Die besten 3 Frankreich Krimis Februar 2023 - Alfred Bekker - E-Book

Die besten 3 Frankreich Krimis Februar 2023 E-Book

Alfred Bekker

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  • Herausgeber: Alfredbooks
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2023
Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Krimis: Commissaire Marquanteur und die Nächte von Marseille (Alfred Bekker) Alain Boulanger und der Mörder-Flic von Paris (Henry Rohmer) Der Fall Collette (H. Bedford-Jones) In Marseille treibt ein unheimlicher Serienmörder mit ganz spezieller Handschrift sein Unwesen. Commissaire Pierre Marquanteur heftet sich an seine Fersen und versucht, den Killer zu stoppen. Schon bald erkennt er, dass der Fall einen ganz anderen Hintergrund hat, als man bisher vermutete …

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Alfred Bekker, Henry Rohmer, H.Bedford-Jones

Die besten 3 Frankreich-Krimis Februar 2023

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Inhaltsverzeichnis

Die besten 3 Frankreich-Krimis Februar 2023

Copyright

​Commissaire Marquanteur und die Nächte von Marseille

​Alain Boulanger und der Mörder-Flic von Paris

DER FALL COLETTE

Die besten 3 Frankreich-Krimis Februar 2023

Alfred Bekker, Henry Rohmer, H.Bedford-Jones

Dieser Band enthält folgende Krimis:

Commissaire Marquanteur und die Nächte von Marseille (Alfred Bekker)

Alain Boulanger und der Mörder-Flic von Paris (Henry Rohmer)

Der Fall Collette (H. Bedford-Jones)

In Marseille treibt ein unheimlicher Serienmörder mit ganz spezieller Handschrift sein Unwesen. Commissaire Pierre Marquanteur heftet sich an seine Fersen und versucht, den Killer zu stoppen. Schon bald erkennt er, dass der Fall einen ganz anderen Hintergrund hat, als man bisher vermutete …

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author

COVER A.PANADERO

© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

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Alles rund um Belletristik!

