Die besten Geheimnisromane März 2022: Romantic Thriller Sammelband 6 Romane - Alfred Bekker - kostenlos E-Book

Die besten Geheimnisromane März 2022: Romantic Thriller Sammelband 6 Romane E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Titel: Dunkler Reiter (Alfred Bekker) Palast der Nachtgeschöpfe (Alfred Bekker) Der indische Fluch (Alfred Bekker) Blutschwestern (Ann Murdoch) Das verhängnisvolle Tagebuch (Ann Murdoch) Geheime Wege ins Verderben (Ann Murdoch Glencore House ist eine schottische Inselresidenz, auf der wenig so ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Hier versucht Jennifer Tyrone, einen schweren Schicksalsschlag zu überwinden und wieder einen Lebenssinn zu finden. Sie betreut die zwei Kinder der Witwe Montgomery, doch bald gerät sie in ein düsteres Familienrätsel hinein, und die Lage sieht hoffnungslos aus. Wird Jenni das Rätsel lösen können?

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Alfred Bekker, Ann Murdoch

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Inhaltsverzeichnis

Die besten Geheimnisromane März 2022: Romantic Thriller Sammelband 6 Romane

Copyright

Dunkler Reiter

Palast der Nachtgeschöpfe

Der indische Fluch

​Blutsschwestern

​Das verhängnisvolle Tagebuch

Geheime Wege ins Verderben

Die besten Geheimnisromane März 2022: Romantic Thriller Sammelband 6 Romane

von Alfred Bekker, Ann Murdoch

Dieser Band enthält folgende Titel:

Dunkler Reiter (Alfred Bekker)

Palast der Nachtgeschöpfe (Alfred Bekker)

Der indische Fluch (Alfred Bekker)

Blutschwestern (Ann Murdoch)

Das verhängnisvolle Tagebuch (Ann Murdoch)

Geheime Wege ins Verderben (Ann Murdoch

Glencore House ist eine schottische Inselresidenz, auf der wenig so ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Hier versucht Jennifer Tyrone, einen schweren Schicksalsschlag zu überwinden und wieder einen Lebenssinn zu finden. Sie betreut die zwei Kinder der Witwe Montgomery, doch bald gerät sie in ein düsteres Familienrätsel hinein, und die Lage sieht hoffnungslos aus. Wird Jenni das Rätsel lösen können?

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author

© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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Dunkler Reiter

Romantic Thriller von Alfred Bekker

Der Umfang dieses Buchs entspricht 100 Taschenbuchseiten.

Die junge Lehrerin Maureen Stanley tritt in einem kleinen Ort ihre erste Stellung an und mietet von dem etwas merkwürdig wirkenden Jason Cormick ein Haus, auf dem eine Art Fluch zu liegen scheint. Die Vormieterin endete im Wahnsinn. Sie glaubte von einem unheimlichen, schwarz maskierten Reiter verfolgt zu werden. Und genau dieser unheimliche Reiter scheint es auch auf Maureen abgesehen zu haben.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author / COVERFOTO STEVE MAYER + PIXABAY

© dieser Ausgabe 2020 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

www.AlfredBekker.de

[email protected]

1

Der Himmel war düster und wolkenverhangen an jenem späten Herbstnachmittag im Jahre des Herrn 1725.

Die junge Frau raffte verzweifelt ihre Röcke zusammen und rannte mit angstgeweiteten Augen vorwärts, während sie den Puls bis zum Hals schlagen fühlte.

Vor ihr lag das Moor und sie lief immer tiefer hinein. Sie keuchte und blickte sich um. Und dann sah sie ihn. Er war auf eine Anhöhe geritten, zügelte nun sein Pferd und ließ den Blick kurz umherschweifen. Dann trieb er den Rappen roh vorwärts und kam rasch näher.

Die junge Frau schluckte.

Sie hetzte noch ein paar Schritte vorwärts und stolperte dann über eine Wurzel. Sie strauchelte und fiel hin, während das Geräusch galoppierender Pferdehufe an ihr Ohr drang.

Der finstere Reiter, der sie verfolgte, trug einen Dreispitz und eine weißgepuderte Perücke. Das Gesicht war mit einer schwarzen Maske bedeckt, aber sie wusste auch so, um wen es sich bei dem Verfolger handelte.

Oder vielmehr: Sie ahnte es. Seit Wochen schon war dieser geisterhafte Reiter hinter ihr her...

Und jetzt, so schien es, hatte er sein Ziel fast erreicht.

Sie war ihm ausgeliefert!

Die Rockschöße flatterten hinter dem Reiter her, während er mit der Rechten einen langen, scharfen Säbel schwang.

Oh, mein Gott!, dachte die junge Frau und versuchte verzweifelt, sich wieder hochzurappeln. Aber da war der Reiter bereits heran.

Er stoppte sein Pferd, indem er es brutal an den Zügeln herumriss, woraufhin sich das Tier wiehernd auf die Hinterhand stellte.

Die junge Frau wagte es nicht, sich zu bewegen.

Es ist vorbei!, dachte sie. Ich werde ihm nicht entfliehen können...

"Ann", flüsterte der Maskierte und sie zuckte zusammen. Die Stimme! Er war es wirklich! Es war seine Stimme! "Endlich, Ann! Endlich...", flüsterte der Reiter und seine Worte waren eine einzige Drohung.

Ann war kreidebleich geworden. Auch der letzte Rest von Farbe war aus ihrem Gesicht verschwunden. Sie schüttelte fassungslos den Kopf und kroch einen Meter weiter, während ihr Gegenüber noch ein wenig näher kam.

"Das kann nicht sein", flüsterte sie. "Ihr seid tot, Herr! Ich weiß es, ich weiß so sicher..."

Er nahm seine Maske ab. "Keiner, der auf diese Weise gestorben ist, kann in seinem Grab Ruhe finden, teuerste Ann! Glaub mir!"

Sie begann zu zittern.

"Was geschieht jetzt?"

"Du wirst jetzt deine Schuld abbüßen, Ann! Du weißt, dass du mir nicht entkommen kannst. Niemals!"

2

Der Zug hielt mit einer ganzen Stunde Verspätung in Linbury, weil unterwegs ein Baum über die Gleise gefallen war und die Strecke gesperrt hatte. Maureen Stanley atmete auf und blickte aus dem Zugfenster hinaus in die Dunkelheit. Es war schon spät am Abend und sie hoffte, dass sie

überhaupt noch jemanden fand, der sie hinaus nach Dunmoore fahren würde.

Dorthin, wo es keine Bahngleise mehr gab und kein Zug hielt. Der Regen plätscherte unterdessen lautstark auf das Zugdach. Es war ein trüber Tag gewesen, aber irgendwie, so fand die junge Frau, passte dieses Wetter zu der rauen Landschaft Cornwalls.

Der Zug hielt mit einem unsanften Ruck, der Maureen etwas nach vorne riss. Dann nahm die junge Frau ihre beiden Koffer und sah zu, dass sie hinaus kam.

Wenig später stand sie auf dem Bahnsteig und war schon nach wenigen Augenblicken ziemlich durchnässt. Ich habe mir kein besonders angenehmes Plätzchen ausgesucht, um mich als Lehrerin anstellen zu lassen!, dachte sie bei sich, während der Zug schon weiterfuhr.

Aber die Wahrheit war, dass sie es sich überhaupt nicht ausgesucht hatte. Maureen Stanley hatte im Grunde genommen gar keine andere Wahl gehabt, sofern sie in dem Beruf arbeiten wollte, den sie gelernt hatte und den sie liebte: als Lehrerin.

Es war immer dasselbe.

In Orten wie Dunmoore, die irgendwo am Ende der Welt lagen, weit entfernt von allem, was andernorts selbstverständlich war, konnten manchmal Stellen nicht besetzt werden.

Maureen seufzte.

In London, wo sie nicht nur studiert hatte, sondern auch aufgewachsen war, konnte man sich nur in die lange Schlange der Bewerber einreihen.

Maureen wäre gerne in London geblieben. Sie liebte das pulsierende Leben der großen Stadt, aber als sie vor der Wahl stand, eine Anstellung in der Provinz zu bekommen oder erst einmal nichts zu haben, da entschied sie sich für den Spatzen in der Hand - und nicht die Taube auf dem Dach, die vielleicht nie zu erreichen war...

Dunmoore!, dachte Maureen. London... Welch ein Vergleich!

Aber noch war sie nicht am Ziel. Dies war Linbury. Bis hier her kam man mit der Bahn. Dunmoore, das war noch ein Stück weiter draußen.

In ein paar Wochen würden die Ferien vorbei sein, und dann würde sie ihren Dienst in Dunmoore antreten. Bis dahin hatte sie sich vielleicht etwas eingelebt...

Maureen packte ihre Koffer und sah zu, dass sie unter das Vordach des winzigen Bahnhofsgebäudes kam. Der Bahnhof war um diese Zeit nicht mehr besetzt. Der Regen wurde jetzt heftiger. Das Wasser platschte nur so auf den Boden nieder und Maureen schlug sich ihren Mantelkragen hoch.

Sie atmete tief durch und überlegte, wie sie jetzt weiterkam.

Vielleicht konnte sie irgendwo in der Nähe telefonieren und sich dann ein Taxi rufen, das sie nach Dunmoore brachte.

Sie wandte den Blick und sah direkt in die Scheinwerfer eines Autos. Maureen erkannte gleich, dass es ein Taxi war. Der Fahrer drehte die Scheibe herunter und rief ihr zu: "Kann ich Sie mitnehmen?"

"Aber, ja!"

Sie nahm ihre Koffer und schleppte sie durch den Regen. Der Fahrer stieg indessen aus und ging ihr ein paar Schritte entgegen. Er nahm ihr das Gepäck aus der Hand und öffnete den Kofferraum.

Wenig später saßen sie dann beide im Wagen. Maureen strich sich die nassen Haare aus dem Gesicht. Der Taxifahrer - ein dicklicher Mann um die vierzig - grinste von einem Ohr bis zum anderen.

"Kein schönes Wetter heute, was?", meinte er dann. Immerhin klang seine Stimme einigermaßen sympathisch.

"Kann man wohl sagen!", nickte Maureen, erleichtert jemanden gefunden zu haben, der sie an ihr Ziel bringen konnte. "Ehrlich, Sie schickt der Himmel!", setzte sie noch hinzu.

