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Mit Biss und Humor entlarvt Luise F. Pusch die blinden Flecken in männlicher Sprache und Gesellschaft. Wenn der Damenstudent zum Tanz gebeten wird, die Caprese mit Büffelmilch-Mozzarella zubereitet wird oder auf Facebook aus zwei Freundinnen "Freunde" werden, ist die feministische Linguistik und Gesellschaftskritik gefordert. Ob das Genus von "Single" oder eine Erklärung dafür verlangt wird, wie das männliche Pendent zu "Entjungferung" lautet, Luise Pusch antwortet mit Ironie und analytischer Schärfe.
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Seitenzahl: 150
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Luise F. Pusch
Neue Glossen
Für meinen Bruder,Frank Schmidts
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten
sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© Wallstein Verlag, Göttingen 2013
www.wallstein-verlag.de
Vom Verlag gesetzt aus der Stempel Garamond
Umschlaggestaltung: Susanne Gerhards, Düsseldorf,
Fotos: © Tierschutzstiftung Hof Butenland/Karin Mück (Kuh);
© Petinovs – Fotolia.com (Sofa)
Druck: Friedrich Pustet, Regensburg
ISBN (Print) 978-3-8353-1223-4
ISBN (E-Book, pdf) 978-3-8353-2333-9
ISBN (E-Book, epub) 978-3-8353-2431-2
Vorwort
Frauen gemeinsam sind stark
Zum Tod von Mary Daly
Frauenfrühstück
Slutwalk und Schlampenmarsch
Frauen- und Gleichstellungspolitik
Gleichstellung besser andersrum: Ohne Bindestrich ist hübscher
BP und der Dschender-Dschungel
Equal Pay Day: 23 oder 30 Prozent Unterschied?
Frauen machen von sich reden, Männer immer weniger
Die Frauenquote und die Vorzimmerdame
Integration
Die Debatte um Sarrazin aus feministischer Sicht
Geh deinen Weg – aber geh
Komische Ausdrücke
Singles und ihre Artikel
Herr im Haus ist die Natur
Die Oblate und der Oblate
Kleiner Mann
Was ist ein Damenstudent?
Natürliche Herrenpflege
Altweiberknoten
Die Entjunkerung
Kunst, Musik und Literatur
Goethe und sein lesbisches Veilchen
Gute Menschen und hinterhältige Personen
Hilde Domin und ihr Bremsklotz
Der Büchnerpreis der Deutschen Akademie für Männersprache und Männerdichtung
Mies van der Rohe: Über die Veredlung des Miesen
Johannespassion oder Braucht die Muttergottes einen Vormund?
Mütter
Faire Mütter, fiese Väter
Mutter-Witze
Yo-Mama-Jokes, das Original der Mutter-Witze
»But Mom, the girls LOVE it!«
Mother-Blaming – Rabenmütter, Schwiegermonster und Stiefmütterchen
Social Media
Share/Teilen: Facebookspeak & Gender, Teil 1
Friends/Freunde: Facebookspeak & Gender, Teil 2
Facebookspeak: Civilians – Die neuen ZivilistInnen
Sport
Lichtgestalt Franz Beckenbauer in ihrem Element
Lieber Fußball als Männerfußball
Eine Ruderin schlägt Wellen
Die Olympiade, Microsoft und gerechte Sprache
Tierleben
Die Mutation der Drohne
Büffelmilch oder Die dominante Kuh
Weltpolitik
Mao wollte zehn Millionen Chinesinnen loswerden
Gegen die »korrigierende Vergewaltigung«
Demikratiebewegung: In Ägypten revoltieren junge Männer gegen alte Männer
Mubarak, Guy Deutscher und die Maskulinguistik – ein Vergleich
9/11: Überlegungen zum »sexuellen Missbrauch« und zum »Krieg gegen den Terror«
Wenn Frauen eine Reise tun
Dresden
Amrum
Verzeichnis der Glossen
Als ich Jennifer Rödl, Mitarbeiterin von gendup, dem Zentrum für Gender Studies und Frauenförderung der Universität Salzburg, den Titel meines neuen Buchs verriet, schrieb sie zurück: »Ich freue mich schon auf Ihr nächstes Werk, da wird wohl dann auch das MU seinen Platz bekommen :-).«
Wenige Monate zuvor hatte ich auf Einladung des gendup ein Seminar zum Thema »Sprache und Sexismus« durchgeführt, und die Übungen zum MU hatten allen Teilnehmerinnen viel Spaß gemacht.
