Die Chronodiät - Dr. Jan-Dirk Fauteck - E-Book

Die Chronodiät E-Book

Dr. Jan-Dirk Fauteck

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Beschreibung

Kalorien zählen und Diäten gehen Hand in Hand, besagen einschlägige -Ernährungsprogramme. Ein Trugschluss, wie die Chronobiologen Dr. Fauteck und Dr. Platzer nun herausgefunden haben. "Das Richtige zum richtigen Zeitpunkt tun", ist der Schlüssel für eine gesunde und nachhaltige Ernährung. Sprich: "WANN wir etwas essen, ist genauso wichtig wie WAS wir essen." Diäten, die schnödes Zählen von Kalorien zur Grundlage haben, sind und bleiben ewig gestrig. Die einfache Abnehm-Formel lautet: Frühstück – fünf Stunden Pause – Mittagessen – fünf Stunden Pause – Abendessen. Morgens wird ausgiebig kohlenhydratreich gefrühstückt, mittags darf mit einer ausgewogenen Mischkost gesündigt werden, und abends stehen eiweißhaltige Speisen auf dem Ernährungsplan. Wichtig ist, dass kleine Snackszwischendurch der Vergangenheit angehören. Mit Ernährungsplänen, Tipps für den Start in die Chronodiät sowie leckeren Rezepten für morgens, mittags und abends.

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INHALT

Einleitung

Ernährung ist mehr als nur Nahrungsaufnahme

Neue Strategien ohne Kalorienzählen

Was ist die Chronobiologie?

UNSER CHRONOBIOLOGISCHES PROGRAMM

Das Gehirn als Steuerzentrale

Dick durch falsche Chrono-Rhythmen

Richtige Ernährung mit der Chronodiät

TEST Welcher Chronotyp sind Sie: Nachtigall, Lerche oder Mischtyp?

TEST Welcher Stoffwechseltyp sind Sie?

PHYSIOLOGIE DER ERNÄHRUNG

Einfach gut verdaut

Fettgewebe als Entgiftungsorgan

UNSERE ERNÄHRUNG HEUTE

Die Grundlagen: Makro- und Mikronährstoffe

Der individuelle Energiebedarf

Diätfrust

Esskultur bringt Lebensqualität

DIE CHRONODIÄT

Was ist die Chronodiät?

Warum funktioniert die Chronodiät

So funktioniert die Chronodiät

Die Top-15-Lebensmittel aus chronobiologischer Sicht

Die Jahreszeit deckt den Tisch

Fettblocker

DIE „CHRONOKÜCHE“: SATT ESSEN IM EINKLANG MIT DER INNEREN UHR

DIE CHRONODIÄT-REZEPTE

Morgen

Mittag

Abend

Rezeptregister

EINLEITUNG

Vielleicht stehen Sie gerade in der Buchhandlung und halten dieses Buch in der Hand oder sitzen vor dem Computer, stöbern im Online-Portal eines Buchversands und überlegen beim Blick auf den Titel erstaunt: „Chronodiät“? Wieder eine dieser Jo-Jo-Diäten, die Gewichtskorrekturen versprechen, die sich dann als so haltbar herausstellen wie eine Banane im Kühlschrank? Insulinkonzept – hab ich da etwas verschlafen? Werbewirksame Idee eines Uhrenherstellers? Oder doch ein medizinisch fundiertes Werk mit neuen Erkenntnissen einer ernst zu nehmenden Sparte der Wissenschaft, die an festgetretenen Mythen der Fachgesellschaften und dem daraus resultierenden Mainstream kratzt?

„Frühstücke wie ein König, mittags iss wie ein Edelmann und abends wie ein Bettelmann“, sagte dereinst der Volksmund, in verschiedenen Ländern, in verschiedenen Sprachen. Lagen unsere Großeltern so falsch? Heute ist es eher umgekehrt: hastiges Frühstück, gestresstes Hochgeschwindigkeitsschmausen mittags in der Kantine und abends das opulente Geschäftsessen bzw. das klassische Abendbrot in der Familie. Dazwischen entweder Kaffee, Kaffee, Kaffee (wahlweise mit Milch und Zucker) oder das „gesunde Obst“. Chronos, der Gott der Zeit, der auch den Ablauf der Lebenszeit versinnbildlicht, hebt mahnend den Zeigefinger.

