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Dieser Bad enthält folgende SF-Romane von Alfred Bekker: Insel im All Eine Kolonie für Übermenschen Kampfzone Tau Ceti Kennst du noch die dampfenden Methan-Seen von Galunda Prime? Es ist lange her, ich weiß. Aber mir ist es im Moment so gegenwärtig, als wäre es erst gestern gewesen. Methanwolken wabern über die kräuselnde See-Oberfläche… Ein Morgen wie viele andere im Methan-Frühling des Jahres 2238… Wenn die Temperatur wesentlich über 162 Grad Minus steigt, was regelmäßig nach Sonnenaufgang der Fall ist, dann dampfen sie. Und der Methangehalt der Atmosphäre nimmt dann sprunghaft zu. Es ist ein einmaliger Anblick, auch wenn ich ihn ehrlich gesagt damals nie so richtig zu schätzen wusste, als er für mich zu den Selbstverständlichkeiten des Tages gehörte. Aber so ist das nun mal. Niemand schätzt, was er haben kann. Aber das ist vielleicht auch so etwas wie der Motor des menschlichen Fortschritts. Aber zurück zu Galunda Prime, denn dort hat irgendwie alles begonnen und alles kam in gewisser Weise zu einem Abschluss. Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jonas Herlin, Adrian Leschek, Jack Raymond, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.
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Die besten 3 Science Fiction Romane Oktober 2022
Copyright
Raumschiff RUBIKON 6 Insel im Nichts
Copyright
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
Siroonas Vergangenheit
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
Eine Kolonie für Übermenschen
Kampfzone Tau Ceti
Dieser Bad enthält folgende SF-Romane
von Alfred Bekker:
Insel im All
Eine Kolonie für Übermenschen
Kampfzone Tau Ceti
Kennst du noch die dampfenden Methan-Seen von Galunda Prime?
Es ist lange her, ich weiß.
Aber mir ist es im Moment so gegenwärtig, als wäre es erst gestern gewesen.
Methanwolken wabern über die kräuselnde See-Oberfläche…
Ein Morgen wie viele andere im Methan-Frühling des Jahres 2238…
Wenn die Temperatur wesentlich über 162 Grad Minus steigt, was regelmäßig nach Sonnenaufgang der Fall ist, dann dampfen sie. Und der Methangehalt der Atmosphäre nimmt dann sprunghaft zu.
Es ist ein einmaliger Anblick, auch wenn ich ihn ehrlich gesagt damals nie so richtig zu schätzen wusste, als er für mich zu den Selbstverständlichkeiten des Tages gehörte.
Aber so ist das nun mal. Niemand schätzt, was er haben kann. Aber das ist vielleicht auch so etwas wie der Motor des menschlichen Fortschritts.
Aber zurück zu Galunda Prime, denn dort hat irgendwie alles begonnen und alles kam in gewisser Weise zu einem Abschluss.
Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jonas Herlin, Adrian Leschek, Jack Raymond, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author
COVER A. PANADERO
© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Am Morgen einer neuen Zeit.
Der Krieg zwischen den organischen und anorganischen raumfahrenden Völkern konnte im letzten Moment abgewendet werden. Die Menschen jedoch sind nach wie vor fremdbestimmt und als die Erinjij gefürchtet, die sich in ihren Expansionsbestrebungen von nichts und niemandem aufhalten lassen.
Abseits aller schwelenden Konflikte kommt es im Zentrum der Milchstraße zu einer von niemand vorhergesehenen, folgenschweren Begegnung.
Eine unbekannte Macht hat sich dort etabliert. Schnell zeichnet sich ab, dass es sich um keinen "normalen" Gegner handelt. Die Bedrohung richtet sich nicht nur gegen die heimatliche Galaxie, sondern könnte das Ende allen Lebens bedeuten.
Die Geschichte des Kosmos, so scheint es, muss neu geschrieben werden …
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Scobee erwachte aus einem tiefen, traumlosen Schlaf. Sie atmete tief durch und öffnete die Lider, blinzelte erst einen Augenblick lang gegen das schwache Licht und machte die Augen dann wieder zu.
Du bist eine Gestrandete, herausgerissen aus deiner angestammten Zeit – durch Mächte, auf die du nicht den geringsten Einfluss hattest. Aber hat es dir geschadet? Vielleicht wärst du gar nicht mehr am Leben, wenn du in deiner eigentlichen Epoche geblieben wärst …
Scobee zögerte, die Augen erneut zu öffnen. Wirre Erinnerungen an noch verworrenere Träume beherrschten ihr Denken. So manches an Bildern und Szenen ging dabei wild durcheinander. Wie in einem Kaleidoskop hatte Scobee das Gefühl, alles auf einmal zu sehen. Zwanzig Überblendungen gleichzeitig und doch schienen einige von ihnen klar identifizierbar.
Du bist eine GenTec. Ein weiblicher Klon, geschaffen mit einem genetischen Programm, das dich einst zum Gehorsam zwang. Du warst Teil eines militärischen Projekts – aber das alles ist jetzt so unwichtig geworden. Nicht erst, seit du hier in Andromeda bist. Was spielt deine Vergangenheit noch für eine Rolle?
Einen Lidschlag hatte der Flug an Bord der RUBIKON nach Andromeda gedauert – zumindest in der subjektiven Empfindung der Besatzungsmitglieder. In Wahrheit waren zwei Jahrhunderte vergangen, wie man später erfahren hatte. Die RUBIKON war bei der fehlgeschlagenen Transition nicht nur durch den Raum, sondern auch durch die Zeit katapultiert worden.
Erst im Zentrum von Andromeda hatte die Besatzung der RUBIKON vom Ausmaß dieser Zeitreise erfahren. Du hast etwasÄhnliches schon einmal erlebt, als dich der Einfluss eines Schwarzen Lochs ebenfalls zweihundert Jahre in die Zukunft riss. Eine Zukunft, in der die Menschen unter dem Namen Erinjij Angst und Schrecken in der Galaxie verbreiteten und unter der Herrschaft der Keelon-Master standen. Aber das erscheint dir jetzt bereits wie ein Traum, der verblasst, sobald man erwacht …
Kaum, dass sie überhaupt Gelegenheit gehabt hatte, die Zeit, in die sie das Schicksal schleuderte, wirklich zu verstehen, war sie nun erneut in einer Zukunft gelandet, in der sich vieles, wenn nicht alles verändert haben würde.
Die gegenwärtige Lage in der Milchstraße zu erkunden, das war der Grund dafür gewesen, an Bord von Ovayrans Schiff zu gehen, denn die Heimatgalaxie der Menschheit war das erklärte Ziel des Gloriden – genau wie das ihre.
Was werde ich dort vorfinden?, ging es ihr durch den Kopf. Das Erwachen in der Welt der Erinjij und Keelon-Master glich einem Albtraum – aber vielleicht war das nichts weiter als eine liebliche Ouvertüre im Vergleich zu dem, was noch kommen wird!
Der Gedanke daran ließ sie manchmal nicht ruhen. Hin und wieder fiel sie dafür dann in einen umso tieferen, traumlosen und ihrer Empfindung nach beinahe todesähnlichen Schlaf.
Mindestens zwei irdische Wochen war es bereits her, dass sie die RUBIKON II verlassen hatte und an Bord des unter dem Kommando des Gloriden Ovayran stehenden Raumschiffs gegangen war. Aber auch diese Zeitbegriffe schienen hier draußen in der Unendlichkeit nicht dieselbe Rolle zu spielen. Könnte es sein, dass du jeglichen Maßstab verloren hast? Du bist wahrscheinlich der einzige Mensch in einem Umkreis von hunderttausend Lichtjahren oder mehr. Vielleicht ist es dasWissen um diese Tatsache, die dafür sorgt, dass alles, was deiner Existenz eine feste Größe geben könnte, zu verschwimmen scheint. Jeder Maßstab, jede Vergleichsgröße, jeder Parameter, jeder Wert … Kein Mensch hat das je vor dir erlebt!
Scobee schalt sich schon gleich darauf eine Närrin.
Was sollte diese Grübelei?
Warum sich melancholischen Stimmungen hingeben, die sie nur dabei behindern konnten, das zu tun, was sie sich als ihre Aufgabe gestellt hatte.
Sie atmete tief durch. Ihr wohlgeformter, durchtrainierter Körper straffte sich dabei. Noch hatte sie die Augen nur für einen kurzen Moment geöffnet, aber sie war zweifellos wach.
Scobee versuchte sich an das zu erinnern, was sie geträumt hatte. Und damit die Schatten der Imagination festzuhalten. Vergeblich. Es muss vergeblich sein, überlegte sie. Sie hatte keine Ahnung, weshalb ihr diese Dinge auf einmal so unwahrscheinlich wichtig waren. Übertrieben wichtig, wie sie selbst erkannte, sobald ihr messerscharfer Verstand die Oberhand über das Gefühl gewann.
Irgendetwas hatte sich grundlegend verändert. Das spürte Scobee, je länger dieser Flug dauerte. Jede Faser ihres Körpers schien mit immer sensibler werdenden Sensoren für dieses Phänomen ausgestattet zu sein.
Jetzt erst öffnete Scobee die Augen dauerhaft.
Ovayran, der gloridische Kommandant des Schiffes mit dem für Scobee recht seltsam klingenden Namen AUGE DES PERIGOR, hatte diesen Raum nach ihren Wünschen herrichten lassen, wobei sich ihre und die Vorstellungen eines Wesens, das nur einen Teil seines Lebens in körperlich greifbarer Form zubrachte und die restliche Zeit dafür als körperloses Energiewesen existierte, zweifellos voneinander unterschieden. So hatte man natürlich auf ihre Bedürfnisse nur in dem Maß Rücksicht nehmen können, wie diese von den Gloriden überhaupt verstanden worden waren.