​Commissaire Marquanteur und die Nächte von Marseille

von Alfred Bekker

Commissaire Marquanteur und die Nächte von Marseille: Frankreich-Krimi

von Alfred Bekker
In Marseille treibt ein unheimlicher Serienmörder mit ganz spezieller Handschrift sein Unwesen. Commissaire Pierre Marquanteur heftet sich an seine Fersen und versucht, den Killer zu stoppen. Schon bald erkennt er, dass der Fall einen ganz anderen Hintergrund hat, als man bisher vermutete …
Bisher in der Serie von Marseille-Krimis um Pierre Marquanteur erschienene Titel:
Der Killer von Marseille
Commissaire Marquanteur und die Nächte von Marseille
Copyright
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author
COVER A.PANADERO
© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Alles rund um Belletristik!
1
Manchmal frage ich mich, wie viele Männer in Frankreich eigentlich Jean heißen. Der Name kommt ziemlich häufig vor und manchmal hat man das Gefühl, von Trägern dieses Namens geradezu umzingelt zu sein.
In dieser Geschichte gibt es drei Männer mit dem Namen Jean.
Mein Chef heißt Jean-Claude.
Ein Kollege von mir heißt Jean-Luc.
Und dann spielt da noch ein ziemlich zwielichtiger Typ eine Rolle, der unter dem Namen Jean Sorell bekannt ist.
Aber vielleicht sollte ich den Fall von Anfang an erzählen.
Bonjour erst mal.
Mein Name ist Pierre.
Pierre Marquanteur.
Genauer gesagt: Commissaire Pierre Marquanteur aus Marseille. Zusammen mit meinem Kollegen François Leroc bin ich in einer Spezialabteilung. Wir kümmern uns um die großen Fische, so könnte man das zusammenfassen, auch wenn wir mit dem Fischmarkt weniger zu tun haben.
Den gibt es hier natürlich auch. Marseille hat ja einen großen Hafen.
Aber zurück zu den Aufgabe unserer Abteilung.
Organisiertes Verbrechen ist unser Hauptarbeitsgebiet. Und da gibt‘s natürlich jede Menge zu tun. Marseille hat einen großen Hafen, und nicht alles, was da mit den Schiffen so ankommt, ist auch legal. Und dann gibt es natürlich le Vieux-Port, den Alten Hafen, wo die Clans von Algeriern und Schwarzafrikanern einen Krieg gegeneinander führen und gleichzeitig versuchen, die klassischen Hafen-Größen zu verdrängen. Wer weiß, vielleicht ist die uralte Italo-Mafia dann der lachende Dritte. Und dann gibt es da noch die Russen, die Marokkaner und die Libanesen. Und natürlich diverse Rockergruppen, die auch mitzumischen versuchen.
Die Koalitionen in diesen Gangsterkriegen – nee, wir nennen das ja anders und fachgerecht Strukturen krimineller Netzwerke – wechseln ziemlich schnell.
Wer heute noch der bevorzugte Drogenlieferant ist, ist morgen schon der Feind.
Was soll ich sagen? Gemordet wird immer. Manchmal haben wir es mit irren Serientätern zu tun, manchmal sind es Killer aus dem Milieu oder einfach nur jemand, der betrunken und zur falschen Zeit eine Flasche in der Hand hatte, die er einem anderen auf den Kopf geschlagen hat.
Aber wir werden damit fertig.
Darauf kann sich jeder verlassen.
*
Es war Nacht, und Marseille hatte sich in ein Lichtermeer verwandelt. Von den Sternen war dadurch kaum etwas zu sehen. Lichtverschmutzung nannten das manche. Aber es hatte seine eigene Schönheit.
Und am Vieux-Port waren die Lichter besonders grell …
Nachtleben eben.
Die schwarze Limousine hielt kurz vor dem Hotel. Eine junge Frau stieg aus der Tür hinten rechts. Sie trug einen sehr knappen Lederrock, hochhackige Schuhe und viel Make-up. Das wasserstoffblonde Haar war hochgesteckt. Auf der Holzspange war das Wort L‘AMOUR in kunstvollen Lettern eingebrannt worden.
Die Blondine zählte ein paar Geldscheine und steckte sie in ihre Handtasche.
Das Seitenfenster der Limousine glitt hinab.
»Sehen wir uns nächste Woche?«, fragte eine Männerstimme.
»Klar.«
»Und?«
»Du hast meine Nummer.«
»Ja, schon …«
»Na, also!«
»Aber …«
»Also ruf mich an.«
»Ich möchte, dass du dir den Mittwoch ab acht Uhr abends für uns reservierst, Chantal«, forderte der Mann, von dem nichts als ein herausgelehnter Ellenbogen zu sehen war.
Chantal grinste.
»Dann musst du aber noch einen Schein drauflegen!«
»Okay! Bis dann!«
»Au Revoir!«
Die Limousine fuhr davon.
Chantal atmete tief durch und ging auf den flackernden Neonschriftzug des nahen Hotels zu.
Ein unscheinbarer Ford näherte sich jetzt. Der Fahrer musste Chantal beobachtet und gewartet haben, bis die Limousine fort war.
Die Scheinwerfer erfassten Chantal.
Sie stand jetzt in deren grellen Licht.
»Nun ist aber gut!«, murmelte sie.
Aber es war nicht gut.
Hoffentlich nicht wieder so ein Perverser!, dachte sie und verzog das Gesicht.
2
Die Seitenscheibe auf der Beifahrerseite öffnete sich. Chantal blieb stehen und blickte ins Innere. »Na, was kann ich für dich tun?«, fragte sie mit einem anzüglichen Unterton, der jedem potentiellen Freier gleich klarmachte, dass dieser Dialog ein Geschäft anbahnte.
Chantal versuchte zu erkennen, wer hinter dem Steuer der Limousine saß. Die Gestalt beugte sich ihr entgegen. Etwas Licht fiel jetzt von der Leuchtschrift des nahen Hotels auf das Gesicht.
Chantal schüttelte den Kopf.
»Nein, tut mir leid, so etwas mache ich nicht!«, erklärte sie bestimmt.
Sie ging die Straße entlang Richtung Hotel. Dort hatte sie ein Zimmer. Der Wagen folgte ihr.
Die Gestalt am Steuer hatte jetzt auch die Seitenscheibe auf der Fahrerseite herabgelassen. Eine Hand in einem Lederhandschuh hielt Geldscheine empor.
Chantal drehte sich kurz um.
Dreihundert Euro, durchfuhr es sie.
Sie blieb stehen, der Wagen ebenfalls.
Sie umrundete den Wagen und trat auf der Fahrerseite an das geöffnete Seitenfenster. Die Hand hielt ihr das Geld hin.
Etwas ließ sie zögern.
Dann nahm sie doch das Geld.
»Ich sagte ja, eigentlich mache ich so etwas nicht. Schließlich habe ich meine Grundsätze, aber …«
Stumm deutete die Gestalt auf den Platz auf dem Beifahrersitz.