Chronobiologische Rhythmen unterliegen sowohl inneren als auch äußeren Einflüssen. Zum einen gibt es Schrittmacher innerhalb unseres Körpers. Hierbei sind vor allem bestimmte Teile des Gehirns als „master-clock“ sowie weitere Schrittmacher in der Peripherie als „slave-clocks“ zu nennen. Zum anderen wird seit Beginn der Evolution das Leben und damit auch die Chronobiologie durch exogene Zeitgeber wie beispielsweise das Licht der Sonne – in der heutigen Zeit leider auch massiv durch künstliches Licht – und Schwankungen der Umgebungstemperatur beeinflusst.

Diese doch noch relativ junge Forschungsrichtung der Chronobiologie darf nicht verwechselt werden mit der seit etwa 100 Jahren bekannten und bis heute kontrovers diskutierten Theorie des Biorhythmus.

Biologische Rhythmen gibt es einige. Sie sind zum größten Teil eigentlich jedem geläufig. Es gibt den Jahresrhythmus (circaannual), den Monatsrhythmus (circalunar), den Tagesrhythmus (circadian), den Gezeitenrhythmus (circatidal), des weiteren Rhythmen, die mehrfach an einem Tag stattfinden (Schlafzyklen, Herzschlag, Atmung), oder, etwas weniger bekannt, auch die pulsatilen Freisetzungen von Hormonen aus der Hirnanhangdrüse (Hypophyse), ein Beispiel für ultradiane (weniger als 24 Stunden umfassende) Rhythmik. Vielleicht ist Ihr Interesse an diesem Buch bereits gewachsen? Die Rhythmen der Chronobiologie hinterlassen ihre Spuren auf den Veränderungen in unserem Körper im Tages- und Jahresrhythmus. Ein einfaches Beispiel: Unser Körper produziert im Verlauf eines Tages infolge der drei Hauptmahlzeiten dreimal das Überlebenshormon der Evolution, Insulin.

»Unser Überlebenshormon: Insulin«

Provozieren wir indes durch Zwischenmahlzeiten eine häufigere Ausschüttung von Insulin aus der Bauchspeicheldrüse, so erzeugen wir eine widernatürliche Situation, die nicht nur dick, sondern auch in vielfältiger weiterer Hinsicht krank macht. Hier kontrastieren Lebensstilgewohnheiten und das, was uns schlechthin immer als das Nonplusultra weisgemacht wird, mit den tatsächlichen chronobiologischen Gegebenheiten des menschlichen Organismus. Statt also fünf- oder sechsmal am Tag eine kleine unbefriedigende Mahlzeit zu uns zu nehmen, wie es vielfach empfohlen wird, können wir uns dreimal satt essen, bleiben gesund und nehmen dabei dank der Chronodiät nicht zu.

» Dreimal satt essen und gesund bleiben! «

Biologische Rhythmen steuern auch die Freisetzung von vielen anderen Hormonen zeitlich, sodass ein gesunder Mensch beispielsweise nachts in der Regel nicht aufwacht, auch wenn er hungrig ist, sondern durchschläft, obgleich unser Körper auch in der Nacht nicht unerhebliche Mengen an Energie verbraucht.

Lernen Sie mit diesem Buch auf kurzweilige und interessante Art, wie die tageszeitlichen Zusammenhänge zwischen Schlaf und Nahrungsaufnahme darüber entscheiden, ob wir gesund und leistungsfähig überleben oder krank und schwach unserem Alltagstrott hinterherkriechen. Lassen Sie sich auf leicht verständliche Weise entführen in die Welt der Wissenschaft, die Ihnen zeigt, dass das ewige Zählen von Kalorien überflüssig ist, wenn Sie bei der Nahrungsaufnahme die Chronobiologie nicht außer Acht lassen.

Lassen Sie sich nicht vom Titel des Buches abschrecken. Diäten sind wie Urlaub: Sie gelten selten für immer. Wir vermitteln Ihnen auch keine Diät im klassischen Sinne, sondern einen gesunden Lebensstil, der lebenslang durchführbar ist. Unser Anliegen ist es, Ihnen zu zeigen, wie einfach und genussvoll gesunde Ernährung sein kann, wenn man die Erkenntnisse der Chronobiologie berücksichtigt. Viele Diäten sind dümmlich und wirken nur, weil sie aufgrund ihrer hypokalorischen Basis dem Körper Gewicht entziehen. Meist ist das Verlorene dann doch nur Wasser und Muskelmasse.