Der Mann lachte.

"Nein, der Zufall! Ich hatte eine Fahrt hier nach Linbury zu machen und dann sehe ich Sie da am Bahnhof stehen!"

Maureen trocknete sich mit dem Taschentuch das Gesicht etwas ab.

"Dann habe ich wohl großes Glück", meinte sie.

"Das kann man wohl sagen! Ich bin nämlich der einzige Taxifahrer in der Gegend." Er zuckte die ziemlich breiten Schultern und fuhr dann fort: "Es kommen eben nicht viele Fremde hier her, die noch mehr von meiner Sorte ernähren könnten!"

Maureen lächelte.

Der Fahrer schien ein freundlicher Mann mit guter Laune zu sein.

"Wohin soll's denn gehen?", fragte er.

"Dunmoore."

"Ist das Ihr Ernst?"

Maureen runzelte die Stirn.

"Warum sollte es nicht?", fragte sie etwas verwundert zurück.

Der Taxifahrer zog die Augenbrauen hoch.

"Ich meine ja nur..."

Er fuhr los. Die Scheibenwischer schafften es kaum, die Frontscheibe einigermaßen trocken zu halten.

"Ist es noch weit?", fragte Maureen.

Der Fahrer zuckte mit den Schultern.

"Weit, nah... Das ist alles relativ, junge Frau. In Meilen gemessen ist es nicht allzu weit, aber die Straßen sind eng und schlecht. Wir werden sicher nicht besonders schnell voran kommen!"

Maureen seufzte.

"So etwas habe ich befürchtet!", meinte sie alles andere als begeistert. Eine Weile lang schwiegen sie beide, während das Taxi die kleine Häuseransammlung hinter sich ließ, die Linbury genannt wurde.

Die Straßen waren tatsächlich alles andere als komfortabel.

Maureen zuckte jedesmal zusammen, wenn der Wagen wieder einmal mitten durch ein tiefes Schlagloch ging.

"Woher kommen Sie?", fragte der Fahrer schließlich. Maureen hatte an seiner Unruhe gespürt, dass ihm diese Frage wohl schon länger auf den Lippen brannte.

"Aus London."

"London?" Er schüttelte ungläubig den Kopf. "Ich frage mich, was jemand aus London in einem kleinen Loch wie Dunmoore zu suchen hat?"

"Ich bin die neue Lehrerin dort", erklärte Maureen in gedämpftem Tonfall und überlegte dabei, ob sie die Stelle wohl auch angenommen hätte, wenn sie zuvor schon einmal hier gewesen wäre.

Der Fahrer wandte sich zu ihr um und musterte sie erst einmal mit großen Augen.

"Dann werden wir uns ja vielleicht öfter sehen", meinte er dann freundlich. "Hier in der Gegend kennt jeder jeden. Mein Name ist Brad McCullum."

"Maureen Stanley."

"Wohin soll ich Sie übrigens in Dunmoore bringen?"

"Kennen Sie jemanden, der Jason Cormick heißt?"

"Sicher. Mister Cormick ist eine bekannte Persönlichkeit hier in der Gegend."

"Wenn Sie mich bitte zu ihm fahren könnten. Ich habe ein Haus von ihm gemietet und muss mir bei ihm den Schlüssel abholen..."

Maureen sah, wie sich McCullums Gesicht schlagartig veränderte. Er runzelte die Stirn.

"Ein Haus, sagen Sie? Von Cormick?"

"Ja."

"Dann wird es sich um das Haus handeln, in dem früher Miss Bradshaw gelebt hat...", murmelte McCullum - mehr zu sich selbst, als zu seiner Gesprächspartnerin. Er schüttelte den Kopf. "Haben Sie das Haus schon gesehen?"

"Nein, nur auf Photos. Ich habe es über eine Zeitungsannonce bekommen. Und die Miete ist in Ordnung."

McCullum lachte rau und Maureen verstand nicht so recht, weshalb sich der Tonfall des Fahrers auf einmal so verändert hatte.

"Hat Cormick es also tatsächlich geschafft, das Haus noch einmal zu vermieten...", brummte er dann.

"Weshalb sollte er nicht? Ist mit dem Haus etwas nicht in Ordnung?"

"Nicht in Ordnung? Jedenfalls würde keiner der Einheimischen dort hineinziehen..."

Maureen verstand kein Wort. War sie am Ende einem Betrüger aufgesessen?

"Weshalb nicht?", fragte sie. "Hat es kein fließend Wasser oder funktioniert die Toilette nicht? Regnet es durch das Dach?"

"Nein, nein, Lady, das ist es nicht. Zumindest äußerlich macht es es einen guten Eindruck. Mister Cormick hat es immer gut gepflegt, seit..." Er stockte. "Seit damals."

Maureen hob die Augenbrauen.

"Seit wann?"

"Ach, diese alten Geschichten...", murmelte McCullum und machte dabei eine wegwerfende Handbewegung.

"Was denn für Geschichten?", erkundigte sich Maureen mit mäßigem Interesse.

"Man sollte nichts darauf geben, sage ich mir immer. Ich werde Sie zu Cormick fahren. Und im übrigen hat das Haus eine sehr schöne Lage!"

Maureen wunderte sich noch immer über den Unterton, mit dem McCullum gesprochen hatte. Wahrscheinlich würde es noch eine ganze Weile dauern, bis sie die Eigenarten dieser Leute verstehen würde.

Einen Vorgeschmack davon hatte sie jedenfalls schon bekommen!

Diese seltsamen Andeutungen, die McCullum gemacht hatte gefielen ihr jedenfalls ganz und gar nicht.

"Wir sind gleich da!", hörte sie den Taxifahrer sagen, während sie durch das Fenster hinaus in den Regen sah.

3

Das Platschen des Regens, das monotone Geräusch des Motors, das alles wirkte einschläfernd, fast wie eine Art unterschwellige Hypnose.

Maureen war müde.

Es war ein anstrengender Tag für sie gewesen.

Die verschiedensten Gedanken gingen ihr durch den Kopf und sie war schon drauf und dran sich darin zu verlieren, da riss McCullum auf einmal das Steuerrad herum und bremste ziemlich abrupt.

Maureen wurde nach vorne gerissen. Sie konnte von Glück sagen, dass sie angeschnallt war.

Sie blickte auf und dann sah sie für den Bruchteil eines Augenblicks durch die Frontscheibe die gespenstische Gestalt eines Reiters.

Die Scheinwerfer des Wagens strahlten diese Gestalt direkt an und Maureen glaubte, ihren Augen nicht zu trauen. Der Reiter trug einen Dreispitz und eine weißgepuderte Perücke, dazu Rock und Hose im Stil eines Landedelmannes aus dem 18. Jahrhundert.

Das Gesicht war von einer schwarzen Maske verdeckt.

Und in der Rechten schwang er einen langen Säbel.

Das Pferd war zu Tode erschrocken und stellte sich wiehernd auf die Hinterhand, so dass der Reiter alle Mühe hatte, im Sattel zu bleiben. Doch dieser schien seine Sache gut zu verstehen.

Er hatte das Tier schnell wieder unter Kontrolle und preschte dann davon.

Maureen blickte ihm durch das Seitenfenster nach und sah, wie er das Pferd über einen Zaun springen ließ. Einige Momente noch sah sie ihn als schwarzen Schemen davoneilen, dann hatte ihn die Dunkelheit verschluckt.

"So ein Verrückter!", flüsterte McCullum. "Läuft mir einfach vor den Wagen..."

Maureen sah, dass McCullums Gesicht kreidebleich geworden war.

"Das war wirklich knapp!", meinte sie und er nickte.

"Ja, kann man wohl sagen!", McCullum wischte sich mit einer nervösen Geste über das Gesicht. Seine Augen wurden schmal, als er hinaus in die Dunkelheit blickte.

"Ein merkwürdiger Kerl...", murmelte Maureen. "Kannten Sie ihn, Mr. McCullum?"

Der Taxifahrer drehte sich zu ihr herum und runzelte die Stirn.

"Ich... Wieso?"

Maureen hob die Schultern. "Na, Sie sagten doch, hier in der Gegend kennt jeder jeden!"

Er blickte wieder nah vorn und schien einen Moment lang nachzudenken, bevor er schließlich langsam nickte.

"Ja, so ist es auch", bestätigte er.

"Er war seltsam kostümiert", sagte Maureen. "Haben Sie das auch gesehen? Und er hatte einen Säbel... Wie in einem dieser Historienfilme!"

McCullum schüttelte energisch den Kopf.

"Nein", sagte er. "Das habe ich nicht gesehen."

"Aber..."

Für Maureen war das unbegreiflich.

"Ich musste mich darauf konzentrieren, einen Unfall zu verhindern. Von seinem Gesicht konnte ich auch nichts erkennen!" Er atmete heftiger. "Dieser verrückte Hund! Reitet bei Dunkelheit einfach so über die Straße! Ist wohl lebensmüde..."

"Und dann ist er einfach davongeritten...", murmelte Maureen. Sie versuchte zu lächeln, obwohl ihr der Schrecken noch in den Gliedern saß. "Vielleicht zu einem Kostümfest! Gibt es in Dunmoore jemanden, der so etwas Ausgefallenes veranstaltet?"

McCullum blickte sie seltsam an.

"Ein Kostümfest?" Er schüttelte heftig den Kopf. "Nein, so etwas gibt es hier nicht", fügte er dann schnell im Brustton der Überzeugung hinzu.

"Aber warum war der Kerl dann so merkwürdig angezogen?"

"Ich weiß es nicht." Dann atmete er auf und versuchte, etwas entspannter dreinzublicken. Die Ahnung eines Lächelns huschte über sein Gesicht, aber auf Maureen wirkte es eher gezwungen. McCullum sagte schließlich: "Es ist nichts passiert, vergessen wir es also!"

"Wenn Sie meinen..."

"Es ist das beste, glauben Sie mir, Miss Stanley."

Er versuchte, weiterzufahren, aber der Wagen heulte nur klagend auf und McCullum schlug mit der flachen Hand gegen das Lenkrad.

"Was ist los?", fragte Maureen.

McCullum schlug wütend mit den Handballen auf das Lenkrad und schimpfte: "Na, was wohl! Wir sitzen fest!"

Er fuhr sich mit der Hand durch das schüttere Haar und wandte sich dann an seinen Fahrgast. "Haben Sie einen Führerschein?"