Chantal nickte.
Sie umrundete den Wagen erneut und stieg ein.
»Du musst es ja ganz schön nötig haben!«, murmelte sie und steckte die Scheine in ihre Handtasche.
3
Es war kurz nach Mitternacht, als die Eingangstür des Hotels zur Seite flog.
Ein Mann in einem hellgrauen Wollmantel trat ein. Das blauschwarze Haar trug er schulterlang. Es war zu einem Zopf zusammengefasst.
Mit weiten Schritten ging er quer durch das Foyer und zog eine Waffe hervor. Es handelte sich um eine sehr zierliche Maschinenpistole vom Typ Uzi.
Im Milieu nannte man das auch wohl eine Angeberknarre.
Aber schießen konnte man auch damit.
Dreißig Schuss pro Sekunde mit einem Feuerstoß.
Das macht eine Menge kaputt.
Und wer da zufällig im Weg steht, ist hinterher ein Sieb.
Der Portier erstarrte und wollte in eine Schublade greifen, aber die Uzi knatterte bereits los. Ein Dutzend Schüsse ging knapp über den Portier hinweg und zeichnete hinter ihm ein Lochmuster in die Wand.
»Wo ist Chantal?«, fragte er anschließend.
»Keine Ahnung!«, stotterte der Portier.
»Ich pump dich voll Blei, wenn du mir keine Antwort gibst! Ich lass mich nicht länger hinhalten!«
Ein Mann kam die Freitreppe herunter, die ins Obergeschoss führte. Er trug einen silbergrauen Maßanzug. Die Linke war in der Hosentasche verborgen.
»Jacques Bolgerie, immer noch der alte Hitzkopf! Was machst du hier für einen Zirkus?«, fragte er. »Zerballerst mir die ganze Einrichtung! Was glaubst du, was das alles kostet!«
Jacques hieß eigentlich Gustave Bolgerie.
Aber wer konnte schon Respekt vor jemandem haben, der Gustave hieß? Vielleicht konnte man mit dem Namen als Buchhalter arbeiten. Aber als Zuhälter? Bolgerie hatte keine Lust, eine Lachnummer zu sein.
Alle nannten ihn Jacques.
Manche auch den Fiesen Jacques.
Aber nur manche.
Und Jacques hatte auch gar nichts dagegen.
Jacques drehte sich um und richtete die Uzi auf den Mann im Anzug, einen grauhaarigen Endvierziger mit dünnem Oberlippenbart und einem überlegenen Lächeln.
»Ich habe tagelang versucht, dich zu erreichen, Vincent!«
»Und? Hier bin ich! Was gibt es zu besprechen?«
»Es geht um Chantal!«
»Sie hat sich entschieden, Jacques.«
»So?«
»Sie will lieber für mich arbeiten. Da wird sie nämlich nicht so oft verprügelt und kann mehr von ihrem Geld für sich behalten. Außerdem kann ich sie beschützen – im Gegensatz dazu bist du eben ein Loser, Jacques!«
»Ich – ein Loser?«
»Tut mir Leid, Jacques.«
»Hör mal …«
»Nimm‘s sportlich, Jacques!«
Jacques‘ Gesicht lief rot an. Sein Gesicht verzog sich zur Grimasse. Er richtete die Uzi in Kopfhöhe auf sein Gegenüber.
»Was ist los, willst du mal wieder durchdrehen, Jacques? Wer einen Vincent Janvier bedroht, sollte sich das gut überlegen. Ich habe nämlich viele gute Freunde, die du dann am Hals hättest …«
»Wo ist Chantal?«, wiederholte Jacques.
Vincent Janvier grinste schief. »Ich verstehe schon, dass es dich ziemlich anpisst, dass Chantal jetzt bei mir ist. Immerhin hast du ja wohl ausschließlich von dem gelebt, was sie herangeschafft hat.« Janvier zuckte mit den Schultern. »Dann hättest du halt etwas netter zu ihr sein sollen! Das letzte Mal hast du sie so zugerichtet, dass sie fast nicht mehr einsetzbar gewesen wäre! Glücklicherweise kenne ich einen guten Doc, der so etwas wieder hinkriegt! Aber jetzt hat sie von dir einfach die Nase voll! Akzeptier das und verschwinde.«
»Ich will das aus ihrem eigenen Mund hören!«
»Bernard hat dir schon gesagt, dass sie nicht hier ist.«
»Wo finde ich sie, verdammt noch mal?« Er ließ die MP erneut losknattern. Die Schüsse fetzten in den Parkettboden, dicht vor Vincent Janviers Füße.
Dieser blieb seelenruhig stehen.
Sein Gesicht gefror zu einer eisigen Maske.
»Mach ruhig weiter so! Am Ende kommt noch die Polizei, weil jemand merkt, dass die Knallerei nicht von einem zu laut eingestellten Fernseher kommt!«
»Du Arsch!«
»Keine Ahnung, was du genommen hast und auf welchem Trip du gerade bist, aber der Stoff kann nicht gut gewesen sein, Jacques! Chantal ist bei einem Kunden und hat jetzt keine Zeit für dich! Du wirst dich also mit meinen Auskünften zufrieden geben müssen.«
Jacques atmete tief durch.
Er hatte sichtlich Mühe, sich unter Kontrolle zu halten. Seine Hand zitterte leicht. Mit dem Finger am Abzug einer Uzi war das nicht ungefährlich.
»Wir können über alles reden, Jacques«, versuchte Vincent Janvier ihn zu beschwichtigen.
Schließlich senkte Jacques die Waffe.
»Wie gesagt, ich möchte es von Chantal selbst hören!«
»Kannst du, sobald sie zurück ist.«
»Außerdem will ich eine Ablösesumme.«
»Was schwebt dir denn da so vor?«
»Mindestens fünfzigtausend Euro. Chantal ist ein Klasse-Girl. Sie bringt dir doch im ersten Vierteljahr schon mehr ein!«
»Ich werde darüber nachdenken!«, versprach Vincent Janvier.
Aber das war Jacques nicht genug. Er hatte das Gefühl, dass Vincent ihn hereinlegen wollte.
Der Fiese Jacques hob den Lauf der Uzi. »So nicht!«
Ein Geräusch, das an ein heftiges Niesen erinnerte, war jetzt von der anderen Seite zu hören. Dreimal kurz hintereinander wurde eine Automatik mit Schalldämpfer abgefeuert.
Jacques‘ Körper zuckte unter den Treffern.
Er sackte in sich zusammen und fiel schwer auf den Boden.
Der Schütze trat aus einer seitlich gelegenen, offen stehenden Tür heraus, durch die es in die Zimmer des Erdgeschosses ging. Er war rothaarig, hatte starke Sommersprossen und trug einen eleganten, kobaltblauen Anzug aus einem fließenden, seidenartigen Stoff. Die obersten drei Knöpfe seines Hemdes waren geöffnet. Ein kleines Kreuz aus Rotgold blitzte dort auf. Darüber befand sich ein tätowierter Adler mit gespreizten Schwingen.
»Das wurde aber auch höchste Zeit, René«, knurrte Vincent Janvier.
Der Mann, der René genannt worden war, grinste und begann damit, den Schalldämpfer abzuschrauben. René Moustique hieß er vollständig.