Was ist denn das MU, werden Sie mit Recht fragen.
»MU« ist eine Abkürzung für »Männliches Universum« – ein Begriff, den ich Anfang der 80-er Jahre zur Beschreibung einer weitverbreiteten Eigenart sexistischer Texte geprägt habe. Dazu ein Zitat aus meinen Seminarunterlagen:
Vom Männlichen Universum (MU) zum Frauenzentrierten Denken
Definition MU: Das männliche Universum (MU) manifestiert sich in Texten, die angeblich von Menschen allgemein handeln oder von Angehörigen bestimmter Gruppen ganz allgemein, deren Geschlecht scheinbar irrelevant ist. Es stellt sich jedoch bei näherem Hinsehen heraus, dass tatsächlich nur Männer gemeint sein können. Hin und wieder haben diese Männer noch weibliches Zubehör …
Die weite Verbreitung der MU-Sprache, die den meisten nicht einmal auffällt, gab den Anstoß für die Kritik der Frauen an der Männersprache. MU-Beispiele beweisen, dass die »Geschlechtsneutralität maskuliner Personenbezeichnungen« ein Mythos ist.
Textbeispiele für das Männliche Universum (MU)
– Frauen haben die Mongolen eine oder mehrere. (Chronisten der engl. Benediktinerklöster Burton und St. Albans)
– Wer mit Katzen lebt, ist ihnen niemals Herrchen, wie man das dem Hund ist. (Die Zeit)
– Jede Sprache entwickelt sich … nicht anders als jeder Mensch sich vom Kind zum Jüngling, vom Jüngling zum Mann und zum Greis entwickelt. (Emil Staiger 1968)
Beim sprachlichen Sexismus unterscheide ich zwischen gewöhnlichem und grobem Sexismus. Das MU ist und bleibt eine der perfidesten Erscheinungen des gewöhnlichen Sexismus. Aber eine dominante Kuh weiß sich zu wehren. Sie macht laut und unmissverständlich MU – und fertig.
Und was macht die dominante Kuh sonst noch? Der Bulle macht bekanntlich Bullshit, während die brave Kuh Milch gibt. Nicht so die dominante Kuh. Sie hat Besseres zu tun (nachzulesen in meiner Glosse »Büffelmilch oder Die dominante Kuh« auf S. 117 – besonders erhellend dazu, wie immer, die große Charlotte Perkins Gilman).
Der Titel meiner neuen Glossensammlung soll aber auch an grobe sprachliche Sexismen erinnern, nämlich an zwei der beliebtesten Schimpfwörter für Frauen. Wenn wir nicht gerade als »dumme Kuh« beschimpft werden, dann als »dominant«. »Dominante Kuh« wird uns hingegen selten bis nie entgegengeschleudert – in der Herrenkultur passen diese beiden Begriffe einfach nicht zusammen. Und deshalb lachen alle über den Titel – und damit über die Herrenkultur.
Besser kann ich den Sinn und Zweck meiner Glossen, die ich seit über 31 Jahren produziere, nicht umreißen.
Das Jahr fing gar nicht gut an. Erst starb Freya von Moltke am 1. Januar, zwei Tage später dann Mary Daly. Die beiden wohnten nicht weit voneinander entfernt, die eine in Vermont, die andere in Massachusetts, Neuengland. Beide waren Widerstandskämpferinnen und hatten komplexe Beziehungen zu Deutschland. Moltke und ihr Mann gehörten zur Verschwörung des 20. Juli; Helmuth Graf von Moltke wurde von den Nazis hingerichtet. Daly widerstand dem Patriarchat in all seinen Erscheinungsformen, ganz besonders seiner Extremform, der katholischen Kirche. Sie hatte in der Schweiz studiert und gelehrt, und ihre treusten Anhängerinnen hatte sie vermutlich in Deutschland, nicht zuletzt dank der Vermittlung ihrer Übersetzerin, der feministischen Philosophin Erika Wisselinck.
