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Krimis von Alfred Bekker, Henry Rohmer, Pete Hackett, Peter Haberl, Robert Gruber, Hendrik M.Bekker, Peter Cheyney, Thomas West, Chris Heller Dieses Buch enthält folgende acht Krimis: Alfred Bekker: Abendessen mit Konversation Alfred Bekker: Eis in den Bergen Pete Hackett: Der Tod führt Regie Alfred Bekker: Bluternte 1929 Pete Hackett: Wer mit dem Tod handelt... Alfred Bekker: Im Visier der Killerin Pete Hackett: Der Moloch von der Eastside Hendrik M. Bekker: Die Akte Poe - Erster Teil Hendrik M. Bekker: Die Akte Poe - Zweiter Teil Alfred Bekker: Das Elbenkrieger-Profil Alfred Bekker: Der verlorene Erbe Peter Cheyney: Gute Arbeit! Chris Heller/Thomas West: Kommissar Jörgensen und die mörderische Habgier Henry Rohmer: Alain Boulanger und die heiße Flamme von Paris Robert Gruber/Peter Haberl: Der Goldmord Alfred Bekker: Kommissar Jörgensen und die Schüsse auf Herrn Bock Alfred Bekker: Der Fall mit der Stripperin Herb Matthew hatte die Kugel mitten ins Herz bekommen. Verbrennungs- und Schmauchspuren an seinem Hemd verrieten, dass der Schuss aus allernächster Nähe abgegeben worden war. Der Leichnam lag in seiner Wohnung, die sich in einem der großen Mietshäuser in Stuyvesant Town befand. Die beiden Special Agents Owen Burke und Ron Harris waren vor zwei Minuten angekommen. Man hatte sie informiert, weil in der Wohnung des Toten Heroin und Kokain gefunden wurde. Wenn Drogen im Spiel waren, war das FBI zuständig. Die Beamten von der Spurensicherung waren bei der Arbeit. Überall im Wohnzimmer standen kleine Schilder mit Nummern, mit denen verschiedenen Spuren und Beweismittel gekennzeichnet wurden. Neben dem Coroner und dessen Gehilfen war auch ein Vertreter der Staatsanwaltschaft anwesend. »Dem ersten Augenschein nach dürfte der Tod vor etwa zwölf Stunden eingetreten sein«, gab der Coroner zu verstehen. Owen Burke schaute auf die Uhr. »Also gestern Abend gegen 9 Uhr«, murmelte er und wandte sich an den Leiter des Teams von der SRD. »Gibt es irgendwelche Hinweise, dass jemand mit Gewalt in die Wohnung eingedrungen ist?«
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Seitenzahl: 1787
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Die besten 17 Krimis des Jahres 2023: Krimi Paket
Copyright
Abendessen mit Konversation
Eis in den Bergen
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Der Tod führt Regie
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Bluternte 1929 - Umgelegt in Chicago
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Wer mit dem Tod handelt …
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Im Visier der Killerin
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Der Moloch von der Eastside
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Die Akte Poe – Erster Teil
Die Akte Poe – Zweiter Teil
Das Elbenkrieger-Profil
Der verlorene Erbe
Gute Arbeit!
Kommissar Jörgensen und die mörderische Habgier
Alain Boulanger und die heiße Flamme in Paris
Der Goldmord
Kommissar Jörgensen und die Schüsse auf Herrn Bock
Der Fall mit der Stripperin
Krimis von Alfred Bekker, Henry Rohmer, Pete Hackett, Peter Haberl, Robert Gruber, Hendrik M.Bekker, Peter Cheyney, Thomas West, Chris Heller
Dieses Buch enthält folgende acht Krimis:
Alfred Bekker: Abendessen mit Konversation
Alfred Bekker: Eis in den Bergen
Pete Hackett: Der Tod führt Regie
Alfred Bekker: Bluternte 1929
Pete Hackett: Wer mit dem Tod handelt...
Alfred Bekker: Im Visier der Killerin
Pete Hackett: Der Moloch von der Eastside
Hendrik M. Bekker: Die Akte Poe - Erster Teil
Hendrik M. Bekker: Die Akte Poe - Zweiter Teil
Alfred Bekker: Das Elbenkrieger-Profil
Alfred Bekker: Der verlorene Erbe
Peter Cheyney: Gute Arbeit!
Chris Heller/Thomas West: Kommissar Jörgensen und die mörderische Habgier
Henry Rohmer: Alain Boulanger und die heiße Flamme von Paris
Robert Gruber/Peter Haberl: Der Goldmord
Alfred Bekker: Kommissar Jörgensen und die Schüsse auf Herrn Bock
Alfred Bekker: Der Fall mit der Stripperin
Herb Matthew hatte die Kugel mitten ins Herz bekommen. Verbrennungs- und Schmauchspuren an seinem Hemd verrieten, dass der Schuss aus allernächster Nähe abgegeben worden war. Der Leichnam lag in seiner Wohnung, die sich in einem der großen Mietshäuser in Stuyvesant Town befand.
Die beiden Special Agents Owen Burke und Ron Harris waren vor zwei Minuten angekommen. Man hatte sie informiert, weil in der Wohnung des Toten Heroin und Kokain gefunden wurde. Wenn Drogen im Spiel waren, war das FBI zuständig. Die Beamten von der Spurensicherung waren bei der Arbeit. Überall im Wohnzimmer standen kleine Schilder mit Nummern, mit denen verschiedenen Spuren und Beweismittel gekennzeichnet wurden. Neben dem Coroner und dessen Gehilfen war auch ein Vertreter der Staatsanwaltschaft anwesend.
»Dem ersten Augenschein nach dürfte der Tod vor etwa zwölf Stunden eingetreten sein«, gab der Coroner zu verstehen.
Owen Burke schaute auf die Uhr. »Also gestern Abend gegen 9 Uhr«, murmelte er und wandte sich an den Leiter des Teams von der SRD. »Gibt es irgendwelche Hinweise, dass jemand mit Gewalt in die Wohnung eingedrungen ist?«
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author /
© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten.
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Alles rund um Belletristik!
von Alfred Bekker
Es ist eine traurige Sache.
Warum bleiben sie nicht?
Warum erschrecken sie, wenn sie das Haus betreten? Weshalb beklagen sie alle sich über einen bestimmten Geruch, von dem sie nicht sagen können, wodurch er verursacht wird?
Sie wollen nicht bleiben und mit mir reden.
Ich weiß nicht warum.
Ist es zuviel, was ich verlange?
Das kann ich mir nicht vorstellen. Und doch, es ist immer dasselbe. Sie wollen nicht bleiben. Ich kann von Glück sagen, wenn sie sich wenigstens mit mir an den gedeckten Tisch setzen.
Ich zünde die Kerzen an.
Der Schein des Lichts fällt auf ihre ebenmäßigen Züge und taucht sie in ein diffuses Licht.
Ich konnte sie nicht gehen lassen.
Ich konnte einfach nicht.
"Sie wollen wirklich schon gehen?"
Ihr Gesicht wirkt verlegen.
"Ja."
"Aber..."
"Ich muss mich auf den Weg machen. Verstehen Sie mich doch, es ist höchste Zeit..."
"Ich habe den Tisch gedeckt!"
"Hören Sie, ich will Sie nicht kränken, aber..."
"Aber?"
"Ich weiß nicht, ob es richtig war, Ihre Einladung anzunehmen... Was ich sagen will ist..."
"Sie können mir das nicht antun! Ich habe für Sie gekocht!"
"Das ist sehr nett, aber - "
"Alles ist vorbereitet... "
Sie runzelt genau in diesem Moment die Stirn.
"Vorbereitet?"
Viele von ihnen haben genau in diesem Moment die Stirn gerunzelt.
Ich kann es unmöglich erklären, aber es ist so.
Ich habe kein gutes Gefühl.
"Es gibt Lachs in Kräuterbutter. Dazu einen guten Wein. Es wird Ihnen schmecken..."
Ich habe etwas Scheußliches getan.
Naja, das haben die meisten vielleicht irgendwann schonmal in ihrem Leben. Aber das, was ich getan habe, ist von besonderer Scheußlichkeit. Ich weiß es, aber ich kann es nicht ändern.
Ich empfinde auch keine Schuld.
Es ist so gekommen.
Aus.
Fertig.
Reden wir über etwas anderes.
Ich sehe ihr in die Augen, diese leuchtend blauen Augen, die mich eigentlich ganz friedlich anblicken.
Sie sitzt mir gegenüber, mit diesen Augen, mit ihrem schmalen Mund, mit ihrem feingeschnittenen Gesicht. Ihr Mund lächelt nicht mehr. Er ist vielmehr unbeweglich, etwas starr, ich weiß auch nicht.
Ich hebe mein Glas und proste ihr zu.
Sie schweigt.
Ich rede mit ihr. Oder besser: Ich erzähle ihr alles Mögliche. Über mich. Über meine Ansichten. Über Gott. Und die Welt.
Nein, vielleicht doch nicht über Gott. Was ich damit sagen will ist folgendes: Gott hat in dieser Geschichte eigentlich nicht allzuviel verloren.
Ich sollte ihn aus dem Spiel lassen.
Um seinetwillen.
Mein Mund produziert Worte. Eins nach dem anderen, ohne Unterlass. Eigentlich bin ich ein schweigsamer Mensch, vielleicht sogar schüchtern. Ich lebe zurückgezogen mit meinen drei Katzen. Das Haus, in dem ich wohne, liegt etwas abseits, nicht weit von der Steilküste entfernt.
Ich habe es für mich allein und das ist gut so.
Oft bin ich oben bei den Klippen.
Es herrscht immer ein starker Wind dort.
Man trifft Leute dort. Touristen. Manchmal komme ich mit ihnen ins Gespräch und lade jemanden zu mir nach Hause ein.
Zum Essen.
Die meisten wollen nicht, aber bei einigen gelingt es mir.
Kein Mensch kann immer allein sein. Kein Mensch. Auch ich nicht.
Ein Tag vergeht. Und ein weiterer.
Ich lasse sie am Tisch sitzen. Sie blickt mich starr an, wenn wir uns unterhalten.
Hätte ich sie doch gehen lassen sollen?
Vielleicht.
Ich konnte es nicht.
Es war einfach unmöglich.
Ich brauchte sie.
Und ich hoffe nur, dass ich ihr nicht allzu sehr wehgetan habe. Jedenfalls hat sie nicht geschrien. Sie war wohl sofort tot. Ganz bestimmt.
Am vierten oder fünften Tag nahm ich sie über die Schulter und setzte sie in einen der großen Ohrensessel, die bei mir im Wohnzimmer stehen. Wir saßen beieinander. Es war schön.
Jedenfalls besser, als wenn man alleine dasitzt.
Von Tag zu Tag gab es mehr Fliegen im Haus und mir war klar, woher das kam.
Ich betrachtete wehmütig ihr Gesicht.
Schade, aber ich würde mich von ihr verabschieden müssen.
Ich schob es noch ein paar Tage vor mir her. Schließlich hatte ich mich an ihre Gesellschaft gewöhnt.
