Die Briefe des Heiligen Johannes - Friedrich Wilhelm Besser - E-Book

Die Briefe des Heiligen Johannes E-Book

Friedrich Wilhelm Besser

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Beschreibung

In insgesamt dreizehn Bibelstunden referiert der deutsche lutherische Theologe Besser über die drei Briefe des Johannes. Diese gehören zu den katholischen Briefen des Neuen Testaments, von denen angenommen wird, dass sie zwischen 85 und 100 n. Chr. geschrieben wurden. Die meisten Wissenschaftler sind sich einig, dass alle drei Briefe von ein und demselben Autor verfasst wurden, auch wenn es umstritten ist, wer dieser Autor ist.

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Die Briefe des Heiligen Johannes

 

In Bibelstunden für die Gemeinde ausgelegt

 

WILHELM FRIEDRICH BESSER

 

 

 

 

 

 

 

Die Briefe des Heiligen Johannes, W. F. Besser

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783849662158

 

Der Originaltext dieses Werkes entstammt dem Online-Repositorium www.glaubensstimme.de, die diesen und weitere gemeinfreie Texte der Allgemeinheit zur Verfügung stellt. Wir danken den Machern für diese Arbeit und die Erlaubnis, diese Texte frei zu nutzen.

 

Cover Design : Cropped, 27310 Oudenaarde Sint-Walburgakerk 87 by Paul M.R. Maeyaert - 2011 - PMRMaeyaert, Belgium - CC BY-SA.

https://www.europeana.eu/en/item/2058612/PMRMaeyaert_eaa59c4c3340ca0a0e5d1bfdf2aaafc1522cc823

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

1. Brief1

1. Unsre Gemeinschaft ist mit dem Vater und mit Seinem Sohne Jesu Christo.1

2. Der Wandel im Lichte.14

3. Die Merkmale der Erkenntniß Gottes.35

4. Der Christen Macht zum Ueberwinden der Welt.48

5. Der Christen Schutz vor der Verführung des Widerchrists.69

6. Was Christen sind und seyn werden.92

7. Die Botschaft von der Bruderliebe.117

8. Prüfet die Geister!136

9. Gott ist die Liebe.153

10. Unser Glaube an Jesum Christum, den Sohn Gottes.185

11. Unser Glaube an Jesum Christum, den Sohn Gottes.219

Zweiter Brief238

Dritter Brief.258

1. Brief

1. Unsre Gemeinschaft ist mit dem Vater und mit Seinem Sohne Jesu Christo.

Cap. 1, 1 - 4.

Herr Jesu, unsre Freude laß völlig seyn durch den Glauben an Dein Wort. Amen.

Das Evangelium des heiligen Johannes hat mit der Freude des Bekenntnisses: „Wir sahen Seine Herrlichkeit“ uns erfüllen wollen, und wenn anders unsre vorigen Bibelstunden nicht vergeblich an uns gewesen sind, so tragen wir das Bild des eingebornen Sohnes, des ewigen und fleischgewordenen Wortes, als das Bild der Herrlichkeit Gottes, lebendig in der Seele. Es hält uns noch fest; es reizt uns, stets von neuem an dieser Herrlichkeit uns zu ergötzen; wir sind noch voll vom Evangelium Johannes und wünschen, daß sein wundersüßer Ton in uns nimmer verklinge. Wohlan, so bringen wir Herzen mit, welche taugen zum Hören der Stimme desselben Apostels, wie sie in seinen Briefen laut wird. Denn diese Briefe sind geschrieben, um den Eindruck des Evangeliums in den Herzen der Leser zu befestigen und die Bäche des ewigen Lebens, welche im Evangelium fließen, recht reichlich in den Wandel der Gemeinde zu leiten, auf daß sie mit Ueberwinder-Kraft den hereinbrechenden Irrlehren widerstehen und der sie bereits beschleichenden Trägheit sich erwehren möge. „Wider beide Uebel handelt allhier der Apostel“, sagt Luther im Eingange seiner (größeren) Auslegung des ersten Briefs, „und treibt uns zur Bewahrung des Worts und zur Liebe untereinander an. Der Teufel ist immer geschäftig, darum ist der Gebrauch des göttlichen Worts, die Ermunterung zu selbigem, die Uebung darinnen allzeit vonnöthen. Es ist ein lebendiges und kräftiges Wort, wir aber schnarchen und sind faul; es ist ein Wort des Lebens, wir aber sind täglich im Tode. Und weil wir niemals ohne Sünden und Gefahr des Todes sind, so sollen wir auch niemals von der Wiederkäuung des Worts ablassen. Und also ist diese Epistel ermahnungsweise geschrieben.“

Bei der Auslegung des Evangeliums haben an vielen Stellen Aussprüche der Briefe uns Hülfe geleistet; jetzt werden wir finden, daß die Briefe ganz von der im Evangelium strahlenden Herrlichkeit durchleuchtet sind, etwa wie ein Krystallwürfel die Strahlen der Sonne auffängt und zu einem Strahlenbilde sammelt. Und zwar geht es hier recht nach dem Liedesworte: „Ach bleib mit Deinem Glanze bei uns, Du werthes Licht, Dein Wahrheit uns umschanze, damit wir irren nicht!“ Die Irrlehrer-Art, deren Regung der heilige Paulus schon im 2ten Thessalonicherbriefe geschäftig sieht und die er in seinem letzten Briefe, dem zweiten an Timotheus, bekämpft, indem er darin seinem Nachfolger Johannes gleichsam die apostolische Abschiedshand reicht, sie war nun mit Macht auf den Plan getreten zur Verwüstung der Kirche (Cap. 2, 18. vergl. mit 2 Thessal. 2, 7.): gegen ihre Lügen die Kirche mit dem Wort der Wahrheit zu umschanzen, das war der dem heiligen Johannes vorbehaltene Dienst in der „letzten Stunde“, und Evangelium und Briefe miteinander geben davon Zeugniß, daß er dieses Dienstes treu gewartet hat, damit wir wissen möchten, wo unsre Zuflucht ist, wenn auch für uns das böse Stündlein schlägt - und es hat geschlagen. Noch währt die letzte Weltstunde, und dem Ende aller Dinge sind wir um vieles näher gekommen; der Antichrist ist offenbar geworden, Irrlehrer in allerlei Gestalt haben den Weinberg der Kirche zerwühlt und treiben trotzig ihr teuflisches Wesen in der altgewordenen Welt; das Häuflein der Christen ist wieder fast so klein, wie es war, als Johannes seine Briefe schrieb: wir bedürfen in unsrer Noth apostolischer Hülfe - Halleluja, sie ist vorhanden! Johannes ist auch unser Apostel und Prophet, er ist der apostolischen Kirche Apostel bis ans Ende ihrer Ritterschaft, so wahrhaftig sein Name: Johannes funkeln wird als Edelstein auf den Gründen der neuen, ewigen Stadt. - Das Verhalten seiner beiderlei Schriften, des Evangeliums und der Briefe, zueinander mögen wir auch so bezeichnen: das Evangelium ist der Vordersatz, die Briefe sind der Folgesatz (ähnlich wie in unsern sonntäglichen Perikopenpaaren Evangelium und Epistel mit einander verbunden zu seyn pflegen). Weil das Leben erschienen ist und als wahrhaftiges Licht leuchtet, darum ziemet es uns, in Lebens- und Lichtgemeinschaft mit Ihm zu wandeln. Der Epiphanie der Herrlichkeit Jesu entspreche die Epiphanie der Herrlichkeit Seiner Gemeinde! „Wenn Jehovah man genennet, wird nichts Höhers mehr erkennet, als die Herrlichkeit der Braut.“ Wir sahen Seine Herrlichkeit, so sehe Er nun unsre Herrlichkeit, denn „gleichwie Er ist, so sind auch wir in dieser Welt“ (Cap. 4, 17.). In Summa: unser Leben sey ein Leben in der Gemeinschaft mit dem Vater und mit Seinem Sohne Jesu Christo.

Dies sey vorausgeschickt und damit der gerade Weg gewiesen zum fruchtbaren Gebrauche der Briefe des heiligen Johannes. Je fleißiger du Erbauung suchst in Johannes Evangelium und in den heiligen Gedankenaufschwung desselben dich einlebst, desto gesalbter wirst du werden zum Verstehen der Briefe; und wiederum, je treulicher du der Briefe Ermahnung hörst und lernst, desto herrlicher und köstlicher wird dir das Evangelium werden und du wirst desto größere Lust und Liebe dazu finden. In diesem Sinne wollen wir nun in unsern apostolischen Text eingehen. War dieser Brief für die Ephesinischen Empfänger des Evangeliums etwa auch nicht ein „Zueignungs - und Begleitschreiben“, so sey er's doch für uns. Die Gnade des Heiligen Geistes sey mit uns, der Thürhüter thue unserm Anklopfen die Schrift auf. Amen.

Der heilige Johannes, durchleuchtet von der Herrlichkeit des erhöheten Menschensohnes, rein durch Sein Gnadenwort und tägliches Vergeben, entzündet von dem Feuer Seiner göttlichen Liebe zu nacheifernder Liebe gegen die Brüder und Alle, die verloren sind ohne Ihn; anbetend Seine göttliche Majestät und leutselige Freundlichkeit, umschauend auf der Erde, diesem Felde voller Todten, die da meinen, sie leben; vor Augen den brüllenden Löwen, der umher würgt mit Lügen und Mord; aus schmerzlicher Erfahrung und göttlicher Offenbarung wohlbekannt mit der Tiefe, Kraft und Masse des sündlichen Verderbens, welches im Fleische wohnt, und erwägend die Ewigkeit der Verdammniß der für die ewige Seligkeit geschaffenen unsterblichen Seelen: - in die Ewigkeit hinaus wendet er unsern Blick, damit das Anschauen dessen, der ewig und allmächtig ist, unsre Seelen bewege Ihm zuzutrauen, daß Er aus dem ewigen Tode helfen, daß Er allein erretten kann; zugleich aber hinunter in die Tiefe Seiner Erniedrigung, zur Zeit Seiner Erscheinung auf Erden, wo die Apostel Ihn gesehen und mit ihren Händen betastet haben in Seiner Knechtsgestalt, die Er angenommen. Seine Heilandswilligkeit zu bethätigen und zu bezeugen, und zwar mit einem menschlich handgreiflichen Zeugniß, auf daß kein Zweifel ein blödes Gewissen abhalten möchte zu Ihm seine Zuflucht zu nehmen, jetzt im Glauben, um einst Ihn auch zu schauen in reiner Seligkeit mit Johanne und Allen, die durch das apostolische Wort Gemeinschaft haben mit dem Vater und untereinander. So hebt er seinen Adlersflug, wie im Anfang des Evangeliums, von neuem an von der Gotteshöhe der Ewigkeit, wo unser Heil entspringt, uns mit sich zu nehmen in Jesu Christo hin zur Ewigkeit, wo unser Heil sich vollendet.