Sie nickte.

"Ja."

"Na, um um so besser, dann brauche ich Ihnen ja nichts zu erklären!"

"Was haben Sie vor, Mr. McCullum?"

Er hob die Schultern.

"Rutschen Sie hinters Steuer, ich werde aussteigen und schieben!"

4

Es dauerte fast eine Viertelstunde, bis sie den Wagen wieder flott hatten. Als McCullum dann hinter dem Steuer saß saß, war er bis auf die Haut nass und fluchte leise vor sich hin.

Maureen entschied, dass es im Moment ratsamer war, ihn nicht anzusprechen. Seine Laune war schlecht und sie hatte volles Verständnis dafür.

Kurze Zeit später erreichten sie ein Landhaus. Unterdessen hatte der Regen nachgelassen und verebbte schließlich ganz.

Aber das Wetter blieb trübe.

Wolken standen am dunklen Himmel und verdeckten die meiste Zeit über den Mond.

McCullum fuhr so nahe an die Haustür heran, wie es ging.

"Hier wohnt Mister Cormick!", erklärte er. "Soll ich auf Sie warten?"

"Ja, das wäre nett."

"Aber machen Sie nicht zu lange, Miss! Ich möchte langsam Feierabend machen."

Maureen nickte.

"Ich werde mich beeilen, Mister McCullum!"

Maureen stieg aus und ging zur Haustür. Es gab keine Klingel, nur einen gusseisernen Ring zum Klopfen. Als Maureen zum ersten Mal klopfte und dann einen Moment wartete, rührte sich nichts.

Sie versuchte es ein zweites Mal, diesmal etwas energischer - und mit Erfolg.

Ein hochgewachsener, aristokratisch wirkender Mann von unbestimmbarem Alter öffnete ihr. Er mochte Mitte fünfzig sein, vielleicht aber auch zehn Jahre älter, das war schwer einzuschätzen.

Sein Körperbau war hager, sein Gesicht feingeschnitten. Er trug einen dünnen Oberlippenbart und hatte hohe Wangenknochen.

Der Mann blickte auf die junge Frau herab und und zog die Augenbrauen in die Höhe.

"Ja, bitte?", fragte er mit einem Tonfall, in dem so etwas wie unterschwellige Herablassung mitschwang.

"Mein Name ist Maureen Stanley. Sind Sie Mister Cormick?"

Er nickte.

"Ja, der bin ich." Sein Gesicht hatte die ganze Zeit über angespannt gewirkt.

Jetzt machte er den ziemlich hilflosen Versuch, etwas lockerer zu wirken.

Maureen sagte: "Wir hatten miteinander telefoniert."

Cormick atmete tief durch und nickte dann erneut.

"Sie werden sich den Schlüssel für das Haus abholen wollen, nicht wahr?"

"Ja, so ist es."

"Warten Sie einen Augenblick..."

Cormick verschwand für einen Moment und als er dann zurückkam, hatte er in der Rechten einen Schlüssel, den er Maureen in die Hand drückte.

"Ich danke Ihnen."

"Ich bin froh, das das Haus endlich wieder vermietet ist. Es hat lange leer gestanden. Wenn also..."

"Ich werde schon zurechtkommen!"

Er lächelte verhalten.

"Ja, das glaube ich auch. Ach, da ist noch etwas..."

Cormick zögerte, so als suche er noch nach den richtigen Worten.

Maureen hob die Augenbrauen.

"Ja?"

"Es ist vielleicht ganz gut, dass endlich einmal wieder in diese Gegend zieht, der hier nicht geboren und aufgewachsen ist. Hier haben sich manche wunderlichen Dinge erhalten, wie Sie sicher noch feststellen werden. Sitten, Gebräuche, auch Aberglauben..." Er stockte erneut. Dann zuckte er mit den Schultern. "Ich sag's Ihnen am besten gleich so, wie es ist. Die Leute hier erzählen sich seltsame Geschichten, über das Haus, das ich Ihnen vermietet habe."

Wenn das alles ist, was mit diesem Haus nicht stimmen soll!, dachte Maureen und lächelte erleichtert.

"Was für Geschichten?", fragte sie.

Er machte eine wegwerfende Handbewegung.

"Ach, nur Gerede. Ich hoffe Sie geben nichts darauf."

Maureen lachte.

"Ich glaube eigentlich nicht an Gespenster!"

"Dann ist es ja gut!"

Sie traten gemeinsam vor die Tür. Cormick war indessen ausgestiegen und lehnte an der Motorhaube seines Wagens. Er winkte Cormick zu und nickte.

"Guten Abend, Mister Cormick!"

"Guten Abend, Mister McCullum!"

"Das war ein Regen, was!"

"Ja das kann man wohl sagen! Ihr Wagen sieht ja furchtbar aus!"

"Ja, und meine Hose auch! Ich habe festgesteckt... Da war so ein Verrückter, der plötzlich wie aus dem Nichts mit seinem Pferd auftauchte. Ich musste ausweichen dann dann war's auch schon passiert!"

Cormick verschränkte die Arme vor dem Oberkörper.

"Ärgerlich", murmelte er. "Haben Sie den Kerl erkannt? Er muss ja schließlich hier aus der Gegend kommen!"

McCullum schüttelte den Kopf.

"Ging alles viel zu schnell!", meinte er und machte eine wegwerfende Bewegung mit der Hand.

"Es war jemand mit einem Säbel und weißer Perücke... Wie ein Landadliger des achtzehnten Jahrhunderts!", warf Maureen ein, ohne viel darüber nachgedacht zu haben. "Und er trug eine schwarze Maske."

McCullum rieb sich amüsiert die Nase.

"Wissen Sie, was sie mich gefragt hat?", lachte der Taxifahrer an Cormick gewandt. Dieser strich sich mit den Fingern über seinen Oberlippenbart und hob die Augenbrauen.

"Was denn?"

"Ob hier jemand in der Gegend einen Maskenball veranstaltet? Stellen Sie sich vor! Ein Maskenball in Dunmoore." McCullum schlug sich auf die Schenkel, so amüsierte ihn das im Nachhinein.

Cormick lächelte nachsichtig.

"Miss Stanley scheint keine Ahnung davon zu haben, was für ein knochentrockener Menschenschlag hier wohnt", vermutete er. "So etwas wie ein Maskenball ist in dieser Umgebung wirklich schwer vorstellbar..."

5

Wenige Augenblicke später saßen sie wieder zusammen im Wagen und fuhren über die holperige, teils befestigte Straße.

"Sie sollten sich unbedingt einen Wagen anschaffen, wenn Sie sich hier häuslich niederlassen", meinte McCullum.

Maureen nickte.

In London hatte sie keinen Wagen gebraucht, aber hier draußen gab es keine öffentlichen Verkehrsmittel. Allerdings auch keinerlei Parkplatzsorgen.

"Ich werde mich bald darum kümmern", meinte sie.

"Vielleicht kann ich Ihnen etwas vermitteln", erwiderte McCullum. "Ich kenne hier viele Leute und vielleicht will ja irgendwer etwas verkaufen, was Sie gebrauchen könnten, Miss Stanley..."

"Gut, wenn Sie sich einmal umhören wollen!"

"Das tue ich gerne für Sie, Miss. Hier in der Gegend hilft jeder jedem!"

Maureen sah hinaus in die Dunkelheit.

Nebel waren über der kargen Moorlandschaft aufgezogen und krochen über die sanften Hügel, die sich nur als dunkle, geheimnisvolle Schatten abhoben.

Dann tauchte ein Haus auf und einen Augenblick später stoppte McCullum.

"Wir sind da."

"Ich danke Ihnen."

Er schaute auf seinen Zähler.

"Da ist 'ne saftige Rechnung zusammengekommen."

"Ist schon in Ordnung."

Maureen bezahlte McCullum und stieg aus.

McCullum stieg auch aus, ging zum Kofferraum und holte Maureens Gepäck heraus.

"Stellen Sie es einfach hier ab!"

"In Ordnung, Miss Stanley."

Etwas später setzte McCullum dann rückwärts und fuhr die holperige Straße zurück, auf der sie gekommen waren. Maureen sah dem Wagen nach, bis er im Nebel verschwand. Maureen

schlug ihren Mantelkragen hoch und fröstelte. Es war lausig kalt geworden.

Sie stand da, mit ihren beiden Koffern und musterte das Haus, in dem sie wohnen würde. Es war nicht allzu groß und aus massivem Stein gebaut. So, wie es da stand, wirkte es gewissermaßen zeitlos. Jahrhunderte mochte es schon so überdauert haben.

Aber dieses Haus gefiel ihr.

Sie nahm ihre Koffer und ging zur Tür. Auf dem hölzernen Sturz sah sie eine Jahreszahl eingebrannt: 1623. Dieses Haus wahr also tatsächlich schon sehr alt.

Nun, dachte Maureen. Es hat die Zeit in einem ganz passablen Zustand überstanden.

Sie steckte den Schlüssel ins Schloss, drehte ihn herum und trat dann über die Schwelle. Es war dunkel, aber sie fand den Lichtschalter schließlich doch noch, nachdem sie einen Stuhl umgeworfen hatte.

Der Raum, den sie dann sah, wirkte sehr gemütlich. Im Zentrum war ein Kamin. Die Möbel waren rustikal und einfach, aber sie passten in dieses Haus hinein, als wären sie dafür gemacht.

Maureen ließ den Blick über die Einrichtung schweifen und öffnete dann die Tür zur Küche. Das Haus hatte neben dem Bad und der Küche noch zwei Räume: Wohnzimmer und Schlafzimmer.

Maureen blickte ins Schlafzimmer und sah, dass im Schrank sogar Bettwäsche war.

Alles war so gut gepflegt, so sauber, dass es fast den Eindruck machte, als wäre dieses Haus bewohnt. Hatte McCullum nicht gesagt, es wäre lange Zeit nicht mehr vermietet gewesen?

Maureen zuckte mit den Schultern.

Und dann erstarrte sie.

Sie hörte ein Knarren, so als hätte jemand das Haus nach ihr betreten. Sie stand da, wie zu Stein geworden und wagte es nicht, auch nur zu atmen.

Sie lauschte und glaubte zu hören, wie sich die Haustür knarrend bewegte.