René Moustique wog die Waffe in der Linken und meinte grinsend: »Ich konnte dieses verdammte Ding nicht finden!«
»Mann, das ist nicht witzig! Ich dachte schon, du tauchst gar nicht mehr auf.« Vincent Janvier trat auf den am Boden liegenden Mann zu und drehte ihn mit dem Fuß herum.
»Ich habe doch gesagt, dass Jacques Bolgerie es sich nicht so einfach gefallen lassen wird, dass Chantal zu uns gewechselt ist«, meinte der Portier.
»Wie auch immer!«, presste Vincent Janvier zwischen den Zähnen hindurch. Er wandte sich an René. »Sorg dafür, dass dieses Stück Dreck auf Nimmerwiedersehen verschwindet.«
»In Ordnung.«
»Fischfutter fürs Meer! Oder was immer dir einfällt!«
»Mach ich.«
4
Ich heiße Pierre Marquanteur, bin Commissaire und gehöre als solcher zur FoPoCri.
Ja, eine solche Abkürzung klingt nach einem übel schmeckenden Medikament oder nach einer Ausführungsbestimmung im Steuerrecht. Irgendetwas, was kompliziert, teuer und unangenehm ist. Aber ich kann Ihnen versichern, auf die FoPoCri trifft das nicht zu.
Die Abkürzung steht für »Force spéciale de la police criminelle «, unsere Büros befinden sich im Polizeipräsidium Marseille. Formaljuristisch sind wir ein Teil der französischen Polizei. Klingt wie ein Wirrwarr? Ist ein Wirrwarr. Aber nur in der Theorie. In der Praxis klappt das alles ganz gut. Bürokratie ist immer das, was Beamte daraus machen. Und Beamte sind Menschen. Auch, wenn viele das nicht glauben wollen, aber es ist so. Menschen wie mein Kollege François Leroc und ich. Unsere Abteilung greift dann ein, wenn andere nicht mehr weiter wissen. Oder wenn eine Koordinierung zwischen den Polizeibehörden verschiedener Staaten nötig ist. Ich will da nicht in die Einzelheiten gehen. Es sind die größeren Fälle, in denen unser Einsatz vonnöten ist.
In der Praxis sage ich meistens nur: »Marquanteur, police criminelle.«
Das reicht.
Absolut.
Und wenn ich sehr geschwätzig bin, was nicht so oft vorkommt, dann sage ich: »Marquanteur, police criminelle Marseille.«
Wenn ich den Leuten mit unserer offiziellen Bezeichnung komme, sagen die nur: »Ich hab schon eine Versicherung, besten Dank. Und ich kaufe auch nichts.«
Wie gesagt, es sind die größeren Fälle, mit denen wir uns befassen.
*
An diesem klaren, kalten Morgen holte ich meinen Kollegen François Leroc wie gewöhnlich an der bekannten Ecke ab.
»Salut, François!«
»Schon gefrühstückt, Pierre?«
»Non. Nichtmal Kaffee.«
Er rieb sich kurz die Hände und schnallte sich an, während ich bereits losfuhr. »Zum Glück können wir uns gleich ja wohl auf einen Becher mit Melanies berühmtem Kaffee freuen!«
»Tut mir leid, daraus wird nichts.«
Er sah mich erstaunt an. »Wieso? Was ist los?«
»Schlechte Nachrichten, Monsieur Marteau hat uns vorhin angerufen. Wir müssen zu einem Tatort.«
»Wo?«
»Liegt direkt auf dem Weg. In einem Park wurde von Joggern eine Leiche gefunden, die in unsere Serie passt.«
Zur Zeit hatten wir es mit einer Serie von Prostituiertenmorden zu tun. Die Opfer waren mit einer Drahtschlinge erwürgt und kahl rasiert worden, weswegen der Täter in den Medien inzwischen den Beinamen »Coiffeur« bekommen hatte. Die Tote war die Nummer sechs dieser Serie, deren erster Fall bereits sieben Jahre zurücklag. Anfangs hatte man natürlich noch nicht erkennen können, dass es sich um einen Serientäter handeln musste. Inzwischen war das aber unstrittig.
Nachdem der Coiffeur innerhalb eines halben Jahres gleich drei Mal zugeschlagen hatte, waren wir mit dem Fall beauftragt worden.
Zahlreiche Einsatzfahrzeuge der uniformierten Polizei und des Erkennungsdienstes waren bereits da und zeigten uns, wohin wir uns halten musste. Ein uniformierter Kollege wollte uns am Fundort der Leiche vorbei lotsen.
Ich hielt mit dem Dienstwagen an, ließ das Fenster hinunter und zeigte ihm meinen Ausweis.
»Marquanteur, Polizei Marseille. Wir werden hier erwartet.«
»Fahren Sie noch ein Stück weiter und parken Sie links auf dem Rasen. Dann bleibt Platz genug für den Durchgangsverkehr.«
»Wirklich links?«
»Die rechte Seite sehen sich die Kollegen des Erkennungsdienstes genauestens an.«
»In Ordnung.«
Ich fuhr also weiter.
Eine Reihe von Fahrzeugen säumte die linke Seite der Straße. Schließlich fanden wir einen Platz, wo wir den Dienstwagen abstellen konnten.
Anschließend liefen wir zu dem in den Park integrierten Spielplatz.
Spielgeräte, Sandkästen und Sitzbänke waren hier zu finden.
Ein breitschultriger Kerl Mitte fünfzig begrüßte uns. Er trug einen Knebelbart.
»Commissaire Mathies Jobert«, stellte er sich vor. Er gehörte nicht zu unserer Abteilung. Marseille ist eine große Stadt. Da kennt nicht jeder jeden. Nicht ganz so, wie in Paris, aber nahe dran.
Ich sagte:
»Pierre Marquanteur. Dies ist mein Kollege François Leroc.«
»Die Tote wurde dort drüben, bei den Sträuchern neben dem Karussell gefunden. Wir können von Glück sagen, dass um diese Zeit noch keine Kinder zum Spielen hier sind!«
»Wer hat sie gefunden?«, fragte ich.
»Ein Jogger. Paul Lumiere, vierundvierzig Jahre alt, Makler, hat eine Wohnung in der Cité und bezahlt dafür wahrscheinlich mehr, als ich im Monat verdiene.« Jobert verzog das Gesicht. »Wir haben die Personalien aufgenommen. Wenn Sie noch mit ihm sprechen wollen … Es sind ja nur ein paar Minuten von hier bis zu seiner Adresse.«
»Mal sehen.«
Mathies Jobert führte uns zum Karussell.
Die Stelle, wo die Tote in den Büschen gelegen hatte, war markiert. Die Leiche selbst befand sich bereits im Wagen des Gerichtsmediziners.
»Die äußerlich erkennbaren Tatumstände sprechen dafür, dass Sie zur Serie des Coiffeurs gehört«, erklärte Mathies Jobert. »Male am Hals deuten auf einen Draht als Tatwaffe hin. Außerdem hat man ihr sehr sorgfältig die Haare abrasiert.«
»Wurde sie vergewaltigt?«