Die Chronobiologie vermittelt viele ungemein spannende Erkenntnisse. So kennen wir zum Beispiel aus der aktuellen Forschung die Zusammenhänge zwischen dem Verzehr verschiedener Makronährstoffe und ihrer Wirkung auf die tageszeitlich gepulste Freisetzung verschiedener Hormone, die Sättigung, Hunger, Wachwerden in der Nacht und vieles mehr koordinieren. Auch Entzündungsmediatoren, gängige Ursachen vieler Krankheiten, werden durch die tageszeitlich unterschiedliche Zufuhr von verschiedenen Speisen oder Speisenkombinationen mitbeeinflusst. Für Schichtarbeiter sehr interessant sind die Erkenntnisse zum Zusammenspiel von Schlafmangel und Diabetes. Auch diese Zusammenhänge stellen einen Teil der chronobiologischen Wissenschaft dar.

Wir wünschen bei der Lektüre des Buches viel Muße und Vergnügen!

ERNÄHRUNG IST MEHR ALS NUR NAHRUNGSAUFNAHME

Ludwig Feuerbach, ein deutscher Philosoph und Anthropologe, wird gerne mit dem Spruch: „Man ist, was man isst!“ zitiert. Aus dem Blickwinkel der Evolution klingt das etwas chauvinistisch. Den vielen Spezies unseres Planeten war in Urzeiten niemals ein facettenreicher kulinarischer Speiseplan vorgesetzt worden. Der Menüplan trug eher die Überschrift: „Friss oder stirb!“

Zusammenfassend lässt sich sagen, „wer nichts isst, ist nichts“ oder „wer nichts isst, isst nichts.“ Letzteres ist dann oft aus der Not geboren. Denn: Alle Lebewesen verbrauchen Energie. Alle Lebewesen sind daher auf Energiezufuhr angewiesen. Diese geschieht über die Ernährung, die stilvoll kultiviert werden kann,, oder durch Vorgänge, wie wir sie von der Photosynthese der Pflanzen kennen.

Das Lebensprinzip allen Überlebens war im Lauf der Evolution denkbar einfach: Fressen oder gefressen werden. Damit nähern wir uns auch schon dem Begriff der Chronobiologie: Um dem Fressfeind nicht direkt auf dem Teller zu liegen, entwickelte jede Art bereits in ihrer frühesten Entstehungsgeschichte Strategien, um eine zufällige Begegnung möglichst zu vermeiden. Dafür machten sich die Lebewesen die zeitlichen Veränderungen zunutze, die die Sonne hervorruft: die Schwankungen zwischen hell und dunkel, warm und kalt. Lästige Mückenplagen gibt es nur im Sommer. Im Winter ist es den Blutsaugern schlicht zu kalt. Mit wenigen Ausnahmen fliegen Vögel nachts nicht. Deshalb bevorzugen ihre Beutetiere – Mäuse und andere Nagetiere – die Nacht als ihren aktiven Lebenszeitraum. Die Beispiele lassen sich beliebig fortsetzen. Allen gemeinsam ist hingegen ein Ziel: Auffinden und Vertilgen von Nahrung, und das zur rechten Zeit. Als einzige Spezies hat sich der Mensch jedoch im Verlauf seiner Entwicklungsgeschichte seine Kornkammern selber geschaffen. Im Zuge dieser Errungenschaften kamen weitere hinzu. Nicht jedes Mal lief das frei von Problemen ab. Die menschliche Kultur entwickelte sich, wie schon die lateinische Wortherkunft mit der Bezeichnung für „Anbau“ erahnen lässt, aus der Idee, Getreidekörner zu horten und auf einem Acker gezielt auszusetzen, um Felder anzubauen. Die großzügige Verfügbarkeit von Nahrung brachte geselliges Beisammensein zum Essen mit sich. Dabei konnte man auch über neu entstehende Probleme sprechen. Schriften, Zahlen, Mathematik und Architektur entwickelten sich, aber auch erbitterte Territorialkämpfe um fruchtbares Ackerland. Friedensgespräche werden auch heute noch bei Tisch geführt. Es wird guter Wein gereicht und Gastronomen bemühen sich, Teil des Protokolls zu werden.

FAZIT

» Nahrung ist für das Überleben unabdingbar. In der heutigen Zeit ist Essen für uns Menschen jedoch deutlich mehr als nur einfache Nahrungsaufnahme.