Maureen atmete tief durch, dann schlich sie zu jener Tür, die das Schlafzimmer mit dem Wohnraum verband und warf einen Blick durch den Türspalt.

Die Tür stand halb offen, der Wind bewegte sie ein wenig hin und her.

Unwillkürlich huschte ein Lächeln über ihr Gesicht, als sie das sah.

Ich hätte die Tür hinter mir schließen sollen!, dachte sie.

So hatte sie wohl der Wind hin und her bewegt und dadurch die Geräusche verursacht.

Entschlossenen Schrittes betrat sie nun das Wohnzimmer, schloss die Tür und rieb sich die Hände.

Ihr Blick ging zum Kamin.

Sogar Holz liegt bereit!, ging es ihr durch den Kopf. Nein, es war wirklich kaum zu glauben, dass hier schon lange niemand mehr gewohnt hatte. Eher schien es, als wäre es das Haus von jemandem, der nur für eine Nacht wegbleiben und dann zurückkehren würde.

6

In der Nacht schlief sie hervorragend und als sie am Morgen erwachte fühlte sie sich wie neu geboren. Es war die Sonne, die sie weckte. Sie ging ans Schlafzimmerfenster, öffnete es und blickte hinaus.

Am hellen Tag sah alles ganz anders aus. Der Nebel hatte sich verzogen und man hatte nun eine gute Sicht.

In einiger Entfernung sah sie eine Ansammlung von Häusern.

Das musste Dunmoore sein.

Ein kleines verschlafenes Nest, aber sicher gab es dort eine Gelegenheit zu frühstücken.

Maureen hatte nämlich auf einmal einen ziemlichen Hunger.

Sie reckte sich und zog sich dann schnell an.

Zu dem Haus, das sie gemietet hatte, gehörte auch ein kleiner Schuppen, in dem allerlei Gerümpel abgelegt war. Das meiste war wohl schon ziemlich alt, wenn man nach den Rostspuren an den Schaufeln und Hacken ging, die da unordentlich auf einem Haufen lagen.

Maureen fand aber auch ein altes Damenrad, das zwar ebenfalls deutliche Rostspuren aufwies, ansonsten aber völlig in Ordnung war.

Dunmoore lag zwar nahe genug, dass man den kleinen Ort auch zu Fuß gut erreichen konnte, aber mit einem Drahtesel war es wohl doch einfach bequemer.

Maureen holte das Rad aus dem Schuppen heraus, wobei es furchtbar quietschte und rasselte. Es brauchte ein paar Tropfen Öl, aber im Schuppen war keines.

Maureen blickte sich um.

Vom Haus aus führte ein unbefestigter Weg bis zur Straße, die dann geradewegs in den Ort führte. Da stand sogar ein Schild am Straßenrand.

Dunmoore 1 Meile.

Sie hatte sich gerade den Sattel ein wenig gesäubert und wollte nun aufsteigen, da glaubte sie, ihren Augen nicht zu trauen.

Irgendwo in der Ferne, zwischen den sanften Hügeln und den verkrüppelt wirkenden, windschiefen Bäumen bewegte sich etwas.

Es war ein Reiter.

Ein wahrhaft gespenstischer Reiter in Dreispitz, gepuderter Perücke und einem Rock um wehenden Schößen; das Gesicht verdeckt von einer schwarzen Maske und an der Seite einen geschwungenen Säbel.

Maureen runzelte die Stirn und schüttelte innerlich den Kopf. Was mochte das nur für ein komischer Kauz sein? Ein Verrückter vielleicht, dem es beliebte, in historischen Kostümen über das Moor zu reiten und Leute zu erschrecken?

Der Reiter schien sie gesehen zu haben.

Er zügelte sein Pferd auf einem der Hügel und blickte in ihre Richtung.

Maureen sah zurück und hatte auf einmal das Gefühl, als würde sich ihr eine eisige Hand auf die Schulter legen. Will der Kerl etwas von mir? ging es ihr durch den Kopf und wie zur Antwort hob der düstere Reiter die rechte Hand und winkte ihr zu.

Maureen reagierte nicht.

Sie stand wie angewurzelt da und blickte gebannt zu dem Reiter hinüber.

Er winkte noch einmal, dann riss er urplötzlich sein Pferd herum und preschte in wildem Galopp davon.

Maureen sah ihm nach, bis er schließlich hinter den Hügeln verschwunden war.

Ich werde mich in Dunmoore mal nach diesem Kerl erkundigen!, überlegte sie.

Schließlich war dieser Maskierte ihr in nicht einmal 24 Stunden bereits zweimal begegnet und so brannte sie nun darauf, endlich zu erfahren, was es mit diesem seltsamen Kerl auf sich hatte.

Andererseits hatte McCullum, der Taxifahrer, auch nichts darüber gewusst - oder es zumindest vorgegeben - und Taxifahrer waren doch im allgemeinen gut informiert.

Aber wie auch immer!, dachte Maureen. Ich werde einfach mal mein Glück versuchen...

Außerdem war ihr vordringlichstes Problem im Moment auch ein ganz anderes.

Sie hatte Hunger!

Und so schwang sie sich auf das Rad und fuhr den holperigen Weg bis zur Straße, wobei sie so gut es ging den Pfützen auszuweichen suchte, die von dem gestrigen Wolkenbruch noch stehengeblieben waren. Dann war sie auf der Straße und es ging sogar ein wenig

bergab. Wenn sie nachher den ansteigenden Rückweg vor sich hatte, hätte sie ja etwas gegessen.

7

In Dunmoore gab es eine kleine Poststation, ein Restaurant, einen Zeitungskiosk und ein Lebensmittelgeschäft. Das besondere war, dass dies alles in demselben Haus beherbergt war, an dessen Tür ein Schild mit der Aufschrift 'Harry's' hing.

Der Laden, den Harry Cramer mit seiner Frau betrieb war so gewissermaßen das Zentrum von Dunmoore. Maureen bekam von Mrs. Cramer ein stattliches Frühstück mit Eiern und gebackenem Schinken vorgesetzt, während Harry hinter der Theke stand, Gläser spülte und sich dabei mit einem Mann in den mittleren Jahren unterhielt.

Zunächst hatte Mrs. Cramer einen etwas abweisenden Eindruck gemacht, aber als Maureen ihr dann sagte, sie sei die neue Lehrerin, da wurde sie etwas wärmer und setzte sich dann sogar zu ihr an den Tisch.

Wahrscheinlich war sie einfach neugierig. Allzu viel Abwechselung gab es hier ja wohl auch nicht.

"Wie gefällt es Ihnen hier bei uns in Dunmoore?", begann sie etwas unbeholfen.

Maureen versuchte ein Lächeln.

"Ich bin erst seit gestern Abend hier", erklärte sie dann mit einem Schulterzucken.

"Ah, da haben Sie unser Wetter gleich von seiner besten Seite mitgekriegt!", meinte Mrs Cramer. "Das war ein ganz schöner Wolkenbruch, selbst für unsere Verhältnisse. Und wir sind hier einiges gewöhnt, kann ich Ihnen sagen!"

"Wir hatten Wasser im Keller!", meinte der Mann an der Theke, dessen Gespräch mit Harry inzwischen verebbt war.

"Solche Probleme haben wir nicht", erwiderte Mrs. Cramer an den Mann gewandt. Dann drehte sie sich wieder zu Maureen herum und lachte verschmitzt. "Wissen Sie, wir haben nämlich keinen Keller!"

Maureen lächelte.

"Ist wohl zu feucht hier."

Mrs. Cramer nickte.

"Ja, früher war das alles Moor. Jetzt ist schon vieles trockengelegt, aber trotzdem würde ich niemandem raten, hier einen Keller in die Erde zu setzen!"

Maureen trank einen Schluck von ihrem Tee, wobei sie Mrs. Cramers Blicke unverwandt auf sich gerichtet fühlte.

"Wo sind Sie untergekommen, Miss..."

"Stanley."

"Miss Stanley, ja. In einer Pension kann es nicht sein, denn die einzige Zimmervermietung in der Gegend betreiben wir!" Sie lachte freundlich und fügte dann in gespielter Empörung hinzu: "Aber wenn dem doch so sein sollte, dann würde ich gerne wissen, wer uns Konkurrenz macht!"

"Keine Sorge!", erwiderte Maureen. "Ich habe ein Haus gemietet. Von Mister Cormick, Sie werden ihn sicher kennen... Von Dunmoore aus kann man es sehen."

"Es liegt dort oben auf dem Hügel nicht wahr?", fragte Mrs. Cramer nach und dabei hatte sich ihre Stimme merklich verändert.

Maureen nickte und nahm dabei einen Bissen von dem Ei.

"Ja."

"Ich weiß, welches Haus Sie meinen. Es ist lange nicht vermietet worden..."

"Ja, Mr. McCullum hat es mir erzählt."

Mrs. Cramer atmete tief durch.

"So, Brad McCullum kennen Sie also auch schon! Hat er Ihnen auch den Grund gesagt, weshalb niemand mehr in das Haus einziehen wollte?"

"Nein, hat er nicht. Er hat nur etwas von alten Geschichten gesagt, aber nichts näher erklärt. Und wie ich gesehen habe, scheint mit dem Haus auch alles in Ordnung zu sein!"

Mrs. Cramer nickte.

"Wahrscheinlich ist auch auch alles in Ordnung."

"Worum geht es es denn in diesen alten Geschichten, die McCullum so beiläufig erwähnte?"

Mrs. Cramer warf einen Blick zu ihrem Mann, der aufgehört hatte abzuspülen und zu Maureen hinüberblickte.

"Warum sagst du ihr nicht einfach, wie es gewesen ist?", meinte Harry Cramer und fuhr dann an Stelle seiner Frau fort: "Es ist einfach so, dass die letzte Mieterin, eine gewisse Mrs. Bradshaw, dem Wahnsinn verfiel und ein rätselhaftes Ende fand." Er zuckte mit den Schultern. "Seitdem glauben manche Leute hier in der Gegend, dass so etwas wie ein Fluch auf diesem Haus liege..."

"Ein Fluch?"

Maureen zog die Augenbrauen hoch.

Sie hatte mit vielem gerechnet, aber nicht damit. Und so musste sie unwillkürlich lächeln. Wenn das Dach undicht gewesen oder kein Wasser aus dem Hahn gekommen wäre - das wären ernste Dinge gewesen.

Aber ein Fluch?