Dennoch, es war unvermeidlich.
Ich löste ein paar Fußbodenbretter, unter denen ich eine Art Grube angelegt hatte, und legte sie zu den anderen.
ENDE
von Alfred Bekker
Eine Villa in der Münchener Rauheckstraße, ein Ferienhaus mit Aussicht auf einen idyllischen Bergsee, nur eine halbe Stunde von der Großstadt entfernt... Dr. Anton F. Seidl fand, dass er es in den letzten Jahren zu einigem Wohlstand gebracht hatte. Und das, obwohl er keinesfalls Schönheitschirurg oder Zahnarzt war - sondern Tiermediziner. Und die standen normalerweise vom Einkommen her an unterster Stelle der medizinischen Zunft, es sei denn, sie hatten sich auf das Kurieren kleinerer Wehwehchen von millionenschweren Rennpferden spezialisiert. Aber zu diesen Kreisen hatten Seidl die Beziehungen gefehlt.
Er atmete tief durch, blickte über den mustergültig gepflegten Garten seiner Villa.
Hier war kein Grashalm an der falschen Stelle. Ein Gärtner kam regelmäßig dreimal die Woche, um alles in Ordnung zu halten und darüber hinaus die zahlreichen und häufig wechselnden gärtnerischen Sonderwünsche von Frau Seidl zu erfüllen.
Alles, was du hier siehst, wird dir vielleicht schon bald buchstäblich unter den Fingern zerrinnen!, ging es Seidl grimmig durch den Kopf. Der Puls schlug ihm bis zum Hals. Nein, du hast einfach zu lange dafür gekämpft, um jetzt aufzugeben! Jetzt musst du dir etwas überlegen, dich vielleicht sogar mit sehr harten Bandagen durchzukämpfen.
Seidl zuckte zusammen, als ihn von hinten eine Hand an der Schulter berührte.
"Was ist?", drang die Stimme seiner zweiten Ehefrau Veronika in sein Bewusstsein.
Seidl drehte sich ruckartig zu ihr herum. Sie war Anfang dreißig, er Anfang fünfzig. Ihr Gesicht war feingeschnitten mit hohen Wangenknochen. Das dunkle Haar fiel ihr bis weit über die Schultern. Zwei feste Brüste pressten sich gegen den enganliegenden Stoff ihres Pullovers. Manchmal musste er aufpassen, um sie nicht mit 'Franziska' anzureden - dem Namen seiner ersten Frau. Im Grunde war Veronika eine Art verjüngte Ausgabe seiner ersten Frau.
"Es ist nichts", behauptete Seidl.
"Du schwitzt ja!"
"Ja, mein Gott..."
"Mei, du siehst ja ganz blass aus!"
Eine der wenigen Dinge, die Seidl an seiner zweiten Frau störten war, dass sie unentwegt "mei" zu sagen pflegte. Während er selbst sich den niederbayrischen Dialekt, mit dem er aufgewachsen war, mühsam abgewöhnt hatte und spätestens seit seinem Studium in Hamburg nur noch 'nach der Schrift' redete, konnte Veronika ihre sprachliche Herkunft einfach nicht verleugnen.
"Mei, warum sagst denn nix? Hängt das vielleicht mit dem Reporter zusammen, der vorhin hier war?"
Seidl lächelte breit. "Das war nur ein Wichtigtuer", meinte er. "Der ist nur auf Skandale aus."
"Skandale? Mei, was will er denn dann von dir?"
"Ach, du kennst das doch. Da ist irgendwo mal wieder hormonverseuchtes Fleisch aufgetaucht und jetzt wollte dieser Kerl meine Meinung dazu wissen."
"Das war alles?"
"Ja, verdammt nochmal."
"Geh, Anton! Nun hab dich doch net so! Man wird ja wohl mal nachfragen dürfen."
Seidl atmete tief durch. "Mir geht es heute nicht besonders gut. Muss wohl am Fön liegen. Ich glaube, ich lege mich ein bisschen hin. Nachher habe ich nämlich noch einen wichtigen Termin..."
"Wollten wir heut' Abend net in die Oper?"
"Ja schon, aber..."
"Das wird also nix!"
"Nicht traurig sein. Geh ruhig allein hin oder nimm deine Freundin Karin mit, damit die Karte nicht verfällt!"
Seidl ging an ihr vorbei, trat dann durch die Terrassentür ins Haus.
In seinem Hirn arbeitete es fieberhaft.
Ich lasse mir meine Existenz nicht zerstören!, hämmerte es in ihm. Um keinen Preis...
Zwei Stunden später wählte Seidl vom Anschluss im Schlafzimmer aus eine Handynummer, die er von einer Visitenkarte ablas.
Es war die Karte des Journalisten.
"Hier Tom Dremmler", meldete sich eine sonore Stimme.
Tom Dremmler, freier Mitarbeiter verschiedener Boulevardblätter und neuerdings Erpresser, so ging es Seidl zynisch durch den Kopf. Aber in dem Job bist du ein Anfänger, Dremmler! Also sieh dich vor!
"Ich bin's, Dr. Seidl", meldete sich der Veterinär.
"Sie haben sich die Sache also überlegt", stellte Dremmler fest. Er lachte heiser. Seine Stimme war rau vom übermäßigen Alkoholgenuss. Auf den Parties, die er besuchte, nahm er beinahe jedes volle Glas mit, das ihm hingehalten wurde. Seine Leberwerte mussten entsprechend sein. Und die Zahl der abgestorbenen Hirnzellen hatte mit Sicherheit jenen Wert überschritten, der ihn noch hätte hoffen lassen können, dass aus ihm eines Tages doch noch ein seriöser Feuilletonist wurde.
"Hören Sie, Dremmler..."
"Ich will eine Million! Darüber lasse ich auch nicht mit mir handeln. Andernfalls können Sie auf den Titelseiten Ihren Namen und Ihr Bild sehen. Vielleicht mit folgender Überschrift: DER HORMON-DOKTOR ENTLARVT! NEUER SKANDAL IN DER SCHWEINEMAST!"
"Woher soll ich eine Million nehmen?"
"Beleihen Sie Ihre Villa oder verkaufen Sie Ihr Ferienhaus in den Bergen..."
"Sie sind gut informiert."
"Vergessen Sie das nie, Dr. Seidl. Vergessen Sie das nie...."
"Angenommen ich zahle Ihnen eine Million. Wer garantiert mir, dass Sie nicht weitere Forderungen stellen."
"Was haben Sie nur für eine schlechte Meinung von mir."
"Ja wohl nicht ganz unbegründet, oder?"
"Seidl, Sie können von Glück sagen, wenn Sie aus dieser Sache mit einigermaßen heiler Haut herauskommen. Jahrelang sind Sie von Bauernhof zu Bauernhof gereist und haben Ihre illegalen Medikamentencocktails verkauft. Eine Art Dealer für Junkie-Schweine..." Er kicherte. "Ich kann alles belegen. Ich habe Unterlagen, Fotos, Proben..."
"Ich muss dieses Beweismaterial haben, wenn ich Ihnen eine derart große Summe zahle."
"Dann legen Sie noch eine halbe Million drauf und wir sind handelseinig."
"Sie sind unverschämt."
"Ich kann rechnen, Dr. Seidl. Sie haben mit Ihren Wundermitteln in den letzten Jahren ein Mehrfaches davon eingenommen. Alles, was ich verlange ist ein gerechter Anteil."
Innerlich kochte Seidl.
Alles in ihm krampfte sich zusammen. Er bemerkte, dass seine Hand zu zittern begann. Wenn er jetzt vor mir stünde!, durchzuckte es ihn. Er hätte dann für nichts garantieren können... Durch regelmäßiges Atmen versuchte er, sich wieder zu beruhigen.
Er musste einen kühlen Kopf bewahren.
Eiskalt reagieren.
Nur dann hatte er eine Chance, den Hals aus der Schlinge zu ziehen.
"Ich bin mit Ihren Bedingungen einverstanden", brachte er schließlich über die Lippen.
"Freut mich, das zu hören."
"Aber Sie dürfen mich nie wieder in meiner Villa an der Rauheckstraße besuchen! Haben Sie gehört?"
"Sorry, Doc." Tom Dremmler lachte heiser, hustete dann. Vermutlich Raucherhusten, diagnostizierte Seidl.
"Wir müssen uns treffen. Sie bringen die Beweismittel mit und ich..."
"Die anderthalb Millionen", schnitt Dremmler ihm das Wort ab.
"In bar, nehme ich an."
"Wäre mir lieb."
"Samstag in einer Woche. Vorher kriege ich das mit meiner Bank nicht zurecht."
"Gut. Aber keinen Tag länger."
"Nun zum Treffpunkt. Mein Ferienhaus in Kayserstein kennen Sie ja bereits."
"Ja."
"Kommen Sie nächsten Samstag gegen 17.00 Uhr dort hin. Dort sind wir ungestört."
"Einverstanden."
Dr. Anton Seidl fuhr die schmale, in Serpentinen den Berghang hinaufführende Straße mit geradezu halsbrecherischem Tempo entlang. Es war Samstag Mittag. Veronika hatte etwas herumgemeckert, als er ihr offenbart hatte, dass er das Wochenende im Ferienhaus verbringen wollte. Schließlich war er sogar das Risiko eingegangen, ihr anzubieten, ihn doch zu begleiten. Das hatte sie während ihrer bislang vierjährigen Ehe nur ein einziges Mal getan und sich dabei schrecklich gelangweilt. Bergwandern und die stundenlange Angelei im nahegelegenen See - das war alles nicht ihr Fall. Ihrer dialektbeladenen, sich eher erdverbunden anhörenden Sprache zum Trotz war sie doch ganz eindeutig eine Stadtpflanze und kein Landei.
Aber Anton Seidl brauchte ab und zu diese Einsamkeit und Ruhe hier oben.
Er erinnerte sich noch ganz genau, wie er das Haus zum ersten Mal gesehen hatte. Er war auf dem Weg zu einem Kunden gewesen, dessen Viehbestand er mit einem Koffer voller wachstumsfördernder Mittel versorgt hatte. Für viele der Bergbauern war die Situation prekär. Mit den großen Agrarfabriken andernorts konnten sie nicht mithalten, weder im Preis noch in der Menge. So mussten die Tiere eben schneller wachsen und dabei immer noch nach Möglichkeit den Eindruck machen, als ob sie unter glücklichen Umständen ihr kurzes leben gefristet hatten. Verluste waren tabu. Es wurde gespritzt, was das Zeug hielt, beziehungsweise der Koffer des Hormon-Dealers hergab.
Von einem seiner Kunden, dem Wendinger-Klaus, dem einer der größten Höfe in der Umgebung gehörte, hatte Seidl seinerzeit den Tipp bekommen, sich das Haus mal anzusehen. Es hatte kurz vor der Zwangsversteigerung gestanden. Den Preis, den Seidl dafür hatte ausgeben müssen, war geradezu lächerlich, wenn man bedachte, dass die Gegend touristisch gut erschlossen war.