NEUE STRATEGIEN OHNE KALORIEN-ZÄHLEN

Umfragen zufolge haben die meisten Menschen in den westlichen Industrienationen bereits eine oder mehrere Diäten hinter sich gebracht. Vor allem Frauen sind oft ausgewiesene Diätexpertinnen, kennen jeden Trick, jeden Kniff, sämtliche Namen von Neuerfindungen, die dazu verhelfen sollen, dem Körpergewichtswachstum Einhalt zu gebieten. Hochglanzillustrierte und Online-Portale leben davon, dass sie neben Schminktipps und wöchentlich neu formulierten Anleitungen zum Thema „Situps und Po-Übungen“ stets neue Geheimrezepte preisgeben, wie man die perfekte Figur für Faschingsparty, Fastenzeit, Osterurlaub, Strandvergnügen, runden Geburtstag und so weiter in nur fünf Tagen, in nur zehn Tagen, in nur zwei Wochen, in einem Monat, für ein ganzes Leben erreicht.

In der ernährungsmedizinischen Sprechstunde hört man täglich dieselben Geschichten: Die meisten Menschen haben bereits eine oder auch mehrere Diäten absolviert. Sie haben viele bunte Punkte gezählt und kennen sich mit Kalorienrechnern bestens aus. Viele halten sich zumindest phasenweise an den weit verbreiteten Ratschlag, fünfmal am Tag eine Portion Obst oder Gemüse zu essen. Und nicht wenige führt der Wunsch, etwas gegen Übergewicht und damit verbundenes körperliches Unwohlbefinden zu unternehmen, in Fitnessclubs. Dort treffen sie auf Personaltrainer, die auch Ernährungsberater sind und mit wohlfeilen Worten dozieren, welchen Kraftriegel man vor und welches Proteinshake man nach dem Training verputzen sollte.

So mancher hatte auch schon beachtliche Erfolgserlebnisse: zehn, vielleicht auch 15 oder mehr Kilo Gewichtsverlust. Doch das Wunschgewicht zu halten, das hat sich als unerreichbarer Wunschtraum herausgestellt. In der Arbeit gab es unerwartet viel Stress. Die Firma ging Pleite, die Kinder kamen in die Pubertät. Die lieben Sorgen führten dazu, dass auch fürs Fitnessstudio immer weniger Zeit bleibt.

Dennoch lassen es viele sich nicht nehmen, wenigstens einmal am Tag warm zu kochen und im Kreise der Familie zu essen. Ein richtiges Abendessen, Reis oder Nudeln. Kartoffeln sind auch immer wieder dabei. Abends die Kohlenhydrate weglassen? Auch das haben viele schon probiert – aber irgendwie schmeckt es dann nicht mehr so gut.

»Zählen von Kalorien ist mittlerweile medizinische Steinzeit«

Neue Strategien gegen Übergewicht werden dringend gebraucht. Die gute Nachricht: Sie müssen nicht mehr gesucht werden, sie wurden bereits gefunden. Selbst das schnöde Zählen von Kalorien auf dem Teller ist mittlerweile medizinische Steinzeit. Heute geht es darum, endlich hormonellen und chronobiologischen Grundsätzen zu folgen und unsere Ernährung in Einklang mit der Chronobiologie zu bringen.

WAS IST DIE CHRONOBIOLOGIE?

Der Begriff „Chronobiologie“ leitet sich ab von den griechischen Wörtern „Chrónos“ – Zeit – und „Biologie“ – Studium des Lebens. Die Chronobiologie beschreibt biologische Rhythmen, denen endogene (d.h. in unseren Organen und Genen verankerte) Schrittmacher ebenso zugrunde liegen wie exogene (d.h. von außen auf uns einwirkende) Taktgeber. Der wichtigste exogene Taktgeber ist uns allen wohl vertraut: Das Entstehen höherer Arten, zu denen der Mensch gehört, war immer schon begleitet vom großen und unübersehbaren Zeitgeber der Natur, dem Licht der Sonne.

Wichtig für die Chronobiologie ist unter anderem, die zeitliche Organisation der Lebensvorgänge eines jeden Individuums in Bezug zu dessen persönlicher Umwelt zu sehen. Gleichzeitig untersucht sie, inwieweit sich die unterschiedlichen Rhythmen gegenseitig beeinflussen bzw. was mit ihnen passiert, wenn sich in der Umwelt etwas verändert.

