militärradiosender und ihre Bedeutung für die Entwicklung der Populärkultur in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg E-Book

Martin Philipp Wiesert

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Beschreibung

Bachelorarbeit aus dem Jahr 2011 im Fachbereich Medien / Kommunikation - Rundfunk und Unterhaltung, Note: 1,3, Ruhr-Universität Bochum (Medienwissenschaft), Sprache: Deutsch, Abstract: Wer sich aus historischer Perspektive mit der Populärkultur in Deutschland ab 1945 beschäftigt, der wird unweigerlich auf Untersuchungen oder Aussagen von Zeitzeugen treffen, die von einem geringen populärkulturellen Angebot in der deutschen Medienlandschaft der ersten Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg berichten.Insbesondere junge Rezipienten empfanden einen Mangel an Formaten, die sich stilistisch und inhaltlich an sie richteten. Gemeint sind damit vor allem Programme über zeitgenössische, international populäre Musik oder Jugendbewegungen. Stattdessen herrschten in den Medien seriös vorgetragene Themen wie Politik oder Wirtschaft vor. Unterhaltende Programme waren entweder hochkulturell oder volkstümlich. Das Populärkultur in den Medien heutzutage wie selbstverständlich, teilweise gerade zu inflationär behandelt wird, war in Deutschland also nicht immer der Fall. Auf der Suche nach Popmusik und -kultur gab es für junge Deutsche in den 1950er bis 1970er Jahren aber auch trotz des Angebotmangels in den Medien einige Bezugspunkte. Zu diesen gehörten die Radiosender der westalliierten Besatzungstruppen in der Bundesrepublik. Im Norden und Westen konnte der britische Soldatensender BFBS (bis 1964 BFN) gehört werden, im Süden und Südwesten und Süden war das US-amerikanische AFN empfangbar. Diese Radiosender waren eigentlich für die angloamerikanischen Besatzungstruppen bestimmt und wollten die Masse an jungen Soldaten fernab ihrer Heimat mit vertrauten Klängen unterhalten. Einen weitaus größeren Rezipientenkreis erreichten BFBS und AFN allerdings schnell bei Millionen von mithörenden Deutschen, die die Soldatensender wegen ihrer für damalige deutsche Radioverhältnisse unkonventionellen Art so attraktiv fanden. Beliebt waren die Stationen natürlich allem voran, da sie die einzigen Quellen für die neueste moderne Popmusik aus den USA und Großbritannien waren. Meine These lautet deshalb, dass die ausländischen Soldatensender, wie der BFBS, nach dem Zweiten Weltkrieg die Entwicklung der deutschen Populärkultur und schließlich auch der Medien-, speziell der Radiolandschaft, zu einem entscheidenden Anteil mitgeprägt haben. Als akustisches Medium konnte das Radio seinen Beitrag zu dieser Entwicklung logischerweise hauptsächlich über die Popmusik leisten, die in dieser Form in den deutschen Medien lange Zeit kaum existent war. So wurden die Militärradios speziell für deutsche Jugendliche interessant.

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Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung.
2. Populärkultur.
2.1 Populärmusik und Jugendkultur.
2.2 Pop, Jugend und Radio.
2.3 Populär- und Jugendkultur in Deutschland 1920 - 1945.
3. Die nachkriegsdeutsche Hörfunklandschaft.
3.1 Alliierte Neuordnung.
3.2 Hochkulturelle Tradition und Pop-Tabu.
3.3 Ausländische Soldatensender als Gegenpole.
4. BFBS - der Rundfunk der britischen Streitkräfte.
4.1 Entstehungsgeschichte.
4.2 Sendeauftrag.
4.3 Radiosender.
5. BFBS Radio Germany.
5.1 Die „swinging“ Nachkriegszeit.
5.2 Rock und Beat auf dem Äther - die 1950er und 60er.
5.3 Der BFBS und die subkulturellen Nischen.
6. Eine deutsche „Kulturrevolution“
6.1 Die „Westernisierung“ Deutschlands.
6.2 Erste Pop- und Jugendformate.
6.3 Der private Hörfunk und die Pop- und Jugendwellen der ARD.
7. Fazit.