V. 1. Das da war von Anfang, das wir gehört haben, das wir gesehen haben mit unsern Augen, das wir beschaut haben, und unsre Hände betastet haben: vom Worte des Lebens - (verkündigen wir euch, V. 3.). Der Gegenstand seiner evangelischen Verkündigung steht in überschwänglicher Herrlichkeit vor einer anbetenden Seele: recht hell will er denselben uns vor Augen stellen, zur Mitfreude recht nahe bringen. Das Wort des Lebens: das ewige Wort, welches im Anfang war und in Ihm war Leben, lauter Leben (Ev. Cap. 1, 4), und welches Fleisch ward, damit Seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit des Lebens, erscheinen und von Jüngeraugen gesehen werden möchte: dies ist ja der Inhalt der johanneischen Verkündigung. Das, was der Apostel zu verkündigen hat, ist jenes von Ewigkeit Seyende und in der Zeit Erschienene, wovon ein Herz voll ist, das Wunderbare, dessen Name in dem Wunderbaren, in Gottes und Marien Sohne, offenbar geworden.1) Vergl. Luc. 1, 35. Anstatt: Der da war, schreibt er: Das da war von Anfang, das wir gehöret haben, damit recht deutlich erkannt werde, wie nahe Christus und die Predigt von Christo mit und bei einander sind, so nahe, wie Sonnenglanz und Sonnengluth. Die in der Fülle der Zeit erschienene Sonne strahlte schon rückwärts in die Vergangenheit, da die Gläubigen Ihn hatten im Wort der Verheißung, und sie strahlt hinein in die Zukunft, wir haben. Ihn wieder im Wort des Evangeli. Von Christo redend, darf man mithin zugleich im Maskulinum und im Neutrum reden: was wir hörten, das war Er; was wir sahen, das war Er; was wir (Christen) jetzt noch reden und hören, das ist Er, oder darinnen und darunter ist Er. Rede ich von einem Menschen, so ist der nicht bei der Rede, das Geredete ist etwas Anderes, als die beredete Person, obgleich meine Rede wahr seyn mag; rede ich aber, und zwar richtig, von Christo, so ist Christus wahrhaftig bei meiner Rede, und ist, was ich rede. Vergl. Ev. 8, 25. Von Anfang war das Wort des Lebens; nicht einen Anfang hat Es genommen, sondern Es ist der lebendige Anfänger aller Dinge. Dem heiligen Johannes, den die Jesusliebe im Suchen in der Schrift unterwiesen hat, war das erste Schriftwort (1 Mos. 1, 1.) tief ins Herz gedrückt. Und der Christum erkannte, wie Er von Anfang war als das ewige, schöpferische Wort; der Ihn mit Augen seliger Freude sah als das im Fleische gekommene Wort, in der Mitte der Zeiten: der ist auch gewürdigt worden im Geist Ihn zu schauen, wie am Ende Er kommen wird, wenn Sein Name: „das Wort Gottes“ leuchten wird in richterlicher, die Welt verzehrender Herrlichkeit (Offenb. 19, 13.). Dasselbige Wort, das von Anfang war, der eingeborne Sohn, ist Fleisch geworden, und die Apostel sahen Seine Herrlichkeit. Hiebei verweilt Johannes mit großem Zeugenernste. Es ist ihm ein inniges Anliegen, die Selbigkeit des Menschen Jesus Christus mit dem uranfänglichen Worte des Lebens zu bezeugen und die Phantasten Lügen zu strafen, welche Jesum von Nazareth und das Wort des Lebens auseinanderreißen und auf einem Wege neben Bethlehem und Golgatha vorbei des göttlichen Lebens habhaft werden wollten. Auch im Evang. Cap. 19, 25. und 21, 24. beruft sich Johannes mit sonderlichem Nachdruck aus das Sehen und Hören (vergl. zugleich Offenb. 22, 8.); als gewisser, unverwerflicher Zeuge tritt er für die Wahrhaftigkeit seiner Verkündigung ein: Das wir gehöret haben, das wir gesehen haben mit unsern Augen, das wir beschauten und unsre Hände betasteten. Er häuft die Ausdrücke, denn er kann dem Bedürfnisse seiner Liebe kaum genug thun, die Offenbarungsfreudigkeit des Sohnes Gottes, Seine willige Herablassung ins Fleisch zum Wohnen unter uns voller Gnade und Wahrheit zu preisen. Vom Hören zum Sehen, vom Sehen zum Beschauen, vom Beschauen zum Betasten steigt Stufe um Stufe aufwärts seine immerjunge Erinnerung an jene Gnadenzeit, da die Jünger aus dem Munde Jesu Worte des ewigen Lebens gehört, mit ihren Augen Ihn und Seine Werke väterlicher Kraft gesehen, und durch solch Hören und Sehen gezogen beschauten mit dem weilenden Blicke der Liebe Seine Herrlichkeit und betasteten mit ihren Händen den Leib des Lebens, der gestorben am Kreuze hing und der auferstanden und aufgefahren ist gen Himmel (Evang. Cap. 20, 27; Luc. 24. 39.).

„O, unbegreifliche Weisheit Gottes, die sich so tief herablässet, um uns zu sich zu erheben, daß sie sich von allen menschlichen Sinnen begreifen, besehen, betasten und von ihrer Creatur hat behandeln lassen, damit sie uns dagegen zu Liebhabern der unsichtbaren Güter mache, bis sie sich uns auch im Himmel zu genießen gebe.“ Spener. Was wir hoffend und aufs Zukünftige hinschauend singen: ,Dieser meiner Augen Licht wird Ihn, meinen Heiland, kennen,“ das war in Johannes gegenwärtige Freude kraft lebendigster Erinnerung, und aus dem ihm sammt seinen Mitaposteln Widerfahrenen baut eben unsre Hoffnung sich auf. Den wahrhaftigen Gott und das ewige Leben hoffen wir zu sehen und mit anbetenden Händen anzurühren, wenn wir die Kniee umfassen werden, die Maria Magdalena festzuhalten begehrte; im Arm und Schooße Dessen, der da war von Anfang, hoffen wir ewig selig zu ruhen, wenn wir an die Brust uns schmiegen werden, an der Johannes gelegen. Wie hoch hat doch der Herr Ohren. Augen und Hände der Menschen geehrt, daß sie taugen sollen zu Zeugnißorganen bei dem menschlichen Zeugniß von dem ewigen wahren Gut! Die Sinne des Menschen, von Gott erschaffen, bleiben kraft der göttlichen Schöpfungsthat dieselben zu allen Zeiten; was man vor tausend Jahren hart nannte, nennt man noch jetzt hart, und nicht weich. Ist also die Menschwerdung des eingebornen Sohnes bezeugt von vernünftigen Menschen, die Ihn mit Augen gesehen und wieder gesehen und mit Händen betastet haben, nun, so habe ich Recht und Pflicht, solch Zeugniß anzunehmen; will ich nicht glauben, so bin ich unvernünftig, wie die Doketen (Scheinler), die einen Logos (Wort) erdichteten, welcher nicht im Fleische erschienen sey, sondern nur den Schein des Fleisches angenommen habe. Gesegnet sey uns die Hand des Apostels, und wir wollen sie einst küssen im Himmel, die theure Hand, welche den Herrn Jesum betastet und hernach dies geschrieben hat, was wir jetzt lesen. - Johannes Verkündigung von dem, das da war von Anfang und das die Apostel gehöret und gesehen haben, ist eine Verkündigung vom Worte des Lebens. Er blickt, wie gesagt, zurück auf die Wesensbezeichnung des Wortes im Evang. Cap. 1, 4: „In Ihm war das Leben.“ Das geschriebene und gepredigte Wort Gottes ist auch ein Wort des Lebens, denn es zeugt vom Leben und führt zum Leben; aber dem persönlichen Worte, dem Sohne Gottes, den Johannes verkündigt, eignet der Name: das Wort des Lebens in der Fülle des Sinnes, wonach dieses Wortes Wesen Leben ist. „Ich bin das Leben,“ spricht Christus, dem der lebendige Vater gegeben hat das Leben zu haben in Sich selber (Evang. Cap. 5, 26; 14, 6; 11, 25; vergl. in unserm Br. Cap, 5, 20.), und wie Er als Gottessohn ewiglich selber das Leben ist, so ward Er durch Seine Menschwerdung uns zum Leben gemacht, und spricht: „Ich bin das Brot des Lebens“ (Evang. Cap, 6, 35.); wer Ihm nachfolgt, der wird das Licht des Lebens haben (Evang. Cap. 8, 12.). Welchen Inhalt hat nun der edle Name: Leben? Das Leben ist nicht ein Gedankending, nicht ein menschliches Wort für etwas, was in allem Lebendigen sich regt, noch eine vor allem wirklich Lebendigen vorhandene Idee; sondern das Leben ist eine Person, nämlich Gott, Seiner selbst vollkommen bewußt und mächtig, auch ohne das Daseyn irgend einer lebendigen Creatur; als das Leben schließt aber das göttliche Wesen eine Mehrheit von Personen in sich, weil persönliches Leben durch Liebesverkehr zwischen Ich und Du und Wir sich bethätigen will. Der Sohn heißt das Leben als Gott, aber in besonderer Beziehung auf die Menschen: Er ist unser Leben (Cap. 4, 9.); wo bei uns Leben seyn soll, da muß es „göttlicher Natur theilhaftig“ seyn (2 Petr. 1, 5.). Das Bild Gottes, wozu wir im Anfang geschaffen wurden durch das ewige Wort, ist ein Bild des Lebens; der Gnadenstand, in welchen wir versetzt worden kraft der Erlösung durch das Blut Jesu Christi, ist ein Stand des Lebens; die Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll als an den Miterben Christi, unsers erstgebornen Bruders, ist eine Herrlichkeit des Lebens. In der Gemeinschaft mit dem lebendigen Vater und Seinem lebendigen Sohne Jesu Christo sind auch wir lebendig d. h. wir wissen, daß Gott uns liebt, und Ihn wieder zu lieben ist unsre Freude, wir stehen mit Gott in dem persönlichen Umgange der lieben Kinder mit ihrem lieben Vater. - Wie sollte doch dieser Name Jesu Christi: das Wort des Lebens bloße Kopfchristen beschämen! Ist in Christo lauter Leben, so mögen wir nur dann Gemeinschaft mit Ihm haben, wenn wir als Herzchristen dieses Lebens und seiner Freude im Glauben inne geworden sind, wie hier Johannes aus freudenreicher Erfahrung des Lebens redet. Die Kraft solcher Erfahrung allein ist's auch, wodurch die apostolische Verkündigung von Christo als wahrhaftig und gewiß unserm Geiste sich erweist (Evang, Cap, 7, 17.). Indem nun der Apostel das Wort des Lebens als seiner Predigt herrlichen Inhalt nennt, tritt die gnadenvolle Offenbarung desselben im Gegensatz zu der antichristischen Lüge, daß nicht in Jesu von Nazareth das Leben erschienen sey (Cap. 4, 2.), so lebendig vor die Augen seines Gemüths, daß er die angefangene Rede durchbricht, um von neuem mit Freudenmunde zu verkündigen, was er gesehen hat, von dem Worte des Lebens, das da war von Anfang:

V. 2. Und das Leben ist erschienen, und wir haben gesehen, und zeugen, und verkündigen euch das ewige Leben, welches war bei dem Vater, und ist uns erschienen. Ganz so wie dort, wo die Verkündigung: „Und das Wort ward Fleisch und wohnete unter uns - „ ihm das freudige Bekenntniß entlockt: „und wir sahen Seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingebornen Sohnes vom Vater,“ noch ehe er den Verkündigungssatz ganz ausgesprochen hat (Evang. Cap. 1, 14.). Dieser evangelische Spruch kehrt auch dem Inhalt nach hier wieder (vergl. außerdem Cap. 3, 5. 8. und 4, 9). Denn das Leben erschien, da das Wort Fleisch ward, Gott im Fleische Sich offenbarte (1 Tim. 3, 16), die Fülle der Gottheit dem Menschensohne, dessen Fleisch Geist und Leben ist (Evang. Cap. 6, 63.), leibhaftig einwohnte (Col. 2, 9), und die Herrlichkeit des lebendigen Gottes in dem Angesichte Jesu Christi sich zu erkennen gab (2 Cor. 4, 6). Um die große Freude der evangelischen Thatsache: Das Leben erschien! recht aus dem Grunde zu empfinden, vergegenwärtigen wir uns das viertausendjährige Adventsverlangen der in Sünde und Tod gefangenen Welt. Das Leben wird erscheinen! - in dieser Hoffnung sind Adam und Eva, durch welche das Leben verloren war, selig entschlafen; diese Hoffnung war das feste Tau, an welchem alle Patriarchen im Glauben sich hielten und das sie auch im Sterben nicht losließen, unter dem Schatten dieses Hoffnungstaus liegen ihre Gräber. Das Leben wird erscheinen! - war Noahs Glaube, wodurch die Planken der Arche zusammengehalten und an den Felsenklippen vorübergeführt wurden in der großen Fluth; in diesem Glauben frohlockte Abraham, dem es Gott offenbarte, daß das Leben in Fleisch und Blut von Abrahams Fleisch und Blut erscheinen werde; dieser Glaube war die Seele des Volkes Israel, ein Danken und ein Bitten, eines Daseyns eigentlicher Bestand, Davids Trost und Freudenpsalm, der Propheten Gesicht und Offenbarung, der gefangenen Juden Aufenthalt und Grund zur Rückkehr, und endlich der Stillen im Lande, die da warteten auf den Trost Israels, herzliche Sehnsucht, bis Johannes Finger auf ihn hinwies, in dem Israels Hoffnung sich erfüllte. „Was der alten Väter Schaar höchster Wunsch und Sehnen war, und was sie geprophezeit, ist erfüllt nach Herrlichkeit.“ Selig sind die Augen, die da sehen, das die Apostel sahen! Wir haben gesehen, fährt Johannes fort - doch nicht allein ihnen selbst, sondern zugleich der ganzen Welt war der Apostel Sehen zum Segen vermeint, darum folgt sogleich: - und wir zeugen, wir sind die verordneten Augenzeugen (Ev. 15, 27; 19. 35; vergl. Cap. 4, 14.), und als solche verkündigen wir euch das ewige Leben, welches war bei dem Vater und ist uns erschienen. Noch einmal hebt sein Zeugniß das uranfängliche Wesen, die ewige Gottheit des fleischgewordenen Wortes hervor. Das erschienene Leben, welches die zuersterwählten Zeugen gesehen haben und verkündigen, es ist das ewige Leben; nicht eine ewige Lebens - Eigenschaft und Kraft in Gott, sondern das ewige Leben, welches war bei dem Vater (das Wort war bei Gott, zu dem Vater hingewandt in Sohnesliebe, Ev. Cap. 1, 1.), und - o preiswürdige Liebe! - ist uns erschienen, uns, die wir Fleisch sind, auf daß wir es hören und sehen, schauen und betasten möchten. So oft wir diese Verkündigung hören, sollte unser Gemüth tief sich beugen vor der Liebe des Vaters und des Sohnes, denn - „Liebe hat Ihn hergetrieben, Liebe bracht Ihn aus dem Schooß.“ Man spürt es, wie der heilige Apostel erfüllt ist von der Liebe, die das Erscheinen des ewigen Lebens zu Wege gebracht hat. Seine Seele schwingt sich auf zu Dem, der von Anfang und zwar beim Vater in ewigen Freuden war, um Ihn dann anbetend zu begleiten auf dem Liebesgange vom Himmel zur Erde, vom Reichthum zur Armuth, von Gottesherrlichkeit zur Knechtsgestalt im Fleisch, auf Seinem ganzen Liebeslaufe in den Tagen Seiner Niedrigkeit und Seines Leidens, bis wieder hin zu Seiner Verklärung mit der Klarheit, die Er von Anfang hatte beim Vater (vergl. Evang. 16, 28.). Dies Alles ist umschlossen in der Verkündigung, daß das ewige Leben uns erschienen oder offenbar worden ist. Schön vergleicht ein neuerer Ausleger das Textwort: „Das Leben ist erschienen“ mit dem Jesuskinde auf dem die heilige Nacht darstellenden Bilde von Correggio; wie dort von dem Kinde alles Licht ausgeht, das die Nacht erhellt und Maria und Joseph bestrahlt, so habe hier in unserm Teile der vom heiligen Geiste unterwiesene Apostel die Worte also gestellt, daß Alles hinweise auf das Eine: das Leben ist erschienen, und Alles davon Glanz und Licht bekomme. - Zurückkehrend zu der in V. 1, angefangenen Satzweise, fährt nun Johannes fort:

V. 3. Was wir gesehen und gehört haben, verkündigen wir euch, auf daß auch ihr Gemeinschaft mit uns habet; und unsre Gemeinschaft ist mit dem Vater und mit Seinem Sohne Jesu Christo. Für die ganze Kirche haben die Apostel das Wort des Lebens gesehen und gehört, und ihre Verkündigung ist das göttlich geordnete Mittel, durch welches wir in dieselbige selige Gemeinschaft mit dem ewigen Leben versetzt und darinnen bewahrt werden. Der Herr, welcher gesagt hat: „Selig sind die Augen, die da sehen, das ihr sehet“ (Luc. 10, 23.), hat auch gesagt: „Selig sind, die nicht sehen, und doch glauben“ (Evang. Cap. 20, 29.), und hat in dieser Haushaltung des Nichtsehens und Glaubens an das Wort der Apostel uns gewiesen. Daran soll der Glaube haften, denn in diesem Worte will Christus den Seinen gegenwärtig seyn. Er bittet im hohenpriesterlichen Gebete für die durch der Apostel Wort an Ihn Gläubigen, daß sie Alle Eins seyen, sammt den Aposteln Eine Gemeinde, deren Einheit gegründet ist in der Gemeinschaft mit Ihm, dem Einen Christus. Eindringlich schreibt deshalb Johannes: auch ihr, wie alle rechten Christen, sollt Gemeinschaft haben mit uns. Es gibt keine Gemeinschaft mit dem Haupte der Gemeinde, die nicht durch die Gelenke der Apostel vermittelt wäre. Wer eingefügt wird in den Bau der Kirche, der wird getragen von dem Grunde der Apostel und Propheten, und mit diesem Grunde zugleich von dem Ecksteine, Jesu Christo (Ephes. 2, 20.). Die Gemeinden, an welche Johannes zunächst schrieb, hatten mit Lügnern zu kämpfen, die da sagten, sie seyen Apostel (Offenb. 2, 2.), und die eine Gemeinschaft ihnen antrugen, worin erst das eigentliche Leben völliger Freiheit zu finden wäre. Diesen Verführern und ihren Fabeln setzt Johannes, als wahrhaftiger Apostel, gesehene und gehörte Geschichte des Heils entgegen, gerade so, wie sein Mitapostel Petrus (2 Petr. 1, 16.), und wehrt den Sektirern, welche die Gläubigen an sich ziehen wollten, durch die Macht dieses Wörtleins: mit uns! Und wir ergreifen dies Wort und stellen es erstlich den heutigen Irrgeistern entgegen, welche die Christenheit überreden wollen, daß mit den angeblichen neuen Aposteln Gemeinschaft haben müsse, wer am Tage der Wiederkunft Christi in Seiner Gemeinschaft erfunden werden wolle; wir stellen es zum andern auch den Flattergeistern entgegen, welche die Gemeinschaft mit der Kirche, die in der Apostel Lehre beständig bleibt, gering achten und uns beschuldigen, wir sähen verkehrter Weise auf das Sichtbare, indem wir die Kirche als die Heilsstiftung ehren, wo die unsichtbaren Güter des ewigen Lebens ausgetheilt und empfangen werden. Es soll uns nicht ärgern noch kümmern, daß sie verächtlich reden von unserm „lutherischen“ Namen; denn wir sehen, „daß die Tyrannen nicht damit umgehen, daß sie nur den Luther umbringen, sondern die Lehre wollen sie vertilgen, und von der Lehre wegen tasten sie dich billig an, und fragen dich, ob du lutherisch seyst. Hie mußt du wahrlich nicht mit Rohrworten reden, sondern frei Christum bekennen, es habe ihn Luther, Claus oder Georg gepredigt. Die Person laß fahren, aber die Lehre mußt du bekennen.“2) Daß wir nur erkannt werden als rechte, leibliche, aus Einem Geist geborne und ernährte Brüder der zwölf Apostel, das Eine begehren wir; wo ein Johannes bleibt, da wollen wir auch bleiben, so bleiben wir wohl; denn die Gemeinschaft, in welcher wir mit ihm und seinen Mitaposteln und mit allen je zur apostolischen Gemeinde Hinzugethanen Eins sind, das ist die Gemeinschaft rechter Art: Unsre Gemeinschaft aber ist die Gemeinschaft mit dem Vater, und mit Seinem Sohne Jesu Christo. Den Namen Jesus Christus fügt der Apostel hinzu zum Zeugniß, daß der ewige Sohn und der im Fleische Erschienene derselbige Eine Herr sey (vergl. Cap. 4, 2.). Wer ohne das apostolische Wort, dessen Inhalt Jesus Christus heißt, zur Erkenntniß und Genießung Gottes gelangen will, jagt eitel Schatten nach, Jesus Christus ist das Leben, und ist auch der Weg zum Leben: Niemand kommt zum Vater denn durch Ihn (Evang. 14, 6.). In Gemeinschaft mit Jesu Christo, aber auch nur in ihr, hast du wahrhaftig Gemeinschaft mit dem Vater, mit dem lebendigen Gotte. „Ich in Meinem Vater, und ihr in Mir, und Ich in euch“ (Ev. 14, 20.): so drückt der Herr das Geheimniß der heiligen Gemeinschaft aus, welche des Christen Freudenstand ist und deren begehrungswerthe Herrlichkeit den Grundgedanken unsers ganzen Briefes ausmacht. „Daraus gehet er gar hin,“ sagt Bengel, „daß der Gläubigen heilige und selige Gemeinschaft mit Gott und Jesu Christo befestigt werde.“ Ist dem so, wer wollte dann dieses Briefes nicht froh werden? Ein leises Seufzen nach etwas, das ihnen fehlt, ein geheimer Zug zu dem „unbekannten Gotte“ regt sich doch im tiefsten Grunde aller Seelen, die ihn nicht muthwillig erstickt haben, selbst mitten in der Gottentfremdung, welche die Sünde angerichtet hat, und Niemand ist jemals wahrhast vergnügt und zufrieden gestellt worden ohne Rückkehr zur Gemeinschaft mit dem Leben seines Lebens. Die Welt und ihre Lust, Alles was außer Gott des Lebens sich rühmt und Leben verspricht, es berauscht und erlustigt den Menschen wohl eine Weile, aber es erfreut ihn nicht und macht ihn nicht satt: Gott hat es Seiner erbarmenden Liebe einzig vorbehalten, die leere Stelle im Herzen der abtrünnigen Sünder, der verlorenen Söhne des Vaterhauses, auszufüllen. Jesus soll ins Herz kommen. In Ihm ist die Gemeinschaft mit Gott eröffnet, nach der uns verlangt, ja! noch ehe uns danach verlangte, denn erst durch die gehörte Verkündigung, daß das Leben erlösungswillig, voller Gnade erschienen ist, wird die von Unwissenheit verschüttete Kohle gottsuchenden Verlangens zur hell brennenden Flamme der Liebe zum Leben in uns angefacht. Und wie völlig, wie überschwänglich über Bitten und Verstehen gibt Gott Sich an uns arme, ins Fleisch und in den Tod versunkene Sünder hin! Die Gemeinschaft mit Gott, zu welcher Jesus Christus uns bringt, ist die Gemeinschaft mit dem Vater, mit Seinem Vater und durch Ihn auch unserm Vater; die Gemeinschaft ist's, deren Wesen in der Kindschaft Gottes besteht (Cap, 3, 1.).“,Wie viele Ihn ausnahmen, denen gab Er Macht Gottes Kinder zu werden, als die an Seinen Namen glauben“ (Evang. 1, 2.). „Aus unendlicher Liebe ist der Sohn Gottes geworden, was wir sind, aus daß Er uns Macht gebe zu werden, was Er ist; theilhaftig ist Er worden unsrer Natur, daß wir Genossen der göttlichen Natur würden.“ Irenäus. Durch den Glauben an den eingebornen Sohn Gottes, der leibhaftig unser Bruder worden ist, haben wir Freudigkeit und Zugang mit aller Zuversicht zu Gott als unserm rechten Vater (Ephes. 3, 12.), und desselbigen Lebens, welches in dem Sohne Gottes von Natur wohnt und im Fleische erschienen ist, aus Gnaden theilhaftig geworden (2 Petr. 1, 4.), finden wir - wie Ignatius seine Erfahrung der Gemeinschaft mit Gott ausdrückt - ein Wasser des Lebens in uns, dessen Wellenschlag unaufhörlich ruft: Abba, lieber Vater! „Ich habe durch göttliche Gnade dieses gelernt, daß ich von derjenigen Person, die von Maria geboren ist, meine Augen nicht anderswohin abwende, noch einen andern Gott suche oder erkenne. Man muß die Augen unverwandt aus diejenige Person richten, die von der Jungfrau Maria geboren ist. Wo Christus ist, daselbst ist der Vater.“ L. Siehe, welch einer Seligkeit hat Gott uns werth geachtet, und Er trägt sie uns an. Er umgibt und umfängt uns damit, indem Er durch die heilige Taufe der Gemeinde uns hinzuthut, die Seine Wohnung ist, die mit Johanne spricht: „Unsre Gemeinschaft ist mit dem Vater und mit dem Sohne.“ Die Kirche ist gleich einem Wagen, welchen Gott über das Schlachtfeld dieser Welt fährt, die Verwundeten auszuladen und zur vollkommenen Genesung zu bringen. Bin ich aus diesen Wagen ausgeladen, so kann ich freilich noch unterwegs sterben, wenn ich die Arzeney, nämlich Wort und Sacrament, durch Unglauben mir zum Gift mache, kann auch wieder vom Wagen hinabgeworfen werden, wenn mich nach Gottes Wort der Bann der Kirche trifft: aber der Wagen selber ist unverwüstlich, er bleibt nicht stecken im Schlamm der Welt, der dicke Staub, den seine Räder auswirbeln, verbirgt ihn wohl, aber verschlingt ihn nicht, noch soll ihn der Teufel zerbrechen, und die daraus bleiben, um an Leib und Seele in Gottes Kur ganz zu genesen, die sollen versetzt werden aus den Triumphwagen Gottes im Himmel, ewig selig zu seyn in der Gemeinschaft mit allen Heiligen, deren Gemeinschaft ist mit dem Vater und mit Seinem Sohne Jesu Christo. - Das Evangelium Johannes hat uns die Gemeinschaft mit dem Vater und mit Seinem Sohne Jesu Christo köstlich gemacht. Auch noch ehe wir gelesen haben, was Johannes in seinem Briefe schreibt, werden wir in Erinnerung an das Evangelium, dessen Kern er so eben uns vorgelegt hat, aus Erfahrung Ja sagen zu der Versicherung: V. 4. Und dieses schreiben wir euch, auf daß eure Freude völlig sey. „Solches habe Ich zu euch geredet,“ sagt der Heiland im Evang. Cap, 15, 11., „aus daß Meine Freude in euch bleibe, und eure Freude völlig werde.“ Von derselben Liebesabsicht, welche dem Herrn alle Seine Worte, auch die Rede vom Weinstock und den Reben, eingab, findet der Jünger sich durchdrungen beim Schreiben seines apostolischen Zeugnisses und seiner apostolischen Ermahnung: er schreibt als Gehülfe unsrer Freude. In der Gemeinschaft mit dem Vater und mit Seinem Sohne Jesu Christo haben wir Freude, denn die Sohnes - Freude, welche Jesu heilige Seele allzeit erfüllt, wird zur Kindes-Freude Seiner Gläubigen. Wonach der Grundtrieb unsers Gemüths sich sehnt und was wir umsonst suchen bei Allem, was von der Welt ist, in Christo wird es gefunden. Augustin bekennt: „Es gibt eine Freude, welche den Gottlosen versagt ist, aber denen gegeben, die Dich von Herzen lieb haben, deren Freude Du selbst bist; und das eben ist Leben und Seligkeit, sich mit Dir, an Dir und in Dir zu freuen. Das ist's, und anders nichts. Welche meinen, es gäbe noch ein anderes Leben, die jagen nach anderen Freuden, aber das sind nicht die wahrhaftigen. Seligkeit ist die Freude an der Wahrheit, nämlich die Freude an Dir, der Du die Wahrheit bist, mein Gott, mein Licht, mein Heil.“ Johannes redet mit seinen lieben Kindlein und Brüdern, die durch den Glauben zur Freude schon gelangt waren; daß ihre Freude völlig werde und bleibe, ist seiner Liebe Gesuch, sein Gruß und Segenswunsch (vergl. 1 Petr. 1, 2; 2 Petr. 1, 2.), worin der übliche Freudengruß (vergl. Apostelg. 15, 23; Jak. 1, 1.) durchklingt. Er sah die Gemeinden, die gegenwärtigen und zukünftigen, von Feinden ihrer Christenfreude bedroht, und damit die Quelle der Wahrheit und des Lebens ihnen nicht trübe gemacht werden möchte, darum schrieb er ihnen, und in seinem schriftlichen Wort reden alle Apostel mit („wir schreiben euch“). Das geschriebene Wort erhält großen Nachdruck bei Johannes, dem letzten Apostel; dessen Prophetenblicke die zukünftigen Geschicke der Kirche enthüllt wurden, und der die Ausgabe hatte, den Kanon heiliger Schrift abzuschließen. Die Römischen, und die in ihren Wegen einhergehen, widersprechen dem apostolischen Spruche: Dieses schreiben wir euch, aus daß eure Freude völlig sey, indem sie dem Schriftworte die kräftige Klarheit, zu völliger Freude zu führen, absprechen und die Bibel als einen Brunnen darstellen, wozu der Eimer uns fehle und dessen Wasser nur destillirt genießbar und heilsam sey. Aber wir verwerfen die Menschensatzungen, welche die Freude eines aus Gottes Wort seines Heils gewissen und in Gottes Wort festen Herzens uns kränken wollen. Laßt uns reichlich dankbar seyn für die Gnade, durch welche der Leuchter der Kirche noch steht, deren einiges Licht aus der heiligen Schrift herstrahlt. Lutheraner sind solche Christen, deren Freude völlig wird, weil sie sich freuen im Gehorsam der völligen Wahrheit des göttlichen Worts. Durch die Bibelstunden hin, in denen wir mit diesem Briefe des heil. Johannes uns beschäftigen werden, begleite uns das süße Wort: Solches schreiben wir euch, aus daß eure Freude völlig sey. Solches schreiben wir euch: selig sind, denen solch euch gehört. Gehört es auch dir, lieber Leser? Gewiß, wenn anders du Gemeinschaft mit Johanne hast, so daß das Wort seines Zeugnisses das Bekenntniß deines Glaubens geworden ist. Darin eben wird die Freude der Christen gestärkt, daß sie solche Leute sind, an welche der Apostel solchen Brief schreibt (vergl. Cap, 2, 12 ff.).