Du hast geschlafen und spürst dennoch Müdigkeit!, erkannte Scobee plötzlich. So etwas sollte eigentlich nicht sein. Vielleicht stimmt etwas mit dir nicht, aber du wirst, was dies betrifft, von Ovayran wohl auch keine kompetente ärztliche Hilfe erwarten dürfen…
Scobee musste bei diesem Gedanken unwillkürlich schmunzeln.
Na, also! Es geht doch!
Scobee erhob sich von ihrem Bett und überlegte, wie sie den Nahrungsmittelspender so programmieren sollte, dass er auch etwas Genießbares ausspuckte. Mit der puren Energie, die die Gloriden in ihre Körper zu leiten pflegten, konnte die GenTec jedenfalls nicht das Geringste anfangen. Ganz im Gegenteil! Selbst ihre recht widerstandsfähige Physis wäre durch einen derartigen Energietransfer, wie er für Gloriden geradezu lebensnotwendig war, zerstört worden.
Der Bordrechner der AUGE DES PERIGOR war so programmiert worden, dass er in der Lage war, Nahrung zu produzieren, die den physiologischen und biochemischen Erfordernissen von Scobees Metabolismus entsprachen.
Das bedeutete allerdings nicht, dass alles, was sie dann am Ende vorgesetzt bekam, auch tatsächlich schmackhaft war.
Irgendwann wirst du dich sogar an diesen Fraß gewöhnen, war Scobee jedoch überzeugt.
Durch die Berührung eines Sensorpunktes an der Wand wurde das System aufgerufen. Ein Holoquader erschien wie aus dem Nichts und zeigte ihr eine Auswahl verschiedener Gerichte, die der Bordrechner im Angebot hatte.
Das schmeckt ohnehin alles gleich fade, dachte Scobee. Da sollte dir die Wahl doch nun wirklich nicht so wahnsinnig schwer fallen! Genüsse kannst du hier nicht erwarten…
Ehe sie schließlich eine Entscheidung getroffen hatte, wurde sie abgelenkt und das Knurren ihres Magens war zumindest für die nächsten Augenblicke in den Hintergrund gedrängt.
Eine Lichterscheinung blendete sie plötzlich.
Schützend und reflexartig schirmte sie mit der Hand ihre Augen ab.
Gleißendes Licht drang durch die Decke des Raumes, den sie in den letzten Wochen als so etwas wie ihre Privatkabine angesehen hatte. Es war dennoch so grell, dass es in den Augen schmerzte. Scobee unterdrückte ein Aufstöhnen.
Ovayran!, was soll das?
Das Licht verdichtete sich zu einem immer heller werdenden Punkt. Schließlich formte sich eine gleißende Gestalt, die immer stärker Substanz annahm und schließlich innerhalb des nächsten Lidschlags vollkommen materialisierte. Das Leuchten verschwand.
Der Gloride hatte jetzt die körperliche Ursprungsgestalt eines androgyn wirkenden Humanoiden angenommen. Dieses Volk, dessen Aufgabe es war, die CHARDHIN-Perlen zu pflegen, die sich hinter dem eigentlich unüberwindlichen Ereignishorizonts der übergroßen Schwarzen Löcher im Zentrum einer Galaxie befanden, war auf dem Weg der zunehmenden Vergeistigung. Die Gloriden befanden sich in einem Zwischenstadium, waren in der Lage, sich in reine Energie zu verwandeln und in dieser Existenzform auch feste Materie zu durchdringen.
Deswegen waren Türen, für die Gloriden eigentlich unnötig und hatten eher den Charakter von Notausgängen, als dass sie wirklich gebraucht worden wären.
Scobee hingegen war darauf angewiesen. Sektoren des Schiffes, die nicht über Türen zugänglich waren, konnte sie schlicht und ergreifend nicht betreten. Wie könnte man meine Lage beschreiben?, überlegte sie. Es ist viel von dem Einäugigen die Rede, der unter den Blinden König ist. Ich bin genau das Umgekehrte – ein Blinder unter lauter Sehenden. Und das ist alles andere als ein Witz. So jedenfalls kommt man sich in der Gesellschaft von Gloriden vor.
Scobee starrte den Gloriden leicht fassungslos an.
Diese Zwitter aus androgynen Humanoiden und Energiewesen hatten eine deutlich andere Vorstellung von Privatsphäre, als er unter Menschen üblich war. Es war ihnen unverständlich, wieso en Individuum einen Bereich benötigte, der von anderen nicht ohne deren Erlaubnis betreten werden durfte. Zwar kannten sie durchaus Privaträume und den zumindest zeitweiligen Rückzug des Einzelnen zur Meditation oder zu Studienzwecken. Aber über diese schwach ausgeprägten Ansätze hinaus schien ihnen jede Form des Territorialdenkens fremd zu sein.
Wie auch immer, auch als Klon kann ich meine Säugetiervorfahren, die immer schön säuberlich ihr Revier abgegrenzt haben, wohl einfach nicht verleugnen! , ging es Scobee durch den Kopf. Es kann eben niemand über seinen Schatten springen. Aber das gilt wahrscheinlich für Menschen und Gloriden gleichermaßen…
Sie hatte es inzwischen aufgegeben, den Besatzungsmitgliedern der AUGE DES PERIOGOR beibringen zu wollen, dass Menschen es nicht besonders gut leiden konnten, wenn man ihren Privatbereich ungefragt betrat. Die Gloriden hatten für derlei Gedanken einfach kein Verständnis.
Ihre humanoiden Gesichter waren sich alle ziemlich ähnlich. Es gab kaum sichtbare individuelle Ausprägungen der Physiognomie. Dasselbe galt für ihre Gestalt. Die optisch erkennbaren Unterschiede zwischen einzelnen Gloriden waren minimal, aber Scobee hatte inzwischen gelernt, den einen oder anderen von ihnen einigermaßen sicher zu unterscheiden.
Allen voran natürlich Ovayran, den Kommandanten dieses Schiffs, der für sie in erster Linie die Bezugsperson an Bord des goldenen Kugelraumers darstellte.
„ Sei gegrüßt, Scobee“, sagte der Gloride. An der vertrauten Art und Weise, in der er sie ansprach, erkannte sie ihn. Erst dann stellte sie fest, dass auch winzige Unregelmäßigkeiten und Asymmetrien in seinem Gesicht ihn eindeutig als Kommandanten der AUGE DES PERIGOR identifizierten. „Ich hoffe, ich habe dich nicht bei der deiner Meditation zur Energieaufnahme gestört?“
Trotz deines Aufenthaltes auf der RUBIKON weißt du nicht besonders viel über uns!, dachte Scobee leicht amüsiert.
Unwillkürlich flog ein Lächeln über ihr Gesicht. „Nein“, antwortete sie schließlich nach einem kurzen Innehalten. „Ich war gerade fertig damit.“
Sie seufzte.
Für einen Gloriden war es nicht ganz einfach nachzuvollziehen, was der Schlaf für einen Menschen bedeutete. Zu sehr hatten sich diese schon in ihrer körperlichen Erscheinungsform sehr grazilen Lebewesen, die in ihrem Zustand als Energiewesen vollkommene Schwerelosigkeit genossen, innerlich von ihrer Physis entfernt. Der Körper hatte für sie nicht dieselbe Bedeutung wie für Wesen, deren Existenz vollkommen an diesen gebunden war. Scobee vermochte das nachzuvollziehen.
Ab und zu brauchten die Gloriden eben einen Körper – etwa dann, wenn sie Energie tankten. Ansonsten war die energetische Form sehr häufig einfach viel praktischer. Immer dann, wenn es um raschen Transport, die Überwindung von Hindernissen aus Materie oder schnelle Kommunikation ging, war die energetische Daseinsform von großem Vorteil.
Einen kurzen Moment lang hatte Scobee überlegt, ob sie Ovayran gegenüber nicht einmal vorbringen wollte, dass sie es durchaus als unangenehm empfand, wenn Besatzungsmitglieder der AUGE DES PERIGOR, wann immer sie dies für richtig und geboten hielten, einfach in ihrem Raum auftauchten, um sie anzusprechen.
Andererseits hatte Scobee innerhalb der gut zwei Wochen, die sie sich nun schon an Bord des Raumschiffs der Gloriden befand, erlebt, dass genau dies für Gloriden vollkommen selbstverständlich war. Einen Gloriden in einer derartigen Situation zurechtzuweisen, hätte bedeutet, ihn womöglich innerlich tief zu enttäuschen.
„ Ich habe das Bedürfnis, mich mit dir zu unterhalten“, äußerte der Gloride.
Mit anderen Worten, du brauchst jemanden, der dir Langeweile vertreibt!, dachte Scobee – behielt diesen Gedanken allerdings höflichkeitshalber für sich.
Während ihres Flugs, der sie aus dem galaktischen Zentrum der 150 000 Lichtjahre durchmessenden Andromeda-Galaxie heraus in Richtung Leerraum geführt hatte, war Ovayran des Öfteren mit diesem auf den ersten Blick etwas befremdlichen Anliegen an Scobee herangetreten. Ihr Gegenüber hatte geäußert, die Kommunikation mit Scobee deshalb zu schätzen, weil sie einen unabhängigen Standpunkt vertrete, was es ihm erleichtere, seinen eigenen Standpunkt zu definieren und die innere Stabilität zu erhöhen.