Seidl hing seinen Gedanken nach, blickte zwischendurch immer wieder nervös auf die Uhr.
Er hatte einen Plan.
Einen Plan, der mit Tom Dremmlers Tod enden würde. Aber bevor er das Ferienhaus erreichte, gab es noch einiges, was Seidl vorzubereiten hatte.
Plötzlich musste Seidl mit aller Gewalt in die Bremse seines champagnerfarbenen Mercedes SLK treten. Die Reifen quietschten. Von der Seite ergoss sich ein Strom von hunderten von Schafleibern auf die Fahrbahn. Sie blökten durcheinander. Einige wichen vor dem SLK erschrocken zurück und stießen dabei ihre Artgenossen um. Ein Chaos entstand. Mittendrin, wie ein Fels in der Brandung, stand der Schäfer mit hochrotem Kopf und wütendem Gesicht.
Er nahm seinen Filzhut ab, knitterte ihn in der Faust zusammen und brüllte Seidl wütend an. Da der Tierarzt das Verdeck seines SLK auf Grund des sonnigen Frühlingswetters zurückgeklappt hatte, konnte er jedes Wort verstehen. Und das, obwohl ein Hirtenhund andauernd dazwischen bellte.
"Mei, was fällt Ihnen ein! Kruzifix noch einmal! Wie kann einer nur so narrisch sein und net aufpasssen, was über die Straße herüberkommt!"
"Hätten Sie nicht aufpassen können!", rief Seidl zurück.
Er kannte den Hirten.
Corbinian Anzengruber hieß er und war in der gesamten Gegend als eine Art Faktotum bekannt. Allerdings auch als Verbreiter von Neuigkeiten und Gerüchten.
Das hat mir gerade noch gefehlt, dass mir der über den Weg läuft!, ging es Seidl ärgerlich durch den Kopf. Dieser Quasselkopf würde überall herumerzählen, dass der allseits bekannte Tierarzt mal wieder in der Gegend war und das Wochenende in seinem Ferienhaus verbrachte.
Einige Sekunden lang dachte Seidl darüber nach, ob er das ganze Unternehmen nicht abblasen sollte.
Er dachte an die Polizei, an die Fragen, die sich zwangsläufig ergeben, wenn...
Nein, du stehst das jetzt durch!, forderte er sich dann selbst auf. So etwas wie absolute Sicherheit gibt es nicht, Anton Seidl! Auch für dich nicht! Du musst das Risiko eingehen, wenn du nicht sehenden Auges in den Abgrund springen willst!
"Geht das nicht ein bisschen schneller?", schrie Seidl dem Hirten dann entgegen.
Dann hupte er, worauf die Schafe aufgeregt blökten und der Hirtenhund sich in seiner bis dahin unumstrittenen Autorität bedroht fühlte.
"Ja, ist dieser großkopferte Herr Veterinär jetzt vielleicht vollkommen narrisch geworden?", brüllte der Anzengruber jetzt zurück. "Macht mir die Tiere auch noch verrückt!"
"Ich hab's eilig!"
"Mei, das dauert halt ein bisserl!"
Fast eine Viertelstunde dauerte es, bis alle Tiere endlich über die Straße gelangt waren.
Seidl ließ den Motor des SLK aufheulen und brauste davon. Wenig später erreichte er das schmucke Holzblockhaus. Er parkte den SLK und stieg aus.
Tief sog er die klare Bergluft in sich auf. Man hatte eine fantastische Aussicht von hier aus. Reste des Morgennebels hingen noch über dem leuchtend blauen See, auf den man von hier aus eine vollkommen freie Sicht hatte.
Ein Ort wie aus dem Paradies, dachte Seidl. Aus meinem Paradies. Und davon wird mir niemand etwas wegnehmen.
Er sah kurz auf die Uhr (er wusste selbst nicht mehr, zum wievielten Mal an diesem Tag schon) und griff dann zum Handy.
"Wo soll ich das Zeug hinbringen?", fragte der Eismann, der seinen Lieferwagen etwa eine Stunde später vor Seidls Ferienhaus geparkt hatte. Er wollte sich schon mit einer Eisstange in der Hand an Seidl vorbei zum Haus hinbewegen, aber Seidl schüttelte den Kopf.
Im Haus konnte er das Eis nicht gebrauchen.
"Dort hinein!", forderte er und deutete dabei auf den Kofferraum seines SLK.
Der Eismann sah ihn ziemlich verdutzt an.
"Ist das Ihr Ernst?"
"Mein voller!"
Zur Bekräftigung öffnete Seidl den Kofferraum. Der Eismann kam herbei und lud die Stange dort ab. Er wischte sich anschließend mit dem Ärmel über die Stirn. "Die anderen auch in den Kofferraum?", vergewisserte er sich.
Seidl nickte kühl.
"Ja."
Insgesamt drei, dicke, quaderförmige Stangen Eis brachte der Eismann dann noch in den Kofferraum des SLK.
"Sie werden sich den Wagen damit verderben", prophezeite der Eismann.
"Das lassen Sie mal meine Sorge sein", erwiderte Seidl kühl.
Der Eismann hob beschwichtigend die Hände. "Ist ja schon gut, ich wollte Ihnen wirklich net reinreden, Herr Doktor..."
"Dann lassen Sie es bitte auch!"
"Mei, muss man denn da gleich so grantelig werden? Ich hab's ja nur gut gemeint."
Seidl schloss den Kofferraum und bezahlte dann. Der Eismann blickte nachdenklich auf den SLK. "Sie haben 'ne Riesenparty vor sich, was?"
Seidls Lächeln war dünn. Sein Mund wirkte in diesem Moment fast wie ein Strich. "Ja, so könnte man es bezeichnen..."
"Warum haben Sie keine Getränke bei uns bestellt? Sie hätten dann Rabatt gekriegt."
"Auf wiedersehen."
Augenblicke später fuhr der Eismann davon. Seidl sah dem Lieferwagen nach, bis er so weit die Serpentinen hinuntergefahren war, dass man ihn vorübergehend nicht mehr sehen konnte. Später, das wusste Seidl, würde er wieder auftauchen und man konnte seinen Weg dann noch eine ganze Weile beobachten.
Seidl griff zum Handy.
Er wählte die Nummer von Tom Dremmler.
"Hier ist Seidl."
"Nanu, wir waren doch erst später verabredet", wunderte sich der Journalist.
"Ich weiß. Aber es hat sich einiges geändert. Wir müssen den Termin etwas vorverlegen. Und der Treffpunkt ist auch nicht mehr derselbe."
"Wenn Sie glauben, Sie können mit mir irgendwelche Tricks versuchen, dann..."
"Das würde ich mir nie erlauben!", versuchte Seidl den Erpresser zu beschwichtigen.
"Sie wissen, was dann passiert."
"Natürlich."
"Also?"
"Sie fahren nicht erst heute Abend um fünf zu mir in die Berge, sondern jetzt. Kurz vor Kayserstein befindet sich ein Parkplatz mit hervorragender Aussicht. Liegt etwas abseits. Aber wenn Sie nach dem Hinweisschild 'Kayserstein 7 Kilometer' die nächste links nehmen, kommen Sie direkt dort hin."
"Gibt es kein Hinweisschild?"
"Nein."
"Ich glaube nicht, dass ich schonmal dort war."
"Wenn Sie Schwierigkeiten mit dem Weg haben, rufen Sie meine Handynummer an. Fragen Sie auf keinen Fall irgend jemanden. Ich bin in der Gegend bekannt wie ein bunter Hund."
Dremmler lachte.
"Ich weiß."
"Kommen Sie zum Treffpunkt. Ich werde Ihnen die anderthalb Millionen übergeben, sofern Sie das belastende Material bei sich haben. Aber beeilen Sie sich!"
"Gut", kam es nach einigem Zögern von der anderen Seite der Leitung.
Seidl triumphierte innerlich.
Anton Seidl war als erster auf dem Parkplatz. Er sah ungeduldig auf die Uhr. Das Eis machte ihm sorgen. Wenn Dremmler zu spät kam, wäre es geschmolzen. Aber das Eis spielte in dem Mordplan, den er sich zurechtgelegt hatte, eine entscheidende Rolle. Es gibt keinen anderen Weg!, sagte er zu sich selbst. Du hast es oft genug hin und her überlegt. Du oder er, das ist die Alternative. Nein, die Sache musste beendet werden. Ein für allemal. Seidl zog sich seine dünnen Lederhandschuhe an. Ein Motorengeräusch brauste auf. Das war Dremmler. Er parkte seinen roten Ford und stieg aus. Dremmler strich sich das etwas zu lange, fettig wirkende Haar zurück. Der Fotoapparat baumelte ihm am Hals. Er ging auf Seidl zu und kam gleich zur Sache. "Wo ist das Geld?", fragte Dremmler.
Seidl ging ein paar Schritte auf ihn zu. "Hören Sie, Dremmler...", begann er. Er hatte Dremmler fast erreicht, da erstarrte der Tierarzt mitten in der Bewegung. Er blickte abwärts in Höhe seines Bauches und bemerkte den blanken Lauf eines Kleinkaliber-Revolvers in Dremmlers rechter Hand. Der Reporter hatte die Waffe blitzschnell unter seiner Jacke hervorgezogen.
Offenbar war er misstrauisch geworden.
"Bleiben Sie, wo Sie sind", sagte der Reporter.
"Dremmler, was soll das? Wir wollten uns doch einigen!"
"Das ist eine reine Vorsichtsmaßnahme, Herr Dr. Seidl!", erklärte er mit hochrotem Kopf, wobei er das 'Herr Dr. Seidl' eigenartig betonte. "Ich weiß, dass Sie mit allen Wassern gewaschen sind und Ihnen kein Trick zu schmutzig wäre..."
Seidl lächelte schwach. "Dremmler..."
"Keine Tricks! Ich will das Geld."
"Es ist im Wagen!"
"Dann holen wir es jetzt..." Dremmler bedeutete Seidl mit einem Handzeichen, sich umzudrehen. Mit Dremmlers Waffe im Rücken ging er dann vor dem Reporter her und fragte sich, was er tun konnte. Seidl hatte kein Geld für Dremmler und außerdem drohte sein ganzer Plan den Bach hinunter zu gehen. Seidl öffnete den Kofferraum seines Wagens. Dremmler stand hinter ihm und sah auf die Eisstangen.
"Was soll das?", murmelte er.
Jetzt oder nie!, dachte Seidl. Diesen Moment der Überraschung nutzte er und wirbelte herum. Der Handkantenschlag traf Dremmlers Kehle und ließ ihn augenblicklich in sich zusammensacken. Die Waffe hielt Dremmler fest umklammert, aber er kam nicht mehr dazu, sie abzudrücken. Seidl sah zufrieden auf den Reporter herab. Er war tot. Ein zynisches Lächeln umspielte Seidls Lippen. Einer wie er, der sich seit Jahren mit Karate fit hielt, brauchte keine Waffe. Zumindest nicht, wenn er nahe genug an seinen Gegner herankam.
Jetzt durfte er keine Zeit verlieren.