Innerlich schüttelte Maureen den Kopf.

"Mrs. Bradshaw war eine wunderlich gewordene Witwe", berichtete Harry Cramer dann und fuhr damit fort, Gläser zu spülen. "Sie glaubte, Geister und Fabelwesen zu sehen. Vielleicht wäre sie nicht gestorben, wenn man sie rechtzeitig in eine Anstalt gesperrt hätte. Aber da sie niemandem schadete und für keinen gefährlich wahr, hat man sie mehr oder weniger sich selbst überlassen."

Nun meldete sich der Gast zu Wort, der bei Harry an der Theke stand. Und der schien die Sache nicht so leicht zu nehmen wie Harry Cramer.

"Du musst zugeben, dass die Sache damals schon ziemlich merkwürdig war und auch nie wirklich aufgeklärt worden ist!", gab er zu Bedenken, führte sein Glas zum Mund und nahm einen kräftigen Schluck. "Die wunderliche Mrs. Bradshaw behauptete immer, dass ein Mann mit einem Säbel hinter ihr gewesen wäre und sie umbringen wolle. Und woran ist sie am Ende gestorben? An einer Wunde, die sehr wohl von einem Säbel herrühren könnte."

"...oder die sie sich in ihrer Ungeschicklichkeit der Sense selbst beigebracht hat, mit der sie immer ihre kleine Wiese mähte!", hielt Harry dagegen. "Ich glaube jedenfalls weder an Flüche noch an Gespenster. Und ich schätze, die junge Lady dort tut es auch nicht!"

Der Mann an der Theke zuckte mit den Schultern.

"Es gibt mehr zwischen Himmel und Erde, als wir uns erklären können", meinte er. Dann zuckte er in betonter Gleichgültigkeit mit den Schultern und murmelte düster: "Jeder muss selbst wissen, was er tut..."

Für einige Augenblicke sagte niemand ein Wort. Maureen hatte keine Lust, diese Sache auszudiskutieren und so wandte sie sich an Mrs. Cramer.

"Sagen Sie, das Gebäude am Ende der Straße, ist das die Schule?"

"Ja, direkt neben der Kirche", bestätigte Mrs. Cramer. "Sie wollen sie sich sicher einmal ansehen, nicht wahr?"

Maureen lächelte.

"Ja."

"Die Schlüssel hat Ihre Vorgängerin, die in diesem Jahr pensioniert wurde: Miss Wainright."

"Man hat mir ihre Adresse gegeben."

"Sie wohnt direkt neben der Schule in dem kleinen Häuschen. Schauen Sie ruhig einmal bei ihr vorbei. Sie wird sich freuen!"

8

Als Maureen zu Ende gefrühstückt und Harry's verlassen hatte, nahm sie ihr Fahrrad und schob es die Straße entlang.

Sie sah ein paar Kinder spielen, die neugierig zu der fremden Frau herüberblickten.

Die Jüngeren von ihnen würde sie in einigen Wochen wohl als ihre Schüler wiedersehen...

Maureens Blick ging über die kleinen Häuser. An einem der Fenster nahm sie eine Bewegung war und es war ihr auf einmal irgendwie unangenehm, sich so beobachtet zu fühlen.

Da musst du durch!, sagte sie sich selbst und beschloss, nicht weiter darauf zu achten.

Sie erreichte die schlichte Kirche, dann kam sie an der kleinen Schule vorbei und erreichte schließlich das Haus ihrer Vorgängerin.

Elizabeth Wainright - so stand es deutlich an ihrer Tür zu lesen.

Maureen läutete an der Tür und wenig später machte ihr eine sympathisch wirkende ältere Dame die Tür auf.

"Miss Wainright?", fragte Maureen.

"Ja?"

"Ich bin Maureen Stanley, die neue Lehrerin!"

Miss Wainright schien überrascht.

"Sie sind noch sehr jung", entfuhr es ihr, aber schon in der nächsten Minute schien ihr diese Bemerkung leid zu tun.

"Verzeihen, Sie Miss Stanley, aber so war es nicht gemeint. Wirklich nicht!"

"Ist schon gut", gab Maureen freundlich zurück. "Aber Sie haben ja vollkommen recht. Dies ist meine erste Anstellung!"

"Kommen Sie doch herein! Und setzen Sie sich zu uns..."

Als die junge Frau Miss Wainright in ihren Flur folgte, sah sie plötzlich die hochgewachsene Gestalt eines Mannes aus aus dem Halbdunkel auftauchen. Er mochte Anfang dreißig sein, und hatte ein feingeschnittenes Gesicht, in dessen Mitte zwei intelligente Augen blitzten. In der Rechten hielt er ein kleines Köfferchen, das darauf schließen ließ, dass er Arzt war.

"Aber Dr. Anderson! Wollen Sie nicht doch noch etwas bleiben?"

Dr. Anderson lächelte.

"Nun, ich habe noch einige Hausbesuche vor mir", murmelte er, wobei er seinen Blick nicht von Maureen ließ. Er nickte ihr zu.

"Ich habe den Tee fertig", meinte Miss Wainright. "Wollen Sie nicht doch noch eine Tasse probieren?"

"Naja, für einen Augenblick..."

Miss Wainright führte den Maureen und Dr. Anderson in ein völlig überladenes Wohnzimmer, das aber einen eigenen, merkwürdigen Charme entfaltete.

Es war das Zimmer einer Sammlerin.

Altmodische, aber gemütliche Möbel, die nicht zu einander passten, standen hier. Maureen sah eine Vitrine, die mit alten Porzellan-Puppen angefüllt war.

An den Wänden hingen Bilder.

Es waren Photos, Gemälde und Zeichnungen. Manche von professionellen Malern, andere offenbar von Kindern ihrer Schule angefertigt. Gruppenphotos von Schulklassen, Erinnerungsphotos von Ausflügen und Festen. Viele davon waren schon ziemlich vergilbt, aber alle hatte Miss Wainright mit viel Liebe gerahmt.

Maureens Blick glitt die dicht behängten Wände entlang.

Es waren so viele Bilder, dass man kaum irgendwo ein Stück der Tapete sehen konnte.

Und dann erstarrte die junge Frau plötzlich, als ihr Blick auf ein Gemälde fiel, das einen Reiter zeigte, dessen Pferd in wildem Galopp über einen vom Sturm entwurzelten Baum sprang. Von seiner äußeren Erscheinung her glich dieser Reiter demjenigen, den sie heute morgen von ihrem Haus aus gesehen hatte...

Maureen schluckte.

Es lief ihr kalt über den Rücken.

Der Reiter auf dem Bild trug einen Dreispitz und eine gepuderte Perücke, dazu die charakteristische schwarze Maske, durch deren Augenlöcher es gespenstisch zu leuchten schien.

Den Säbel schwang er hoch über dem Kopf, so als wollte er zu einem furchtbaren Schlag ausholen.

Im Vordergrund war eine junge Frau zu sehen, die offenbar in wilder Panik vor dem Reiter zu fliehen versuchte. Das dichte, braune Haar wehte ihr ins Gesicht, so dass ihre Züge nicht erkennbar waren.

Maureens Blick drohte förmlich in diesem Bild zu versinken.

Wie durch einen Nebel drang Miss Wainrights Stimme an ihr Ohr.

"Miss Stanley! Wollen Sie sich nicht setzen?"

Maureen lächelte gezwungen.

"Ja, natürlich..."

Dr. Anderson nahm in einem der Plüschsessel Platz, während Maureen sich in das Sofa sinken ließ. Ihr Blick war noch immer auf das Gemälde mit dem Reiter gerichtet, während Miss Wainright in die benachbarte Küche gegangen war, um den Tee zu holen.

"Sie starren dieses Bild an, als ob..." Dr. Anderson brach ab und machte eine hilflose Geste.

Maureen wandte den Blick zu dem jungen Arzt und hob die Augenbrauen.

"Als ob was, Dr. Anderson?"

Er zuckte mit den Schultern. "Ich weiß auch nicht...", bekannte er.

Jetzt kam Miss Wainright mit dem Tee zurück.

"Sagen Sie, was ist das dort für ein Bild?", fragte Maureen ihre Vorgängerin und deutete auf das Gemälde mit dem finsteren Reiter.

Miss Wainright schenkte zunächst den Tee ein. Dann setzte sie sich und meinte: "Es ist schon uralt. Sie sehen es an den Farben, Miss Stanley. Sie sind hier und da schon etwas arg verblasst... Der Maler ist nicht bekannt, aber er muss wohl aus dieser Gegend stammen. Wer sonst würde sich sonst schon Lord Kavanaugh, den ruhelosen Reiter aus dem Totenreich als Motiv für ein Gemälde auswählen?"

Maureen führte ihre Teetasse zum Mund und nahm einen Schluck. Eines musste man Miss Wainright in jedem Fall lassen: Sie verstand sich ausgezeichnet auf die Teezubereitung.

"Lord Kavanaugh?", fragte die junge Frau dann etwas befremdet. "Der Reiter aus dem Totenreich?"

"Ja, ein beliebtes Motiv in den Sagen und Legenden dieser Gegend... Lord Kavanaugh ist ein Verfluchter, ein Untoter, der immer wieder die Lebenden heimsucht!" Miss Wainright lächelte ein wenig amüsiert, als sie Maureens erstauntes Gesicht sah. "Ja, Sie werden sich wohl oder übel auch mit diesen alten Geschichten befassen müssen. Schon allein, um sie den Kindern in der Schule erzählen zu können..."

Maureen erzählte dann von dem Reiter, den sie gesehen hatte. "Er sah genau so aus, wie auf diesem Bild", erklärte sie.

"Ich verstehe", meinte Dr. Anderson. "Deshalb haben Sie das Gemälde so angestarrt..."

Maureen nickte.

"Ja, so ist es."

Dr. Anderson lächelte.

"Dann gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder, Sie haben wirklich ein Gespenst aus dem Jenseits gesehen..."

"Oder?"

"Oder jemand hat sich einen ganz üblen Scherz erlaubt!", ergänzte Miss Wainright.

Maureen zuckte mit den Schultern.

"Ja, scheint so... Da es keine Gespenster gibt, muss es wohl so sein. Aber warum?"

Miss Wainright machte eine wegwerfende Bewegung. "Ein dummer Jungenstreich, so schätze ich das ein. Was glauben Sie, was ich schon alles hab über mich ergehen lassen müssen - in dieser speziellen Hinsicht meine ich! Da könnte ich Ihnen Sachen erzählen!"