Gebet

Herr Jesu Christe, Du Leben und Freude der Sünder, sey uns gnädig! Wie Johannes und seine Mitjünger Dich gehört und gesehen haben, das Wort des Lebens da Du im Fleische Deine Herrlichkeit verbargest vor Deinen Feinden, aber offenbartest Deinen Freunden: also laß uns sehen Deine der Welt verborgene Herrlichkeit, die Du als unvergänglichen Lebenssamen ins apostolische Wort, in den schlechten, geringen Buchstaben der Schrift gefaßt hast. Es sey unser die Seligkeit Deiner Einfältigen, o Herr, die sich nicht ärgern an Dir, sondern Dich erkennen und ausnehmen in diesen Windeln des geschriebenen Worts und in der schallenden Menschenstimme Deiner Boten, die Dich verkündigen. Laß uns sinnend und betend warten an Deinem Worte, aus daß es mit Geist und Leben uns durchdringe, unsern Gang gewiß und unsre Freude völlig mache. Hilf uns beständig bleiben in der Apostel Lehre und laß uns erfunden werden als lebendige Glieder Deiner heiligen apostolischen Gemeinde, deren Gemeinschaft ist mit dem Vater, bei welchem Du warest von Anfang und hast durch Deine Herkunft ins Fleisch, durch Deinen Eingang in des Vaters Herrlichkeit uns Macht erworben, zu seyn wo Du bist. O Herr, wir preisen die Wundermacht Deiner Liebe: Du gibst Dein ewiges Leben in unser erstorbenes Wesen hinein, damit wir erneuert zum Leben hinwiederum Dir und dem Vater uns ergeben könnten. Hosianna, es müsse Dir gelingen an uns Armen: in Deiner Gemeinschaft mach uns ewig reich und selig. Amen.

Mel. Fröhlich soll mein Herze springen.

Süßes Heil, laß Dich umfangen.

Laß mich Dir,

Meine Zier,

Unverrückt anhangen.

Du bist meines Lebens Leben:

Nun kann ich

Mich durch Dich

Wohl zufrieden geben.

 

 

2. Der Wandel im Lichte.

 

Cap. 1, 5 - 2, 2.

 

Heiliger Vater, heilige uns in Deiner Wahrheit: Dein Wort ist die Wahrheit. Amen.

Wir kennen nun das Ziel, welches St. Johannes bei seinem Schreiben im Auge hat. Er will uns stärken und fördern, fest gründen und bewahren helfen in der Gemeinschaft mit Gott durch Christum, aus daß unsre Christenfreude völlig sey. Als Gehülfe unsrer Freude begegnet er uns alsbald in dem vorliegenden Abschnitte, in welchem wir zwei Stücke unterscheiden: Gottes Lichtwesen und der Christen Lichtwandel. Gott ist Licht, die Christen wandeln im Licht; in Ihm ist gar keine Finsterniß, sie lassen sich reinigen von aller Finsterniß; Er ist heilig, sie werden geheiligt. Wohl uns, daß unsre Gemeinschaft mit Gott, der Licht ist, angefangen und vollendet wird durch den Sohn Gottes, der Licht vom Lichte und das Gnadenlicht der Sünder ist.

V. 5. Und das ist die Verkündigung, die wir von Ihm gehört haben und euch verkündigen: daß Gott Licht ist, und gar keine Finsterniß ist in Ihm. Die Summe dessen, was Johannes aus dem Munde des eingebornen Sohnes, des Verkündigers der Geheimnisse des Vaterschooßes (Evang. 1, 18.), gehört hat und als treuer Zeuge uns verkündigt1), faßt er hier so zusammen: Gott ist Licht, und gar keine Finsterniß ist in Ihm. Wort, Leben, Licht: dieser evangelische Dreiklang tönt also gleich in den ersten Versen unsers Briefes wieder, und die Worte: Gott ist Licht schlagen das Thema an, welches den ersten Abschnitt des Briefes (bis Cap. 2, 28.) beherrscht. In Christo, dem fleischgewordenen Worte, ist erschienen das Leben, und den Inbegriff der göttlichen Lebenseigenschaften bezeichnet der Name: Licht. Licht war von Anfang das Kleid, das Gott anhatte (Ps. 104, 2.), wie Lichtglanz helle und wie Feuer um und um erschien den Propheten die Herrlichkeit des Herrn (Ezech. 1, 27; Hab. 3, 4.). Seitdem durch den Abfall der Creatur von ihrem Schöpfer die Finsterniß in die Welt gekommen ist, scheint das Licht in der Finsterniß (Evang, l, 4), ohne durch sie irgend einen umschattenden Wechsel zu erleiden (Jak. 1, 17.). Auch das Gesetz ist ein Ausfluß des in der Finsterniß scheinenden, schlechterdings keine Finsterniß hegenden Lichts. Doch nicht was durch Moses gegeben, sondern was durch Jesum Christum geworden ist, Gnade und Wahrheit (Evang. 1, 17.), hat Johannes im Sinne, indem er uns verkündigt, daß Gott Licht ist. Im Gesetze strahlt Gott als Licht zum Erschrecken, denn in dem verzehrenden Glanze göttlicher Heiligkeit (Jes. 10, 17.) finden wir uns wohl gestraft um unsre Finsterniß, aber nicht getröstet durch Vertreiben derselben; unsers Geschiedenseyns von Gott, in welchem keine Finsterniß ist, werden wir wohl inne, aber zur Gemeinschaft mit Gott, welcher Licht ist, zu kommen erhalten wir keine Kraft. Hingegen als erfreuendes (wie die alten Lehrer sagen: erheiterndes) Licht leuchtet Gott im seligen Evangelio. Gottes heilige Liebe hat in Christo, der die Versöhnung ist für unsre Sünden (Cap. 2, 2.), den Zugang uns eröffnet zu einer solchen Gemeinschaft mit Ihm, darinnen wir durchleuchtet werden vom Licht, so daß Gott unser Licht wird, während kein Schatten unsrer Finsterniß den reinen Lichtglanz Gottes verdunkelt. Die Sünde wird verdammt, der Sünder wird errettet durch die im Blute Christi gestiftete Versöhnung: dieses Geheimniß der heiligen Liebe wird kündlich groß in dem Evangelio, daß Gott Licht ist und gar keine Finsterniß in Ihm. Als Licht sonder Finsterniß hat Sich Gott offenbart in jedem Worte Jesu Christi, Seines Sohnes, und wenn der Sohn betet in jener Stunde der Angst: „Vater, verkläre Deinen Namen!“ (Evang. 12, 28.): was anders begehrt Er da, als daß durch die von Ihm zu vollbringende Versöhnung der Vater als makelloses Licht, als der Heilige, in welchem Gerechtigkeit und Barmherzigkeit eins sind, verherrlicht werde? „Es drückt demnach diese Wahrheit kürzlich den ganzen Inhalt der Verkündigung Jesu vom Vater aus. Und die Offenbarung des Sohnes selbst, welchen Gott gesandt hat zur Versöhnung für unsre Sünden (Cap. 4, 10), ja die ganze Haushaltung der Gnade, welche durch Jesum, unsern Versöhner und Herrn, ausgerichtet worden ist, geht daraus und ist danach eingerichtet, das Gott diese Ehre Seines Namens behalte: Er sey Licht, Er sey die allerlauterste Reinigkeit in Sich selbst; Er sey ein heiliger Gott; Heiligkeit sey die Zierde Seines Hauses, darin Er uns aufnehmen will, daß wir bei Ihm wohnen und Er bei uns (Offenb. 21, 3.). Wollen wir es mit andern Worten aus dem Munde Jesu hören, so sagt Er: Heiliger Vater, erhalte sie in Deinem Namen. Heilige sie in Deiner Wahrheit. Ich heilige Mich selbst für sie, auf daß auch sie geheiligt seyen in Wahrheit (Evang. 17, 11. 19.).“ Steinhofer. - Der Apostel wendet sich nun in den folgenden fünf Versen gegen dreierlei Irrthümer, welche die evangelische Wahrheit, daß Gott Licht und keinerlei Finsterniß in Ihm ist, verdunkeln und um ihren kräftigen Segen uns betrügen wollen. Dreimal heißt es: So wir sagen; dreierlei Geister straft Johannes Lügen, indem er den Ruhm der Gemeinschaft mit Gott für eitel erklärt im Munde solcher, die anstatt im Lichte in der Finsterniß wandeln; solcher, die anstatt der fortwährenden Reinigung durch das Blut Christi einer bereits vollendeten Reinheit sich trösten; solcher endlich, die anstatt ihre Sünden zu bekennen ihre Sünderschaft leugnen. Weltsinn, Heiligenstolz und Selbstgerechtigkeit stellt der Apostel ins richtende Licht der Wahrheit und ermahnt zu aufrichtigem, demüthigen und bußfertigen Wandel im Licht.