Während Freya von Moltkes Tod hier breite Resonanz auslöste und sogar in der Tagesschau gemeldet wurde, hörten wir über Mary Dalys Tod zunächst kein offizielles Wort, es kursierten nur entsetzte Emails unter Feministinnen: »Hast du schon gehört?«, »Kannst du das bestätigen?« Da ich nirgends eine Bestätigung las – etwa eine Meldung im Boston Globe oder in der New York Times, schließlich war Mary Daly eine Denkerin von internationaler Statur –, lebte ich noch zwei Tage in der Hoffnung, jemand, ein mieser Patriarch vielleicht, hätte sich einen üblen Scherz erlaubt. Aber dann kamen schließlich doch die Nachrufe, und ihr Tod wurde traurige Gewissheit.
Warum bekommt der Tod der einen Widerstandskämpferin so unmittelbare und große Aufmerksamkeit, der Tod der anderen aber nur so zögerliche und widerwillige?
Da gibt es eine ganz einfache Antwort: Das Regime, dem Daly zeitlebens heroischen Widerstand leistete, ist noch an der Macht. Es mochte und mag diese unbequeme, kämpferische Denkerin nicht und würde sie am liebsten ignorieren, auch die Tote noch totschweigen. Wären die Nazis noch an der Macht, gäbe es auch kein Aufhebens um Freya von Moltkes Tod. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass eine Feministin, die von der herrschenden Kultur gefeiert wird, sich fragen muss, ob ihr Widerstand noch Biss hat. Und zweitens folgt daraus, dass die überlebenden Widerständigen im eigenen Interesse die Erinnerung an ihre lieben Verstorbenen wachhalten sollten, bis das Regime überwunden ist. Danach läuft die Sache mit dem gebührenden Gedenken an die einstmals so Unbeliebten ganz natürlich und reibungslos.
Mary Daly wird aber nicht nur in ihren Werken weiterleben, sondern wer weiß wo sonst noch. Vor knapp fünf Jahren erzählte sie fröhlich in einem Interview, sie hätte in letzter Zeit öfter Besuch von Matilda. Damit meinte sie Matilda Joslyn Gage, radikale Feministin und Autorin von Women, Church and State (1893). Wenn Mary Daly uns Matilda nicht 1978 in Gyn/Ecology wieder nahegebracht hätte, wäre sie heute ganz vergessen, denn mit ihr, die übrigens das Wort patriarchy geprägt hat, verfuhr das Patriarchat genauso wie mit Mary Daly. Ich stelle mir vor, dass Mary Matildas freundliche Besuche jetzt erwidert, was sie ja bisher nicht konnte, und dass die zwei gemeinsam Pläne schmieden, wie frau diese Welt endlich auf Vorderfrau bringen könnte. Denn, so Daly: »The world needs to become enGAGEd.«
Genau. Und dazu brauchen wir auch Our Daly Bread.
Januar 2010
Frühstück bei Tiffany oder Déjeuner sur l’herbe, das war einmal. Heute träumt die Frau von einem Frühstück bei Tchibo oder mit Tchibo. Das jedenfalls schrieb mir mein Tchibo.de-Team in einer ihrer poetisch abgefassten Newslettas, die gestern kam:
Liebe Frau Pusch,
versüßen Sie sich das Aufstehen und starten Sie genussvoll in den Tag. Bei Tchibo finden Sie jetzt alles für die perfekte Küche: Entdecken Sie hochwertiges Geschirr, stilvolles Zubehör und dekorative Accessoires und freuen Sie sich auf erstklassiges Design zu günstigen Preisen.
Schöner kann ein Tag kaum beginnen.
Ihr Tchibo.de-Team
Neu und liebenswert an der Tchibo-Anzeige ist die im Bild veranschaulichte Idee, dass zu dem perfekten Morgen und dem genussvollen Start in den Tag nicht nur das hochwertige Geschirr, das stilvolle Zubehör und die dekorativen Accessoires von Tchibo gehören, sondern vor allem eine nette Gefährtin, mit der wir uns lebhaft unterhalten können.
Ein absolutes Novum in der Welt der Frühstücksanzeigen: Das Frühstück, wohl die intimste Mahlzeit, wird hier nicht von einer Frau und einem Mann zelebriert, sondern von zwei Frauen. Vielleicht leben sie zusammen? Vielleicht haben sie sich gerade kennengelernt, und am Vorabend die spannende Frage »Frühstück bei mir oder bei dir?« zufriedenstellend geklärt. Sie haben eine glückliche Nacht verbracht, frau sieht es ihnen an.