DIE ERNÄHRUNG UNSERER URAHNEN

Um die Chronobiologie besser zu verstehen, blicken wir an dieser Stelle kurz auf die Entstehung der Menschheit zurück. Nach dem Stand der heutigen Forschung ist der Mensch in der Nähe des Äquators entstanden. Aus dem Bereich des heutigen Äthiopiens zog er, mutmaßlich wegen Nahrungsmittelknappheit und Expansion (d.h. Zunahme der menschlichen Bevölkerungszahlen), in etwa sieben großen Strömen in verschiedene Bereiche hauptsächlich der nördlichen, zum Teil aber auch der südlichen Hemisphäre. Der europäische Mensch fand seine ursprüngliche neue Wiege im Bereich der heutigen Toskana. Etrurien nannte man diese Region früher.

Die Aufmerksamkeit, die das Überlebenshormon Vitamin D3 in den letzten Jahren erfahren hat, zeigt beispielhaft, dass es große Unterschiede gibt zwischen einem Lebensraum, der in der Nähe des Äquators liegt, und dem Lebensraum viele Breitengrade weiter nördlich auf der Welthalbkugel. Doch nicht nur das: Wer schon einmal auf den Malediven oder anderen nahe am Äquator angesiedelten Orten seinen Urlaub verbringen konnte, der wird sich erinnern, dass ziemlich genau um Punkt 6:00 Uhr früh der Tag mit dem Sonnenaufgang beginnt, und dass die Sonne dann sehr zügig ihren Stand genau senkrecht über den Menschen zur Mittagszeit findet. Dieser gleichen Pünktlichkeit folgend sinkt die Sonne dann im Verlauf des Nachmittags sehr rasch wieder in Richtung Horizont und verschwindet genau um 18:00 Uhr wieder mit einem lauten „Zisch“ im Ozean.

Man möge sich vorstellen, dass die Menschheit in Urzeiten noch nicht einmal das Feuer beherrschte. Licht in der Zeit nach 18:00 Uhr gab es nicht. Unsere Urahnen folgten damals mit Sicherheit einem anderen Lebensrhythmus. Tagsüber bemühte man sich, Nahrung aufzutreiben, nachts, wenn es dunkel wurde, konzentriert man sich auf Schlaf und die Fortpflanzung. So kann man sich vorstellen, dass die Entscheidung, länger wach zu sein und die Abendstunden für verschiedene Aktivitäten zu nutzen, zu einer Entzweiung des so genannten zirkadianen Systems von der menschlichen Biologie geführt hat. Das bezieht sich auf alle Gewebe des Körpers wie auch auf Abläufe auf zellulärer Ebene. Diese Verzerrungen sind linear mit groben Schwächungen im Stoffwechselgeschehen und in der Stoffwechselphysiologie verknüpft.

CHRONOBIOLOGIE ALS WISSENSCHAFT

Dass sich die Chronobiologie erst Mitte der 1980er Jahre als eine eigenständige, anerkannte wissenschaftliche Disziplin etablieren konnte, beruht unter anderem auch auf der Tatsache, dass erst ab diesem Zeitpunkt rhythmische Schwankungen verschiedener Parameter in unserem Körper (zum Beispiel Herzfrequenz, Blutdruck oder Körpertemperatur) während des Tages nicht mehr als pathologisch, also krankhaft, angesehen, sondern als physiologische, also natürliche, Prozesse erkannt wurden, mit denen sich der Organismus bestimmten Umgebungsveränderungen anpasst. Fehlt diese Anpassungsfähigkeit oder kommt es zu Störungen zwischen den einzelnen Biorhythmen, ist der Organismus Stress ausgesetzt, der zwar oftmals unerkannt bleibt, aber dennoch weitreichende Konsequenzen für die Gesundheit haben kann. Als bestes Beispiel dienen hier Schichtarbeiter, die zu unterschiedlichsten Tages- und Nachtzeiten arbeiten. Diese Personengruppe leidet häufig an Diabetes, Bluthochdruck und sogar Krebs, denn mit einer gedrosselten Melatoninproduktion werden auch Prozesse der Zellteilung und Zellreparatur gestört. Das erhöht das Risiko der Tumorbildung. Nachtarbeiter kämpfen konsequent gegen ihren inneren biologischen Rhythmus, was sich zusätzlich in Verdauungsproblemen, Nervosität, Reizbarkeit, Schlafstörungen, Herzkrankheiten, aber auch in reduzierten Gedächtnisleistungen niederschlägt. Bereits nach einer einzigen Nachtschicht steigt das Unfallrisiko.