„Die innere Stabilität“, so hatte Ovayran ihr gegenüber eröffnet, „besitzt für uns Gloriden eine zentrale Bedeutung. Man könnte auch behaupten, sie ist das Zentrum, um das unsere Kultur kreist – abgesehen vielleicht von dem Auftrag, den uns vorÄonen die Erbauer gaben …“
Welch große Bedeutung diese so genannte innere Stabilität für jeden Gloriden – und insbesondere den Kommandanten eine Raumschiffs oder gar denPerlenweisteten – hatte, sollte ihr erst im Laufe der Zeit wirklich klar werden.
„ Ich habe nichts gegen eine Unterhaltung einzuwenden“, sagte Scobee schließlich, obwohl das nicht ganz der Wahrheit entsprach. Andererseits war es wichtig, dass sie sich gegenseitig besser kennen lernten.
Eine weite Reise ins Ungewisse lag schließlich vor ihnen. Eine Reise, die zwar für Scobee oberflächlich betrachtet in die Heimat Milchstraße führte – faktisch aber eine Galaxis zum Ziel hatte, von der man annehmen musste, fass sie sich in den vergangenen zwei Jahrhunderten stark verändert hatte.
„ Das freut mich“, erklärte Ovayran, wobei sich Scobee fragte, ob es ihm überhaupt etwas bedeutete, dass seine Gesprächspartnerin Interesse an einer Kommunikation signalisierte.
Scobee erklärte: „Ich würde es allerdings bevorzugen, wenn ich mit derartigen Anliegen zunächst indirekt konfrontiert würde.“
„ Indirekt?“, echote Ovayran. Er schien etwas irritiert zu sein.
Also gab Scobee ihm eine nähere Erläuterung. „Ohne die körperliche Anwesenheit desjenigen, der dieses Anliegen hat!“, versuchte sie deutlich zu machen, was ihr missfiel. „Dies ist mein Raum – jedenfalls betrachte ich ihn während meines Aufenthalts auf der PERLE DES PERIGOR so. Und das bedeutet, ich gewähre den Zugang hierher oder ich tue das nicht.“
Jetzt ist es raus!, dachte sie. Wahrscheinlich hätte ich das viel früher tun sollen. Sehr viel früher … Aber ich denke, es ist noch nicht zu spät.
Zu Scobees Erleichterung war Ovayran keineswegs beleidigt.
Im Gegenteil!
Er signalisierte ein freundlich-neugieriges Forscherinteresse.
„ Sind das Menschen-Sitten?“, fragte der Gloride nach kurzer Pause.
Emotionen wurden bei diesem Volk vor allem durch energetische Schwingungen ausgedrückt, die von Gloriden untereinander sehr wohl wahrgenommen werden konnten. Ein Mensch war unter ihnen jedoch wie ein Blinder unter Sehenden. Die Mimik der nach Belieben in den Zustand reiner Energie wechselnden Wesen wirkte dagegen …
Ja, wie eigentlich?, dachte Scobee. Die Begriffe starr oder maskenhaft trafen nicht wirklich, was man als menschliche Frau beim Anblick eines Gloridengesichts empfand.
Diese Gesichter wirkten stets gelöst. Emotionale Regungen spielten sich in ihnen einfach nicht ab, was aus Sicht der Gloriden auch seinen Sinn hatte. Schließlich war es sicher sehr viel unkomplizierter für sie, sich gegenseitig mit Hilfe energetischer Schwingungen über ihre gefühlsmäßige Verfassung zu informieren. Damit hatten sie einen Ausdruck ihrer Emotionen gefunden, der sowohl in der physischen als auch in der rein energetischen Erscheinungsform ihrer Spezies funktionierte – und das vermutlich sehr viel besser, als wenn sie an dem vergleichsweise primitiven Spiel aus Gestik und Mimik festgehalten hätten, wie man es bei den meisten anderen Humanoiden oder entfernt humanoiden Völkern finden konnte.
„ Ja“, bestätigte Scobee. „Das sind Menschen-Sitten.
„ Erstaunlich!“
„ Das ist eine Frage des Standpunktes.“
„ Bizarr!“
„ Ihr scheint nicht sehr viel Kontakt zu anderen Völkern zu haben, sonst würdest du diesen Begriff nicht in dem Zusammenhang verwenden“, sagte Scobee ruhig und gelassen.
„ Das ist wahr“, gab er zu. „Umso mehr genieße ich die Unterhaltungen mit dir. Dieses Konzept der Privatsphäre hat so etwas zutiefst Barbarisches an sich, dass es einem einen Schauder über den Rücken treiben kann!“
„ Ich nehme allerdings an, dass die meisten anderen intelligenten Spezies von einer gewissen Kulturstufe an so etwas wie Privatsphäre kennen.“
„ So sind wir Ausnahme und ihr die Regel?“
„ Ja“, bestätigte Scobee.
„ Interessant!“, stieß der Gloride hervor.
Das Thema schien ihn kaum mehr loszulassen.
„ Sieh dich um im Universum!“, forderte Scobee ihn auf. „Selbst in dem kleinen Teil des Kosmos, den ich gesehen habe, ist das so.“
„ Mag sein, dass du Recht hast“, gestand ihr Ovayran zu. „Vielleicht hätten wir uns mehr für die niedereren Spezies interessieren sollen … Aber es ist einfach ein Unterschied, auf welcher Seite des Ereignishorizonts man lebt …“
„ Das räume ich ein“, sagte Scobee.
„ Eine Entschuldigung für Interesselosigkeit und mangelnden Forschersinn sollte das aber auch nicht sein.“
„ Ich habe diesen Vorwurf nie erhoben.“
„ Ich selbst tue es! Wir Gloriden haben uns immer viel zu sehr in der Abhängigkeit der Erbauer gesehen, als dass wir etwas Eigenes entwickelt hätten, so wie unzählige Spezies, die das Universum bevölkern und sowohl Erhabenes als auch Niederträchtiges vollbringen. Wir hingegen vollbrachten aus eigenem Antrieb gar nichts. Wir wurden erwählt von den Erbauern. Sie teilten uns eine Aufgabe zu, die wir gewissenhaft bis auf den heutigen Tag zu erfüllen versuchen.“
„ Die Erbauer sind verschwunden“, gab Scobee zu bedenken.
„ Ich weiß, worauf du hinaus willst, Scobee!“
„ Wirklich?“
„ Du willst sagen, dass seit dem Verschwinden der Erbauer tatsächlich Zeit genug vergangen ist, um etwas Eigenes aufzubauen, eigene Entdeckungen zu machen, eine Technik zu erfinden, die wir nicht nur anwenden, sondern auch wirklich bis in den tiefsten Kern hinein verstehen! Aber es ist müßig über die Fehler vergangener Äonen zu schwadronieren. Jetzt stehen wir vor dem Scherbenhaufen unserer langen Geschichte und müssen sehen, wie wir das zerrissene Netz der CHARDHIN-Perlen vielleicht doch wieder flicken. Falls das überhaupt noch möglich ist.“
Der Gloride machte eine Pause. Er ging ein paar Schritte auf und ab. Das Gewand, das trug, raschelte leicht dabei. Frühere Zeitalter der Menschheitsgeschichte mögen sich so oder so ähnlich einen Engel vorgestellt haben!, dachte Scobee.
Schließlich fuhr Ovayran fort: „Du erhebst Besitzanspruch auf einen Teil unseres Schiffs.“
„Wenn du es so ausdrücken willst und unter Besitz allein die Verfügungsgewalt verstehst ...“
„ Das ist interessant! Dieser fast archaische, sehr starke Impuls, ein Territorium zu erobern und zu verteidigen! Wir kennen so etwas nicht, aber wahrscheinlich sind wir einfach zu wenig in der materiellen Welt verhaftet, die für dich die einzig mögliche Existenzform darstellt.“
„ Mein Streben nach Privatsphäre hat nichts mit einem Besitzanspruch zu tun“, erwiderte Scobee.
„ So? Wirklich?“
„ Es geht um die Integrität des Einzelnen. Die Grenzen der Person, die sie von ihrer Umwelt unterscheiden.“
„ Diese Grenze ist Fiktion“, behauptete Ovayran. „Du solltest mir glauben. Es ist nichts weiter als ein Gedankenkonstrukt, das nichts mit der Realität zu tun hat – genauso wie die in eurer Kultur offenbar ursprünglich verbreitete Annahme, dass der Ereignishorizont nicht überschritten werden kann, ohne dass man dabei die Existenz verliert.“
Innerhalb der letzten Wochen seit ihrem Aufbruch vom Zentrum Andromedas aus hatten sie des Öfteren über derartige Probleme gesprochen.
Darüber, dass es möglicherweise für einen außenstehenden Beobachter so wirken könne, als ob ein den Ereignishorizont des Schwarzen Loches eintretendes Raumschiff vollkommen verdampfte, während die subjektive Realität desjenigen, der diese Grenze überschritt ganz anders aussehen konnte und er vielleicht überhaupt nichts von der gigantischen Gravitation spürte, die ihn eigentlich hätte zermalmen müssen.