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1. Einleitung

Wer sich aus historischer Perspektive mit der Populärkultur in Deutschland ab 1945 beschäftigt, der wird unweigerlich auf Untersuchungen oder Aussagen von Zeitzeugen treffen, die von einem geringen populärkulturellen Angebot in der deutschen Medienlandschaft der ersten Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg berichten. Insbesondere junge Rezipienten empfanden einen Mangel an Formaten, die sich stilistisch und inhaltlich an sie richteten. Gemeint sind damit vor allem Programme über zeitgenössische, international populäre Musik oder Jugendbewegungen. Stattdessen herrschten in den Medien seriös vorgetragene Themen wie Politik oder Wirtschaft vor. Unterhaltende Programme waren entweder hochkulturell oder volkstümlich. Das Populärkultur in den Medien heutzutage wie selbstverständlich, teilweise gerade zu inflationär behandelt wird, war in Deutschland also nicht immer der Fall. Auf der Suche nach Popmusik und -kultur gab es für junge Deutsche in den 1950er bis 1970er Jahren aber auch trotz des Angebotmangels in den Medien einige Bezugspunkte. Zu diesen gehörten die Radiosender der westalliierten Besatzungstruppen in der Bundesrepublik. Im Norden und Westen konnte der britische Soldatensender BFBS (bis 1964 BFN) gehört werden, im Süden und Südwesten und Süden war das US-amerikanische AFN empfangbar. Diese Radiosender waren eigentlich für die angloamerikanischen Besatzungstruppen bestimmt und wollten die Masse an jungen Soldaten fernab ihrer Heimat mit vertrauten Klängen unterhalten. Einen weitaus größeren Rezipientenkreis erreichten BFBS und AFN allerdings schnell bei Millionen von mithörenden Deutschen, die die Soldatensender wegen ihrer für damalige deutsche Radioverhältnisse unkonventionellen Art so attraktiv fanden. Beliebt waren die Stationen natürlich allem voran, da sie die einzigen Quellen für die neueste moderne Popmusik aus den USA und Großbritannien waren.

Meine These lautet deshalb, dass die ausländischen Soldatensender, wie der BFBS, nach dem Zweiten Weltkrieg die Entwicklung der deutschen Populärkultur und schließlich auch der Medien-, speziell der Radiolandschaft, zu einem entscheidenden Anteil mitgeprägt haben. Als akustisches Medium konnte das Radio seinen Beitrag zu dieser Entwicklung logischerweise hauptsächlich über die Popmusik leisten, die in dieser Form in den deutschen Medien lange Zeit kaum existent war. So wurden die Militärradios speziell für deutsche Jugendliche interessant. Da ich selber aus dem Empfangsgebiet des BFBS komme und den Sender auch persönlich rezipiere, habe ich diesen als beispielhaftes Analyseobjekt für die vorliegende Arbeit gewählt. Zur Verifizierung meiner These werde ich mich an folgenden Arbeitsfragen orientieren:

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- Was genau wird unter Populärkultur verstanden und welche Aspekte davon sind für diese Untersuchung relevant? - In welchem Zusammenhang standen Populärkultur und Radio? - Wie war die Ausgangslage der Populärkultur und des Radios in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg und warum war es so?

- Warum waren die westalliierten Soldatensender solche Besonderheiten in der deutschen Medienlandschaft?

- Wie entwickelte sich der BFBS und wie ist der Sender aufgestellt? - Wie verlief der Werdegang des BFBS in Deutschland, welches konkrete Programm bot der Sender und wie beeinflusste es die deutsche Populärkultur? - Welche weiteren Auswirkungen hatte dieser Umstand auf die deutsche Gesellschaft insgesamt sowie die deutsche Medien- und Radiolandschaft? Der Untersuchungszeitraum auf den ich mich bei dieser mediengeschichtlichen Auseinandersetzung beziehe reicht von 1945 bis zur Mitte der 1990er Jahre. Außerdem werde ich mich, auch aus formalen Gründen, auf die Bundesrepublik Deutschland konzentrieren. Die westlichen Soldatensender, auch der BFBS, waren zwar ebenfalls in einigen Teilen der ehemaligen DDR zu hören und wirkten auch dort auf die Entwicklung von Jugendlichen und Populärkultur, aufgrund der totalitären Politik in der DDR allerdings in einem geringeren und eher individuellen Maße. Im weiteren Verlauf der Arbeit widme ich zunächst, als Hinführung zum eigentlichen Untersuchungsgegenstand Soldatensender und BFBS, den Begrifflichkeiten des Populären. Danach werden Radiotheorien, die im Zusammenhang mit Populärkultur stehen, vorstellen. Anschließend werde ich das deutsche Radio nach dem Zweiten Weltkrieg skizzieren, um zum Besonderen an den angloamerikanischen Soldatensendern überzuleiten. Schließlich erfolgen ein Abriss der Geschichte und eine Programmanalyse des BFBS in Deutschland, um zu verdeutlichen wie genau dadurch die Populärkultur hierzulande beeinflusst wurde und wie dies die deutsche Gesellschaft und Medien veränderte. Abschließend erfolgt das Fazit Wissenschaftliche Literatur, die sich konkret auf den Untersuchungsgegenstand Militärradiosender und ihr Einfluss in Deutschland bezieht, ist spärlich. Ausnahmen sind das BuchMusic in the airvon Wolfgang Rumpf und Oliver Zöllners Dissertation über den BFBS in Deutschland. Ansonsten werde ich mich weiterer medien-, kulturwissenschaftlicher, soziologischer und auch journalistischer Quellen bedienen. Außerdem habe ich einige Forschungsfragen per E-Mail an den BFBS selber sowie an den BFBS-Archivar und -Experten Alan Grace gerichtet. Die informativen Antworten darauf werde ich ebenfalls mit in die Arbeit einfließen lassen.