Er durchsuchte den Wagen, fand eine Tasche, in der sich Fotomaterial und andere Unterlagen befanden.
Seidl sah es kurz durch.
Dremmler muss mich geradezu beschattet haben!, durchfuhr es ihn dabei.
In Zukunft musste er vorsichtiger sein, um etwas Ähnliches zu verhindern.
Seidl nahm das Material an sich, verstaute es im Handschuhfach seines SLK.
Und wenn der Hund noch mehr gesammelt und irgendwo anders deponiert hat?, überlegte er. Er musste davon ausgehen. Aber er würde deswegen nichts unternehmen. Mochte das Zeug irgendwo in Frieden auf einer Festplatte schlummern. Wenn Seidl anfing, danach zu suchen, würde er sich nur in Verdacht bringen.
Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie bitte Ihren Strafverteidiger!, dachte Seidl.
Es gab jetzt kein Zurück mehr.
Und das Risiko, dass das doch etwas von dem belastenden Datenmaterial an die Oberfläche gespült wurde, war vertretbar.
Wenig später packte Seidl Dremmlers Leiche und trug sie zu dessen Wagen.
Dann setzte er den Toten ans Steuer. Nun schob er den Ford an den Rand des Parkplatzes. Dort ging ein Hang recht steil hinab. Seidl schob den Wagen so weit es ging dorthin und zog die Bremse. Anschließend holte Seidl aus seinem Wagen die erste Eisstange. Er legte sie so unter die Vorderräder von Dremmlers Sportwagen, dass das Eis wie ein Bremsklotz wirkte. Die beiden anderen Stangen platzierte er ähnlich. Dann löste er sehr vorsichtig die Handbremse und lächelte. Das Eis würde schmelzen und der Wagen in die Tiefe rasen. Etwas weiter unterhalb kam ein Plateau und dann ging die Felswand fast senkrecht in die Tiefe. Der Wagen würde vielleicht explodieren und wenn nicht, dann würde man die Verletzung an Dremmlers Kehle als Unfallfolge deuten. Schließlich konnte die Kehle auch durch das Lenkrad eingedrückt worden sein.
Wahrscheinlich konnte man in der Umgebung den Aufprall weithin hören.
Gut so, dachte Seidl.
Denn wenn es so weit war, würde er sich viele Kilometer entfernt befinden und dafür sorgen, dass sich genügend Zeugen an ihn erinnerten... Seidl stieg in den Wagen und brauste davon.
Seidl überlegte, was er tun sollte. Vielleicht war es das Beste, jetzt einfach nach Hause zu fahren. Nach München. Warum sich länger als unbedingt notwendig in der Gegend aufhalten, zumal er in seinem Ferienhaus kein richtiges Alibi hatte.
Er war innerlich stark aufgewühlt, überlegte hundertmal, ob er nicht irgendeinen Fehler gemacht, irgend etwas übersehen hatte.
Ganz ruhig bleiben!, forderte er sich selbst auf. Du kannst jetzt nichts weiter tun, als abwarten, dass es irgendwo einen lauten Knall gibt. Nichts wird in deine Richtung deuten. Fahr nach München. Veronika wird fragen, warum ich so früh zurückkehre, sie wird sich etwas wundern und ich werde irgendeine Ausrede erfinden. Es wäre das erste Mal, dass sie an irgend etwas zweifelt.
Seidl drehte leise das Radio an, während er mit - wie üblich überhöhter Geschwindigkeit - die schmale Bergstraße entlangbrauste.
Er blickte kurz in Richtung des Sees. Das Sonnenlicht spiegelte sich darin, ließ ihn leuchend blau erscheinen. Dahinter die schneebedeckten Gipfel. Eine Postkartenkulisse.
Dann erreichte er die Tankstelle vom Krainacher. Eine kleine, freie Tankstelle, die sowohl von ihrer tatsächlichen Lage als auch von ihrer wirtschaftlichen Situation her nahe am Abgrund stand.
Die Tankanzeige zeigte an, dass der SLK eigentlich noch nicht wieder neuen Kraftstoff brauchte, aber Seidl kam der Gedanke, dass ein Besuch beim Krainacher eine gute Gelegenheit war, sich in Erinnerung zu bringen.
Für den Fall, dass es doch Ermittlungen gab, die ihn in den Kreis der Verdächtigen mit einbezogen.
Er fuhr vor die Zapfsäule, stieg aus, tankte den SLK bis oben hin voll.
Dann ging er zum Krainacher herein, der mit ölverschmierter Latzhose hinter der Kasse stand. Seidl nahm noch eine Zeitung, damit die Rechnung nicht so lächerlich gering blieb.
"Servus, Herr Doktor!", sagte der Krainacher. "Sie sind schon wieder auf dem Rückweg?"
Natürlich hatte der Krainacher mitbekommen, in welcher Fahrtrichtung Seidl unterwegs war. Schließlich bestand seine Hauptbeschäftigung darin, aus dem Tankstellenfenster auf die Straße zu blicken.
"Ja, ja", murmelte Seidl.
"Aber am Wetter kanns net liegen! Das ist doch heute ausgezeichnet für die Jahreszeit!"
"Ich brauche den Sonntag noch, um meine Steuersachen zu ordnen."
"Mei, da woaß i, wovon Sie red'n!", nickte der Krainacher mitfühlend. "Wenn Sie mich fragen, dann nimmt die Bürokratie auch wirklich überhand! Finden's net auch?"
"Sicher."
In diesem Moment fuhr ein Traktor vor eine der Zapfsäulen. Der Fahrer stieg ab, tankte nach.
Seidl verabschiedete sich vom Krainacher und ging hinaus.
Den Traktorfahrer kannte er. Es war der Bernrieder-Bauer.
"Servus! Gut, dass ich Sie treffe!", rief der Bernrieder und kam auf ihn zu. "Meine Mathilda steht kurz vom Kalben und ich hab das Gefühl, da stimmt was net..."
"Sie wissen, dass ich..."
"Ja, i woaß! Sie sind mehr für den medikamentösen Aspekt der Tiermedizin zuständig!" Seidl zuckte zusammen. Der Krainacher sprach das aus, als handelte sich um eine ganz normale Dienstleistung. Schon Jahrelang sorgte Seidl dafür, dass das Vieh des Krainachers etwas schneller wuchs, als die Natur das eigentlich vorgesehen hatte.
"Ich würde Sie net fragen, wenn der Huber da wär!"
'Der Huber', das war der hiesige Tierarzt. Ein Mann mit Prinzipien und ein Tierarzt im klassischen Sinn. Dafür aber auch ein vergleichsweise armer Hund!, ging es Seidl durch den Kopf.
"Ich sehe mir Ihre Mathilda an!", versprach Seidl.
Warum nicht?, überlegte er. Eigentlich müsste ich dem Krainacher dankbar sein - bietet er mir doch ein perfektes Alibi an.
Seidl blieb den ganzen Nachmittag auf dem Krainacher-Hof. Mit der Kuh Mathilda war alles in Ordnung - es waren die Nerven des Bauern, die blank lagen. Aber Seidl sorgte dafür, das sein Aufenthalt auf dem Hof sich etwas in die Länge zog.
Zwischendurch war in der Ferne ein lauter Knall zu hören. Dann, kurze Zeit später ein weiterer.
Seidl horchte auf.
Einige der Kühe wurden unruhig.
"Was war das denn?", fragte Seidl.
"Mei, das muss aus dem Nachbartal kommen. Da wird seit kurzem nämlich Basalt abgebaut! Wir haben alle dagegen protestiert und sogar beim Landrat vorgesprochen, aber da war nix zu machen!"
"Auch am Samstag?"
"Die holen sich einfach eine Sondergenehmigung!"
Seidl nickte verständnisvoll.
Hauptsache, er erinnert sich später noch an die Explosion, denn der Tierarzt war sicher, dass dieser Knall nichts mit dem Basaltabbau in der Nähe zu tun hatte.
Später saß Seidl noch bei einer Brotzeit in der guten Stube des Krainachers. Ich habe es geschafft!, dachte der Tierarzt. Das Alibi ist perfekt.
Es wurde spät und Seidl entschied sich dafür, doch nicht nach München zurückzukehren. Wozu auch? Ihm konnte nichts passieren, die gesamte Familie des Krainachers konnte bezeugen, dass er zu dem Zeitpunkt, da Dremmlers Ford in die Tiefe gestürzt war, sich auf dem Hof befunden hatte. Jetzt wollte er in der Nähe bleiben, um besser beobachten zu können, was sich tat...
Auf dem Rückweg zum Ferienhaus fror Seidl ganz erbärmlich, obwohl er sich den Mantel angezogen hatte.
Es war verflucht kalt geworden.
Schon während seines Aufenthalts auf dem Krainacher Hof war ihm der eisige Wind aufgefallen, der plötzlich von den Bergen blies.
Er kehrte erst spät in sein Haus in den Bergen zurück und war ziemlich überrascht, als jemand vor der Haustür auf ihn wartete. "Ich bin Kriminalhauptkommissar Niedermayer ", sagte der etwas beleibte Mann und zeigte Seidl seine Marke. "Ich habe es schon einmal versucht, aber da waren Sie nicht zu Hause..."
"Kommen Sie herein", sagte Seidl und rieb sich die Hände. Es war ziemlich kalt geworden. "Was ist denn passiert?"
"Kennen Sie Herrn Tom Dremmler?"
"Warten Sie, ich mache die Heizung an..."
"Er ist hier in der Nähe ermordet worden."
"Ermordet?", fragte Seidl. Etwas musste schief gelaufen sein und er fragte sich verzweifelt, was es wohl war. Der Kommissar nickte. "Von Ihnen, Herr Seidl. Sie hatten einen genialen Plan. Eigentlich hätte man von dem Eis keinerlei Spuren finden dürfen und wir hätten dann auch niemals bei den Eislieferanten der Umgebung nachgefragt, wer sich heute vier große Stangen hat liefern lassen... Wir wären nie auf Sie gekommen, Herr Seidl, wenn Sie das Wetter hier in den Bergen in Ihre Überlegungen mit einbezogen hätten. Drastische Temperaturschwankungen sind hier nichts Ungewöhnliches und heute hat es so einen Temperatursturz gegeben. Das Eis ist noch immer nicht geschmolzen... Sie sind übrigens verhaftet!"
ENDE
von Pete Hackett
Special Agent Ron Harris lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und sagte: »Also fassen wir zusammen, Kollege: Bei der Toten handelte es sich um eine Südländerin zwischen zwanzig und fünfundzwanzig Jahren, der Tod dürfte in der Nacht vom 17. auf den 18. Oktober zwischen Mitternacht und 4 Uhr morgens eingetreten sein, sie wurde mit einer Schnur erwürgt. Die Lady trug keinerlei Ausweispapiere bei sich, so dass wir nicht wissen, um wen es sich handelt. Allerdings wurde Sperma bei ihr sichergestellt, und das stammt von einem Burschen namens Jack Brenner.«
»So ist es«, bestätigte Special Agent Owen Burke und stemmte sich an seinem Schreibtisch in die Höhe. »Und Mr. Jack Brenner wohnt 224 East 97th Street. Vorbestraft wegen Förderung der Prostitution und einiger Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz. Ich denke, der gute Mann wird uns einige Fragen zu beantworten haben.«
»Ja, der Meinung bin ich auch«, pflichtete Ron Harris bei und erhob sich ebenfalls.