Und dann begann sie zu erzählen.

Maureen sah immer wieder zu dem Gemälde mit dem Reiter hin, während Dr. Anderson mehrfach auf die Uhr schaute, nachdem er seinen Tee aufgetrunken hatte.

Wahrscheinlich hatte er Miss Wainrights Geschichten über Schülerstreiche und dergleichen schon mehrfach mit anhören müssen.

Jedenfalls erhob er sich schließlich.

"Sie nehmen es mir hoffentlich nicht übel, Miss Wainright, aber ich muss jetzt wirklich los!", erklärte er, wobei er sich erhob.

"Und dasselbe gilt für mich", gestand Maureen.

"Oh, das ist wirklich schade. Aber ich denke, wir werden noch öfter Gelegenheit bekommen, uns zu unterhalten..."

"Ich würde gerne einen Blick in die Schulräume werfen!"

"Aber natürlich. Warten Sie, Miss Stanley, ich hole Ihnen die Schlüssel..."

Miss Wainright ging an eine ihrer Kommoden, zog eine Schublade auf und gab Maureen einen Augenblick später die Schlüssel.

"Hier. Sie sind jetzt dafür verantwortlich."

"In Ordnung."

"Ich habe einen guten Eindruck von Ihnen, Miss Stanley. Sie werden Ihre Sache schon gut machen! Davon bin ich überzeugt"

Sie gingen alle drei zur Tür. Miss Wainright verabschiedete von Maureen und Dr. Anderson.

Der Arzt deutete auf seinen Wagen, den er ein paar Dutzend Meter weiter an der Straße abgestellt hatte.

"Kann ich Sie irgendwohin mitnehmen?", fragte er.

Aber Maureen schüttelte den Kopf.

"Nein, danke, Dr. Anderson. Ich wollte noch in die Schule..."

"Sagen Sie Jim zu mir."

"Gut. Ich bin Maureen."

Und bei sich dachte sie: Er ist attraktiver Mann, dieser Arzt. Er war ihr ausgesprochen sympathisch.

"Sagen Sie, Jim: Was zieht einen relativ jungen Arzt wie Sie hier in diese Abgeschiedenheit! Das würde mich wirklich interessieren!"

Er lächelte gewinnend.

"Eine ähnliche Frage könnte ich Ihnen stellen, Maureen!"

"Aber ich habe zuerst gefragt."

"Nun, es steckt nicht viel dahinter. Ich bin hier geboren und hatte die Gelegenheit, die Praxis meines Vaters zu übernehmen. Und ich bereue es nicht. Es gefällt mir hier... Und Ihnen?"

Maureen hob die Augenbrauen und meinte schelmisch: "Solange mir der Geist von Lord Kavanaugh nicht nachstellt..."

9

Als sich Maureen in der kleinen Schule umsah, fand sie dabei ein Buch, das in einen kunstvoll verarbeiteten Ledereinband gefasst war. Es trug die Aufschrift 'Die Legende von Lord Kavanaugh, dem Ruhelosen'.

Maureen klappte das Buch auf.

Herausgegeben von Jason Cormick war dort angegeben. Ob das jener Jason Cormick war, von dem sie das Haus gemietet hatte?

Vermutlich war er es.

Ich werde ihn fragen, wenn sich die Gelegenheit ergibt!, dachte sie bei sich.

Das Buch war mit kunstvollen Illustrationen von Malern aus der Umgegend angereichert. Eine Reproduktion des Gemäldes, das Maureen bei Miss Wainright hatte hängen sehen, war auch darunter.

Maureen begann zu lesen.

Lord Charles Kavanaugh - auf den die Legende angeblich zurückging - hatte danach von 1698-1725 gelebt und war der letzte Spross einer Adelsfamilie, auf deren Geschichte ein Fluch von Gewalt und Tod gelegen haben musste.

Kaum einer der ihren war eines natürlichen Todes gestorben.

Und dasselbe Schicksal - jedenfalls der Sage nach - ereilte auch Lord Charles Kavanaugh. Die Geschichte von seinem Fall nahm ihren Anfang, als er das Bauernmädchen Ann begehrte, das jedoch von dem zum Jähzorn neigenden Lord nichts wissen wollte.

Sie liebte James, einen jungen Mann aus Dunmoore, aber Lord Kavanaugh hinderte das nicht im mindesten.

Und so stellte er dem jungen Mädchen weiterhin nach und setzte ihren Vater unter Druck, indem er diesem androhte, ihn von dem Land zu verjagen, das dieser von den Kavanaughs gepachtet hatte.

Da fasste Ann gemeinsam mit ihrem Geliebten einen verzweifelten Plan. Sie ließen Lord Kavanaugh eine Nachricht von Ann zukommen, in der diese ihm mitteilte, dass sie ihm jetzt doch nachgeben und sich mit ihm des nachts an einer knorrigen, verkrüppelten Eiche, in die ein Jahr zuvor der Blitz geschlagen war, treffen wolle.

Lord Kavanaugh - blind vor selbstzerstörerischer Leidenschaft und jede Vorsicht vergessend - kam zum vereinbarten Treffpunkt, wo Ann und ihr geliebter James dem Lord auflauerten und ihn erschlugen.

Aber die beiden Liebenden wurden nicht glücklich.

Der Fluch ihrer Tat schien sie nicht aus seiner Gewalt zu lassen. Ann wurde wahnsinnig und glaubte, dass der Geist von Lord Kavanaugh sie verfolgte und ihr nachstellte, diesmal nicht zu ungestümer Leidenschaft entflammt, sondern blind vor Rachedurst.

Immer wieder konnte man Anns Schreie über die Hügel gellen hören, wenn sie wieder einmal den düsteren, maskierten Reiter hinter sich her hetzen sah und verzweifelt versuchte, ihm zu entkommen...

Für die Menschen von Dunmoore stand außer Zweifel, dass es wohl tatsächlich der Geist des toten Lords sein musste, der nun ruhelos umherirrte und auf Rache sann.

Eines Tages war sie dann verschwunden.

Man fand einen Schuh und einen Umhang von ihr und so kam man zu dem Schluss, dass der untote Lord Kavanaugh sie ins Moor gehetzt hatte, wo sie dann ein furchtbares Ende gefunden haben musste.

Ihr Geliebter James nahm sich daraufhin aus Verzweiflung das Leben. Zuvor aber gestand er - wohl um sein Gewissen zu erleichtern einem Geistlichen den Mord an Lord Kavanaugh.

Später fand man ihn dann an jener Eiche erhängt, an der das nächtliche Rendezvous mit Lord Kavanaugh stattgefunden hatte.

Und manchmal, so berichtete die Sage, sehe man den finsteren Reiter noch heute über die Hügel preschen, wütend und ruhelos; mit einem unstillbaren Hass...

Maureen klappte das Buch zu.

Eine grausige Geschichte!, dachte sie.

Und dabei bemerkte sie, dass sich eine Gänsehaut über ihre Arme gelegt hatte.

Normalerweise hätte sie über eine solche Geschichte schmunzeln können... Schließlich gab es fast überall auf dem Lande solche Legenden von wundersamen und übernatürlichen Begebenheiten. Geschichten von Liebe, Mord und Rache, die man sich früher am Kamin erzählt hatte...

Aber dies hier war etwas anderes!

Ich habe den Reiter gesehen!, dachte Maureen. Oder zumindest jemanden, der sich so kostümierte...

Aber wenn es nur ein Witzbold war, der hier sein Unwesen trieb - warum kannte ihn dann niemand? Es musste doch noch andere gegeben haben, die ihn gesehen hatten!

Und eine solche Neuigkeit hätte sich in Dunmoore sicher wie ein Lauffeuer verbreitet!

Maureen zuckte mit den Schultern.

Wahrscheinlich nehme ich das ganze viel zu wichtig!, dachte sie und stellte das Buch wieder zurück. Herausgegeben von Jason Cormick!, fiel ihr ein.

Ich werde diesen Cormick mal auf diese Legende ansprechen, überlegte sie. Denn wenn er wirklich mit dem Herausgeber dieses Buches identisch war, dann musste er so etwas wie ein Fachmann auf dem Gebiet sein. Jemand, der Legenden und Sagen seiner Heimat sammelte.

Maureen zuckte die Schultern.

Vielleicht ist die Erklärung auch ganz einfach, ging es ihr dann durch den Kopf - und sie erschrak bei dem Gedanken.

Vielleicht werde ich auch wahnsinnig - so wie diese Ann aus der Legende!

10

In den nächsten Tagen tauchte der geheimnisvolle Reiter nicht mehr auf.

Maureen lebte sich mehr und mehr in Dunmoore ein. Und irgendwie begann sie, das ruhige Leben hier auch ein wenig zu schätzen.

Sie ließ sich von McCullum, dem Taxifahrer nach Linbury bringen, wo es einen Gebrauchtwagenhändler gab und kam mit einem schon recht angejahrten, aber von seinem Vorbesitzer gut gepflegten Austin zurück.

An den ersten zwei Tagen war das Wetter schön. Die Sonne schien und die Moorlandschaft sah ungewohnt friedlich und einladend aus. Aber dann wurde das Wetter wieder schlechter, der Himmel bewölkte sich, am Abend krochen unheimliche Nebel über die sanften Hügel.

Maureen genoss die freie Zeit mit Nichtstun und Lesen.

Einmal täglich ging sie zu Harry's, um einzukaufen und dabei ein paar Neuigkeiten zu erfahren.

Ein, zweimal traf sie Dr. Anderson und dann unterhielten sie sich über dieses oder jenes. Der Arzt war ihr sympathisch, aber jedesmal wenn sie sich trafen, fühlte sie sie eine seltsame Befangenheit.

"Vielleicht werden Sie etwas frischen Wind in diesen verschlafenen Ort bringen, Maureen", meinte Anderson einmal.

"Meinen Sie denn, dass das für Dunmoore das Richtige wäre?"

Und darüber mussten sie dann beide herzhaft lachen.

11

Einige Tage später - die Dämmerung hatte sich bereits grau über das Land gelegt - saß Maureen in ihrem Wohnzimmer und las in einem Buch, das sie mitgebracht hatte.