V. 6. So wir sagen, daß wir Gemeinschaft mit Ihm haben, und wandeln in der Finsterniß, so lügen wir und thun nicht die Wahrheit. Johannes schließt in gliedlicher Liebe sich selber mit ein in die Gemeinden, denen seine Ermahnung gilt; mitleidend mit seinen „Kindlein“ faßt er die Gefahr ins Auge, in welcher dieselben schwebten, verderbt zu werden in Irrthum durch jene Nikolaiten 2), welche damals mit der falschberühmten Kunst umgingen, Finsterniß und Licht in Gemeinschaft zu setzen. Nicht zu etwas Absonderlichem - will er sagen - ermahne ich euch, sondern zu der allgemeinen Christenpflicht, die mir sammt euch obliegt. Sollten auch wir in die neue Rede einstimmen, daß Gemeinschaft mit Gott und Wandel in der Finsterniß zusammen bestehen könnten, so würden wir lügen, wie jene Lügner. Doch drückt er sich, eingedenk unsers Wankelmuths, sehr eindringlich aus: So wir sagen - ach, Herr, laß es niemals geschehen! - daß wir Gemeinschaft mit Ihm haben, und wandeln in der Finsterniß, so lügen wir. Dies wir dringt ans Herz. Wir allzumal, an die Johannes diese Worte gerichtet hat, sollen uns nicht leicht darüber hinwegsetzen, sondern sorgfältig uns prüfen, ob unsere Gemeinschaft mit Gott als Licht-Gemeinschaft sich erweise. Gott ist Licht, und keine Finsterniß ist in Ihm; aber außer Ihm, und ohne Ihn, in der Seinem heiligen Liebes- und Lebens-Reiche entfallenen Welt, ist eitel Finsterniß, und ihre argen Mächte stehen im Dienste des Teufels (Cap. 5, 19; Luc. 22, 53; Col. 1, 13), des Fürsten und Vaters der Finsterniß, welcher Finsterniß ist und gar kein Licht ist in ihm (Evang. 8, 44). Wandeln in der Finsterniß heißt demnach solche Werke immer wieder mit Wissen und Willen thun, die Gott verboten hat; es heißt der Sünde stetig anhangen, ihren Weg nicht verlassen, sondern darauf immer weiter schreiten, im Abwenden der Seele von dem Lichte der Wahrheit, welches alle Finsterniß daraus zu vertreiben trachtet. Solche auf dem Wege der Gottentfremdung Wandelnde fühlen wohl zuweilen über diese und jene Sündenthat ein Mißbehagen, eine Reue; sie haben nicht immer Lust an ihrem Wandel in der Finsterniß, bleiben aber doch darin, auch wider ihre „guten Vorsätze“; dann gereut sie bald wieder jene Reue, und immer entschiedener wird es ihr Wille, sich keine Sünde mehr gereuen zu lassen und das Beben vor der Verdammniß zu beschwichtigen durch Hineinstürzen in den Taumel der Lust; ja! Etlichen von ihnen wird es endlich auch klar bewußt, daß sie die Finsterniß lieben und ihre finstern gottlosen Werke hervorbringen aus einem finstern gottentfremdeten Herzen. Der Heiland sagt in jenem Gespräche mit Nikodemus, in welchem das Licht der heiligen Liebe Gottes so wunderhell leuchtet: „Das ist das Gericht, daß das Licht in die Welt gekommen ist, und die Menschen liebten die Finsterniß mehr als das Licht, denn böse waren ihre Werke“ (Ev. 3. 19.). Die Liebe zur Finsterniß gebiert den Wandel in der Finsterniß, das „Thun des Argen,“ wie der Herr dort weiter sagt, und wer von seinen finstern Werken nicht lassen will, der hasset das Licht und dessen durchdringende, gar keine Finsterniß duldende Kraft. Wie sollte denn Gemeinschaft mit Gott, der Licht ist, haben, wer in der Finsterniß wandelt? Und wie sollten die Augen Gottes, die zu rein sind Böses zu sehen (Hab. 1, 13.), die Liebhaber der Finsterniß vertragen? Wie sollte der Gottlose das Herz Gottes bewohnen, dem kein gottloses Wesen gefällt (Ps. 5, 5.)? Nein, jedes Einverständniß mit dem Argen, mit dem Teufel und allem seinen Wesen, jedes Willigen in böse Lust, jedes absichtliche Verstecken vor dem heiligen um die Sünde uns strafenden Geiste Gottes wird da verworfen, wo die Gemeinschaft mit Gott wahrhaftig vorhanden ist und wir mit Gott das Licht gemein haben, als Kinder des Lichts und nicht der Finsterniß. „Die ihr den Herrn liebet, hasset das Arge“ (Ps. 97, 10.), beides gehört unauflöslich zusammen. Wir lügen, sagt Johannes, wenn wir wandelnd in Finsterniß uns und Andere bereden, wir hätten Gemeinschaft mit Gott. Man sollte meinen, die Wahrheit, daß Sündenwandel in Folge geheimer oder bewußter Sündenliebe von der Gemeinschaft mit Gott ausschließt, wäre so einleuchtend, daß die entgegengesetzte Lüge gar nicht aufkommen könnte in der Seele. Und dennoch treibt mein arges Herz oft mit Sünde und Gnade Scherz.“ Auch die, welche im Lichte wandeln, weichen oft von ihrem Pfade ab; wie die in Finsterniß Wandelnden zuweilen Reue, so fühlen die im Licht Wandelnden zuweilen Lust an der Sünde, werden auch von einem Fehl übereilt, so sehr sie davor fliehen; und wenn es dann geschehen ist, daß wir in den Schlamm der Sünde - in den Graben dicht neben der rechten Straße - gefallen sind, so will uns die Sünde bethören, daß wir, wie die in der Finsterniß Wandelnden thun, einen Gott uns zurechtlügen, in welchem mancherlei Finsterniß ist, der uns z. B. so und nicht anders geschaffen, in diese und keine andre Lage gesetzt habe, kurz, der ein Versucher zum Bösen sey (Jak. 1, 13.). So ging es David, ehe Nathan zu ihm kam. Diese dem natürlichen Menschen sehr bequeme Lüge weiß sich ein prächtiges Ansehen zu geben bei den Weisen dieser Welt, deren lose Philosophie bis auf den heutigen Tag den heiligen Gott verleugnet, der auf keine Finsterniß sich einläßt. Wie Viele aber, die den Schul-Namen der heutigen Nikolaiten - Pantheisten - etwa nicht kennen, thun doch ihre Werke, indem sie aus Scheu vor einer das Fleisch schmerzenden Scheidung von der Sünde die Scheidegrenze zwischen Böse und Gut verrücken, aus Finsterniß Licht und aus Licht Finsterniß machen (Jes. 5, 20.), und dann ein Gemächte ihrer Gedanken, das sie Gott nennen, ihrem Weltsinne als Polster unterbreiten. Freude und Frieden freilich bringt dieser selbstgemachte Gott nicht ins Herz: wir lügen, so wir sagen, daß wir Freude haben in der Finsterniß. O wie bezaubernd arg ist der Betrug der Sünde, daß wir das Eitle lieb und die Lüge gerne haben! Doch du sprichst: „Ich glaube an den Gott der Christen, den Gott der Bibel, und gebe der Wahrheit Beifall, daß Er Licht ist und daß ferne von Ihm ist, wer in der Finsterniß wandelt.“ Bitte, siehe den apostolischen Spruch nochmal recht genau an. So lügen wir, und thun nicht die Wahrheit, heißt es. Vielleicht hast du das Wissen der Wahrheit, und thust doch nicht die Wahrheit, sondern die Lüge. Thust du die Wahrheit, so darfst du gar nicht erst sagen, daß du Gemeinschaft mit Gott habest, sondern dein Wandel im Licht stellt die Wahrheit lebendig und thatsächlich dar: ein Thäter (Jak. 1, 22. der Verkündigung, die Johannes von Jesu gehört hat und uns verkündigt, bist du dann, ein vom Herrn zugerichteter lebendiger Brief (1 Cor. 9, 3.), daran Jedermann lesen kann, daß Gott Licht und die Gemeinschaft mit Ihm eine Lichtgemeinschaft ist. Jedes erkannte Böse sey uns abscheulich, dem Guten hange unsre Liebe an; Jesu Christo hange sie an, auf daß die in Ihm erschienene Wahrheit uns durchläutere (Ephes. 4, 21.), und wir verkündigen die Tugenden Deß, der uns berufen hat von der Finsterniß zu Seinem wunderbaren Licht (1 Petr. 2, 9.): dann thun wir die Wahrheit und wandeln im Lichte. - Johannes hat sich in herzlicher Bekümmerniß um das Seelenheil seiner Kindlein aufs schärfste ausgedrückt. Wie ein Donnerschlag trifft dies: „So lügen wir“ alle unlauteren Seelen. Wir werden im Verlaufe des Briefes ihn noch öfter als Donnerskind reden hören. „Wobei er aber - sagt Steinhofer - um der schwachen und blöden Herzen willen immer etwas hinzusetzt, daß sie nicht durch unnöthige Aengstlichkeit (denn redliche Seelen nehmen‘s immer gern aufs schärfste) die völlige Freude missen.