Owen Burke nahm das Bild von der Toten, das auf seinem Schreibtisch lag, und schob es in die Innentasche seiner Jacke. Die Agents verließen ihr gemeinsames Büro …
Wenige Minuten später saßen sie im Dodge Avenger und rollten nach Norden. Der Tag war sonnig, die Temperaturen lagen bei über zwanzig Grad. Auf den Gehsteigen bewegten sich Kolonnen von Menschen. Das schöne Wetter trieb sie aus ihren Häusern.
Es dauerte seine Zeit, bis die Agents in der 97th ankamen. Ron Harris, der den Dienstwagen steuerte, fand in der Nähe des Gebäudes Nummer 224 eine Parklücke, in die er den Dodge geschickt manövrierte. Sie stiegen aus. Wenn sie nach Westen blickten, konnte sie zweihundert Yards entfernt die Bäume und Büsche des Central Parks sehen.
Jack Brenners Apartment lag in der zweiten Etage des Hochhauses. Die G-men benutzten die Treppe. Sie fanden die Wohnungstür und Ron Harris betätigte die Klingel. Die Linse des Spions verdunkelte sich, dann wurde die Tür einen Spalt geöffnet und eine dunkle Stimme erklang: »Sie wünschen?«
Owen Burke ergriff das Wort. Zunächst stellte er sich und seinen Kollegen vor, dann sagte er: »Ich nehme an, Sie sind Mr. Brenner.«
»Sehr richtig. Was will das FBI von mir?«
»Wir haben bezüglich einer jungen Lady, die tot im Riverside Park gelegen hat, ein paar Fragen an Sie. Darum sollten Sie die Tür ganz aufmachen und uns in die Wohnung bitten. Es spricht sich nicht so gut zwischen Tür und Angel.«
»Ich muss euch nicht in meine Wohnung …«
»Wir können Sie auch mitnehmen!«, unterbrach Burke den Mann mit schroffem Tonfall. »Sie stehen nämlich unter Mordverdacht. Ich sage Ihnen das nur zu Ihrer Orientierung.«
»Was!« Jack Brenner riss die Tür auf. Mit einer Mischung aus Schreck, Verständnislosigkeit und Entsetzen starrte er den Agent an. Brenner war etwa eins achtzig groß. Er war neunundzwanzig Jahre alt, seine Haare waren brünett und straff zurückgekämmt. Er besaß ein breitflächiges Gesicht, seine Lippen waren schmal, die Augen von brauner Farbe. »Unter Mordverdacht!«, echote er. »Sie – Sie ticken wohl nicht richtig.«
Burke hob beschwichtigend die rechte Hand. »Ruhig Blut, Mr. Brenner. An der Toten wurde Ihre DNA festgestellt. Es handelte sich um Sperma, das von Ihnen stammt. Das lässt vermuten, dass Sie in einem näheren Kontakt mit der Ermordeten standen.«
Die Brauen Brenners schoben sich zusammen. Über seiner Nasenwurzel entstanden zwei senkrechte Falten. Ein Schatten schien über sein Gesicht zu huschen. »Es kommt hin und wieder mal vor, dass ich 'ne Tussie flachlege!«, stieß er hervor. »Umgebracht hab ich jedoch noch keine. Also lasst mich in Ruhe.«
Ehe sich Burke oder Harris versahen, schlug Brenner die Tür zu. Owen Burke atmete tief durch, wechselte mit seinem Freund und Partner einen schnellen Blick, stieß die Luft durch die Nase aus und pochte fordernd gegen die Tür. »Sie scheinen etwas missverstanden zu haben, Brenner. Öffnen Sie die Tür! Auf der Stelle! Andernfalls holen wir Sie aus Ihrer Wohnung.«
»Verschwindet, ihr verdammten Feds!«
»Ich zähle bis drei, Brenner!«, drohte Burke und nickte Ron Harris zu. Der begriff sofort und rannte los.
»Eins!«, rief Burke.
Harris erreichte die Treppe und stürmte sie hinunter. Fast jedes Gebäude in New York besaß eine Rettungsleiter, und die beiden Agents wollten verhindern, dass sich Jack Brenner über sie absetzte. Ron Harris verschwand aus dem Blickfeld seines Kollegen, seine Schritte verklangen auf der Treppe.
»Zwei!«, zählte Owen Burke. Er stand jetzt neben der Tür im Schutz der Wand. Denn ein Türblatt war für eine Kugel kein Hindernis und ein Selbstmörder war der G-man nicht.
In der Wohnung blieb es still.
Burke zog die SIG und entsicherte sie. Die Waffe war schussbereit. Sie musste nicht repetiert werden. »Drei!« Jetzt trat der Agent vor die Tür hin, benutzte sein rechtes Bein wie einen Rammbock und die Tür flog krachend auf. Augenblicklich glitt der Agent wieder in den Schutz der Wand.
»Okay, okay!«, erklang es gehetzt. »Schon gut, schon gut!«
»Kommen Sie mit erhobenen Händen ins Treppenhaus!«, gebot Burke mit klirrender Stimme.
»Sicher, ich – ich …«
Brenners Stimme brach, und drei Sekunden später trat er durch die Tür. Die Hände hielt er in Schulterhöhe. In seinem Gesicht zuckten die Muskeln, unruhig flackerten seine Augen. »Ich – ich hab doch niemand umgebracht«, stammelte er.
Burke trat hinter ihn. »Hände auf den Rücken!«
Ein Laut entrang sich Brenner, der sich anhörte wie trockenes Schluchzen. Die Handschellen klickten. Owen Burke steckte die SIG weg und nahm sein Mobiltelefon zur Hand, rief beim nächsten Polizeirevier an und bat, eine Streife herzuschicken, die zum einen die Wohnung sichern, zum anderen Brenner zum Federal Building befördern sollte.
Sie befanden sich in einem der Vernehmungsräume im Keller des Bundesgebäudes an der Federal Plaza. Jack Brenner saß an dem zerkratzten Tisch. Burke hatte ihm die Handschellen abgenommen. Die Hände des Mannes lagen flach auf der Tischplatte. Burke nahm ihm gegenüber Platz. Harris blieb stehen.
Vor Brenner lag das Bild der Toten. Der Bursche atmete stoßweise durch die Nase, nagte an seiner Unterlippe und spürte den Druck, den die beiden G-men mit ihren durchbohrenden Blicken auf ihn ausübten. Es bereitete ihm geradezu körperliches Unbehagen.
»Das ist Ramona«, murmelte Brenner. »Ramona Pérez. Ja, ich habe mit ihr geschlafen. Himmel, ich kann nicht glauben, dass Sie …«
»Wann haben Sie mit ihr geschlafen?«, fiel Ron Harris Brenner ins Wort.
»Am Dienstag – abends. Es war der 16. Ich habe gegen 23 Uhr Ramonas Wohnung verlassen. Glauben Sie mir, als ich ging, war sie ausgesprochen lebendig. Sie …«
»In welchem Verhältnis standen Sie zu ihr?«, wollte Owen Burke wissen.
»Eine – eine mehr oder weniger lose Beziehung. Eine Beziehung auf rein sexueller Basis. Ramona …«
Wieder ließ Burke den Burschen nicht ausreden. »Hat sich die Frau prostituiert?«
»Ramona war Pornodarstellerin«, murmelte Brenner. »Auch ich arbeite in dieser Branche. Wir haben uns bei Dreharbeiten kennen gelernt. Die Beziehung, die wir im Film spielten, führten wir privat fort.«
»Sie war eine Latina«, mischte sich Ron Harris ein.
»Ramona stammte aus Brasilien. Sie kam vor etwas über einem Jahr in die Staaten.«
»Schätzungsweise hielt sie sich illegal in den USA auf«, knurrte Harris. »Besaß sie eine Aufenthaltsgenehmigung, eine Arbeitserlaubnis, eine Sozialversicherungskarte?«
Brenner schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Ramona ist am 17. Oktober zwischen Mitternacht und 4 Uhr morgens gestorben«, brachte sich wieder Owen Burke ins Gespräch ein. »Eine Stunde vor Mitternacht haben Sie die Frau angeblich verlassen. Haben Sie für die Zeit danach bis zum Morgen ein Alibi?«
»Ich bin nach Hause gefahren und habe mich schlafen gelegt. Das Haus habe ich erst wieder am darauffolgenden Tag gegen 9 Uhr verlassen, als ich frühstücken ging.«
»Also kein Alibi«, konstatierte Burke.
Brenner nahm die Hände von der Tischplatte und rang sie. Dort, wo sie gelegen hatten, waren feuchte Flecken zurückgeblieben.
»Sie sind ziemlich nervös, Brenner«, bemerkte Ron Harris.
Der Kopf Brenners zuckte zu dem Agent herum. »Wären Sie das nicht, wenn jemand versuchen würde, Ihnen einen Mord in die Schuhe zu schieben?«, giftete er.
»Das versucht niemand«, versetzte Harris gelassen. »Dennoch will ich nicht verheimlichen, dass Sie ein ziemliches Problem am Hals haben, Brenner.«
»Ich bin kein Mörder, verdammt! Außerdem hatte ich nicht den geringsten Grund, Ramona irgendein Leid zuzufügen. Wir haben zusammen …«
»Ja, ja, ich weiß«, knurrte Burke. »Das hat uns schließlich auch auf Ihre Spur gebracht. Wer produzierte die Pornostreifen mit Ramona? Und wo wohnte die Lady?«
»Das Apartment befindet sich in der 78th Street, gleich beim Central Park.«
»Eastside oder Westside?«
»East. Die Hausnummer ist 119. Vierte Etage.«
»Beantworten Sie meine Frage nach dem Produzenten der Sexfilme«, forderte Owen Burke.
»Gordon Bates produziert sie. Regisseur ist Yester Flaherty.«
»Wer brachte Ramona Pérez ins Land?«
»Sie kam von selbst, die Einreise erfolgte mit einem Touristenvisum. Bates hat den Job auf seiner Website angeboten. Ramona bewarb sich und bekam den Zuschlag.«
»Die Upper East Side ist nicht gerade eine billige Wohngegend«, knurrte Ron Harris. »Hat Ramona mit ihren Filmen so gut verdient? Oder arbeitete sie nebenbei als Prostituierte?«
»Ich weiß nicht, was ihr Bates gezahlt hat«, murmelte Brenner. »Dass sie sich prostituiert hätte, ist mir auch nicht bekannt. Ich habe sie nie gefragt, wieso sie sich eine teure Wohnung in einer teuren Wohngegend leistet. Wie ich schon sagte …«
Burke winkte ab. »Schon gut. Sprechen wir wieder über Sie, Brenner. Sie haben ziemlich seltsam reagiert, als wir vor Ihrer Wohnungstür standen und Ihnen von der Toten erzählten. Warum?«
Brenner vermied es, den Agent anzublicken. Er fuhr sich mit der Zungenspitze über die Oberlippe. »Ich – ich hab schlechte Erfahrungen mit der Polizei gemacht.«
»Sie sind sauer, weil man Ihnen damals das Handwerk legte, als sie sich als Zuhälter und Dealer betätigten«, erklärte Harris.