Ovayran konnte sich auf diesem physikalisch-philosophischem Gebiet geradezu in Rage reden. „Es gibt mehr als nur einen Zustand der Realität oder um es andersauszudrücken: Es existieren verschiedene Ebenen der existenziellen zeitlichen Permanenz, wie ja seit unserem letzten Besuch auf der CHARDHIN-Perle im Zentrum Andromedas deutlich geworden sein dürfte.“
Er argumentiert glasklar und kann mit einer Denkgeschwindigkeit aufwarten, die es mir schwer macht, ihm zu folgen!, dachte Scobee. Und doch sind diese Wesen nichts als kosmisches Hilfspersonal, das die legendären Erbauer der Perlen eingesetzt haben, um diese Stationen eines gigantischen, wahrhaft kosmischen Netzes warten und in Betrieb halten zu können …
Scobee versuchte sich einen Moment lang vorzustellen, über welche Fähigkeiten dann erst diese legendären Erbauer verfügt haben mussten.
Das Gesicht des Gloriden hatte sich jedoch nicht verändert. Er starrte Scobee vollkommen regungslos an. Und doch hatte Scobee das Gefühl, dass in den Worten des Gloriden eine Emotion mitgeschwungen hatte. Einbildung? Oder hast du vielleicht bereits die Fähigkeit erlangt, energetische Schwingungen emotional zu interpretieren, wie es den Gloriden offenkundig möglich ist?
Scobee glaubte, dass es eine tiefe Sorge war, die Ovayran erfüllte. Manchmal reicht es vielleicht einfach aus, sich in das Gegenüber hineinzuversetzen und sich zu fragen, was man selbst an dessen Stelle empfinden würde, dachte sie dabei. Selbst dann, wenn man ansonsten so vollkommen unterschiedlich ist wie es Menschen und Gloriden sind.
Der Besuch auf der CHARDHIN-Perle jenseits des Ereignishorizonts des 3 x 107 Sonnenmassen schweren Schwarzen Lochs im Zentrum der Andromeda-Galaxie hatte geradezu bedrohliche Neuigkeiten gebracht. Die CHARDHIN-Perle Andromedas war vollkommen vom kosmischen Netz der anderen Black-Hole-Stationen isoliert! Und die Ursache lag dabei nicht darin, dass die Perle ihre Funktionsfähigkeit verloren hätte, sondern im Netz selbst. Außerdem hatte sie ihre Permanenz eingebüßt. Sie existierte nicht mehr vom Anbeginn der Zeiten bis zum schlussendlichen Zustand größtmöglicher Entropie, den das Universum am Ende seiner Existenz erreicht habe würde, sondern nur noch während einer Zeitspanne, die sowohl in Richtung Vergangenheit, als auch auf die Zukunft bezogen erschreckend kurz war.
Dafür die Ursache zu finden war Ovayrans Ziel.
Am besten natürlich dadurch, dass er den Traum aller Gloriden erfüllt und endlich auf die legendären aber weithin unbekannten Erbauer stößt, die dieCHARDHIN-Perlen und das dazugehörige Netzwerk einst erschufen …, dachte Scobee. Diese hochentwickelten Wesen müssten sich dann wohl eine Menge unbequemer Fragen gefallen lassen.
„ Während unserer bisherigen Reise hast du mir einige Dinge über deine alte Welt erzählt“, begann Ovayran schließlich. „Ich meine die Erde jener Epoche, in der du geschaffen wurdest.“
Geschaffen wurdest, hallte es in Scobees Kopf wider. Für sie hatte das einen ganz bestimmten, sehr unangenehmen Beiklang. Es war, als ob man über sie wie über einen Gegenstand sprach – etwas das irgendwann eine Fabrik verlassen hatte und nach Gebrauch weggeworfen werden konnte. Ein Werkzeug. Auf seine Weise perfekt aber eben doch ein Werkzeug. Ovayran hatte seine Worte in großer Unbedarftheit einfach so dahingesagt. Der Gedanke, es mit einem Wesen zu tun zu haben, das keines natürlichen Ursprungs, sondern in der Tat sehr gezielt geschaffen worden war, schien für den Gloriden nicht weiter bedeutsam zu sein. Schließlich war ja letztlich nicht ausgeschlossen, dass auch die Gloriden nichts weiter als Produkte einer biotechnischen Schöpfung durch die Erbauer waren. Diese Vorstellung war für Ovayran jedoch keineswegs unangenehm oder bedrohlich.
Scobee hielt diese Schöpfungs-Theorie sogar für sehr wahrscheinlich, denn wer immer es schaffte, Habitate jenseits der Ereignishorizonte von Wurmlöchern zu deponieren und diese nach Belieben betreten und wieder verlassen konnte, der war buchstäblich zu allem fähig.
Aber für Scobee hatte dies eine andere Dimension. Sie hatte den Umstand, dass sie als Klon zur Welt gekommen war, immer als einen Mangel angesehen und sich stets ein wenig so gefühlt, als wäre sie nicht wirklich auch Teil der Gattung Mensch. Allerdings hatte es auch viele gegeben, die ihre diesbezüglichen Ängste verstärkt hatten. Und auch wenn Scobee wusste, dass diese Befürchtungen unsinnig waren, so konnte die GenTec sie doch auch nicht einfach ignorieren. Sie würden immer Teil ihrer Persönlichkeit bleiben, so lange sie lebte.
Ovayran fuhr fort: „Ich habe deinen Erzählungen von der alten Erde sehr aufmerksam zugehört.“
„ Das habe ich bemerkt“, sagte Scobee.
„Ich habe schon seit geraumer Zeit das Gefühl, dass auch die Welt, in der ich meine Existenz begonnen habe und in der ich sie eigentlich auch zu beenden hoffe,sich langsam aber sicher auflöst. Daher dachte ich, dass es interessant sein könnte, von dir zu erfahren, wie man damit zurecht kommt.“
„ Überhaupt nicht“, sagte Scobee.
„ Oh …“ Mit einer sarkastischen Antwort schien er nicht gerechnet zu haben. Vielleicht wusste er auch einfach nicht, was Sarkasmus war und konnte Scobees Antwort daher nicht richtig einordnen. Scobee hatte nicht lange darüber nachgedacht, sondern einfach spontan aus dem Bauch heraus geantwortet. Und diese Antwort traf nun einmal genau das, was sie zu diesem Thema an Empfindungen in sich verspürte.
Eine Pause entstand.
Aus irgendeinem Grund empfand Scobee Verlegenheit.
Schließlich erklärte Ovayran: „Dafür, dass du so schlecht damit zurechtkommst, machst du aber den Eindruck recht großer innerer Stabilität.“
„ Vielleicht weißt du nur nicht die Anzeichen dafür zu deuten, die bei einem Menschen von mangelnder innerer Stabilität zeugen, Ovayran!“, glaubte Scobee.
Der Gloride ging darauf nicht weiter ein. Auf die Grenzen seiner eigenen Erkenntnisfähigkeit wurde er allgemein nicht gerne angesprochen, das war Scobee schon zuvor immer wieder aufgefallen. Vielleicht ist das sein wunder Punkt, dachte sie.
Es war zweifellos besser, ihn zu respektieren.
„ Ich bedanke mich für die Zeit, die du für unser Gespräch zur Verfügung gestellt hast!“, sagte Ovayran plötzlich und brach damit den Dialog recht abrupt ab.
Feigling!, dachte Scobee. Jetzt, da wir beide argumentativ die Messer gewetzt haben und es interessant werden könnte, machst du dich aus dem Staub!
Dann verlor sein Körper auch schon an materieller Substanz. Er verblasste und verwandelte sich schließlich in eine gleißende Lichterscheinung, die seitlich durch eine der Wände, die Scobees Raum begrenzten, entschwebte.
Im nächsten Augenblick war sie wieder allein.
Die Auge des Perigor hatte den Halo, die sternenarme Randzone Andromedas, erreicht. Sie war die größte Galaxie der lokalen Gruppe, zu der auch die Milchstraße gehörte. Zehn kleinere Zwerggalaxien waren ihre Trabanten und umkreisten sie in mehr oder weniger großen Abständen. Mit ihren Satelliten-Galaxien im Schlepptau bewegte sich Andromeda mit einer Geschwindigkeit auf die Milchstraße zu, die vermuten ließ, dass beide Systeme in ein paar Milliarden Jahren miteinander kollidieren würden, wobei das kosmisch betrachtet ein vollkommen normaler Vorgang war. Zwei Galaxien durchdrangen dann einander und verschmolzen zu einer Einheit. Zu wirklichen „Kollisionen“ einzelner Sterne kam es wohl nicht viel häufiger als sonst auch, denn abgesehen von ihrer Sternenmaterie bestanden Galaxien vor allem aus einem: dem Raum dazwischen, der immer nochschier unendliche Weiten verhieß. Andromeda selbst war höchstwahrscheinlich durch eine Kollision entstanden. Die Struktur des galaktischen Zentrums dieses Systems legte es zumindest nahe.
Die Aufzeichnungen der Gloriden sollten darüber Auskunft geben, dachte Scobee. Schließlich müssen sie auch in so ferner Vergangenheit bereits existiert haben.
Ovayran hatte eine Konsole ohne direkten energetischen Zugang für Scobee einrichten lassen. Mit Hilfe der Sensorfelder, mit der die Konsole bedient wurde, hatte Scobee eine dreidimensionale Positionsübersicht aktiviert. Man konnte die Andromeda-Galaxie sowie die vorgelagerten Sternensysteme wie And I und And II sehen. Im Hintergrund befand sich die Milchstraße, die von Andromeda aus gut sichtbar war.
Scobee hatte jedoch nur einen begrenzten Zugriff auf das Bordsystem. Das galt sowohl für den Bordrechner als auch für die eigens für Scobee angelegte Vorratskammer mit Nahrungsmitteln und alle anderen relevanten Einrichtungen und Gegenstände.