Es war ein Roman und sie war derart in die Handlung vertieft, dass sie für eine ganze Weile lang nichts um sie herum wahrnahm. Es war wie eine Art Trance und in der Zwischenzeit wurde es draußen finster. Ein Geräusch holte sie dann ziemlich unsanft auf diesem Zustand wieder heraus.

Sie schrak zusammen.

Das, was sie da hörte, waren die Geräusche galoppierender Pferdehufe.

Sie konnte nicht anders. Unwillkürlich musste sie an den Reiter mit der Maske denken.

Die Geräusche kamen näher heran und Maureen stockte der Atem. Sie machte das Licht aus, um aus dem Fenster sehen zu können. Der geisterhafte Reiter hatte das Haus nun erreicht.

Maureen konnte hören, wie er das Pferd zügelte und abbremste.

Sie schluckte, ging zum Fenster und blickte hinaus.

Es war eine bedeckte Nacht. Nicht ein einziger Stern war durch die schnell dahinziehende grauschwarze Wolkendecke zu sehen, nur hin und wieder schimmerte das fahle Mondlicht etwas hindurch.

Maureen sah nichts weiter, als einen schattenhaften Umriss. Der Reiter stand einfach da und schien das Haus betrachten.

Soweit Maureen das sehen konnte rührte er sich nicht und auch sein Pferd schien sehr ruhig.

Wie das grausige Standbild eines ruhelosen Gespenstes wirkte dieser Schemen und Maureen fragte sich, was sie nun tun sollte. Fest stand, dass der Reiter wusste, dass jemand im Haus war, denn es konnte ihm nicht entgangen sein, dass das Licht ausgemacht worden war.

Maureen atmete tief durch.

Was mag er nur von mir wollen? fragte sie sich. Sie wagte es kaum, sich zu bewegen, denn jede Bewegung konnte sie verraten.

Und dann hörte Maureen seine Stimme. Dumpf und fremdartig, keiner Stimme ähnlich, die sie je

gehört hatte. Erst war sein Rufen sehr leise und verhalten, so dass es kaum zu hören war und größtenteils vom Wind um dem Raschelnder Büsche verschluckt wurde.

Maureen konnte zunächst nicht verstehen, was er rief. Aber sie fand, dass es irgendwie traurig klang. Voll unerfüllter Sehnsucht und unendlichem Schmerz. Doch dann wurde die Stimme lauter und fordernder - ja, regelrecht angsteinflößend. Maureen verstand einen Namen und dieser Name jagte ihr einen eisigen Schauder über den Rücken.

"Ann!", kam es von draußen. "Komm heraus, Ann!"

Ann - das war der Name des Bauernmädchens aus der Legende gewesen!

Maureen schüttelte den Kopf.

Nein, dachte sie. Das kann doch wahr sein! Das durfte einfach nicht wahr sein!

"Ann!", hörte sie ihn erneut. "Komm, Ann!"

Sie überlegte kurz, dann entschloss Maureen sich, in die Offensive zu gehen. Wer auch immer ihr hier eins auswischen wollte, ihm gehörte die Meinung gesagt. Mit einer schnellen Bewegung öffnete sie das Fenster und rief zu dem Reiter hinaus: "Hier wohnt niemand der Ann heißt! Und es wäre nett, wenn Sie meine Privatsphäre respektieren und mich nicht mehr durch Ihr Geschrei

belästigen würden!"

In diesem Moment kam der Mond durch die Wolken hindurch.

Sein fahles Licht erhellte für den Bruchteil eines Augenblicks den Reiter.

Maureen sah die Maske, die Perücken, den Dreispitz... Und vielleicht eine Sekunde lang sah sie auch das Paar blitzender Augen, das sie hasserfüllt anstarrte.

"Warum nur, Ann?", kam es dumpf von dem Reiter herüber. "Warum, um alles in der Welt, hast du mir das nur angetan, Ann?"

Maureen verschränkte die Arme vor der Brust und schüttelte den Kopf.

"Ich habe Ihnen nichts getan. Ich weiß noch nicht einmal, wer Sie sind und wenn Sie nicht machen, dass Sie davonkommen, werde ich die Polizei rufen!", erklärte sie dann mit Entschlossenheit.

Sie versuchte, soviel innere Überzeugung wie möglich in ihre Worte zu legen und tatsächlich schienen sie den Reiter für einen Augenblick wenigstens ein wenig zu beeindrucken.

Jedenfalls sagte er nichts mehr.

Er saß schweigend im Sattel, während seine Gestalt wieder nicht mehr, als ein düsterer Umriss geworden war. Der Mond war hinter einer Wolke verschwunden und Maureen dachte, hoffentlich verzieht er sich jetzt auch wirklich...

Die Sache mit der Polizei, das hatte sie einfach so dahingesagt. Im Grunde war es eine ziemlich leere Drohung, denn was sollte sie den Beamten erzählen? Dass jemand, der sich gab und kleidete, als wäre er Lord Charles Kavanaugh sie - Maureen - offenbar für seine geliebte Ann hielt?

Wahrscheinlich würde statt eines Streifenwagens ein Nervenarzt geschickt werden!, ging es Maureen durch den Kopf.

Genau in diesem Moment geschah es dann. Maureen hörte ein metallisches Geräusch und einen

Augenaufschlag später wusste sie auch, was es bedeutete. Der Reiter hatte mit einer schnellen Bewegung seinen Säbel gezogen und nun preschte er in wildem Galopp auf das Fenster zu, an dem Maureen stand.

"Ihr werdet bezahlen Ann! Ihr alle beide! Du und James!", schrie er, seine Waffe wild über dem Kopf schwingend.

Es ging unwahrscheinlich schnell.

Der Reiter stürmte heran, während Maureen das Fenster zu schließen versuchte.

Dann wich sie zurück. Maureen stolperte über irgendetwas, taumelte und fiel zu Boden.

Sie hörte gleichzeitig das Splittern von Glas.

Der düstere Reiter hatte mit einem Säbelhieb die Fensterscheibe zertrümmert. Sein Pferd stellte sich wiehernd auf die Hinterhand und er hatte einige Mühe damit, sich im Sattel zu halten.

Aber er schien ein geschickter Reiter zu sein. Jedenfalls hatte er das Tier schon nach wenigen Augenblicken wieder unter Kontrolle. Dann stieg er aus dem Sattel und kletterte durch das Fenster.

Maureen rappelte sich auf und wich vor dem wütenden Eindringling zurück. Es war fast ganz dunkel im Raum. Nur das von außen einfallende Mondlicht konnte einem ein wenig bei der Orientierung helfen.

Maureen dachte an das Telefon. Aber es war aussichtslos, dorthin zu gelangen und irgendwen anrufen zu wollen. Ihr Gegenüber würde es zu verhindern wissen.

Der Eindringling kam näher.

Maureen stürzte den runden Tisch um und rollte ihn dem Fremden entgegen. Und zur gleichen Zeit lief sie zum gegenüberliegenden Fenster, öffnete es und sprang hinaus.

Drinnen hörte sie eine dumpfe Stimme Verwünschungen ausstoßen.

Maureen rannte, bis sie den gebrauchten Austin erreicht hatte. Kalter Angstschweiß stand ihr auf der Stirn. Nein, dies war kein Spaß mehr, dies war nicht einmal mehr ein übler Streich, mit der vielleicht irgendein Schuljunge seine zukünftige Lehrerin begrüßen wollte...

Es ging um ihr Leben.

Maureen hatte keine Ahnung weshalb ihr das geschah und was wirklich dahinter steckte.

Es stand für sie allerdings jetzt fest, dass dieser geheimnisvolle Reiter sie nicht nur ärgern oder erschrecken, sondern umbringen wollte.

Sie öffnete hastig die Wagentür.

Der Schlüssel steckte noch. Sie stieg ein, ließ den Motor an und setzte zurück.

Und dann sah sie, dass der Maskierte das Haus verlassen hatte und sich wieder auf den Rücken seines Pferdes geschwungen hatte, um der flüchtenden Maureen nachsetzen zu können.

Maureen hatte unterdessen die Scheinwerfer angestellt, um besser sehen zu können. Als der Reiter frontal auf den Wagen zuhielt, wurde er direkt angeleuchtet.

Sie sah den metallisch blinkenden Säbel in seiner Hand und die von Wahnsinn gezeichneten Augen, die durch die kleinen Schlitze der schwarzen Maske blitzten.

Maureen setzte noch ein weiteres Stück zurück, aber sie musste auf der Hut sein. Wenn sie irgendwo mit den Reifen steckenblieb, dann war es aus!

Der Reiter preschte heran, kam dicht an der Fahrerseite vorbei und ließ den Säbel krachend auf die Frontscheibe niedersausen, die nun einen Sprung zeigte. Er lenkte sein Pferd herum und schickte sich an zurückzukommen, vermutlich um einen weiteren Angriff auszuführen.

Maureen setzte nun nach vorne, während der Maskierte eine Art Bogen ritt und dann erneut frontal auf den Austin zuhielt.

Mein Gott!, ging es ihr durch den Kopf. Ich dachte, so etwas gibt es nur im Film!

Sie trat das Gaspedal herunter, der Wagen schnellte nach vorne. Es gab keinen anderen Ausweg.

Augen zu und durch!, dachte sie.

Der Reiter zügelte sein Pferd, das sich nun auf die Hinterhand stellte, während Maureen den Motor aufheulen ließ und an Tier und Reiter vorbeischnellte.

Sie atmete auf, als sie an dem Maskierten vorbei war. Im Rückspiegel sah sie für einen kurzen Moment noch, wie er mit dem Pferd zu kämpfen hatte, das offenbar von wilder Panik ergriffen worden war. Dann hatte die Dunkelheit alles verschluckt und Maureen hoffte nur, dass er ihr nicht auch noch folgen würde. Auf diesen kleinen Straßen und Holperwegen konnte ein

Reiter per Abkürzung möglicherweise schneller sein, als ein Auto.

12

Als Maureen Dunmoore erreichte, und der Reiter ihr offenbar nicht mehr folgte, stoppte sie den Austin und überlegte, wohin sie sich wenden sollte.

Zurück zum Haus konnte sie erst einmal nicht. Es bestand die Gefahr, dass der Maskierte sich noch dort befand und sie erwartete.

Maureen fröstelte.

Ihr war kalt. Sie war nur in in ihrer dünnen Bluse hinausgelaufen, da sie natürlich keine Zeit gehabt hatte, ihre Jacke anzuziehen.