»Nun ja …«
»Es ist nun mal so«, murmelte Burke. »Leute wie wir haben dafür zu sorgen, dass Kerle wie Sie zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie gegen Recht und Ordnung verstoßen. Ihre Reaktion war mit Sicherheit nicht dazu angetan, Sie von unserer Liste der Verdächtigen zu streichen.«
»Ich geriet in Panik.«
»Hatten Sie Grund dazu?«, fragte Ron Harris.
»Ich …«
»Bemühen Sie sich nicht. Was immer Sie uns aufzutischen versuchen, wir werden es Ihnen nicht abkaufen. Und wenn Sie Dreck am Stecken haben, dann kriegen wir Sie. Mein Wort darauf.«
Owen Burke ergriff noch einmal das Wort und sagte: »Sie waren schon mal wegen Förderung der Prostitution dran, Brenner. Wenn Sie Ramona auf den Strich geschickt haben, dann finden wir das heraus. Wenn es dem so ist, dann sollten Sie es uns sagen. Sie könnten für sich punkten.«
»Ich – ich war nicht Ramonas Zuhälter!«, keuchte Brenner. Fahrig strich er sich mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand über das Kinn.
Nach der Vernehmung beantragten die Agents den Erlass eines Durchsuchungsbefehls für die Wohnung von Ramona Pérez, dann machten sie sich auf den Weg in die Lower East Side, wo in der Montgomery Street die Filmgesellschaft 'Sinful Angel Productions' ihren Sitz hatte.
Das Unternehmen hatte einen Flur in der siebten Etage eines Hochhauses angemietet. Den Korridor betrat man durch eine Milchglastür. Dahinter befand sich eine Rezeption, die mit zwei bildhübschen Ladies um die fünfundzwanzig besetzt war. Ihr Lächeln war bezaubernd. Dieses Lächeln gerann allerdings, als Owen Burke erklärte, wer sie waren und dass sie Gordon Bates sprechen wollten, den Chef der Gesellschaft.
Eine der Ladies telefonierte kurz, dann sagte sie: »Mr. Bates erwartet Sie, Agents. Sie finden ihn hinter der letzten Tür auf der rechten Seite.«
Burke bedankte sich und marschierte los. Ron Harris folgte ihm. Und eine Minute später betraten sie das Büro Gordon Bates'. Es war ein großer Raum, mit viel Chrom und Glas eingerichtet. An den Wänden hingen Bilder mit leicht bekleideten, ausgesprochen gut gewachsenen Frauen – wohl die Stars der Filmgesellschaft. Hinter einem schweren Schreibtisch wuchs die Gestalt eines Mannes in die Höhe, der ganz und gar nicht in diese Welt hier zu passen schien. Er war höchstens eins siebzig groß und glatzköpfig. Auf seiner Nase saß eine Brille mit dicken Gläsern, die schwarz eingerahmt waren. Bekleidet war Bates mit einem grauen Anzug, einem weißen Hemd und einer roten Krawatte. Er erinnerte Owen Burke an einen Lehrer aus den Sechzigern des zwanzigsten Jahrhunderts – aus einer Zeit also, in der er selbst noch gar nicht diese Erde bevölkerte. Den Typ kannte er nur aus alten Filmen.
Gordon Bates ging auf die sechzig zu. Hinter den Brillengläsern wirkten seine Augen unnatürlich groß. Burke registrierte, dass sie von grauer Farbe waren. Lächelnd reichte Bates ihm die Hand, dann begrüßte er Ron Harris, und dann forderte er die Agents auf, an dem runden Besprechungstisch Platz zu nehmen. Als sie saßen, fragte er: »Was kann ich für Sie tun, Gentlemen?«
»Es geht um Ramona Pérez«, erklärte Owen Burke. »Sie wurde vor drei Tagen tot im Riverside Park aufgefunden. Die Frau wurde ermordet.«
Bates prallte regelrecht zurück. Fassungslos starrte er Burke an. Sein Mund stand halb offen. Plötzlich begannen seine Lippen zu zucken, er wollte etwas sagen, doch seine Stimmbänder versagten. Er räusperte sich, schluckte würgend, und schließlich stieg es kratzig aus seiner Kehle: »Ramona ist tot? Sie – sie wurde ermordet?«
»Brutal erwürgt«, präzisierte Owen Burke. »Der Mord geschah in der Nacht vom 16. auf den 17. Oktober zwischen 0 Uhr und 4 Uhr morgens. Jack Brenner erzählte uns, dass Ramona Pérez für Sie arbeitete, Mr. Bates.«
Versonnen starrte Gordon Bates auf einen unbestimmten Punkt an der Wand hinter Owen Burke. Er schien gar nicht gehört zu haben, was Burke gesprochen hatte. Deshalb wiederholte der Agent seinen Satz. Bates zuckte zusammen, als hätte er ihn mit einer heißen Stricknadel berührt, schaute wie ein Erwachender und murmelte: »Ja, ja, Ramona war eine meiner Hauptdarstellerinnen. Eine Klasse Frau.« Bates griff sich an die Stirn. »Ich kann das gar nicht begreifen. In der Nacht auf den 17., sagen Sie. Am späten Nachmittag haben wir einen Film zu Ende gedreht. Wir haben noch ein Glas Champagner getrunken, ehe sie das Studio verließ. Sie war gut drauf.«
»Zu diesem Zeitpunkt ahnte sie ja nicht, dass sie den nächsten Morgen nicht mehr erleben würde«, gab Ron Harris zu verstehen. »Wie war Ihr Verhältnis zu Ramona Pérez, Mr. Bates?«
»Ich war für Ramona so etwas wie ein väterlicher Freund«, antwortete der Produzent. »Sie kam vor ungefähr einem Jahr in die Staaten. Wir freundeten uns sofort an. Sie hatte volles Vertrauen zu mir.«
»Sie hielt sich illegal in Amerika auf«, sagte Owen Burke. »Und sie arbeitete illegal als Schauspielerin.«
Bates presste sekundenlang die Lippen zusammen. Seine Backenknochen mahlten. Dann antwortete er: »Das ist nicht mein Problem, Agent. Sie hat sich bei mir als Darstellerin beworben und ich habe sie genommen. Sich die erforderlichen Papiere zu beschaffen war ihre Sache. Ich habe sie nie danach gefragt. Ich habe einfach unterstellt, dass alles seine Ordnung hat.«
»Als Arbeitgeber waren auch Sie gefordert, Mr. Bates«, versetzte Burke. »Aber das zu klären ist nicht unsere Sache. Wir werden die Ausländerbehörde informieren und von dort wird man sich an Sie wenden. Spielte in dem letzten Film, den Sie mit Ramona Pérez drehten, Jack Brenner mit?«
»Nein. Mitwirkende waren Lane Fletcher und Stella Sheridan. Ich glaube aber, dass Ramona mit Brenner ein Verhältnis hatte. Mit Gewissheit kann ich es nicht sagen.«
Ron Harris notierte die beiden Namen.
»Ich nehme an, dass auch in dem letzten Streifen Yester Flaherty Regie führte«, sagte Harris dann.
»Ich beschäftige nur ihn als Regisseur«, erklärte Bates.
»Wie viel zahlten Sie Ramona Pérez für einen Film?«
»Tausend Dollar.«
»Und wie viele Filme drehten Sie mit ihr?«
Bates wiegte den Kopf. »Nicht mehr als einen im Monat. Ich kann den Markt nicht mit Produktionen überschwemmen, in denen immer nur dieselbe Darstellerin zu sehen ist. Das Publikum würde ziemlich schnell das Interesse verlieren.«
Jetzt meldete sich wieder Owen Burke zu Wort, indem er sagte: »Sie verdiente also tausend Dollar im Monat. Erhielt sie darüber hinaus eventuell Provisionen?«
»Nein. Tausend Dollar Gage, damit war alles bezahlt. Wir schlossen von Fall zu Fall einen Vertrag.«
»Sie hatte in der Upper East Side eine Wohnung mit Blick auf den Central Park«, bemerkte Burke. »Schätzungsweise sind die tausend Dollar für die Miete draufgegangen. Wovon lebte die Lady? Womit ich mit leben nicht nur essen und trinken meine.«
»Ich habe Ramona nie danach gefragt«, beteuerte Bates.
»Sie sagten, Sie wären so etwas wie ihr väterlicher Freund gewesen«, murmelte Burke. »War da vielleicht noch mehr?«
Bates' Miene verfinsterte sich. »Was meinen Sie?«
»Ich halte Sie für einen nicht unvermögenden Mann, Mr. Bates. Es gibt viele reiche Gentlemen, die sich junge, attraktive Geliebte halten und ihnen ein Leben in Luxus ermöglichen. Kurz und gut: Die Gentlemen bezahlen fürstlich für die Liebesdienste ihrer Gespielinnen.«
»Ich verstehe.« Ein müdes Lächeln umspielte Bates' Mund. »Sie haben recht, Agent, ich bin nicht gerade arm. Allerdings bin ich verheiratet, und ich habe vier erwachsene Kinder und sechs Enkel. Ich gehöre nicht zu der Sorte, die Sie mir eben beschrieben. Sie dürfen aus der Tatsache, dass ich Pornos produziere, keine falschen Schlüsse ziehen. Ich würde niemals ein Verhältnis mit einer meiner Angestellten oder meinen Darstellerinnen eingehen.«
»Gibt es Leute in Ihrem Team, die Ramona Pérez nicht gut gesinnt waren?«
Bates dachte kurz nach. »Eifersucht, Neid und Missgunst sind unter den Schauspielern und Schauspielerinnen an der Tagesordnung. Wenn ich einem oder einer eine Hauptrolle gebe, ist der oder die andere enttäuscht. Das ist so – wie in jeder anderen Branche auch, wenn es um die Karriere geht. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass sich unter meinen Leuten ein Mörder befindet.«
»Können Sie uns die Anschriften von Flaherty, Fletcher und Stella Sheridan nennen?«, fragte Harris.
Bates erhob sich, ging zu seinem Schreibtisch, schnappte sich den Telefonhörer und begann, eine Nummer zu tippen …
Yester Flaherty war vierunddreißig Jahre alt. Er hatte rötliche Haare, die er zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte. Von derselben Farbe war auch der Bart, der sein Gesicht einrahmte und seine Oberlippe verdeckte. Er bat die Agents in die Wohnung und forderte sie im Wohnzimmer auf, Platz zu nehmen. »Ich wohne hier mit meinem Lebensgefährten, Rick O'Heaney. Er ist freischaffender Künstler und betreibt eine Galerie in Soho, genauer gesagt in der Spring Street.«
»Sie arbeiten für Gordon Bates«, eröffnete Owen Burke die Befragung.