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2. Populärkultur

Definitionen von Populärkultur divergieren, denn prinzipiell wird damit ein breites Feld des gesellschaftlichen Lebens umschrieben. Hecken (2006, 85) skizziert populäre Kultur im weitesten Sinn: „Populär ist, was viele beachten. In Charts, durch Meinungsumfragen und Wahlen wird festgelegt, was populär ist und was nicht.“ Demzufolge kann nicht nur Kultur an sich, sondern beispielsweise auch Vorgänge in Politik und Wirtschaft zur populären Kultur gezählt werden (vgl. ebd., 105). Für den Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit sind allerdings nur die rein kulturellen Aspekte relevant. Über diese bildet sich auch das gängigste Verständnis von Populärkultur als kultureller Ausdruck, der sich vor allem ausgehend von der nordwestlichen Hemisphäre und dieser nahestehenden Kulturkreisen global verbreiten. Danach ist Populärkultur eine Unterhaltungs- und Volkskultur für die Massen, welche im Kontrast zur klassischen und elitären Hochkultur steht (vgl. Storey, 2006, 5). Trotzdem hat die Populärkultur auch nach dieser Auffassung oft einen Gebrauchs- und Bedeutungswandel erfahren.

Laut Kolloge (1999, 42f) liegen historische Ursprünge der Populärkultur in den zur Unterhaltung des Volks angesetzten Zirkussen oder Gladiatorenkämpfen („Spiele“) im antiken Rom gesehen werden. Der Begriff Populärkultur stammt jedoch erst aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts und beschrieb in dieser Epoche die massenhafte Verbreitung kultureller Artefakte durch Medien.

Mitte der 1950er Jahre etablierte sich dann die BegriffskurzformPop1bzw.Popkulturzur Spezifizierung von Populärkultur, die sich nicht nur von der Hochkultur, sondern auch von volkstümlich geprägter Populärkultur abgrenzt (vgl. Mrozek, 2010, 2). Anhand einiger repräsentativer Musterobjekte lässt sich schnell verdeutlichen, was demnach heute zumeist unter Popkultur verstanden wird. Zu ihrem Gegenstandskern zählen zum Beispiel Hollywood-Filme, Fernsehshows, Bewegungen wie der Punk, jugendliche Moden oder Musikgruppierungen wie die Beatles (vgl. Hecken, 2006, 7; Kolloge, 1999, 42).

Popularität, im Sinne eines großen Bekanntheitsgrads oder großer Verkaufszahlen, zählt dabei allerdings nicht unbedingt zu den Charaktermerkmalen von Objekten der Populärkultur. Hochkulturelle Artefakte können ebenfalls in einem hohen Maße

1Dabei wurde das Wort Pop semantisch von der damals neu aufkommenden, bildenden KunstformPop

Artgeprägt. Diese machte alltägliche, industrielle Massenwaren sowie kulturell bis dahin wenig beachtete

und geringgeschätzte Künste wie den Comic zu ihren Objekten.

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bekannt sein oder rezipiert werden (vgl. Hecken, 2006, 81).2Popularität kann auch kein Faktor zur Bestimmung von Populärkultur sein, weil sich diese heterogen in Subkulturen ausdifferenziert. Was in der einen Popsubkultur bekannt ist, ist es bei einer anderen Subkultur oder der breiten Masse eventuell nicht. Popularität bedeutet vielmehr, dass etwas für viele Menschen erreichbar ist. Hierbei kommt den Medien eine tragende Rolle zu (vgl. Kolloge, 1999, 43f). „Kultur bedeutet heute Medienkultur, anders formuliert: […] Ohne Popkultur keine Medien, ohne Medien keine Popkultur“ (Jacke, 2004,20).

Um die soziale Signifikanz und den künstlerischen Wert von Populärkultur existiert seit jeher allerdings ein akademischer Diskurs. Dieser verdeutlicht auch die unterschiedlichen nationalen Traditionsbildungen beim Kulturverständnis in Deutschland und im angelsächsischen Raum.