RHYTHMEN BESTIMMEN UNSER LEBEN

Tägliche Veränderungen in der Umwelt, seien sie natürlicher Art oder nicht, gehen immer mit Veränderungen des inneren Milieus eines jeden Organismus einher. In einigen Fällen kann sich der Organismus aber bereits im Vorfeld auf erwartete Änderungen seines Umfeldes einstellen, speziell wenn sie immer in regelmäßigen Abständen auftreten (Tag-Nacht-Rhythmus). Demzufolge geben durch körpereigene, biologische Uhren hervorgerufene biologische Rhythmen dem Organismus die Möglichkeit, sich im Vorfeld auf zu erwartende Veränderungen der Umwelt vorzubereiten, die zum Beispiel mit dem Hell-Dunkel-Wechsel einhergehen. Diesen Vorgang bezeichnet man als zeitliche Synchronisation oder Anpassung zwischen dem Organismus und seiner Umwelt, die es ihm ermöglicht, zur richtigen Zeit mit dem jeweils optimalen biologischen Prozess zu reagieren.

Der physiologische Sinn solcher biologischen Uhren besteht also zum einen in einer Synchronisation des Körpers mit der externen Umwelt, die es dem Individuum erlaubt, sich auf Tag/ Nacht, Sommer/Winter, Aktivität/Erholung oder Reproduktion einzustellen. Zum anderen dienen diese inneren Uhren aber auch der inneren Synchronisation natürlicher und biochemischer Prozesse. Sowohl der Verlust der Synchronisation eines Organismus mit seiner externen Umwelt als auch der Verlust der innerer Synchronisation kann demnach zu schwerwiegenden Konsequenzen für die Gesundheit und das Wohlbefinden des Individuums führen.

In diesem Fall spricht man von einer so genannten Störung der inneren Rhythmizität oder auch „Chronodisruption“, da der Körper gegen seine inneren Uhren lebt und viele Prozesse nicht mehr synchron bzw. synergistisch ablaufen können. Basierend auf diesem vereinfachten Grundprinzip lässt sich die Chronobiologie heute in weitere Unterdisziplinen untergliedern, zum Beispiel in die Chronophysiologie – wie läuft es richtig –, die Chronopathologie – was ist gestört –, die Chronopharmakologie – wie kann ich gegebenenfalls therapeutisch eingreifen – und die Chronotoxikologie – welche Krankheiten sind die Folge.

DIE WICHTIGSTEN RHYTHMEN IN DER CHRONOBIOLOGIE

Unsere Chronobiologie wird von Rhythmen mit unterschiedlicher Länge bestimmt. Manche davon erzeugt unser Körper selber (innere Rhythmen), andere sind Umwelteinflüsse (exogene Rhythmen).

› CIRCADIANE RHYTHMEN

Unter einem circadianen Rhythmus versteht man einen biologischen Rhythmus mit einer Periodendauer von ca. 24 Stunden. Klassisches Beispiel für einen solchen Rhythmus wäre der Schlaf-Wach-Rhythmus.

› ULTRADIANE UND INFRADIANE RHYTHMEN

Ein ultradianer Rhythmus besitzt eine Periodendauer von weniger als 24 Stunden, ein infradianer Rhythmus eine Dauer von mehr als 24 Stunden.

Bekanntestes Beispiel für einen ultradianen Rhythmus ist das immer wiederkehrende Hungergefühl und die dadurch angeregte Nahrungsaufnahme. Infradiane Rhythmen steuern hingegen unter anderem die Sexualität und die Darmentleerung.

»Chronobiologische Rhythmen bestimmen maßgeblich unseren Alltag«

› CIRCANNUALE RHYTHMEN

Circannuale Rhythmen weisen eine Periodendauer von ca. einem Jahr auf. Beispiele für diese Rhythmen sind unter anderem die Jahreszeiten Frühling, Sommer, Herbst und Winter mit ihren Auswirkungen auf die Gemütslage und/oder das Immunsystem.

› ENDOGENE UND EXOGENE RHYTHMEN

Endogene Rhythmen sind all jene Rhythmen, die unser Körper selber herstellt, z.B. die Herz- oder Atemfrequenz oder das Freisetzen der Hormone. Ein exogener Rhythmus hingegen ist ein Umwelteinfluss, der von außen periodisch auf uns einwirkt, z.B. der Tag-Nacht-Wechsel oder auch die Nahrungsaufnahme. Oftmals beeinflussen exogene Rhythmen die Frequenz der endogenen. So bewirken die tiefen Temperaturen am Morgen – ein Beispiel für exogene Temperaturschwankungen –, dass wir aufwachen.