Die Position der Auge des Perigor war auf der 3-D-Übersicht deutlich markiert.
Scobee zoomte den gegenwärtigen Standort des goldenen Gloridenschiffs näher heran. Die gegenwärtige markierte Position schob sich langsam voran, ihrem Ziel entgegen. Und das war und blieb nun einmal die Milchstrasse.
Ein breiter Ozean aus namenloser Schwärze gähnte zwischen den beiden Materie-Inseln. Die Sternendichte im Randbereich Andromedas war bereits sehr gering und bald würde die AUGE DES PERIGOR auch die letzten Sonnen hinter sich gelassen haben.
Gleichzeitig spürte Scobee ein leichtes Vibrieren unter den Füßen. Der mächtige Schiffsantrieb ließ von Zeit zu Zeit den Boden erzittern. Ovayran hatte versucht, ihr das Prinzip, nach dem dieser Antrieb funktionierte, zu erklären. Allerdings ohne durchschlagenden Erfolg. Für Scobee hatte sich das alles wie pseudotechnisches Gerede angehört. Irgendwie war bei ihr der Eindruck entstanden, dass weder Ovayran noch seine Besatzungsmitglieder, die auf der Brücke ihre so genannten Dienstzeitquanten als Steuermänner ableisteten, wirklich über die Funktionsweise des Antriebs Bescheid wusste. Sie konnten ihn bedienen und wohlauch kleinere Reparaturen am System vornehmen. Aber die technischen und naturwissenschaftlichen Grundlagen schienen ihnen nur oberflächlich klar zu sein.
Scobee hatte Ovayran auf diesen Punkt einmal angesprochen. Zunächst war der Gloride der entsprechenden Frage ausgewichen, aber Scobee hatte nicht locker gelassen. Sie wollte einfach wissen, ob nur die CHARDHIN-Perlen oder die gesamte Technik der Gloriden Schöpfungen der Erbauer waren.
Schließlich hatte Ovayran Scobee gegenüber eröffnet, wie es tatsächlich war. Scobee hatte es längst geahnt.
„ Auch die Schiffe sind Schöpfungen jener unbekannten Wesen, die die CHARDHIN-Perlen erbaut haben. Ihr technisches Wissen übertraf das unsere um ein Vielfaches. Und obgleich unser Volk seit Äonen nichts anderes tut, als die Perlen zu bewachen und den reibungslosen Betrieb zu gewährleisten, wären wir nicht in der Lage, selbst eine solche Perle zu bauen – geschweige denn, sie hinter dem Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs zu befestigen, wo es eigentlich kein Zurück mehr gibt.“
Scobee sah ihn erstaunt an. „Und ihr habt es in all den Äonen, seit dem Verschwinden der legendären Erbauer, nicht geschafft, die Perle und die offenbar nach ihrem Vorbild geschaffenen Raumschiffe soweit zu verstehen, dass ihr Kenntnis über deren technische Grundlagen gewonnen habt?“, wunderte sich Scobee. „Allein die Neugier hätte euch dazu bewegen müssen!“
„ Ich nehme an, Neugier war nicht unbedingt eine der Eigenschaften, die die Erbauer für die Verwalter ihrer Perlen bevorzugten.“
„ Sondern?“
„ Zuverlässigkeit und Gehorsam.“
„ Ich verstehe.“
„ Nein, das glaube ich kaum.“
Die Antwort Ovayrans war durchaus reserviert. Zumindest hatte Scobee es so empfunden. Vielleicht ist das aber auch nur eine Projektion meinerseits!, dachte sie.
„ Es ist keineswegs so, dass wir nicht versucht hätten, die Erbauer zu finden“, hatte Ovayran zögernd gesagt. „Aber wer könnte behaupten, dass irgendeine andere Spezies im Universum bei der Erforschung ihrer Ursprünge erfolgreicher gewesen wäre! Der Mensch namens John Cloud, auf dessen Raumschiff du gereist bist, verstand doch wohl auch die technischen Grundlagen seines Schiffes nur mangelhaft. Eines Schiffes, das im Übrigen ebenfalls nicht von Angehörigen seiner Spezies erbaut worden ist, wie jeder sofort zu erkennen vermag, der auch nur einen Moment lang energetischen Kontakt zum Bordrechner hatte.“
„ Ich habe mit meiner Bemerkung die Fähigkeiten der Gloriden nicht herabsetzen wollen“, versicherte Scobee. Im Umgang mit Ovayran musste man offenbar immer aufpassen, auf dem schmalen Grat zwischen Offenheit und Diplomatie zu bleiben.
Manche seiner Reaktionen verstand sie jedoch auch schlicht und ergreifend nicht. Aber das ging ihm gewiss ähnlich…
„Im Grunde hast du vollkommen Recht, Scobee“, fand er, nachdem er ein paar Augenblicke lang scheinbar ziellos durch den Raum gewandert war und beinahe alle Gegenstände berührt hatte, die auf Scobees Wunsch zur Einrichtung gehörten. Viel war das nicht: ein Bett, ein kleiner Schrank, die Konsole, eine Skulptur ausenergetischer Pseudomaterie, an der sie gegenwärtig arbeitete …
Gerade diese Skulptur, schien es ihm angetan zu haben. Sie veränderte sich ständig – je nachdem, in welcher psychischen Verfassung man ihr gegenübertrat. Entweder bildete sie kompakte, starke Formen aus oder sie zog sich im anderen Extremfall zu einem kleinen Ballon zusammen. Scobee hatte Deshralit – wie die energetische Pseudomaterie von Gloriden genannt wurde – auf Ovayrans Schiffkennen gelernt. Durch Kalibrierung eines Rechners, der mit einem Gravobeeinflusser verbunden war, konnte man die Ausformungen manipulieren und seine eigene Psycho-Statue erfinden.
Immerhin vertrieb es sowohl die Zeit als auch depressive Stimmungen, die Scobee hin und wieder heimsuchten.
„ Wir hatten Äonen Zeit dafür, die Erbauer zu finden oder wenigstens ihre Technik soweit zu verstehen, dass wir in der Lage wären, die gegenwärtigen Probleme des Netzwerks selbst zu lösen. Aber eines solltest du vielleicht noch bedenken, Scobee.“
Ihre Stirnmuskulatur bewegte sich. Die Tattoos, die bei ihr anstelle von Augenbrauen zu finden waren, hoben sich ein paar Millimeter empor.
„ Was?“, fragte sie.
„ Wer sagt uns, dass die Erbauer überhaupt wollten, dass wir sie finden?“, fragte Ovayran. „Wer sagt uns, dass sie in ihre Technik nicht vielleicht Spezifikationen eingebaut haben, die es verhindern, dass wir ihre Hinterlassenschaften verstehen.“
„ An diese Möglichkeit habe ich durchaus bereits gedacht, Ovayran“, erklärte Scobee.
Aber es gab auch noch eine Möglichkeit, die Scobee viel näherliegend erschien, die sie allerdings Ovayran gegenüber verschwieg.
Was, wenn die Erbauer dafür sorgten, dass irgendeine Spezifikation des gloridischen Organismus selbst verhindert, dass sie zu den Dingen in der Lage sind, die sie doch schon so lange anstreben?
Scobee hatte schließlich erlebt, dass selbst die recht primitive Biotechnologie der Erde des mittleren 21. Jahrhunderts dazu in der Lage gewesen war, ein Programm in den genetischen Code der GenTecs einzubauen, der dafür sorgte, dass ein Klon unter allen Umständen loyal blieb. Ein Gehorsamkeitsprogramm, das sich sogar für die Gefolgschaft zu einzelnen Individuen anwenden ließ!
War es wirklich so abwegig, dass auch die Erbauer etwas Derartiges mit den Gloriden getan hatten?
Aber Scobee hatte mit Ovayran dieses Thema nicht vertiefen wollen. Einerseits war es zu dicht an dem, was ihre eigenen Albträume beflügelte und andererseits hoffte sie wirklich inständig, dass die Gloriden mehr waren als nur bloße Marionetten der Perlenerbauer mit begrenzter Willensfreiheit.
Ovayran materialisierte in der Zentrale der AUGE DES PERIGOR. Sebuyan, einer von insgesamt fünf Steuermännern, die an Bord des von außen wie eine goldene Kugel oder die Miniaturausgabe einer CHARDHIN-Perle aussehenden Raumschiffs in wechselnden Dienstzeitquanten die Kontrolle über die Steuersysteme übernahmen, war gerade damit beschäftigt, den Rechner für die bevorstehende Fahrt durch den Leerraum zu kalibrieren. Insbesondere das Navigationssystem musste vor Antritt eines derartigen Fluges optimiert und an die Bedingungen des Leerraums angepasst werden. Normalerweise holte sich das Navigationssystemüber die Außensensoren der AUGE DES PERIGOR ständig aktualisierte Positionsdaten herein, die durch Anpeilung von Sternenpositionen gewonnen wurden. Selbst bei einer so komplexen und hochentwickelten Technologie, wie sie für das goldene Schiff kennzeichnend war, kam es sonst nämlich zu kleineren Abweichungen vom Kurs. Abweichungen, die sich auf kurze Strecken kaum auswirkten. Aber auf Distanzen über zehntausende oder gar hunderttausende von Lichtjahren konnte die Abweichung von einem hundertstel Grad schon bedeuten, dass man sein Ziel um viele Lichtjahre verfehlte.
Im Leerraum war diese Korrektur nur bedingt möglich. Es fehlten einfach nahe gelegene Fixpunkte für die Peilung. So musste auf weiter entfernte Objekte zurückgegriffen werden – fremde Galaxien, große und sehr aktive Pulsare, markante Radioquellen und anderes mehr.