»Dr. Neuville meint nein. Aber genau können wir das natürlich erst nach der Obduktion ausschließen. Allerdings ist sie wohl gefesselt worden. Vermutlich mit handelsüblichen Kabelbindern.«
Einer der anderen Beamten der uniformierten Polizei, die an diesem Leichenfundort Dienst taten, trat auf uns zu und wandte sich an Jobert. »Wir haben alles abgesucht. Die Schuhe sind nicht zu finden.«
»Danke, Kollege«, nickte Jobert.
»Was hat es mit den Schuhen auf sich?«, erkundigte sich François.
»Ganz einfach: Sie fehlen«, gab Jobert kurz und knapp Auskunft. »Sie hatte übrigens keinerlei Papiere bei sich. Wir wissen nicht, wer sie ist.«
Unsere Innendienstler würden das früher oder später herausfinden. Man konnte von der Toten Fingerabdrücke nehmen und vergleichen.
5
Während François sich weiter mit Commissaire Jobert unterhielt, suchte ich Dr. Neuville auf, der sich bei dem Leichenwagen befand, mit dem die Tote in die Gerichtsmedizin transportiert werden sollte.
Dr. Neuville begrüßte mich freundlich.
Ich hatte bereits im Rahmen anderer Ermittlungen mit ihm zusammengearbeitet.
»Sie hatte nichts bei sich, was sie hätte identifizieren können«, berichtete Dr. Neuville. »Kein Führerschein, keine Kreditkarte und kein Handy.«
»Das hat mir der Kollege bereits gesagt. Sind Sie sicher, was den Draht angeht?«
»Sie können gerne noch einen Blick auf die Leiche werfen.«
»In Ordnung.«
»Die Male am Hals sind ziemlich eindeutig. Wir werden natürlich noch genauere Untersuchungen anstellen. Ob sie eine Prostituierte war, wissen wir mit Sicherheit erst, wenn wir ihre Personalien kennen.«
»Wann starb sie?«
»Deutlich vor Mitternacht.«
Jemand hatte sie irgendwo in der Umgebung getötet und sie später genau hier, beim Karussell einfach abgelegt.
»Dass wir die Obduktionsergebnisse so schnell wie möglich brauchen, muss ich ja wohl nicht extra betonen«, sagte ich.
»Bis die Leiche in unserem Labor ist, vergeht eine Dreiviertelstunde. Mindestens. Für die Obduktion brauche ich voraussichtlich nicht länger als drei Stunden. Da ich zwischendurch etwas essen möchte, können Sie mich gegen fünfzehn Uhr anrufen, dann kann ich Ihnen eine mündliche Zusammenfassung geben. Mein diktierter Bericht kommt etwas später – je nachdem, wie viele Berichte gerade sonst noch in der Warteschleife hängen.«
»Okay«, murmelte ich. »Eins wundert mich nur ….«
»Was?«
»Dass Sie noch was essen wollen.«
»Wieso?«
»Nach Ihrer Arbeit, meine ich.«
»Jeder muss essen.«
»So?«
»Auch Gerichtsmediziner.«
»Na, dann …«
»Das gilt auch für Gerichtsmediziner, die gerade gearbeitet haben.«
Ich seufzte. »Wenn Sie das sagen …«
»Ich sage das.«
Längst hatten sich entlang der mit Flatterband abgesperrten Zone Trauben von Passanten gebildet. Jogger, die ihren eigentlichen Fitnesslauf unterbrachen, um zu sehen, was hier los war, und Rentner, die ihre Hunde ausführten. Außerdem ein Mountainbiker und ein paar junge Leute mit Roller Blades.
Mir fiel eine Passantin mit dunklem, schulterlangem Haar auf. Sie wirkte sehr elegant gekleidet. Nicht nur ihr Business-Kostüm hob sie aus der Menge heraus, sondern auch die Tatsache, dass sie die Absperrungen der Kollegen ziemlich dreist ignoriert hatte.
Von den uniformierten Kollegen hatte das noch niemand bemerkt.
Es waren wohl einfach auch zu wenige Einsatzkräfte vorhanden, um das Areal tatsächlich komplett abzuriegeln. Die Schwarzhaarige hatte so nah bei uns gestanden, dass sie das Gespräch zwischen Dr. Neuville und mir mit Sicherheit verstanden hatte.
»Wir hören voneinander«, sagte ich an den Gerichtsmediziner gewandt und trat anschließend auf die elegante Lady zu. Ich schätzte sie auf Ende zwanzig.
»Commissaire Pierre Marquanteur!«, stellte ich mich vor. »Sie haben die Absperrungen übertreten. Es ist eigentlich nicht gestattet, sich jenseits des Flatterbandes aufzuhalten, wenn man nicht zum Kreis der dafür autorisierten Personen gehört.«
Sie zuckte zusammen. »Oh, das war mir nicht bewusst«, sagte sie. Ihr Lächeln war gleichermaßen charmant und verlegen.
»Oder sind Sie eine Zeugin und haben irgendetwas gesehen, was vielleicht zur Aufklärung dieses Falles beitragen könnte.«
»Nein. Ich bin keine Zeugin.« Sie hob die Schultern. »Tut mir leid.«
»Dann muss ich Sie bitten, sich wieder hinter die Absperrung zu begeben.«
»Natürlich.«
Sie ging in Richtung des Flatterbandes, tauchte dann darunter hindurch und drehte sich wieder in meine Richtung, als sie sich auf der anderen Seite befand. Einige der Passanten, die sich entlang des Flatterbandes aufgestellt hatten, um möglichst viel mitzubekommen, machten etwas widerwillig Platz. Ein Hund knurrte und wurde von seinem Besitzer zur Ruhe ermahnt.
»Sagen Sie, stimmt es, dass man dem Opfer sämtliche Haare abgeschnitten hat, Monsieur Marquanteur?«, fragte mich die Schwarzhaarige.
»Es wird zu gegebener Zeit eine Erklärung unserer Pressestelle an die Medien geben, sodass Sie alle Einzelheiten erfahren können«, erklärte ich ausweichend. Ich hielt meine Marke hoch. »Ist unter Ihnen noch jemand, der sachdienliche Hinweise geben kann?«, fragte ich. »Falls Sie sich nicht hier und jetzt zu einer Aussage entschließen können, rufen Sie einfach die Nummer Ihres zuständigen Polizeireviers. Ich danke Ihnen.«
»Wenn ich Sie kurz sprechen könnte!«, meldete sich ein älterer Mann zu Wort, der einen angeleinten Terrier mit sich führte.
»In Ordnung, wir gehen ein Stück zur Seite«, erwiderte ich.
»Ich mache morgens gegen fünf meine erste Runde durch den Park.«
»Und was haben Sie gesehen?«
»Einen viertürigen Ford. Jemand machte sich am Kofferraum zu schaffen.«
»Konnten Sie denjenigen sehen, der am Kofferraum beschäftigt war?«
»Nein. Die Klappe stand offen, ich konnte den Kerl nicht sehen.«
»Wo standen Sie genau?«
Er streckte die Hand aus. »Dort auf der Brücke!«
»Dann möchte ich mit Ihnen dorthin gehen und mal sehen, wie der Blick ist.«