“ So denn auch hier, wo er zwei überaus tröstliche Merkmale der wahrhaftigen Kinder des Lichts und ihrer Gemeinschaft mit Gott angibt: V. 7. So wir aber im Lichte wandeln, wie Er im Lichte ist, so haben wir Gemeinschaft untereinander, und das Blut Jesu Christi, Seines Sohnes, macht uns rein von aller Sünde. Gott ist Licht und ist im Lichte; Er ist um und um von Licht umgeben, wohnt im Lichte (1 Tim. 6, 16); wenn wir Ihn anrufen: „Vater unser, der Du bist im Himmel,“ so rufen wir Ihn als Den an, der im Lichte ist. Um Gottes Thron her ist. Alles lautre, reine Heiligkeit und Seines Lichtes Herrlichkeit strahlt wieder aus den Spiegeln Seiner Ehre, den tausendmal tausend Engeln, die Sein Angesicht sehen. Nun sagt der Apostel nicht: „So wir Licht sind, wie Er Licht ist,“ sondern: So wir im Lichte wandeln, wie Er im Lichte ist. Noch ist ja nicht erschienen, was wir seyn werden; wenn es erscheinen wird, dann werden wir Ihm gleich seyn (Cap. 3, 2), Licht wie Er Licht ist. Dann wird Jes. 60. in herrliche Erfüllung gehen: in unumwölkter Klarheit wird die verklärte Kirche als „ihr Licht“ das Licht ausstrahlen, welches der Herr selbst ist (Offenb. 21, 24), denn es wird dann Sein Licht Alles in Allen seyn (1 Cor. 15, 28.) und wie in Ihm von Anfang, so in den Seinen am Ende, gar keine Finsterniß - keine Nacht mehr (Offenb. 22, 5). Bis dahin wandeln wir im Licht, als Gottes Kinder, wie Er im Licht ist. In dem Lichte, in welchem der Vater des Lichts (Jak. 1, 17.) wohnt, in dem leben wir mit Ihm, als des Lichtes Kinder (Ephes. 5, 8.); Seine heilige Liebe und deren Offenbarung in Seinem theuern Worte ist unser Element; Seinem guten und vollkommenen Willen sind wir in herzgründlicher Neigung zugekehrt, und das ist unsre Freude, im hellen Scheine des neutestamentlichen Tages abzulegen die Werke der Finsterniß und anzulegen die Waffen des Lichts (Röm. 13, 12.), ja, die Licht-Waffen, welche die Finsterniß. Werke zerstören. Weil Er im Lichte ist, darum wollen wir gern mit Gedanken, Worten und Werken im Lichte erfunden werden, denn Ihm nachzuarten ist unser Kindestrieb, und fortzufahren in der Heiligung, wie Er heilig ist. unser kindliches Verlangen (2 Cor. 7, 1.). Wenn wir so im Lichte wandeln, dann ist unsre Gemeinschaft mit Gott keine erdichtete, sondern eine Gemeinschaft im Geist und in der Wahrheit. Johannes bezeugt seinen im Licht wandelnden Brüdern die tröstliche Wirklichkeit ihrer Gemeinschaft mit Gott, indem er schreibt: So haben wir Gemeinschaft untereinander. Unsre Gemeinschaft mit Gott, den wir nicht sehen, offenbart sich in unsrer Gemeinschaft untereinander, die wir uns einer den andern sehen (Cap. 4, 12. 20). Gott ist im Lichte, wie im Himmel, also auch aus Erden in Seiner heiligen Kirche. „Er ist es, der Seinen Saal im Himmel bauet und Seine Hütte aus der Erde gründet“ (Am. 9, 6.). Dann wandeln wir rechtschaffen im Lichte, wenn wir dessen Wiederschein mit Liebesfreude wahrnehmen in Gottes Heiligen und Geliebten; unsre gliedliche Gemeinschaft mit den Brüdern, die im Lichte wandeln, läßt uns wissen, daß wir Gemeinschaft haben mit dem Vater des Lichts. Gleichwie zwei oder drei Leuchter, die man in einem Saale anzündet, nicht zwei oder drei separierte Lichtschichten bilden, sondern in Ein Licht zusammenscheinen, weil das Licht etwas Ungetheiltes und Untheilbares ist: ebenso haben zwei oder drei Christen, welche in dem Einen Lichte Gottes wandeln, Gemeinschaft untereinander, und es ist nicht möglich, daß ein jeder für sich allein, unbekümmert um den andern, des Lichtes sich freuen sollte. Aber freilich gibt es auch Irrlicht-Gemeinschaften, und ist nicht die Meinung, daß wir bei jedweder Kirchengemeinschaft - auf ihr Sagen hin, sie habe Gemeinschaft mit Gott - uns beruhigen dürften. Woran erkennen wir nun, daß die Gemeinschaft, die Christen untereinander haben, von dem rechten einigen Lichte gewirkt und erfüllt sey? Untrüglich daran, daß wir in solcher Gemeinschaft eins sind mit den heiligen Aposteln, in deren Worte das Licht uns leuchtet und die im Lichte uns vorangewandelt sind. „Seyd meine Mitnachfolger, lieben Brüder, und sehet auf die, welche also wandeln, wie ihr uns habt zum Vorbilde,“ ermahnt der Apostel Paulus die Philipper (Phil. 3, 17); ebenso schreibt es hier Johannes den Gemeinden ins Herz, daß ihr Wandeln im Lichte zugleich ein Wandeln in apostolischer Gemeinschaft sey (indem er das in V. 3. Ausgesprochene in diesem 7ten Verse wiederaufnimmt): so haben wir Gemeinschaft untereinander. Dürfen wir also nur fröhlich überzeugt seyn, daß in unsere Gemeinschaft untereinander eingeschlossen sind die lieben Apostel und Alle, die durch ihr Wort an Jesum Christum je geglaubt haben und noch glauben, und finden wir uns gezogen von heiligem Gemeinschaftszuge zu allen Thätern der Wahrheit, aus denen die Gestalt Christi uns anleuchtet: dann werden wir's mit unsrer brüderlichen Gemeinschaft versiegeln, daß wir im Lichte wandeln und kindliche Gemeinschaft mit Gott haben. Vergl. besonders Cap. 3, 14. - Nun ja, wir haben etwas erfahren von der heiligen Liebesgemeinschaft der Christen, von dem Geheimniß der Kirche, und darum wissen wir, daß wir aus der Finsterniß ans Licht gekommen sind. Aber wir wissen auch und erfahren es im Lichte Gottes alle Tage gründlicher, daß uns noch große Stücke Finsterniß ankleben. Ach wie vielfach wird unsre Gemeinschaft mit Gott und den Brüdern unterbrochen durch die Sünde, die sich täglich in uns anmeldet und unser Gemüth verdunkelt! Ich will die Wahrheit im Lichte wandelnd thun, denn ich hasse die Finsterniß; aber -“ich thue nicht, das ich will, sondern das ich hasse, das thue ich“ (Röm. 7, !5.). Das macht mich traurig und müde; oft dünkt mich, es sey gar aus mit meinem Christenthume. „Jesu, hilf siegen, Du Fürste des Lebens, sieh wie die Finsterniß dringet herein!“ Ja, Gottlob, Er hilft siegen. Johannes reicht der Bekümmerniß solcher „Elenden,“ deren Erfahrung Röm. 7. beschrieben steht, die rechte Arzeney dar, indem er das andre Merkmal der im Licht Wandelnden nennt: ihre Reinigung durch das Blut Jesu Christi. Unter sich hängen beide Licht-Merkmale, die gliedliche Gemeinschaft und die Reinigung durch Christi Blut, innerlich zusammen, wie auch das Bindewörtlein „und“ anzeigt: das Blut Jesu Christi ist ja der Hauptschatz der Kirche, durch dessen gemeinschaftlichen Genuß ihre Glieder als Glieder Eines Leibes ernährt werden und wachsen. Gemeinschaft unter einander haben die durch Jesu Blut Gereinigten, die Heiligen, welche hier auf Erden und dort im Himmel dem geschlachteten Lämmlein lobpreisend die Ehre geben (Offenb. 5, 14) und erquickt werden an dem Tische des Herrn, der Einer ist im Himmel und auf Erden. So werde uns denn neu die Freude an dem hochgeliebten Worte, das wir von Kind auf wissen: Und das Blut Jesu Christi, Seines Sohnes, macht uns rein von aller Sünde. Das Blut Jesu Christi ist dem heiligen Johannes das Blut des Lammes (Offenb. 7, 14; 12, 11). Vom ersten Tage seiner Jüngerschaft an, da er durch des Täufers Stimme: „Siehe da das Lamm Gottes!“ zu Jesu berufen ward (Evang. 1, 36. 37), hat er im Glauben und Lieben Ihn als das Lamm anzuschauen sich geübt. - Das wahrhaftige Lamm ist Christus: in Ihm ist die ewiggültige Erfüllung dessen erschienen, was als Gnadenunterpfänder die Opferlämmer im Alten Bunde weissagten. Wie das im Blute gelegene Leben der reinen Opferthiere an die Stelle des Lebens des sündigen Menschen trat und zur Sühne für ihn in den Tod gegeben ward (3 Mo. 17, 11): also hat Jesus Christus, das unschuldige und unbefleckte Gottes-Lamm, Sein im Blute webendes gottmenschliches Leben in den Tod dahingegeben; das Urtheil des Todes, dem wir als Sünder verfallen sind, hat Er übernommen und dem Rechte der Heiligkeit Gottes genuggethan und durch. Sein Versühnen ist Vergebung der Sünden, Leben und Seligkeit uns erworben. Denn was das alttestamentliche Opferblut nur in sehnsuchterweckendem Vorbilde abschatten, nicht wahrhaftig zu Stand und Wesen bringen konnte (Hebr. 9, 12f.), das hat das Versöhnungsblut Jesu Christi vollbracht, weil „es das Blut des Sohnes Gottes ist, welcher die Reinigung unserer Sünden gemacht hat durch Sich selbst (Hebr. 1, 3). Johannes weiß nichts von einer Scheidung des Menschen- und des Gottes-Sohnes, wonach das Blut eines bloßen Menschen für uns sollte vergossen seyn. Ihm, wie seinen Mitaposteln Petrus und Paulus, ist das Blut Christi ein „theures Blut,“ Gottes „eigenes Blut“ (1 Petr. 1, 19; Apostelg. 