Sie ließ den Austin langsam durch den Ort fahren. Dann kam sie an der Schule vorbei und dachte: Vielleicht wird Jim Anderson mir helfen!

So stellte sie den Wagen vor dem Haus des Arztes ab, ging zur Tür und klingelte.

Zunächst geschah gar nichts. Und im Grunde war das auch alles andere, als ein Wunder. Maureen war einen kurzen Blick auf ihre Armbanduhr. Es war schon ziemlich spät.

Und dann waren endlich hinter der Tür ein paar Geräusche zu hören und einen Augenblick später stand Maureen Dr. Anderson gegenüber. Er trug einen Morgenmantel und hob erstaunt die Augenbrauen.

"Maureen?"

"Kann ich hereinkommen, Jim?"

"Was ist los? Du siehst aus, als ob der Teufel hinter dir her wäre."

"Ich bin überfallen worden!"

Anderson legte ihr den Arm um die Schulter, um sie etwas zu beruhigen. Sie atmete tief durch und rang nach Luft.

Und dann erzählte Maureen ihm, was geschehen war. Es sprudelte einfach so aus ihr heraus. Sie musste es loswerden und sie nahm auch keine Rücksicht darauf, ob ihr Gegenüber sie jetzt vielleicht für verrückt hielt.

Etwas später saß sie dann bei Anderson im Wohnzimmer, während der Arzt für ein paar Minuten in einem Nebenraum verschwand.

Schließlich kam er zurück.

Er gab ihr einen Pullover und meinte: "Hier, zieh das an. Es ist viel zu kalt!"

Sie nickte.

"Danke!"

"Ich habe die Polizei angerufen!"

"Was?"

"Ja, Sergeant Knowland kommt von Linbury hier herausgefahren."

Sie sah ihn mit fragenden Augen an.

"Jim", begann sie. Anderson setze sich zu ihr.

"Was ist, Maureen?"

"Denkst du, dass ich verrückt bin? Jemand, der von Lord Kavanaughs Geist verfolgt wird hat doch sicher die besten Chancen, im Irrenhaus zu enden."

Anderson schüttelte den Kopf.

"Nein, ich glaube nicht, dass du verrückt bist."

"Er hat mit dem Säbel die Frontscheibe meines Austin zerschlagen. Man kann den Sprung deutlich sehen. Komm, ich zeige ihn dir!"

"Ich glaube dir auch so, Maureen."

"Wirklich?"

Er nickte entschieden.

"Wirklich!", erklärte er so überzeugend, dass Maureen erleichtert aufatmete.

"Und was machen wir jetzt?", fragte sie.

Jim Anderson kratzte sich am Kinn.

"Ich werde mich anziehen. Und dann fahren wir hinaus zu deinem Haus. Dort werden wir den Sergeant treffen!"

13

Einige Minuten später saßen sie gemeinsam in Jim Andersons Wagen und fuhren den Weg zurück, den Maureen zuvor gekommen war.

"Er hat versucht, mich zu töten!", erklärte Maureen im Brustton der Überzeugung. Sie zuckte mit den Schultern. "Ich verstehe nur nicht, weshalb, Jim! Wem habe ich denn hier etwas getan? Ich kenne ja kaum jemanden!"

"Ich weiß es auch nicht, Maureen", erwiderte der Arzt.

"Aber wir werden dieser Sache schon auf den Grund kommen! Glaub mir!"

"Erst dachte ich, dass es irgendein dummer Jungenstreich sei..."

"Nein, so sieht das nicht mehr aus..."

Nicht lange und sie hatten ihr Ziel erreicht.

Anderson parkte den Wagen neben Maureens Haus und griff auf den Rücksitz, wo er sich eine lange Stabtaschenlampe hingelegt hatte.

Sie stiegen aus und blickten sich um.

Anderson ließ den Lichtkegel der Lampe ein wenig umherkreisen. Aber nirgends regte sich etwas.

"Hier scheint niemand mehr zu sein!", meinte der Arzt.

Sie gingen um das Haus herum und kamen schließlich zu dem Fenster, das der Mann mit dem Säbel eingeschlagen hatte.

Aber was sie dann sahen, ließ Maureen vor Schreck fast erstarren.

"Nein..." flüsterte sie. Das konnte doch nicht wahr sein!

Eine Trittleiter ragte zur Hälfte aus dem Fenster heraus. Es war so arrangiert, dass es so aussah, als wäre die Leiter ins Fenster hineingestürzt und hätte dabei die Scheibe zerschlagen.

Sie blickte zu Anderson und sah die Falten auf dessen Stirn. Er schien jetzt wohl ebenfalls an ihrem Verstand zu zweifeln, auch wenn er das nicht so offen aussprach.

"Die Leiter stand im Schuppen!", sagte Maureen eilig. "Der Maskierte muss sie auf diese Weise hingestellt haben, damit es so aussieht, als wäre mir nur ein Missgeschick passiert!"

Anderson schwieg und ließ den Lichtkegel über den Boden gleiten.

"Jim!", stieß Maureen hervor. "Du glaubst mir doch, oder?"

Er ging darauf nicht ein.

"Du hast von einem Reiter gesprochen, nicht wahr?", meinte er statt dessen.

Maureen nickte.

"Ja, natürlich!"

"Aber dann müssten vor dem Fenster doch Hufspuren zu sehen sein. Aber der Boden sieht dort aus wie frisch geharkt..."

Maureen war fassungslos.

"Jim, du denkst doch nicht etwa..."

"Die Wahrheit ist, dass ich nicht so recht weiß, was ich davon halten soll", murmelte er nachdenklich, während er den Lichtkegel der Taschenlampe noch etwas umherschweifen ließ.

Ein Geräusch ließ sie dann beide herumfahren. Es war das Motorengeräusch eines herannahenden Wagens.

"Das wird der Sergeant sein!", meinte Anderson.

Eine weitere Taschenlampe war zu sehen und dann erkannte Maureen die Uniform eines Polizisten.

"Guten Abend, Sergeant Knowland", sagte Dr. Anderson.

Der Sergeant kam näher heran.

"Guten Abend? Eigentlich schon 'guten Morgen', Mister Anderson. Meinen Sie nicht auch?" Er räusperte sich. "Das klang ja ziemlich dringend am Telefon..." Er kratzte sich am Hinterkopf und rückte sich die Mütze zurecht. Dann sah er zu Maureen. "Sind Sie diejenige, die man überfallen hat?"

"Ja..."

Maureen sagte es zögernd, obwohl sie dazu doch eigentlich keinen Anlass hatte. Sie erzählte von dem maskierten Reiter und sah dabei, wie die Furchen auf Sergeant Knowlands Stirn immer tiefer wurden.

Dann, als Maureen geendet hatte, wandte der Polizist sich wortlos herum.

"Haben Sie beide hier irgendetwas verändert?"

"Nein", erklärte Anderson.

"Die Leiter scheint das Fenster zerschlagen zu haben!", meinte der Seargent dann.

"Das muss der Täter so arrangiert haben! Er hatte doch genug Zeit!", rief Maureen.

"Ich sehe auch nirgends Pferdespuren", setzte der Sergeant dann noch hinzu. Er leuchtete mit seiner Taschenlampe umher und hielt den Blick zur Erde gerichtet.

"Keinerlei Spuren..."

"Er hat sie alle beseitigt!", rief Maureen und fasste sich den Kopf. "So muss es sein! Er hat die Spuren verwischt und..."

Sie fühlte Andersons Arm, der sich um ihre Schulter legte und brach ab.

"Komm, beruhige dich, Maureen. Es ist ja nichts passiert."

Sie sah zu ihm auf.

"Nichts passiert?"

Der Sergeant kam zu ihnen zurück und meinte: "Auf diesem Haus scheint wirklich ein Fluch zu liegen..."

Der Doktor hob die Augenbrauen.

"Was meinen Sie damit?"

"Nun, wie soll ich sagen..." Sergeant Knowland machte eine hilflose Geste. "Die letzte Mieterin - Mrs. Bradshaw glaubte auch, von einem maskierten Reiter verfolgt zu werden. Sie wurde wahnsinnig und glaubte, dass der Geist Lord Kavanaughs es auf sie abgesehen habe! Es ist schon eine merkwürdige Parallele..."

"Ich bin nicht verrückt!", erklärte Maureen fest. "Und ich weiß, was ich gesehen habe, Sergeant!"

"Was Sie gesehen zu haben glauben!", gab der Sergeant trocken zurück. "Es war dunkel, vielleicht haben Sie ein Geräusch gehört, einen Schatten gesehen..."

"...und mir dann etwas eingebildet, das meinen Sie doch, nicht wahr?"

"Sie wären weder die erste noch die letzte, der so etwas passiert. Wenn es Sie beruhigt, dann werde ich mir noch einmal alles in Ruhe ansehen und auch im Haus nachschauen... Aber nach einem Überfall sieht mir das nicht aus..."

Während sich der Sergeant abwandte atmete Maureen tief durch. Innerlich ballte sie die Hände zu Fäusten. Dieser Dorfpolizist dachte nicht im Traum daran,dieser Sache wirklich nachzugehen!

"Die genauen Umstände von Mrs. Bradshaws Tod konnten doch nie wirklich aufgeklärt werden, nicht wahr?", warf Maureen ein.

Der Sergeant legte die Stirn in Falten.

"So ist es. Sie haben von dem Fall gehört?"

"Ja."

"Hm", brummte der Beamte nachdenklich. Dann gingen sie noch ins Haus, um sich dort umzusehen. Maureen machte Licht. Mit Ausnahme der zersplitterten Fensterscheibe war nichts beschädigt.

"Ist vielleicht irgendetwas gestohlen worden, Miss Stanley?", erkundigte sich Sergeant Knowland. Maureen überprüfte das schnell und sah auch im Schlafzimmer nach.

Aber es fehlte nichts.

"Nein, Sir" sagte sie.

"Na, wie es aussieht gibt es dann für mich hier nichts mehr zu tun!", meinte er dann, verabschiedete sich und ging davon.

Maureen hörte, wie er seinen Wagen anließ und davonfuhr.

Sie blickte Jim Anderson mir großen, traurigen Augen an und meinte: "Du denkst dasselbe wie der Sergeant, nicht wahr?"

"Nun...", sagte der junge Arzt vorsichtig.