Ovayran blickte zuerst auf den großen Holobildschirm, auf dem nur noch vereinzelt Sterne und ferne Galaxien zu sehen waren, darunter die Milchstraße.
Die Mkuro-Triebwerke der Auge des Perigor liefen auf Hochtouren und hatten neunzig Prozent ihres Beschleunigungsvermögens erreicht.
„ Es wird eine Z-Raum-Turbulenz angezeigt“, meldete der gloridische Steuermann, der gerade sein Dienstzeitquantum in der Zentrale versah. „Ich werde die Triebwerksleistung auf 80 Prozent zurückfahren, um ein Überschreiten des mesonischen Grenzwertes zu vermeiden.“
„ Tu das“, stimmte Ovayran zu, obwohl ihm die damit verbundene Verzögerung ganz und gar nicht gefiel.
Der Antrieb des goldenen Kugelschiffs basierte auf dem so genannten Z-Raum, einem Zwischenkontinuum. Die Auge des Perigor beschleunigte normalerweise mit der Kraft der Kleinen Perle bis auf die Hälfte der Lichtgeschwindigkeit. Ovayran hatte lange mit einem Gloriden in Verbindung gestanden, der sich Askuyan nannteund in einer 800 Millionen Lichtjahre entfernten CHARDHIN-Perle residierte, die sich im Zentrum einer Galaxie mit dem Namen PERIGORS HAND befand. Tatsächlich erinnerte die durch eine Galaxienkollision entstandene Form von PERIGORS HAND entfernt an eine siebenfingrige Hand und hatte daher ihren Namen erhalten. Außerdem hatte jener unbekannte Gloride, der dieser Galaxie ihren Namen verlieh, offenbar eine Vorliebe für die Sagengestalten der gloridischen Mythologie und den Namen auf Perigor, einen bekannten Helden aus jener Zeit, als die Gloriden noch vollkommen materiegebunden waren, bezogen. Eine Zeit, die im Bewusstsein von Ovayrans Volk so fern war, dass sie nur noch in Sagen und Legenden existierte.
Der Gloride Askuyan jedenfalls hatte sich vorgenommen, die Natur jener Kraft der Kleinen Perle zu erkunden, die die Raumschiffe der Gloriden im Unterlichtbereich antrieb.
Ovayran hatte lange mit ihm korrespondiert und ihn sogar besucht, denn auch ihn hatte dieses Thema interessiert. Nicht so brennend stark wie Askuyan, der ihm offenbar sein gesamtes Leben – oder wie die Gloriden es auszudrücken pflegten: sein Existenzzeitquantum – gewidmet hatte. Aber immerhin stark genug, um die CHARDHIN-Perle im Zentrum von PERIGORS HAND regelmäßig zu besuchen.
So lange das kosmische Netz einwandfrei funktionierte, war das keinerlei Problem gewesen. Wie weit eine Galaxie entfernt war, spielte für die Dauer des Transfers via Perle keine Rolle. Wichtig war nur, dass sich jenseits des Ereignishorizontes des zentralen Schwarzen Lochs eine CHARDHIN-Station befand.
Doch nach und nach war die Verbindung zwischen den Perlen abgebrochen.
Ovayran hatte die inzwischen von einem mysteriösen Aggressor eroberte Perle im Zentrum der Milchstraße erlebt – und vor kurzem war er in der Andromeda-Perle auf ähnliche Phänomene gestoßen. Das kosmische Netz, die Ewige Kette, war an mehreren Stellen bereits gerissen und so war es auch zu einem unfreiwilligen Abbruch des Kontakts zwischen Ovayran und Askuyan gekommen.
Als dieser seine Botschaften zunächst nicht beantwortet hatte, war in der Milchstraßen-Perle noch alles in Ordnung gewesen. Ovayran nahm an, dass Askuyan vielleicht dermaßen mit seinen Forschungen beschäftigt war, dass ihm einfach nicht einmal mehr das kleinste Minimalzeitquantum blieb, um jemandem, dereinen sehr interessierten Anteil an seiner Forschung nahm, eine Antwort zukommen zu lassen.
Erst die späteren Entwicklungen hatten Ovayran den Abbruch des Kontakts in einem anderen Licht erscheinen lassen.
Die Perle im Zentrum von PERIGORS HAND war vielleicht genauso von der Außenwelt und dem kosmischen Netz abgeschnitten worden, wie dies nun auch mit Andromeda und vermutlich vielen weiteren Galaxien geschehen war, deren Perlen einfach keine Signale mehr empfingen. Weder Transporte noch Informationsübertragung schienen von einem gewissen Stadium an noch möglich zu sein.
Askuyan war jedenfalls der Ansicht gewesen, dass die Kraft der Kleinen Perle darauf beruhte, dass sich die gloridischen Raumschiffe an den Gravitationslinien entlangzogen, wie es primitive arachnoide Lebensformen an den netzartigen Strukturen taten, die sie ausspannten, um damit ihre Beute zu fangen.
Allerdings basierte die Kraft der Kleinen Perle wohl nicht auf einem Netz, das von irgendjemandem aufgespannt worden war, sondern das sich ganz von selbst und den Gesetzen der Natur gehorchend gebildet hatte. Eine Struktur, die das gesamte Universum unsichtbar durchzog.
Ovayran wusste, dass man mit der Kraft der Kleinen Perle durchaus auch noch weiter als bis zur halben Lichtgeschwindigkeit beschleunigen konnte. Aber ab diesem Wert begann sich der Effekt der Zeitdilatation auszuwirken. Ein Effekt, der den Betreffenden selbst in einer derart stabilen, über Äonen hinweg existierenden Gesellschaft wie der der Gloriden, seiner Zeit entreißen und in eine unbekannte Zukunft schleudern konnte.
Ein Gloride hatte daran normalerweise kein Interesse.
Zwar war der Eintritt in den Z-Raum, der auch das Reich des Limbus genannt wurde, umso leichter, desto höher die Geschwindigkeit war und das betreffende Schiff sich der Lichtgeschwindigkeit annäherte. Aber da man bereits ab 0,5 LG unter der Voraussetzung, dass alle Systeme einwandfrei funktionierten, keinerlei Probleme beim Übertritt in das Reich des Limbus hatte, kam es kaum dazu, dass ein Gloridenschiff mit Hilfe der Kraft der Kleinen Perle den Wert von 0,5 LG überschritt. Die wenigen, die dies dennoch taten, hatten auch ihre Gründe dafür. Bei sehr wenigen war es vielleicht Forscherdrang, bei den anderen standen Schwierigkeiten im Existenzzeitquantum der Gegenwart dahinter, sodass sie die Flucht in ein fernes Zeitquantum antraten.
Der Zwischenraum war ein Kontinuum, dessen Verständnis sich dem Gloriden vollkommen entzog. Ovayran wusste, dass die Gesetze der Physik des Normalraums dort nur bedingt galten. Aber es war keineswegs ein höherdimensionales Kontinuum wie der Hyperraum, der vor allem von Spezies, die die Gloriden für vergleichsweise primitiv hielten, zum Überlichtflug durch Transition genutzt wurde.
Der Flug im Zwischenraum bedeutete nicht, dass das Gloridenschiff entmaterialisierte, wie es bei Transitionen jedweder Art der Fall war. Das goldene Schiff blieb lediglich in Form einer optischen Resonanz im Normalraum existent.
Ein Trugbild, das für Messungen von außen nicht vom tatsächlichen Schiff unterscheidbar war. Zwischen Normalraum und Limbus existierte offenbar nur eine sehr dünne „Trennwand“, die es ermöglichte, während des gesamten Z-Raum-Flugs den Normalraum des durchflogenen Gebietes ortungstechnisch zu erfassen.
Die Auge des Perigor hatte auf diese Weise zurzeit eine Existenzebene erreicht, die sie im Normalraum zu einem körperlosen Phantom machte, das in der Lage war, feste Materie zu durchdringen. Daher war das Schiff während des Z-Raum-Flugs so gut wie unangreifbar. Das galt allerdings nicht für die Unbilden des Zwischenraums, in dem es immer wieder zu Turbulenzen kam. Ausgelöst wurden diese Turbulenzen sehr häufig durch Verwerfungen im Netz der Gravitationslinien. Plötzliche Bewegung großer Massen konnte das bewirken.
Es galt unter Raumkommandanten der Gloriden als ungeschriebenes Gesetz, dass man in solchen Fällen das Energielevel des Z-Raum-Antriebs herunterschalten musste, da die Turbulenzen im Reich des Limbus ansonsten schwerwiegende Schäden am Schiff verursachen konnten. Sie brachten beispielsweise das Rechnersystem zum Kollaps – aus Gründen, über die wahrscheinlich kein einziger lebender Gloride wirklich Bescheid wusste.
Im günstigsten Fall wurden bei besonders heftigen Turbulenzen verschiedene Sicherheitsschalter aktiviert, die das betreffende Kugelschiff dann in den Normalraum zurückkehren ließen. Aber wenn es zuvor zu einer plötzlichen Drosselung der Geschwindigkeit innerhalb des Z-Raums kam, wurde unter Umständen eine Rückkehr ins Normaluniversum unmöglich. Der Rechner kollabierte und falls er sich nicht wiederherstellen ließ, drohte eine ewige Gefangenschaft im Zwischenraum. Hier und da waren solche Schiffe beobachtet worden. Sie irrlichterten als Geisterschiffe durch die Dunkelheit des Universums und hatten keinerlei materielle Substanz im Normalraum. Eine Beschleunigung des Geisterschiffs im Zwischenraum aus eigener Kraft war in den meisten Fällen auf Grund des kollabierten und nicht wieder herstellbaren Rechnersystems unmöglich. Kein Gloride besaß das Wissen der Erbauer, das offenbar dazu nötig war, um es dann von Grund auf neu konfigurieren zu können.