Truman Capotes Frühstück bei Tiffany transponiert eine Schwulen-Liebesgeschichte ins Heteromilieu – auch in den angeblich »Swinging Sixties« viel akzeptabler.
Hundert Jahre früher zeigt uns Manet mit seinem »Déjeuner sur l’herbe« ebenfalls die Welt aus Männersicht: Die Männer diskutieren lässig und genießen warm verpackt den Anblick der nackten Schönen, die sie schon vor dem Frühstück vernascht haben. Die nackte Frau ist preisgegeben, auf dem Präsentierteller, und sie friert vermutlich.
Die Geschichte des Frühstücksmotivs in der Kunst zeigt uns: Ein Frühstück unter Frauen ist einfach gemütlicher.
Und nun hat sich dies uralte Geheimwissen der Frauen so weit herumgesprochen, dass sogar Tchibo es mitbekommen hat. Wie schön.
Oktober 2010
Slutwalks überall, hier in Boston fand schon im Mai einer statt, und übermorgen, am 13. August, geht es mit deutscher Gründlichkeit deutschlandweit los, in Hamburg, Köln, Hannover, Berlin, Leipzig, Frankfurt, Freiburg, München, Passau und im Ruhrgebiet.
Ich bin begeistert, dass wir Frauen uns wieder bewegen, an die frische Luft kommen und ordentlich Vitamin D machen für den Winter – je weniger wir anhaben, umso mehr! Toll, dass wir endlich mal wieder für ein ureigenes Anliegen auf die Straße gehen, zuhauf, in Scharen: gegen den unerträglichen männlichen Sexualterror. Dass wir dafür eine Methode gefunden haben, die die Medien umso magischer anzieht, je mehr wir uns ausziehen, finde ich genial. Wir schlagen sie mit ihren eigenen Waffen bzw. fangen sie in ihren eigenen Netzen.
Ich bin dafür, wenn auch nicht dabei, denn ich bin in Boston, und als hier der Slutwalk abging, war ich in Hannover und hatte von Slutwalk noch nie was gehört.
Dabei ist so ein Slutwalk im Sommer genau das Richtige. Joey und ich machten früher unseren täglichen Powerwalk in der Eilenriede (Hannover) oder im Franklin Park (Boston) – jetzt nennen wir es lieber Slutwalk. Ist kürzer und zeitgemäßer und passt besser zu unserem Alter (powerwalken ist zu anstrengend) und zu unserer legeren, um nicht zu sagen schlampigen Kleidung. »Komm, Sluttie«, sagte Joey gestern zu mir, und ich, einst eine stolze Prüde, habe nur gelacht und bin mitgewalkt.
Mit diesem hybriden Ausdruck bin ich bei meinem eigentlichen Thema, denn dies hier ist ja ein Sprachblog. Das Wort Schlampenmarsch ist zwar eine Fehlübersetzung, aber eine wirkungsvolle. Slut wäre wohl besser mit Fotze wiedergegeben. Schlampe ist viel weniger aggressiv als slut. Slut klingt nach slit (Schlitz, aufschlitzen), »Fotze«. Daher auch die widerstrebende Reaktion vieler gestandener Feministinnen in den USA, sich diesen verhassten Ausdruck »anzuziehen«.
Und ein Walk ist nun wirklich kein Marsch, sondern ein Gang. Aber unser Wort Gang ist im Gebrauch sehr eingeschränkt. Zwar kennen wir die Fußgängerin und den Fußgänger – aber keinen Fußgang.
Der Slut Walk ist vermutlich dem Perp Walk nachgebildet, dem vor einiger Zeit Strauss-Kahn unterzogen wurde. Eine Art Spießrutenlauf für den Perp(etrator), den Täter. Aber Schlampenlauf ginge auch nicht, denn es wird ja nicht gerannt, sondern gegangen. Aber nicht spazieren gegangen, deshalb fällt auch die gängige Übersetzung Spaziergang für walk aus. Wäre auch viel zu lang.