IN DIESEM KAPITEL:

›DAS GEHIRN ALS STEUERZENTRALE

Der Hypothalamus

Hormone: Botschafter im Stoffwechsel

Melatonin: Botschafter des Tag-Nacht-Rhythmus

Die Regelung von Hunger und Sättigung

›DICK DURCH FALSCHE CHRONO-RHYTHMEN

Dick durch Essen zum falschen Zeitpunkt

Dick durch gestörten Schlaf-Wach-Rhythmus

›RICHTIGE ERNÄHRUNG MIT DER CHRONODIÄT

Übergewicht ist ein schwerwiegendes Problem der heutigen Menschheit

Welcher Chronotyp sind Sie?

Welcher Stoffwechseltyp sind Sie?

» Testen Sie, welcher Chrono- und Stoffwechseltyp Sie sind! «

UNSER CHRONOBIOLOGISCHES PROGRAMM

DAS GEHIRN ALS STEUERZENTRALE

DER HYPOTHALAMUS

Unser Gehirn ist das oberste Steuerwerk und für viele Vorgänge im Körper verantwortlich, beispielsweise Hormon- und Stoffwechselkreisläufe. Ein Kerngebiet des Gehirns ist der so genannte Nucleus suprachiasmaticus (SCN) im Vorderhirn, genauer gesagt im so genannten Hypothalamus. Unsere innere Uhr oder „master clock“ ist in diesen spezialisierten Nervenzellen lokalisiert. Einer der wichtigsten exogenen Zeitgeber ist der Wechsel zwischen Tag und Nacht bzw. Licht und Dunkelheit. Dieser Rhythmus existiert seit über 4 Milliarden Jahren und hat mit dazu beigetragen, dass sich circadiane Rhythmen überhaupt erst entwickeln konnten. In Säugetieren und somit auch im Menschen entstand parallel dazu der SCN, also auch die innere Uhr.

»Jedes einzelne Lebewesen besitzt verschiedene innere Uhren«

HORMONE: BOTSCHAFTER IM STOFFWECHSEL

In allen Lebewesen, und somit auch beim Menschen, gibt es verschiedene innere Uhren, die unterschiedliche Rhythmen hervorrufen. Diese Regelkreise stehen in einem engen Zusammenhang untereinander und beeinflussen sich oftmals gegenseitig. Wichtig in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass auch die Hormone, die maßgeblich an der Verwertung der aufgenommenen Nahrung mitverantwortlich sind, eine solche Rhythmik aufweisen.

Die Ausschüttung aller Hormone erfolgt zeitlich gepulst, seien es Sexualhormone zur Fortpflanzung, Stresshormone, die unter anderem auch zur Krankheitsunterdrückung dienen, oder Regelhormone zur Steuerung unseres Energiehaushaltes und somit auch zur Steuerung unseres Nahrungstriebes. Heute nennt man diesen Trieb „Essverhalten“.

MELATONIN: BOTSCHAFTER DES TAG-NACHT-RHYTHMUS

Die Lichtimpulse werden von der Netzhaut des Auges aufgenommen und über spezialisierte Nervenzellen von der Retina an den SCN, also den Sitz der inneren Uhr, weitergeleitet. Der SCN wiederum ist über einen sehr komplexen Weg mit dem Pinealorgan, auch Zirbeldrüse genannt, verbunden, weshalb man diese Drüse auch als „das dritte Auge“ bezeichnet. In dieser Drüse wird vor allem das Hormon der Dunkelheit, das Melatonin, gebildet. Während der Dunkelphase kommt es zur Stimulation der Melatoninproduktion mit anschließender Freisetzung. Lichtimpulse hingegen unterdrücken diese Produktion bzw. Freisetzung. Die nächtliche Freisetzung von Melatonin ist somit ein weiterer Zeitgeber, an Hand dessen die Information „Dunkelheit“ an fast alle, wenn nicht sogar alle Zellen aller Organe weitergeleitet werden kann. Dabei agiert Melatonin über spezifische Rezeptoren, also spezifische Bindungsstellen, auf den Zellen. Unter anderem finden wir solche Bindungsstellen vermehrt auch im SCN. Melatonin reguliert somit sowohl die Amplitude (Schwingungsstärke) als auch die Phase dieses wichtigen inneren Zeitgebers. Daher stellt Melatonin eine Art von Feedback-Mechanismus dar, der den Sitz der inneren Uhr einerseits mit den äußeren Impulsen abstimmt und es ihm andererseits erlaubt, weiterhin in angemessener Weise eigenständig zu schwingen. Anders gesagt: Melatonin ist ein potenter innerer Zeitgeber, der die äußere Information Tag=Licht und Nacht=Dunkelheit in ein endogenes Signal übersetzt.