Aber ein anderes Gloridenschiff konnte dem Geisterschiff auch nicht helfen. Eine Datenübertragung war zwar möglich, aber um die Mannschaft evakuieren zu können, hätte auch das Retterschiff seine Geschwindigkeit im Z-Raum mit dem Geisterschiff synchronisieren müssen, was bedeutete, dass bei den Rettern ebenfalls die Rechnersysteme kollabiert wären.
Eine Reihe von Geisterschiffen war genau auf diese Weise entstanden. Manche von ihnen flogen schon seit ewigen Zeiten durch das All. Ihre Besatzungen hatten ihr Existenzzeitquantum schon seit langem verbraucht und befanden sich im Kontinuum der Nichtexistenz, wie Gloriden den Tod zu umschreiben pflegten.
Eines dieser Geisterschiffe wurde gerade vom Ortungssystem erfasst. Ovayran hatte sich mit den Sensoren in direkte energetische Verbindung begeben, sodass er einen ungehinderten Zugriff auf die eingehenden Daten hatte. Manchmal fragte er sich, ob die einfachen, ausschließlich Materie gebundenen Völker, auf die Ovayran während seiner zahllosen Reisen in weit entfernte Gebiete des Universums gestoßen war, überhaupt dazu in der Lage waren, ohne eine energetische Teilentmaterialisierung einen vernünftigen Zugang zu den Rechnersystemen ihrer Schiffe oder anderen technischen Anlagen zu bekommen.
Aber sie haben ihre Technik wenigstens meist aus eigener Kraft entwickelt!, meldete sich ein Kommentator, der irgendwo tief verborgen in seiner Seele lauerte und anscheinend nur darauf gewartet hatte, Ovayran mit einer kritischen Bemerkung einen Stich zu versetzen.
Einen Stich, der im Übrigen genau ins energetische Zentrum traf, wie die Gloriden es auszudrücken pflegten.
Ja, es stimmt. So primitiv diese Spezies auch sein mögen und so wenig mich ihr Schicksal oder ihre Gewohnheiten in der Vergangenheit gekümmert haben – sie sind vielleicht doch in einer viel glücklicheren Lage als wir. Mühsam mussten sie sich ihre Technik erarbeiten. Aber gleichgültig wie uneffektiv das erst gewesen sein mag und wie unzulänglich ihre Technik dann schlussendlich trotzdem war – sie erreichten all dies aus eigener Kraft. Und vor allem verstanden sie auch in der Regel, was sie taten. Sie wussten, warum ihre einfachen Mechanismen funktionierten. Wir Gloriden hingegen nutzen die Früchte der Erbauer-Technologie und sind noch nicht einmal in der Lage, das Rechnersystem zu rekonfigurieren, wenn es durch Z-Raum-Turbulenzen zum Kollaps gebracht wird!
Ovayran ließ einen weiteren Holoschirm entstehen. Darauf war das Geisterschiff nun deutlich zu sehen. Dass es sich um ein Geisterschiff und nicht etwa um ein weiteres normales Gloridenschiff handelte, war dadurch erwiesen, dass es soeben einen Gasriesen durchflogen hatte, ohne dass sich dabei auch nur der kleinste messbarere Effekt gezeigt hätte.
Und für ein Schiff im regulären Z-Raum-Flug war es schlicht und ergreifend zu langsam.
Die Geschwindigkeit betrug gerade mal 0,0132 LG. So etwas kam nur bei Geisterschiffen vor. Darüber hinaus war das automatische Identifizierungssignal, dass von dem Schiff ausgesandt, wurde durch Z-Raum-Interferenzen stark verzerrt und viele Äonzeitquanten alt.
Melancholische Gedanken bemächtigten sich Ovayrans Bewusstsein, während er die Daten über das Geisterschiff in sich aufnahm. Es erschien ihm wie ein Sinnbild gescheiterter Existenz. Weggeworfenes Leben, vergeudet aus Unachtsamkeit und der Unfähigkeit, die Systeme der goldenen Schiffe wirklich vollkommen verstehen und nicht nur benutzen zu können.
„Es ist tatsächlich ein Geisterschiff. Die letzten Daten liefern dafür die endgültige Bestätigung!“, meldete jener Gloride, der im Augenblick sein Dienstzeitquantum als Ortungsoffizier in der Zentrale der Auge des Perigor ableistete.
„ Ja, ich weiß“, sagte Ovayran.
„ Wir können ihnen nicht helfen. Ihr ID-Signal ist darüber hinaus bereits mehrere Äonzeitquanten alt“, erklärte der Ortungsoffizier.
„ Auch das ist mir bekannt.“
„ Offenbar geschahen auch in jener Vergangenheit, in der dieses Geisterschiff auf seine unglückselige Reise ging, Fehler Einzelner, die sich auf diese tragische Weise auswirkten …“
„Nein“, sagte Ovayran. „Mit Fehlern Einzelner hat das nur bedingt etwas zu tun.“
„ Womit dann?“, fragte der Steuermann. „Hast du eine bessere Erklärung, Ovayran?“
Die Antwort auf diese Frage blieb Ovayran schuldig.
In diesem Augenblick öffnete sich eine der unsichtbar in die Wände eingelassenen Zugangstüren zur Zentrale der AUGE DES PERIGOR.
Scobee trat ein.
Die Brücke gehörte zu den Sektoren des Schiffs, die durch Korridore miteinander verbunden waren. Das galt allerdings längst nicht für alle Bereiche. Teile des Schiffs waren daher nur für Gloriden zugänglich, die einfach in ihre energetische Form wechselten, dabei eine Wand durchdrangen und sich am gewünschten Ort befanden. Für ein rein körperlich existierendes Wesen wie Scobee war die AUGE DES PERIGOR einfach nicht gemacht.
Scobees Blick fiel unweigerlich auf die Holoprojektion des Geisterschiffs. Sie zog die Stirnmuskulatur zusammen, wodurch sich die länglichen Tattoos zu Schlangenlinien kräuselten und über ihrer Nase eine tiefe Furche auf der ansonsten glatten Stirn erschien.
„ Ich wusste nicht, dass wir noch ein anderes Ziel ansteuern oder uns mit jemandem treffen“, stellte sie fest.
„ Das tun wir auch nicht“, erwiderte Ovayran. „Was du siehst ist nichts als ein Echo aus ferner Vergangenheit.“
„ So?“
In knappen Worten versuchte Ovayran, Scobee zu erklären, was es mit den Geisterschiffen auf sich hatte.
Sie verschränkte die Arme vor der Brust.
„ Ich wusste nicht, dass die Fahrt auf euren Schiffen derart gefährlich ist …“
„ Das ist es eigentlich auch nicht“, erwiderte Ovayran. „Der Fehler liegt nicht bei den Schiffen, sondern bei uns. Wenn unsere Fähigkeiten größer wären, hätte man die Geisterschiffe vermeiden können. Aber letztlich sind und bleiben wir die Nachfahren des armen Perigor …“
„ Perigor?“, echote Scobee und zuckte anschließend mit den Schultern. „Das kommt im Namen deines Schiffes vor.“
„ Ja, das stimmt …“, bestätigte Ovayran mit ausdrucklosem Gesucht.
„ Ist Perigor der Name eines großen Gloriden aus eurer Vergangenheit.“
„Ja, das könnte man sagen“, sagte Ovayran. „Allerdings ist Perigor nicht nur irgendein Held unserer Mythen. Er ist die Verkörperung unseres Ursprungs, auch wenn wir natürlich wissen, dass die Schilderungen über ihn wahrscheinlich reine Erfindung sind. Aber dass der Wert solcher Mythen auf einer übertragenen Ebene liegt, brauche ich dir ja wohl nicht zu erklären, Scobee.“
Eigenartig, dachte Scobee. Die Erwähnung dieses Perigor scheint irgendetwas ihn ihm ausgelöst zu haben.
Anders als sonst schien der Kommandant des goldenen Kugelschiffs im Moment alles andere als redselig zu sein. Er machte auf Scobee den Eindruck, in Gedanken versunken zu sein, auch wenn seinem Gesicht nicht das Geringste anzumerken war.
„Wer war dieser Perigor, nach dem dieses Schiff benannt wurde?“, fragte Scobee und dachte dabei: Wenn Ovayran nichts dabei findet, mich mit seinen Gesprächswünschen zu überfallen, ohne, dass es ihn dabei interessiert, ob mein Wunsch nach Kommunikation ebenso groß ist wie der seine, so brauche ich wohl auch kein schlechtes Gewissen zu haben, ihm Löcher in den Bauch zu fragen, wenn mir danach ist …
Zunächst schwieg Ovayran.
Scobee dachte schon, dass er das angesprochene Thema aus irgendeinem unerfindlichen Grund zu vermeiden versuchte und deswegen einfach schwieg, wie es ansonsten auch seine Art war.
Aber das war nicht der Fall. Er schien einfach nur eine Weile gebraucht zu haben, bis er seine Gedanken geordnet hatte.
Ein Ruck ging durch seinen grazilen Körper. Er wandte Scobee den Kopf zu und sah ihr direkt in die Augen.