»Ja. Er produziert Filme, ich arbeite als Regisseur.«
»Pornofilme«, verbesserte ihn Ron Harris.
»Es ist nicht verboten, solche Streifen zu drehen«, versetzte Flaherty trotzig. »Nun, mich hat Bates telefonisch in Kenntnis gesetzt. Ich weiß, dass Ramona ermordet wurde und dass Sie deswegen bei mir sind.« Flaherty zuckte mit den Schultern. »Ich sah sie zuletzt am Abend des 16. Oktober, nachdem wir einen Streifen fertig gedreht hatten. Bates spendierte eine Flasche Champagner. Nachdem wir sie getrunken hatten, ging wir auseinander.«
»Hatten Sie auch privat Kontakt zu Ramona Pérez?«, fragte Burke.
»Nein!«, kam es wie aus der Pistole geschossen. »Arbeit und Privatleben werden von mir akribisch getrennt gehalten. Wir sind keine kleine Familie bei Bates, die Freud und Leid teilt. Das ist ein knallharter Job – wie jeder andere Job auch. Ich bekomme ein Drehbuch. Zusammen mit Bates suche ich die Darsteller und die Lokation für die Dreharbeiten aus, und dann versuche ich einen guten Film zu machen. Es geht um Geld – oftmals um viel Geld. Wenn meine Arbeit schlecht ist, gibt es keinen Umsatz, und wenn es keinen Umsatz gibt, feuert mich Bates.«
»Gordon Bates deutete an, dass Eifersucht, Neid und Missgunst zwischen den Schauspielern und Schauspielerinnen an der Tagesordnung sind. Hatte Ramona einen Feind, gab es jemand im Team, der sie hasste?«
Flaherty schürzte die Lippen. »Es ist ein Geschäft, in dem jeder die Ellenbogen einsetzt. Details kann ich Ihnen nicht sagen. Ich bin nicht der Mann, bei dem die Darsteller oder Darstellerinnen ihr Herz ausschütten. Ich sage ihnen was sie zu tun haben, und ich sage ihnen, wie sie es zu tun haben. Wenn die Szenen im Kasten sind, ist die Sache für mich erledigt. Und wenn wir das Pensum, das ich mir für den jeweiligen Tag vorgenommen habe, abgedreht haben, gehe ich nach Hause.«
»Sie können uns also nichts über das Privatleben der Darsteller – ich meine auch die weiblichen -, sagen«, stellte Owen Burke fest.
»Einmal – es ist ungefähr acht Wochen her -, gingen Ramona und Stella bei Studioaufnahmen aufeinander los. Ich und der Kameramann gingen dazwischen und trennten die beiden. Ich glaube, es ging um Jack Brenner. Näheres habe ich nicht erfragt. Da Stella die Rauferei provozierte, drohte ich ihr mit einem Hinauswurf, wenn sich ein derartiger Vorfall wiederholt.«
»Haben Sie Bates vom Zusammenprall der beiden Ladies erzählt?«, fragte Ron Harris.
»Nein. Stella versprach, friedlich zu sein. Und sie hielt ihr Versprechen.«
»Sie spielte in dem letzten Film mit, den Sie mit Ramona Pérez drehten«, gab Ron Harris zu verstehen.
»Richtig. Lane Fletcher spielte die männliche Hauptrolle. Erst sollte Jack Brenner diesen Part übernehmen, aber ich hielt es für besser, nachdem sich die beiden Frauen seinetwegen vor einigen Wochen in die Haare gerieten, an seiner Stelle Fletcher einzusetzen.«
»Und es ging gut?«
»Ja.«
»Das war's im Großen und Ganzen von meiner Seite«, murmelte Owen Burke und richtete den Blick auf seinen Partner. »Hast du noch Fragen an Mr. Flaherty?«
»Nein.«
Die Agents verabschiedeten sich von dem Regisseur. Als sie im Dodge saßen, sagte Owen Burke: »Ich schätze, Flaherty können wir vernachlässigen. Kaum anzunehmen, dass er als Täter in Frage kommt. Was meinst du?«
Ron Harris steuerte den Wagen und musste sich auf den Verkehr konzentrieren. »Das sehe ich auch so«, antwortete er. »Wobei ich ihn aber nicht endgültig aus der Liste der Verdächtigen streichen möchte. Allerdings denke ich, dass wir seinen Namen an das Ende der Liste setzen können.«
Am folgenden Morgen gegen 9 Uhr läutete Owen Burke an der Tür zu Stella Sheridans Apartment. Es dauerte einige Zeit, dann erklang aus dem Lautsprecher der Gegensprechanlage eine schlaftrunkene Stimme. »Wer ist da?«
»Die Special Agents Harris und Burke vom FBI New York. Wir haben einige Fragen an Sie, Ma'am. Bitte, öffnen Sie.«
»Sie kommen zu einer ziemlich unchristlichen Zeit«, murmelte die Frau. »Können Sie nicht in einer Stunde noch einmal …«
»Nein!«
Stella Sheridan seufzte. »Einen Augenblick.«
Es verstrichen fast zwei Minuten, dann öffnete sie die Tür. Sie hatte sich einen rosaroten Bademantel angezogen. Ihr Gesicht war ungeschminkt und solariengebräunt, die blonden Haare fielen ihr über die Schultern und auf den Rücken. Wahrscheinlich hatte sie sie schnell mit einer Bürste durchgekämmt, ehe sie öffnete. »Es geht um Ramona, nicht wahr?«, sagte sie und schaute von einem der Agents zum anderen.
»Ja. Wir sollten in der Wohnung darüber sprechen.«
Stella Sheridans Blick heftete sich auf Owen Burke. »Na schön, kommen Sie herein.«
Nachdem sie im Wohnzimmer Platz genommen hatten, sagte die hübsche Dreiundzwanzigjährige: »Man hat Ihnen sicher erzählt, dass ich vor einigen Wochen einen ziemlich heftigen Streit mit Ramona hatte. Ziehen Sie daraus nur keine falschen Schlüsse.«
»Ganz sicher nicht, Ma'am«, erklärte Burke. »Allerdings gilt es für uns, einen Mord aufzuklären. Sie waren Ramona Pérez nicht gerade freundlich gesonnen. Es ging um einen Mann. Möglicherweise war Hass im Spiel. Und Hass ist eines der gängigsten Mordmotive.«
Aus einem der Nebenräume war ein Geräusch zu vernehmen. Unwillkürlich hefteten Owen Burke und Ron Harris den Blick auf die Tür. »Sind Sie nicht alleine?«, fragte Harris und erhob sich.
»Es – es ist mein Freund«, erwiderte Stella Sheridan etwas erschreckt. »Lassen Sie sich nicht stören. Er …«
Drei schnelle Schritte brachten Ron Harris zu der Tür. Er öffnete sie. Vor ihm stand ein hoch gewachsener Mann Ende dreißig. Er war nur mit einer Jeans bekleidet. Seine dunklen Haare standen wirr vom Kopf ab. Wahrscheinlich hatte er an der Tür gelauscht, und er war aus Unachtsamkeit gegen das Türblatt gestoßen. Betreten fixierte er den G-man.
»Sagen Sie mir Ihren Namen«, forderte Ron Harris.
Der Bursche zögerte. Dann stieß er hervor: »Bill Brown. Mein Name ist Bill Brown.« Er verlieh dem Namen eine besondere Betonung.
»Sehr erfreut, Mr. Brown«, kam es mit einem ironischen Unterton von Ron Harris. »Ziehen Sie sich ein Hemd über und setzen Sie sich zu uns.«
»Ich – ich …«
»Machen Sie schon!«
Zwei Minuten später saß der dunkelhaarige Mann auf der Couch. Es war deutlich, dass er sich ganz und gar nicht wohl fühlte in seiner Haut.
»Sind Sie schon länger ein Paar?«, fragte Owen Burke.
»Seit ungefähr fünf Wochen«, antwortete Brown.
»Wohnen Sie bei Miss Sheridan?«
»Ich habe eine eigene Wohnung, oben in der 126th Street. Aber die meiste Zeit halte ich mich in Stellas Apartment auf.«
»Haben Sie auch in der Nacht vom 16. auf den 17. Oktober hier genächtigt?«
»Ich war seit zehn Tagen nicht mehr in meiner Wohnung. Ja, ich habe auch in der fraglichen Nacht bei Stella geschlafen.«
Burke heftete seinen Blick auf die junge Frau. »Mit dieser Aussage hat Mr. Brown Ihnen ein Alibi bescheinigt, Ma'am.«
Stella Sheridans Miene verschloss sich. »Haben Sie mich etwa verdächtigt, Ramona ermordet zu haben?«
Burke beantwortete diese Frage nicht. »Wovon lebte Ramona Pérez?«, erkundigte er sich stattdessen.
»Sie drehte Filme.«
»Und erhielt dafür im Monat durchschnittlich tausend Dollar. Sie lebte in einer Mietswohnung in der Upper East Side. Wahrscheinlich gingen die tausend Bucks für die Miete drauf. Kann es sein, dass sie sich als Prostituierte betätigte?«
»Unsinn!«, stieß Stella Sheridan hervor.
»Sie befand sich illegal in den Staaten«, erklärte Owen Burke. »Einer geregelten Arbeit konnte sie neben ihrem Job als Pornodarstellerin nicht nachgehen, weil sie weder über eine Arbeitserlaubnis noch eine Sozialversicherungskarte verfügte. Hatte sie jemand, der sie finanzierte?«
»Fragen Sie doch Jack Brenner!«, presste Stella Sheridan zwischen den Zähnen hervor.
»Den haben wir befragt«, erklärte Burke. »Er weiß ebenso wenig wie Sie, Ma'am. Wie es scheint, war Ramona Pérez' Leben ein einziges Geheimnis. Aber wir werden Licht ins Dunkel bringen. Dafür garantiere ich.« Der G-man heftete den Blick auf Bill Brown. »Können Sie sich ausweisen?«
Der Bursche zuckte zusammen, als hätte der Agent nach ihm geschlagen. Er zog den Kopf zwischen die Schultern. »Meine Papiere liegen in meiner Wohnung. Zweifeln Sie etwa an meiner Identität?«
»Mir scheint, Ihnen ist auf die Schnelle kein anderer Name eingefallen als der Allerweltsname Bill Brown. Wer sind Sie wirklich?«
»Wieso zweifeln Sie an meiner Identität. Verdammt, ich hab mit der ganzen Sache nichts zu tun. Also haben Sie auch keinen Grund …«
»Sie haben Miss Sheridan für die Nacht vom 16. auf den 17. Oktober ein Alibi bescheinigt. Also sind Sie ein wichtiger Zeuge in dieser Angelegenheit. Das ist für mich der Grund, Sie nach Ihrer Identität zu befragen. Und da ich bezweifle, dass Sie uns Ihren richtigen Namen genannt haben, werden wir Sie mitnehmen, bis geklärt ist, wer Sie sind.«
Smith kaute auf seiner Unterlippe herum. Unruhe prägte jeden Zug seines Gesichts. Er schaute Stella Sheridan an – ein hilfesuchender Blick. Stella wich diesem Blick aus. Sowohl sie als auch Smith verströmten Rastlosigkeit.