20, 28), des Lammes Blut, das Gott aus Seinem Schooße dargegeben hat zur Versöhnung. Darum ist es auch kräftig zur Versöhnung für die Sünden der ganzen Welt (Cap. 2, 2). In dem Fleisch und Blut, dessen der Sohn Gottes, der Schöpfer aller Creatur, Sich theilhaftig gemacht hat, ist mein und dein und aller Menschen Fleisch und Blut der Kraft nach eingeschlossen; mein und dein und aller Menschen Sündenelend hat Jesus Christus mit Lammes-Geduld getragen und mit Sohnes-Macht überwunden. Er war todt, und siehe Er ist lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit (Offenb. 1, 18). Zum Gedächtniß daran, daß Er todt war, essen und trinken wir des Ewiglebendigen Leib und Blut im heiligen Abendmahl. So ist denn in dem Blute das Leben, in dem Blute des Sohnes Gottes das ewige Leben: Sein auf Golgatha einmal zur Versöhnung vergossenes Blut hat uns erworben mit Vergebung der Sünden ewigseliges Leben, Sein vor dem Angesichte Gottes im Himmel für uns erschienenes (Hebr. 9, 24) und im Abendmahls-Sacramente auf Erden gegenwärtiges Blut wendet den Genuß des erworbenen Lebens immerdar uns zu. Diese gegenwärtige Kraft des Blutes Jesu Christi, des Sohnes Gottes, preist der Apostel, da er sagt: es macht uns rein von aller Sünde. Wie die Jünger rein gesprochen wurden durch das Wort von der versöhnenden Liebe Gottes in Christo, das sie hörten (Evang. 15, 3), also sind wir rein um des Blutes willen, das für uns vergossen ist und für uns redet (Hebr. 12, 24). Rein von aller Sünde macht uns dieses Blut, weil es alle unsere Sünde austilgt in Gottes zurechnendem Gedächtniß und als gerecht uns darstellt vor Gottes richterlichem Angesicht (Röm. 3, 25; 2 Cor. 5, 19; Ephes. 5, 26; Col. 2, 13. 14), so daß wir zur Ehre des Blutes Jesu sagen dürfen, wir seyen rein - frei, ledig und los aller unserer Sünden, oder wie die Schrift diesen Gnadenstand ausdrückt: wir haben kein (verdammendes) Gewissen mehr von den Sünden, weil wir einmal gereinigt sind (Hebr. 10, 2. 22). Wenn wir im Lichte wandeln, so wandeln wir ja im Lichte der Augen Jesu Christi, der uns geliebt hat und gewaschen von den Sünden mit Seinem Blut (Offenb. 1, 5), und wir finden in diesem Blute des ewigen Sohnes Gottes reichliche und tägliche Vergebung aller Sünde. Täglich neuen Zugang haben wir zu der Gnade, in welcher wir um des Blutes Jesu Christi willen stehen (Röm. 5, 2); täglich hebt uns der Vater unsers Herrn Jesu Christi auf Seine Arme, in welche die heilige Taufe uns als Gottes Kinder und Miterben Christi gelegt hat, indem die Vergebung, welche unser ganzes Leben mit allen seinen mannigfaltigen Sünden ohne Zahl, die aus der Erbsünde hervorbrechen, völlig umspannt und bedeckt, aufs neue uns zugesprochen und angeeignet wird, so oft wir wieder bußfertig bitten: „Gott, sey mir Sünder gnädig!“ und auf das ewiggültige Lösegeld des Blutes Jesu Christi, Seines Sohnes, im Glauben uns berufen. Bei unserm Gott ist viel Vergebung - nach unsern Gedanken wohl wenig, aber viel nach den Seinigen, denn Seine Gedanken sind höher als unsre Gedanken s. Jes. 55, 7 - 9.. Jede von neuem uns zugeeignete Vergebung mehrt und kräftigt aber auch die Liebe zum Licht und den Haß der Finsterniß in unserm Herzen. Liebgehabte Sünden, in denen du bleiben willst, werden dir nicht vergeben; gerade so wenig verdammliche Sünde ist an uns, als liebgehabte Sünde. Das Blut Jesu Christi ist Gift für das alte und ist Arzeney für das neue Leben; dem alten Adam wird jedesmal ein neuer Todesstoß versetzt und dem aus Gott neugebornen Leben wird jedesmal neue Kraft des Lebens eingeflößt, wenn das Blut Jesu Christi von aller Sünde durch Vergebung der Sünde uns rein macht (2 Cor. 5, 15. 17; 1 Petr. 2, 24.). Es ist daher unrichtig, aus dem Worte „rein machen“ erzwingen zu wollen, unser Spruch handle ausschließlich von der heiligenden, nicht von der rechtfertigenden Kraft des Blutes Christi. Johannes verbindet in V. 9. beiderlei Kraft miteinander. Die rechtfertigende Vergebung ist es, wodurch allein die heiligende Reinigung zu Stande kommt. Die ihre Kleider waschen, die machen sie auch helle in dem Blute des Lammes (Offenb. 7, 14). Das Blut Christi reinigt unser Gewissen von den todten Werken, zu dienen dem lebendigen Gott (Hebr. 9, 14). Bei dem Herrn ist die Vergebung, daß man Ihn fürchte (Ps. 130. 4.). - Von aller Sünde macht uns das Blut Jesu Christi rein. Es ist ein wahrer Spruch: „Keine Sünde ist so groß, sie kann vergeben werden; keine Sünde ist so klein, sie muß vergeben werden,“ wenn nichts Verdammliches an uns seyn soll. Hat jede Sünde das Blut Christi gekostet, um gesühnt zu werden, so gibt es wahrlich keine, mit der wir es leicht nehmen dürften. Und will das Blut Christi von aller Sünde uns reinigen, weil es für alle, nicht für etliche vergossen ist, so gilt es wahrlich nicht, von etlichen Sünden rein werden und von andern befleckt bleiben wollen. Ist dir eine einzelne Sünde von ganzem Herzen leid, so faßt deine Buße alle andern mit, und die einzelne Versündigung wird dir vergeben, weil alle Sünde dir vergeben wird. - Wie unzertrennlich die Reinigung durch das Blut Christi zum Wandel im Licht gehört, mag uns noch ein theures Kind des Lichts sagen, Steinhofer, dessen ganzer Wandel (wie einer seiner Freunde bezeugt) seinen stündlichen Umgang mit dem Blute der Besprengung bekundete: „Eine durch das Blut Jesu Christi gewaschene Seele hat gar ein zartes Gemerk in sich. Das Licht, so in ihr ausgegangen, zeigt ihr den kleinsten Staub der Sünde und der subtilsten Regung des Fleisches, daß sie merkt, was ihrer heiteren Fassung in dem fröhlichen Umgang mit Gott und ihrem Heiland gemäß ist oder denselben stört und kränkt. Ereignet sich nun irgend etwas, das aus der Finsterniß ist, das der Seele einen dunkeln, unreinen Flecken macht, so fühlt sie bald, daß ihr Licht finster und ihr Auge trübe wird, und daß eine solche Verdunklung ihres Gemüths sie nicht läßt ins Licht Gottes schauen. Was Raths ist solcher Unruhe und Sorge, man möchte etwa von der Gemeinschaft mit Gott gar abgebracht und vor Ihm verwerflich werden? Da muß uns das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, immerdar zu Statten kommen. Das reiniget uns von aller Befleckung und Sünde. Man wendet sich zu seinem Heilande; man vertraut Seinem Amte, in welches Er gesetzt ist, zu versöhnen die Sünde Seines Volks (Hebr. 2, 17.). Man stellt sich Ihm mit aller seiner Schnödigkeit und Beschämtheit dar. Man bittet Ihn, daß Er Sein Blut an uns wende und uns desselben Kraft zur Reinigung aufs neue empfinden und genießen lasse. Was nun das Blut unsrer Versöhnung im Heiligthume gilt, da es für uns in einem fort redet, das legt der Geist Jesu auch in unser Herz und Gewissen und versichert uns einer völligen Vergebung. Der priesterliche Geist, durch welchen Sich Christus einmal für uns Gott geopfert hat, wirkt in und mit diesem Blute kräftig, vertreibt alle Finsterniß der Sünde, macht alle Phantasie der Lust und der Eigenheit verschwinden und heitert die Seele wieder auf zum Umgang mit ihrem Gott. So behält man durchs Blut des Lammes ein reines und helles Priesterkleid, wenn man sich ungesäumt wiederum in diesem offnen Borne von aller Unreinigkeit wäscht (Sach. 13, 1.), damit kein Flecken an uns hafte, der uns beschämen möchte. Die Freundlichkeit des Angesichts Gottes leuchtet der Seele wieder entgegen, daß sie nun mit vollendetem Gewissen und inniglichem Frieden sich Seiner seligen Gemeinschaft aufs neue getrösten und erfreuen kann. Da wird sie eins und einerlei gesinnt mit dem Sinne des Herzens Gottes und schmeckt Seine Liebe in Christo, Seinem Sohne, in welchem der Vater sie einmal angesehen und zur Kindschaft angenommen hat. Da ist die Gemeinschaft mit Gott ihres Lebens einige Freude, ihr Schatz, ihr Erbtheil, und sie wandelt in diesem Lichte mit einfältigem Herzen.“ - Der heilige Johannes war alt geworden im Wandeln im Licht: desto tiefer war er davon durchdrungen, daß um völlige Freude zu haben er der reinigenden Kraft des Blutes Jesu Christi täglich bedürfe, und mit wehmüthigem Ernste straft er den seelengefährlichen Irrthum, wonach die Reinigung von Sünden aus der Gegenwart hinweg ausschließlich in die Vergangenheit verlegt und die vollendete Heiligkeit, welche uns vorbehalten ist im Reich der Herrlichkeit, als gegenwärtiger Zustand der Christen beansprucht wird,