Widmen wir uns nun den Vorzügen der Fehlübersetzung: Die Verkopplung der unordentlichen Schlampe mit dem militärischen Marsch ist so apart wie attraktiv. Die Schlampe wird dadurch ordentlicher und der Marsch schlampiger – beide Seiten können das gut vertragen.
Wahrscheinlich wird es bei dem Wort Slutwalk auch für die deutschen Ablegerinnen bleiben, und der Schlampenmarsch fristet daneben ein sprachliches Schattendasein.
Aber wenn der Original-Slutwalk immer mehr Varianten hervorbringt, wird sicher auf die Schlampen zurückgegriffen. Z. B. könnte ich mir gut eine Schlampenprozession zu Ehren der Urschlampe Maria Magdalena vorstellen. Oder einen BlumenSchlampenKorso – gibt es Schlampigeres als Blumen, die ihre Geschlechtsteile herausfordernd zur Schau stellen?
Männer dürfen als Schlampi mitmachen (Plural von Schlampus). Und den Schampus nicht vergessen für die durstigen Schlampen. Damit alle gemeinsam schlampampen können.
Und Schlumpi, der Hund mit dem schlumpigen Geschlechts- und Ausscheidungsgebaren, darf auch mitschlumpen. Dann brauchen wir abends nicht mehr mit ihm Gassi zu gehen (engl. slutwalk the dog).
August 2011
In Österreich dürfen Lesben und Schwule sich seit Januar verpartnern, ein gemeinsamer Familienname bleibt ihnen allerdings verwehrt. Der bleibt den »richtigen« Eheleuten vorbehalten, die als Frau und Mann eine herrkömmliche Ehe eingehen.
Der kleine Unterschied ist diesmal wahrhaftig klein: Es geht um einen Bindestrich!
Für Verehelichte gilt:
§ 93 Abs. 2 ABGB:
(2) Derjenige Verlobte, der nach Abs. 1 als Ehegatte den Familiennamen des anderen als gemeinsamen Familiennamen zu führen hat, kann dem Standesbeamten gegenüber vor oder bei der Eheschließung in öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunde erklären, bei der Führung des gemeinsamen Familiennamens diesem seinen bisherigen Familiennamen unter Setzung eines Bindestrichs zwischen den beiden Namen voran- oder nachzustellen. […]
Für bloß Verpartnerte gilt hingegen:
§ 2 Abs. 2 Zif. 7a des Namensänderungsgesetzes:
[Ein Grund für die Änderung des Familiennamens liegt vor, wenn] der Antragsteller einen Nachnamen erhalten will, der gleich lautet wie der seines eingetragenen Partners, und dies gemeinsam mit der Begründung der eingetragenen Partnerschaft beantragt; damit kann auch der Antrag verbunden sein, als höchstpersönliches, nicht ableitbares Recht seinen bisherigen Nachnamen voran- oder nachzustellen.
Die maskuline Diktion der Gesetze ist grotesk und genauso hinterwäldlerisch wie ihr Inhalt – aber konzentrieren wir uns hier nun mal auf den erlaubten oder nicht erlaubten Bindestrich.
Mich erinnert die ganze Sache an eine Schlagzeile der taz vom 19.7.2001 – das Bundesverfassungsgericht hatte soeben eine Normenkontrollklage aus Bayern und Sachsen gegen die geplante »Lebenspartnerschaft« abgeschmettert – und die taz titelte frech: »Homos droht der Eheknast«.
War das Lebenspartnerschaftsgesetz, das die Lesben und Schwulen mühsam erstritten hatten, denn gar nichts wert? So weit würde ich nicht gehen – aber auch ich war und bin eher für eine Gleichstellung in umgekehrter Richtung: Abschaffung der Ehe: Auch Heterosexuelle dürfen nicht heiraten.
Und den Bindestrich finde ich auch nicht besonders erstrebenswert, sondern eher provinziell. Lange Zeit war es in Deutschland für Frauen die einzige Möglichkeit, ihren Geburtsnamen beizubehalten – was bis zu dieser halbherzigen Lösung auch undenkbar war. Deshalb nannte sich Thea Nolte nach der Heirat mit Herrn Bähnisch einfach Theanolte Bähnisch – sehr kreative und eigenwillige Lösung!