»Gerne.«
6
Der alte Mann hieß Etienne Clary, war 81 Jahre alt, verwitwet und hatte drei erwachsene Kinder, die er nur selten sah, weil ihre Jobs sie über die gesamte Republik verstreut hatten. Innerhalb der fünf Minuten, die wir brauchten, um auf die Brücke zu gelangen, erzählte er mir seine halbe Lebensgeschichte.
Schließlich standen wir auf der Brücke und Clary beschrieb mir exakt die Position, an der er den Wagen gesehen hatte.
»Ich habe leider nicht weiter darauf geachtet«, bekannte er. »Ich meine, wer denkt denn auch daran, dass da vielleicht jemand eine Leiche aus dem Kofferraum holt und auf einem Spielplatz abgelegt? Das ist doch pervers!«
»Wie kommen Sie denn darauf, dass die Leiche dort abgelegt wurde und man das Opfer nicht auf dem Spielplatz umgebracht hat?«
Er sah mich etwas verdattert an, nahm seine dicke Brille ab und putzte mit einem Taschentuch über die Gläser. »Das haben die Leute gesagt, die das Glück hatten, eher da unten zu sein und mehr von den Ermittlungen mitzubekommen.«
»Ach, so. Wie stark ist übrigens Ihre Brille?«
»Fünf Dioptrien. Aber mit Brille sehe ich ausgezeichnet. Und dass da ein Ford stand, da bin ich mir sicher!«
»Können Sie sich an das Modell erinnern?«
»Ich kenne mich mit den Bezeichnungen nicht so aus.«
»Wären Sie dann so freundlich, sich in unserem Präsidium ein paar Bilder verschiedener Ford-Modelle anzuschauen? Vielleicht gelingt es Ihnen ja, das richtige zu identifizieren.«
Etienne Clary nickte. »Aber nur, wenn Sie mich in Ihrem Wagen mitnehmen und mein Hund dabei sein kann. Ich besitze nämlich keinen Führerschein mehr, und in der Métro fühle ich mich nicht sicher.«
»Kein Problem, Monsieur Clary.«
7
An der Stelle, die Monsieur Clary uns angegeben hatte, waren tatsächlich Reifenspuren zu finden. Ein Fahrzeug war dort an den Rand gefahren. Die beiden Räder auf der rechten Seite hatten dabei auf der Rasenfläche Spuren hinterlassen. Da der Boden sehr weich war, konnte man allerdings kein brauchbares Profil gewinnen.
Wir brachten Monsieur Clary etwas später zum Präsidium. François quetschte sich dafür in den engen Fond des Dienstwagens, während Clary auf dem Beifahrersitz Platz nahm. Der Hund befand sich zu seinen Füßen.
Während sich unser Innendienstkollege Maxime Valois um die Auswertung der Fingerabdrücke kümmerte, die man der Toten abgenommen hatte, verbrachten François und ich geschlagene zwei Stunden damit, Etienne Clary verschiedene viertürige Ford-Modelle auf einem Computerschirm zu zeigen.
Zunächst glaubte er, das Modell erkannt zu haben, dann wurde er jedoch unsicher, identifizierte schließlich auch einen von mir in die Bildreihe geschmuggelten Mitsubishi als Ford und wurde sich immer unsicherer.
Schließlich ließen wir ihn von einem Kollegen unserer Fahrbereitschaft nach Hause bringen.
»Wir wissen, dass da heute Morgen ein viertüriger metallicfarbener Wagen – wahrscheinlich ein Ford – mit zwei Reifen auf dem Rasen stand«, fasste François die Ergebnisse der Befragung von Etienne Clary zusammen. »Hast du eine Ahnung, wie viele es davon in Marseille gibt?«
»Hunderttausende«, schätzte ich.
»Optimistisch geschätzt. Wahrscheinlich sind es mehr. Und Metallic ist nun auch nicht gerade ein seltener Farbwunsch. Vom Nummernschild konnte Monsieur Clary ja leider nichts erkennen und angesichts seiner Sehschwäche frage ich mich, was er überhaupt mitbekommen hat.«
»Möglicherweise wurde dieser Wagen ja noch von jemand anderem beobachtet. Wir wissen jetzt zumindest den Zeitpunkt, an dem die Leiche abgeladen wurde.«
Inzwischen hatte Maxime Valois die Identität der Toten anhand ihrer Fingerabdrücke herausbekommen.
Er suchte François und mich in unserem gemeinsamen Dienstzimmer auf und zeigte uns einen Computerausdruck.
»Ich habe euch die Daten auf den Rechner geschickt. Die Tote hieß Chantal Lafitte. Sie war Prostituierte und wegen gemeinschaftlichen Raubes verurteilt worden. Ein Freier wurde niedergeschlagen, um ihm die Geldbörse und diverse andere Wertgegenstände zu entwenden.«
»Gemeinschaftlicher Raub?«, echote François. »Wer war denn noch an der Tat beteiligt, Maxime?«
Ich hatte inzwischen den Rechner hochgefahren, sodass wir die Daten auch auf dem Schirm hatten.
»Der Mittäter war ein gewisser Gustave, genannt Jacques – Bolgerie, angeblich ihr Lebensgefährte – wahrscheinlich aber auch ihr Zuhälter. Man nennt ihn auch den Fiesen Jacques. Mehrere Anklagen wegen diverser einschlägiger Delikte. Das meiste führte jedoch aus Mangel an Beweisen nicht zu einer Verurteilung.«
»Die letzte Adresse, unter der ihr Bewährungshelfer Chantal Lafitte erreichen konnte, haben wir«, stellte ich fest.
»Die ist übrigens identisch mit der letzten Adresse, die wir von Jacques Bolgerie haben«, stellte Maxime fest. »Gleich um die Ecke gibt‘s einen Club mit der Bezeichnung Caché Joie, in dem Bolgerie längere Zeit als Rausschmeißer gearbeitet habe. Chantal war da mal Go-Go-Tänzerin.«
»Scheint, als hätte man ihr dort nicht genug gezahlt, um sie in dem Job zu halten«, kommentierte François Maxime Angaben.
»Ich schlage vor, wir schauen uns das traute Heim von Chantal Lafitte mal an«, meinte ich. »Und es wäre sicher auch ganz aufschlussreich, mit Jacques Bolgerie zu sprechen.«
»Dem Fiesen Jacques«, sagte François. Er zuckte mit den Schultern. »Gustave klingt netter. Aber vielleicht ist er einfach nicht nett.«
»Gute Idee, mal Chantal Lafittes Zuhause unter die Lupe zu nehmen«, sagte Maxime. »Aber ich soll euch von Monsieur Marteau ausrichten, dass vorher eine kurze Besprechung in seinem Büro ansteht.«
8