Einen weiteren Regelkreis stellt der Einfluss von Melatonin auf circadiane Abläufe dar, die nur eine sehr geringe Pulsschlagartigkeit aufweisen. Auch wenn der Wirkmechanismus noch nicht genauer bekannt ist, wird vermutet, dass Melatonin hier bestimmte Gene aktivieren und deaktivieren kann, sodass nachgeschaltete Funktionen wie das Absinken der Körpertemperatur nur zu bestimmten Zeiten auftreten. Ähnliche Prozesse sind für Zeitgeber in der Leber, der Haut, der Lunge, der Niere sowie verschiedenen Hormondrüsen beschrieben worden (siehe Abbildung 1). Die Freisetzung von Cortisol am Morgen oder die Insulinausschüttung werden direkt durch Melatonin gesteuert – ein Mechanismus, der oftmals über spezifische Melatoninrezeptoren gesteuert wird.

DIE REGELUNG VON HUNGER UND SÄTTIGUNG:

Unser Hunger- bzw. Sättigungsgefühl unterliegt dem Einfluss verschiedener Homone, die rhythmisch zu bestimmten Tages- bzw. Nachtzeiten ausgeschüttet werden. Darunter sind Botenstoffe, die uns eher ein Sättigungsgefühl verspüren lassen, und solche, die eher zu Hunger führen. Andere wiederum regulieren unseren Stoffwechsel und daher indirekt auch unser Gewicht. Die wichtigsten Hormone heißen Ghrelin, Leptin, Insulin und Cortisol. Cortisol erreicht morgens sein Maximum. Leptin wird in der zweiten Nachthälfte erhöht produziert, signalisiert „gefüllte Fettspeicher“ und lässt uns schlafen, statt vor Hunger aufzuwachen. Gleichzeitig signalisiert das etwa alle sechs Stunden pulsativ freigesetzte, dann erhöhte Ghrelin, dass es Zeit wird, zu essen.

Wie Hormone unser Gewicht beeinflussen

‐ Antistresshormon Cortisol

Cortisol ist ein Stresshormon, das ursprünglich nur in Stresssituationen ausgeschüttet wurde (Flucht oder Angriff). Seine Aufgabe bestand in der Aktivierung von abbauenden Stoffwechselvorgängen, die dem Organismus situationsgerecht energiereiche Verbindungen verfügbar machten. Cortisol wird in der Nebennierenrinde gebildet. Die Nebennierenrinde erfährt erst durch interne Botschaften, wann sie dessen Vorstufe, das Cortison, bilden soll. Der Botenstoff, der aus dem übergeordneten Zentrum im Gehirn stammt, nennt sich ACTH, adrenocorticotropes Hormon. Dieses Hormon regt die Nebennierenrinde dazu an, Cortisol aufzubauen.

Nun hat ausgerechnet letzlich Cortisol, aber auch seine oft als Medikament verabreichte Vorstufe Cortison seine Funktion vor allem in der Regulierung des Kohlenhydrat-Haushaltes. Es fördert den Aufbau von Zucker in der Leber, es fördert den Fettstoffwechsel, indem es die fettauflösende Wirkung von Adrenalin und Noradrenalin vorantreibt. Es kann, weil es sich leider besonders gerne auch in den Bauchfettzellen anreichert, langfristig das Bauchspeicherfett vergrößern. Denn leider haben diese Fettzellen besonders viele Andockstellen für die aktive Form des Stresshormons, Cortisol. Die gesunde Tagesrythmik des Cortisols sieht so aus: Morgens haben wir besonders hohe Werte, die dann im Vormittagsverlauf langsam abfallen, zur Mittagszeit noch einmal einen leichten Anstieg verzeichnen, um im Laufe des Nachmittags, des Abends und insbesondere der Nacht auf ein relatives Tief zu sinken. Erst am nächsten Morgen verzeichnen wir plötzlich wieder einen sehr starken Anstieg unseres Cortisolspiegels. Des Weiteren spielt Cortisol eine wichtige Rolle beim Protein-Abbau.

ABBILDUNG 1: Schematische Darstellung der komplexen Verknüpfung verschiedener Zeitgeber mit besonderem Augenmerk auf den Nucleus suprachiasmaticus (SCN) und das Pinealhormon Melatonin sowie deren Auswirkung auf das endokrine System (modifiziert nach Hardeland R., J. Mol. Sci. 2013)