„Das Schiff trug früher einen anderen Namen“, erklärte Ovayran. „Ich habe ihn geändert. AUGE DES PERIGOR – das passt sehr gut zu den Zielen, die ich mir gesetzt habe.“ Erstaunlicherweise machte Ovayran jetzt etwas, was Scobee zuvornur äußerst selten bei einem Gloriden gesehen hatte: eine Geste. Er deutete auf die Holodarstellung des Geisterschiffs, das gerade ein Asteroidenfeld durchflog, ohne dass es dabei zu Kollisionen kam. Es schwebte einfach durch die ungezählten Gesteinsbrocken hindurch, die seinen Weg kreuzten.
Wie eine holographische Projektion, dachte Scobee. Ein Schiff, das hart an der Grenze zu unserer Realitätsebene entlangschrammt, ohne die unsichtbare Linie je wieder überschreiten zu können …
„Perigor ist eine gloridische Sagengestalt aus jener Zeit, da unser Volk noch vollkommen materieller Natur war und wir noch nicht über die Fähigkeit verfügten, uns in Energie zu verwandeln“, berichtete Ovayran. „Er war ein Gloride, dessen Existenzzeitquantum gerade begonnen hatte, das übrigens in jener Zeit noch viel knapper bemessen war als es bei heute existierenden Gloriden der Fall ist. Perigor lebte in einer Galaxie, die unter der Bezeichnung Insel im Nichts in die Mythologie unseres Volkes eingegangen ist. Niemand weiß, ob die Insel im Nichts oder Perigor je existiert haben. Wir wissen nicht einmal, ob es tatsächlich jemals ein unerleuchtetes Zeitalter gab, in dem wir nicht den Erbauern der CHARDHIN-Perlen dienten, sondern ein auf uns selbst gestelltes, autonomes Leben führten. Es ist sogar möglich, dass wir in Wahrheit von den Erbauern geschaffen und gezielt herangezüchtet wurden, bis wir optimal an unsere Aufgaben angepasst waren … Aber so weit reicht die Erinnerung meiner Rasse nicht. Die Geschichte von Perigor spielt in jenem Äonzeitquantum, in dem sich alles miteinander verbindet und alles verliert: Wahrheit und Dichtung, Vergangenheit und der Wunsch nach einer Zukunft …“
„ Erzähle mir mehr von diesem Perigor“, hakte Scobee nach. Anstatt wochenlang nur darauf zu warten, dass das Schiff endlich die heimatliche Milchstraße erreichte und sie sich dort umsehen und die neue Lage erkunden konnte, war es doch besser, etwas über die Kultur und Geschichte dieses seltsamen Volkes zu erfahren, dessen Fähigkeiten trotz Ovayrans Geringschätzung für die Leistungen seiner Spezies, denen jedes Menschen ungeheuer hoch überlegen waren.
„ Perigor hatte ein Raumschiff, das er DIE SUCHENDE nannte“, fuhr Ovayran fort.
„ Ein poetischer Name!“, meinte Scobee.
„Vielleicht ist es ja auch nur Teil einer poetischen Erzählung und nicht der realen Geschichte!“, gab Ovayran zu bedenken. „Den größten Teil jener Galaxie, die die Gloriden Insel im Nichts nannten, war bereits von Perigors Volk erobert und besiedelt worden. Aber eine wabenförmige, irreguläre Zwerggalaxie die die Insel im Nichts umkreiste, war noch unerforscht.
Perigor brach dorthin auf, obwohl die Oberen seines Volkes, die Inselweisesten, es ihm verboten hatten. Perigor jedoch stellte gegen alle Tradition und jedes Tabu die Weisheit seiner selbst über die Weisheit der Inselweisesten und brach auf. Ohne Zwischenfälle reiste er mit Hilfe der DIE SUCHENDE – bei der es sich keineswegs um einen perlenförmigen Raumer, wie er heute bei den Gloriden gang und gäbe ist, handelte, sondern um ein kreuzförmiges und sehr langes Schiff, das konzipiert war, um dauerhaft darauf zu leben ... Zumindest wird das in der Überlieferung soberichtet.
In der Zwerggalaxie, die unter Bezeichnung Die Geheimnisvolle bekannt war, da es in ihrem Inneren sehr große Ortungsschatten unbekannter Ursache gab, traf Perigor auf eine Spezies, die in der Überlieferung als die Baumeister bezeichnet werden. Sie waren die Ursache der Ortungsschatten, denn sie verfügten über einmalige Fähigkeiten, sich zu tarnen und abzuschirmen. Ihre Wissenschaft und Technik war jener der Gloriden weit voraus. Selbst in vielen Äonzeitquanten hätten die Gloriden diesen Wissensstand nicht erreichen können. Perigor war beeindruckt und die Baumeister machten ihm einen Vorschlag. Sie wollten ihm all ihr Wissen zugänglich machen, wenn er dafür bereit wäre, ihnen bedingungslos zu dienen.“
„ Klingt nach einem Angebot, von dem man besser die Finger lassen sollte“, meinte Scobee.
Ovayran wandte das Gesicht in ihre Richtung. Er musterte sie ausdruckslos, seine Züge waren so weich und unkonturiert, dass man sich schwer vorstellen konnte, wie dieses androgyne Wesen überhaupt je zu einem regelrechten Zornesausbruch fähig sein sollte.
„Perigor sah dies der Überlieferung nach vollkommen anders“, sagte Ovayran. „Er war viel zu fasziniert von den technischen Errungenschaften und Wundern, die er bei den Baumeistern kennen lernte, um ihr Angebot abzulehnen. So übergaben die Baumeister ihm einen Gegenstand, der wie ein übergroßes Juwel aussah. Sie nannten es dasAuge des Wissens und implantierten es ihm – genau in die Mitte derStirn. Aber sie verbanden noch eine weitere Bedingung mit dieser Gabe: Perigor durfte sein Wissen nicht ohne Erlaubnis der Baumeister mit anderen teilen.“
„ Solche Geschichten haben es an sich, dass diese Bedingung nicht eingehalten wird“, sagte Scobee. „Ich nehme an, bei Perigor war das auch so!“
„Er kehrte zur Insel im Nichts zurück“, berichtete Ovayran. „Die Baumeister hatten ihn mit dem Auftrag in seine alte Heimat zurückgeschickt, weitere Gloriden zu rekrutieren, die würdig waren, ebenfalls mit Augen des Wissens ausgestattet zu werden und den Baumeistern zu dienen. Nur die Besten der Besten sollten dafür in Frage kommen. Insbesondere brauchten die Baumeister Wartungspersonal für ihre wichtigsten Bauwerke – die Perlen am Rand der ewigen Finsternis oder auch CHARDHIN-Perlen genannt. Die Knotenpunkte ihres kosmischen Netzes mussten ständig bemannt sein. Die Zahl der Baumeister hingegen war dazu einfach nicht groß genug. Perigor erfüllte seine Aufgabe, indem er den Baumeistern viele der Besten unter den Gloriden zuführte, die bereit waren, ihre Selbstständigkeit und Autonomie gegen die Teilhabe am unermesslichen Wissen dieser geheimnisvollen Wesen zu erkaufen, die sich selbst als Baumeister des Kosmos betrachteten.
Aber Perigor tat noch etwas anderes. Er stellte sein Wissen dem Inselweisesten zur Verfügung. Und diesem drängte sich natürlich sofort die Frage auf: Warum sollen die Besten unter uns den Baumeistern dienen, wo wir doch über Perigor eine Möglichkeit haben, uns dasselbe Wissen zunutze zu machen, das die Baumeister erst in vielen Äonzeitquanten erlangten?
Und so machte der Inselweiseste Perigor – ebenso wie es die Baumeister getan hatten – ein Angebot, das so verlockend war, dass der Held dieser alten Sage es nicht abzulehnen vermochte. Der Inselweiseste sagte: ‚Hilf mir, durch das Wissen der Baumeister ein mächtiges Gloriden-Reich aufzubauen. Du wirst großen Einfluss bekommen und an meiner Seite über diese Reich herrschen. Bald, so wirst du sehen, hat unser Reich die Macht der Baumeister in den Schatten gestellt und wir können ihre Perlen am Rand der ewigen Finsternis eine nach der anderen erobern und selbst übernehmen.’
Perigor war von diesem Vorschlag sehr angetan und versprach, dem Inselweisesten zu helfen. Aber die Baumeister erfuhren von den Plänen, die der Inselweiseste und seine Getreuen geschmiedet hatten und die letztlich darauf hinausliefen, zur stärksten Macht im bekannten Universum zu werden. Doch die Baumeister waren keineswegs bereit, tatenlos zuzusehen, wie jemand sie so schändlich hinterging. Sie schickten die Nashkandoo – das bedeutet in der Sprache der Altvorderen so viel wie die Brutalen oder die Rücksichtslosen. Die Nashkandoo waren den Baumeistern so ergeben, wie es die Gloriden hätten sein sollen. Ein blutiger Rachefeldzug begann. Perigor geriet in Gefangenschaft der Nashkandoo. Ihm wurde das Auge des Wissens wieder entfernt. Die Baumeister bestraften die Gloriden damit, dass bis zum Ablauf des nächsten Äonzeitquantums kein Gloride die Ehre haben würde, den Baumeistern zu dienen, geschweige denn, an ihrem Wissen teilzuhaben. Stattdessen wurden von ihnen nun die Nashkandoo privilegiert.“
„ Was geschah mit Perigor?“, erkundigte sich Scobee.
„Er wurde in das Stadium der Nicht-Existenz versetzt, so wie es dem Gesetz der Baumeister