Plötzlich brach es über Stellas zuckende Lippen: »Sein Name ist Rick O'Heaney.«
Owen Burke durchfuhr es wie ein Stromstoß. »So heißt der Lebensgefährt von Yester Flaherty, dem Regisseur!«, entfuhr es ihm.
O'Heaney nickte.
»Ich dachte …«
»Ich bin bisexuell. Von Beruf bin ich Kunstmaler. Ich bin auf Aktbilder spezialisiert und suchte ein Modell. Yester brachte mir Stella. Das war vor etwa zehn Wochen. Wir verliebten uns ineinander. Flaherty ahnt nichts davon. Er darf es auch nicht erfahren. Wahrscheinlich würde er …«
O'Heaney brach ab. Sein Mund war plötzlich wie versiegelt.
»Was würde er?«, hakte Owen Burke nach.
»Durchdrehen!«, murmelte O'Heaney. »Ja, er würde durchdrehen.«
Burke starrte den Künstler an. »Was ist darunter zu verstehen?«
»Ich will es gar nicht wissen«, antwortete O'Heaney. »Er denkt, ich befinde mich in Washington D.C. Ich habe ihm erzählt, dass ich dort Bilder ausstelle. Mit derartigen Ausreden mache ich mich hin und wieder einige Tage frei von ihm, um …«
»… ihn zu betrügen«, vollendete Ron Harris. Auch sein Blick hatte sich an O'Heaney regelrecht verkrallt. Es war, als versuchte er in seinen Verstand einzudringen und seine geheimsten Gedanken zu ergründen. »Hat auch Ramona als Aktmodell für Sie gearbeitet?«
»Nein. – Werden Sie mich verraten?«
»Dazu gibt es im Moment keinen Grund«, versetzte Owen Burke. »Ihr Liebesleben interessiert uns nicht, Mr. O'Heaney. Es wird für uns erst von Interesse, wenn sich herausstellen sollte, dass es in irgendeinem Zusammenhang mit der Ermordung Ramona Pérez steht.«
»Ich kenne diese Frau gar nicht«, murmelte Rick O'Heaney.
»Und vom 16. auf den 17. Oktober befanden Sie sich auch nicht in Miss Sheridans Wohnung«, sagte Burke.
»Nein.«
»Ich bin gegen 21 Uhr nach Hause gekommen und habe die Wohnung nicht mehr verlassen!«, erklärte Stella Sheridan hastig.
»Aber Sie haben niemand, der das bezeugen kann, Ma'am«, erklärte Ron Harris kühl.
Die Agents trafen auch Lane Fletcher in seiner Wohnung an. Der Neunundzwanzigjährige war groß, athletisch gebaut und hatte schulterlange, blonde Haare. Ein Frauentyp, wie er im Buche stand. Er hatte kein Problem damit, die Agents in seine Wohnung zu lassen. Allerdings konnte er den G-men lediglich bestätigen, was sie schon wussten, nämlich dass er zusammen mit der Ermordeten und Stella Sheridan am Abend des 16. Oktober einen Film abgedreht hatte, dass sie noch Champagner getrunken und sich dann getrennt hatten.
»Gab es private Kontakte zwischen Ihnen und Ramona Pérez?«, fragte Burke.
Der Mann schüttelte den Kopf. »Ich wusste nichts von ihr. Ich glaube, sie konnte mich nicht besonders gut leiden. Jedenfalls gab sie sich mir gegenüber ziemlich reserviert. Was die Filmszenen anbetraf, war sie professionell genug, das nicht merken zu lassen. Mir war es egal. Ich machte meinen Job.«
»Dann haben Sie auch keine Ahnung, ob Ramona Pérez eventuell mit Prostitution Geld verdiente?«
»Nicht die geringste.«
»Sie hatte ein Verhältnis mit Jack Brenner«, gab Ron Harris zu verstehen.
»Mag sein. Ich bin Brenner einige Male begegnet. Näher kenne ich ihn nicht. Ursprünglich sollte er die Rolle in dem letzten Film mit Ramona und Stella spielen. Aber die Weiber hatten seinetwegen Zoff und so übernahm ich den Part.«
Als sie auf dem Weg zur Federal Plaza waren, knurrte Burke: »Ich denke, der Name Yester Flaherty ist auf unserer Liste der Verdächtigen wieder nach oben gerutscht.«
»Das würde voraussetzen, dass sein Liebster, Mr. Rick O'Heaney, mit Ramona ein Verhältnis gehabt hätte. O'Heaney aber behauptet, Ramona Pérez gar nicht gekannt zu haben.«
»Er hat auch behauptet, Bill Brown zu heißen.«
»Das ist richtig. Wer einmal lügt …«
»O'Heaney wusste, dass wir in der Mordsache Pérez ermitteln«, erklärte Owen Burke. »Und als wir vor Stella Sheridans Tür standen, war ihm klar, dass er sich uns nicht zeigen durfte, weil wir sein falsches Spiel Yester Flaherty verraten könnten. Nachdem er sich durch eine Unachtsamkeit verriet, versuchte er dies zu verhindern, indem er uns mit einem erfundenen Namen bediente.«
»Wir haben eine Reihe von Verdächtigen«, sagte Harris. »Jack Brenner, Gordon Bates, Stella Sheridan und - last but not least – Yester Flaherty, den schwulen Regisseur, der von seinem Geliebten nach Strich und Faden betrogen wird. In welcher Reihenfolge würdest du sie sortieren?«
»Einer von ihnen hat Ramona Pérez umgebracht«, murmelte Owen Burke. »Davon bin ich überzeugt. Ich kann dir nicht sagen, wen ich an die erste Stelle setzen würde. Vielleicht ergibt die Wohnungsdurchsuchung irgendeinen Hinweis.«
Als die Agents ihr Büro im dreiundzwanzigsten Stock des Federal Building betraten, sah Owen Burke auf seinem Schreibtisch eine dünne, rote Mappe liegen. Er schlug sie auf und warf einen Blick auf das Blatt Papier, das unter dem Mappendeckel zum Vorschein kam. »Ah«, machte er, »die richterliche Anordnung. Wir sind ermächtigt, Ramona Pérez' Wohnung zu durchsuchen. Ich denke, wir fahren morgen Früh mit einem Team der SRD hin.«
»Warum heute nicht mehr?«, fragte Ron Harris.
»Weil ich noch einmal mit Jack Brenner sprechen möchte. Außerdem will ich mal einen Blick in die Galerie O'Heaneys in der Spring Street werfen.«
»Was versprichst du dir davon?«
»Ich will mir seine Bilder ansehen. Ganz einfach.«
Der Schimmer des Begreifens huschte über Ron Harris' Gesicht. »Du suchst ein Bild von Ramona Pérez, nicht wahr?«
»So ist es. Und um uns in der Galerie umzusehen benötigen wir nicht mal einen Durchsuchungsbefehl.« Owen Burke grinste nach diesen Worten. Dann sagte er: »Sprechen wir mit Mr. Jack Brenner. Er wird uns sicher mehr zum Streit zwischen Ramona und Stella Sheridan sagen können. Möglicherweise ist ihm in der Zwischenzeit eingefallen, auf welche Art und Weise Ramona Pérez ihren schmalen Verdienst bei Gordon Bates aufstockte.«
»Wenn ich euch beide schon sehe!«, blaffte Jack Brenner, als er von einem Wachmann in den Vernehmungsraum geführt wurde.
»Die Freude ist ganz unsererseits«, versetzte Ron Harris lakonisch und erntete dafür einen sengenden Blick von Brenner.
»Sie sind mir ja ganz besonders ans Herz gewachsen, Agent!«, knurrte Brenner, indes ihm der der Wachmann die Handschellen abnahm.
»Keine Sorge, Brenner, das beruht auf Gegenseitigkeit.«
»Setzen Sie sich, Mr. Brenner«, sagte Owen Burke und wies auf den Stuhl, der für Brenner bestimmt war.
Jack Brenner ließ sich nieder. »Ihr seid doch sicherlich gekommen, um mir zu erklären, dass ich gehen darf.«
»Noch führen Sie die Liste der Verdächtigen an.«
»Verdammt, ich hab Ramona nicht erledigt. Das war ein anderer.«
»Wer denn?«, fragte Harris und setzte sich Brenner gegenüber an den Tisch.
Brenners unruhiger Blick sprang zwischen ihm und Owen Burke hin und her. »Ich würde es euch sagen, wenn ich es wüsste.«
»Jedenfalls wissen Sie mehr, als Sie zugeben«, knurrte Owen Burke. »Ich kann zwar nicht beurteilen, welche Gefühle im Rahmen Ihrer Beziehung mit Ramona Pérez eine Rolle spielten, aber ich bin mir sicher, dass Ihnen bekannt ist, womit sie ihren Lebensunterhalt bestritt.«
Brenner schwieg verbissen.
»Okay, okay«, kam es von Burke. »Was zahlte Ihnen Bates für eine Filmrolle?«
»Tausend.«
»Ah, das war wohl der Standardpreis. Schön. Wie oft wurden Sie eingesetzt? Ich meine, wie viele Filme drehten Sie monatlich im Durchschnitt.«
Brenner überlegte kurz. Dann murmelte er: »Drei Filme in zwei Monaten. Bates musste dem Publikum …«
»… immer neue Darsteller bieten«, unterbrach ihn Ron Harris. »Wir wissen Bescheid. Nun, Ihr Einkommen betrug also im Durchschnitt fünfzehnhundert im Monat. Das ist für Manhattaner Verhältnisse nicht viel, ich möchte sagen, das ist fast gar nichts. Auf keinen Fall konnten Sie Ramona Pérez unterstützen.«
Brenners Zähne mahlten übereinander. Hart traten die Backenknochen in seinem Gesicht hervor. Sein Blick irrte ab. Seine Festnahme, die Zeit, die er im Arrest verbracht hatte, die bohrenden Fragen der Agents und ihre durchdringenden Blicke – das alles schien ihm zuzusetzen und ihn langsam aber sicher zu zermürben. Seine zur Schau getragene Überheblichkeit war zerbröckelt wie poröses Mauerwerk.
»Wir …« Brenner stieß die drei Buchstaben hervor und brach sofort wieder ab.
»Na!«, kam es fordernd von Owen Burke.
Brenner atmete durch, schwieg aber.
»Trauen Sie Yester Flaherty einen Mord zu?«, fragte Burke und wechselte so das Thema.
Überrascht musterte ihn Brenner. Dann knurrte er: »Der ist schwul bis in die Knochen. Sein Geliebter ist Künstler. Er malt Aktbilder. Eine Alte törnt den nicht an. Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, Flaherty ist sogar mit diesem O'Heaney verheiratet. Soviel ich weiß, spielt Flaherty die Tunte.«
»Wäre er zu einem Mord fähig, wenn er dahinter käme, dass ihn O'Heaney betrügt?«