Jean-Claude Marteau, der Commissaire général de police und unser direkter Chef, nippte an seinem Kaffee und hielt mit der anderen Hand einen Telefonhörer, als wir sein Büro betraten. Maxime Valois begleitete uns. Monsieur Marteau nickte uns knapp zu. Außer uns befanden sich noch die Commissaire Stéphane Caron und Boubou Ndonga sowie die Erkennungsdienstler Sami Opporte und Jean-Luc Duprée im Raum. Normalerweise nutzen wir zwar die Labors der Ermittlungsgruppe Erkennungsdienst, deren Hilfe allen Marseilleer Polizeieinheiten zusteht, aber wenn es nötig ist, unterstützen wir deren Arbeit durch den Einsatz eigener Erkennungsdienstler, Ballistiker oder anderer wissenschaftlich ausgebildeten Spezialisten.
Monsieur Marteau beendete inzwischen sein Telefongespräch.
»Das war Dr. Neuville mit ersten Obduktionsergebnissen. Er ist zwar noch nicht ganz fertig, aber wir können es jetzt wohl als sicher ansehen, dass die Tote zur Serie des Coiffeurs gehört. Es sind alle Merkmale vorhanden, die auch auf die anderen Opfer zutrafen: Die Opfer wurden zunächst mit KO-Tropfen betäubt und anschließend gefesselt. Etwas später wurden sie dann mit einer Drahtschlinge erwürgt und schließlich irgendwo abgeladen.«
An der Wand von Monsieur Marteaus Büro hing eine Karte des Großraums Marseille. Die Fundorte der einzelnen Opfer waren markiert.
»Viel mehr gibt es im Moment leider noch nicht zu sagen, außer dass die verwendete Drahtschlinge rostig gewesen ist, was ebenfalls für sämtliche Opfer gilt, sodass es wohl ausgeschlossen ist, dass irgendeiner dieser Morde in einem anderen Zusammenhang gesehen werden muss«, fuhr Marteau fort. »Allerdings möchte ich noch ein paar Worte in Bezug auf die Tatortabschirmung am Spielplatz im Park loswerden.« Jean-Claude Marteau wandte sich an François und mich. »Das, was ich jetzt sage, ist keine Kritik an Ihnen beiden, schließlich war das Kind schon in den Brunnen gefallen, als Sie am Fundort der Toten eintrafen. Ich hatte vorhin ein eher unfreundliches Gespräch mit dem Kollegen Gressy, dem Chef des zuständigen Reviers. Ein Kollege namens Jobert hat es zugelassen, dass wichtige Details der Ermittlungen an die Medien gegangen sind und sich jetzt jeder Konsument des Kabelfernsehens darüber informieren kann, wenn er will. Beispielsweise wurde die Nachricht über den Ford sofort verbreitet.«
»Und dabei hat Monsieur Clary noch nicht einmal den richtigen Typ identifizieren können«, gab François zu bedenken.
»Das sehen einige Reporter offenbar anders.« Monsieur Marteau atmete tief durch. »Ich hoffe, dass so etwas das nächste Mal nicht passiert. Das gibt doch nur Leuten wie diesen Trittbrettfahrern das nötige Material.«
Es gab einen anonymen Anrufer, der von sich behauptete, die Morde begangen zu haben. In den kurzen Statements, die er bei seinen Anrufen von sich gab, bezog er sich allerdings ausschließlich auf den ersten Fall. Tatsächlich schien er auch einiges über das Opfer Gabrielle Donjon zu wissen und stammte vielleicht aus ihrem immensen Bekannten- und Kundenkreis.
Aber was die anderen Opfer des sogenannten Coiffeurs anging, so bekam er nicht einmal die Namen vollständig auf die Reihe, was bei jemandem, der sich ansonsten so akribisch über zumindest ein Opfer informiert hatte, sehr ungewöhnlich war. Wir nahmen daher an, dass es sich eher um einen Wichtigtuer handelte, der davon träumte, irgendwann einmal einen großen Auftritt in einem Mordprozess zu haben. Dass er sein Leben damit womöglich ruinierte, schien ihm weniger wichtig zu sein, als zumindest einmal im Rampenlicht der Öffentlichkeit zu stehen und das Interesse einer ganzen Stadt – und später im Prozess vielleicht des ganzen Landes auf sich gerichtet zu wissen.
Leider hatten wir im Rahmen von spektakulären Mordfällen immer wieder mit Menschen zu tun, die uns mit ihren falschen Geständnissen wertvolle Zeit stahlen.
Einstweilen schätzten wir diesen Anrufer als unglaubwürdig ein. Trotzdem waren wir hinter ihm her, da wir annahmen, dass er das Opfer namens Gabrielle Donjon gut gekannt haben musste und von daher vielleicht ein wertvoller Zeuge war.
»Leider war es bisher nur möglich, die Anrufe zu Telefonzellen in Marseille zurückzuverfolgen«, erklärte Stéphane Caron. »Wir nehmen daher an, dass der Trittbrettfahrer dort lebt.«
»Es gibt noch Telefonzellen?«, fragte François.
»Eine Handvoll in Marseille«, sagte Stéphane.
»Gibt es sonst irgendeine Verbindung zwischen Gabrielle Donjon, Chantal Lafitte und den anderen Opfern?«, erkundigte sich Jean-Claude Marteau.
Stéphane schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Ich nehme an, dass es uns im Moment eher weiterbringt, wenn wir uns zu Jacques Bolgerie, den Lebensgefährten und vermutlich auch Zuhälter von Chantal Lafitte kümmern«, schlug ich vor. »Der müsste Chantal eigentlich längst vermissen.«
»Eine Vermisstenanzeige ist aber ihretwegen definitiv nicht eingegangen«, stellte Monsieur Marteau fest. »Aber tun Sie das ruhig, Pierre. Versuchen Sie, Monsieur Bolgerie aufzuspüren.«
9
Zwei Stunden später suchten wir Jacques Bolgeries Wohnung auf. Das Haus Nummer 21 war ein ehemaliges Lagerhaus, das irgendwann in den Siebzigern in ein Apartmenthaus umgewandelt worden war.
Mir fiel auf, dass die Post von heute noch in Bolgeries Brieffach steckte, während alle anderen Bewohner von Nummer 21 ihre Fächer bereits gelehrt hatten.
Der Lift war früher als Lastenaufzug benutzt worden und die Kabine so groß, dass ein Kleinwagen darin Platz gehabt hätte.
Wenig später standen wir vor der Tür zu Bolgeries Wohnung. François betätigte die Klingel. Keine Reaktion.
François probierte es ein zweites Mal. »Monsieur Bolgerie?«, rief ich. »Hier ist die Polizei! Machen Sie bitte auf!«
Ich drückte leicht gegen die Tür. Sie war nur angelehnt und öffnete sich einen Spalt. An dem herkömmlichen Zylinderschloss waren Spuren von Gewalteinwirkung zu sehen.
François und ich zogen die Dienstwaffen. Ich gab der Tür einen Stoß. Sie flog zur Seite. François trat zuerst ein. Der Raum vor uns war ziemlich groß und vor allem hoch. Die Deckenhöhe betrug sicherlich mehr als viereinhalb Meter.