Auch der Name der Frau kann als »Familienname« gewählt werden, und der Gatte darf seinen Geburtsnamen mit Bindestrich anhängen oder voranstellen. Nur geschieht das natürlich so gut wie nie: Ein Name wie »Fritz Meyer-Mansfeld, geborener Meyer« – das ist doch dem Manne nicht zuzumuten.
Über die Pionierinnen der Namensemanzipation wurde natürlich immerfort gewitzelt, am meisten wohl über Leutheusser-Schnarrenberger und Däubler-Gmelin. An »Hamm-Brücher« hingegen hatten sich die meisten schon seit den Fünfzigern gewöhnt.
Der Bindestrich verbindet die zwei Namen zu einem »Familiennamen« – ohne Bindestrich hingegen kein »Familienname«, sondern nur ein »Nachname«.
Lesben und Schwule sind empört über die Ungleichbehandlung. Aus einem Jörg Kaiser wurde nicht ein Jörg Eipper-Kaiser, sondern nur ein Jörg Eipper Kaiser – Gemeinheit! Persönlich finde ich die Lösung mit dem Mittelnamen ehrlich gesagt eleganter. Und diese ist anscheinend den Heteros und Heteras verwehrt, wenn ich das feingesponnene Kuddelmuddel-Gesetzeswerk richtig verstanden habe.
Elizabeth Barrett Browning, Charlotte Perkins Gilman, Jacqueline Bouvier Kennedy Onassis, John Fitzgerald Kennedy – sind das nicht schöne, klangvolle Namen? Dasselbe mit Binde- oder Minus-Strich? Nee!
Und so erwarte ich jetzt einen Antrag der Heiratswilligen auf Gleichstellung mit den Verpartnerungswilligen, auch aus ästhetischen Gründen.
(Dank an Karin Schoenpflug für die Informationen über die Bindestrich-Kontroverse in Österreich)
Juni 2010
An zwei Tagen im Juni erlebten wir den sprachlichen Ausnahmezustand. Die Medien zeigten, dass sie doch geschlechtergerecht formulieren können.
Nie habe ich so oft das Wort »Staatsoberhaupt« gehört wie an den ersten beiden Junitagen, an denen Ursula von der Leyen als Nachfolgerin von Horst Köhler noch im Gespräch war.
»Suche nach dem Staatsoberhaupt« – so wurde vielfach getitelt. Das »Staatsoberhaupt«, grammatisch neutral, machte sich einfach besser, solange eine Frau, noch dazu eine mächtige, als Favoritin für das Bundespräsidialamt galt – das sonst nur das »Bundespräsidentenamt« oder »Amt des Bundespräsidenten« genannt wird.
Wörter wie »Person« und erst recht »Persönlichkeit« hatten Hochkonjunktur. Auch wurde andauernd gewissenhaft die Doppelform eingesetzt.
Hier ein paar Kostproben:
Für Angela Merkel (CDU) und Guido Westerwelle (FDP) gilt: Anders als Köhler soll der Nachfolger oder die Nachfolgerin parteipolitisch erfahren sein und möglichst auf breite Zustimmung stoßen.
… wollen CDU/CSU und FDP auf jeden Fall einen eigenen Personalvorschlag machen [statt: »Kandidatenvorschlag machen« oder »einen eigenen Kandidaten vorschlagen«]. (dpa newsticker 1.6.2010)
»Wir glauben, dass wir jemanden [immerhin besser als »einen Mann«] mit politischer Erfahrung brauchen«, sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU).
»Wir werden in den nächsten Tagen eine qualifizierte Persönlichkeit suchen.« Die Koalition stehe nicht unter Zeitdruck, wolle aber »relativ rasch« die Personalfrage [nicht: »die Kandidatenfrage«] klären.«
n-tv konnte sich noch nicht so recht an die neue Wirklichkeit gewöhnen und verhaspelte sich im Dschender-Dschungel:
Die Opposition fordert eine Persönlichkeit, der von allen unterstützt werden könnte.
Wenn ich noch an der Uni feministische Linguistik unterrichten würde, würde ich sofort eine sprachliche Analyse der Zeitungsartikel und TV-Sendungen des 1. und 2. Juni 2010 zum Thema »Neues Staatsoberhaupt gesucht« als Seminar- oder Abschlussarbeit vergeben.