Es war offensichtlich, dass bereits jemand vor uns da gewesen war, der alles durchwühlt hatte. Die Polstermöbel waren aufgeschlitzt, alle Schubladen geöffnet und ausgeleert und der Inhalt sämtlicher Regale auf den Fußboden geworfen.
In einer Ecke befand sich ein Computer, dessen Gehäuse aufgeschraubt worden war.
Es stellte sich später heraus, dass jemand die Festplatte mitgenommen hatte.
Die Tür zum Nebenraum stand halb offen. Mit der Waffe im Anschlag ging ich hinein und gelangte in ein Schlafzimmer, in dessen Mittelpunkt ein riesiges Wasserbett stand. Auch hier war alles durchwühlt und auf dem Boden verstreut worden. Die Kleiderschränke standen offen. Zwei Drittel der Sachen waren eindeutig für eine Frau bestimmt.
François schaute kurz im Bad und in der Küche nach, wo ebenfalls niemand anzutreffen war.
Ich steckte die Waffe weg.
»Wir sind offenbar zu spät dran, Pierre«, sagte François, während er in der Tür zum Bad stand und ebenfalls seine Waffe einsteckte. Anschließend griff er zum Handy.
»Zumindest haben wir jetzt einen Grund, diese Wohnung zu durchsuchen«, meinte ich.
»Und wenn Monsieur Bolgerie gleich in der Tür steht und behauptet, dass dies der Normalzustand seiner Wohnung wäre?«
»Das glaubst du doch nicht im Ernst, François!«
»Nein, aber wir würden ziemlich alt aussehen.«
»Auf den Fluren gab es eine Videoüberwachung. Und da der oder die Einbrecher offensichtlich durch die Tür gekommen sind, müssten sie gefilmt worden sein.«
»Dann schlage ich vor, wenden wir uns als Nächstes an die Hausverwaltung.«
10
Der Hausverwalter hieß Henri Vedell. Außerdem gab es insgesamt sechs Wachmänner, die in einem Wechselschicht-System rund um die Uhr gewährleisteten, dass in den Fluren von Nummer 21 nichts geschah, was gegen das Gesetz war.
Im Wesentlichen bestand ihre Aufgabe darin, die Überwachungskameras im Auge zu behalten.
Der Wachmann, der gerade Dienst hatte, hieß Norbert Jassonne und war ein mittelgroßer Mann mit leichtem Übergewicht und dunklen Haaren.
Während François sich in der Wohnung weiter umsah, nahm ich mir zusammen mit Norbert Jassonne die in Frage kommenden Videoaufzeichnungen vor.
»Die Aufnahmen werden auf einer Festplatte aufgezeichnet«, erklärte Jassonne, der dabei auf der Tastatur seines Computers herumtippte, um die entsprechenden Daten herauszusuchen.
»Wir hatten einen Ausfall der Überwachungsanlage zwischen drei und vier Uhr heute Nacht«, berichtete Jassonne.
»Ich würde gerne wissen, wann Jacques Bolgerie seine Wohnung verließ.«
»Das lässt sich schnell beantworten. Um die Haustür zu passieren, braucht man eine Chipcard. Irgendwann wollen wir die Türschlösser zu den einzelnen Wohnungen auch auf Chipcards umstellen, aber das wird sich noch ein halbes Jahr hinziehen …« Jassonne ließ die Finger über die Tastatur tanzen und fuhr schließlich fort: »Monsieur Bolgerie hat den Haupteingang um kurz nach drei passiert und das Haus um kurz vor vier wieder verlassen. Seitdem ist er nicht zurückgekehrt. Wie sind Sie eigentlich hereingekommen?«
»Wir haben einfach bei einer anderen Wohnung geklingelt«, sagte ich.
Jassonne grinste. »Ich verstehe.«
»Wir gehen also davon aus, dass jemand mit Jacques Bolgeries Chipcard das Haus genau in dem Zeitraum betreten und wieder verlassen hat, in dem Sie einen Systemausfall hatten. Finden Sie das nicht verdächtig?«, fragte ich.
Jassonne hob die Schultern. »Nun, wenn Sie das so sagen …«
»Es könnte doch sein, dass jemand anderes zuvor Bolgerie die Chipcard abgenommen hat, um damit in seine Wohnung einzubrechen. Allerdings hatte dieser Unbekannte wohl nicht den Schlüssel für die Wohnungstür dabei, sonst hätten der oder die Täter nicht das Schloss aufzubrechen brauchen.«
»Wir haben die Türschlösser mit einer elektronischen Sicherung versehen. Man muss zuerst eine Zahlenkombination eingeben. Die Tastatur befindet sich hinter einer seitlich der Tür in die Wand eingelassenen Klappe. Aber wenn die neue Anlage erst eingebaut ist, dann bekommen wir hier in der Sicherheitszentrale Alarm, wenn jemand versucht, das Schloss zu manipulieren.«
»Wann hat Bolgerie vor dem Zeitraum des Systemausfalls zuletzt seine Wohnung verlassen?«
»Kurz nach acht am Abend. Zumindest hat er da die Chipcard benutzt, um die Tür am Haupteingang zu öffnen.«
»Aber wenn er das Haus in einem Moment verlassen hätte, in dem gerade jemand anders die Tür öffnete, hätten wir darüber jetzt keine Aufzeichnungen, richtig?«, hakte ich nach.
Jassonne schüttelte den Kopf. »Nein, Monsieur Marquanteur, das ist ausgeschlossen. Unsere Bewohner müssen die Chipcard in jedem Fall durch den Schlitz ziehen, um ins Freie zu gelangen. Ansonsten kann es Ihnen passieren, dass das System nicht reagiert, wenn Sie später wieder hinein wollen.«
Ich seufzte. »Sicherheit hat ihren Preis, was?«
»Ich gebe zu, dass unser System in diesem Punkt noch verbesserungsfähig ist, und man hat mir auch versprochen, dass daran gearbeitet wird.«
»Ach, so.«
»Aber unsere Mieter schätzen die Sicherheit, die ihnen hier geboten wird und sind auch bereit, dafür ein paar Unannehmlichkeiten in Kauf zu nehmen.« Jassonne lachte heiser. »Die können sich den Spaß auch leisten. Ich selbst wohne mit meiner Familie in einem ganz normalen Wohnblock – ohne irgendwelchen Sicherheits-Schnickschnack.«
»Es dürfte doch nicht allzu schwierig sein, mir die passende Aufnahme herauszusuchen, die zeigt, wie Bolgerie das Haus verließ.«
»Sofort, Monsieur Marquanteur. Ich habe sie gleich.«
Es dauerte nicht einmal eine halbe Minute und Jassonne hatte gefunden, wonach ich suchte.
Deutlich war zu sehen, wie Jacques Bolgerie seine Wohnung verließ. Anschließend sah man ihn im Flur, im Lift und schließlich in der Eingangshalle von Haus Nummer 21.