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"Dragoncourt", das Anwesen des exzentrischen Spieleprogrammierers Stephen Baron, steht zum Verkauf. Der Mann ist schwer erkrankt und hat sich nach Europa zurückgezogen. Doch der mit dem Verkauf der Immobilie beauftragte Makler ist verzweifelt, denn seltsame Dinge geschehen auf Dragoncourt. Ganz klar: hier müssen die drei erfolgreichen Detektive aus Rocky Beach ermitteln! Die Recherchen führen Justus, Peter und Bob in die fantastische Welt des Online-Games "Im Land der Drachen". Und schnell wird aus einem scheinbar harmlosen Spiel eine tödliche Gefahr: Alles deutet darauf hin, dass die virtuellen Figuren den Weg in die Wirklichkeit gefunden haben und hier ihr Unwesen treiben ...
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Seitenzahl: 152
erzählt von Marco Sonnleitner
Kosmos
Umschlagillustration von Silvia Christoph, Berlin
Umschlaggestaltung von eStudio Calamar, Girona, auf der Grundlage
der Gestaltung von Aiga Rasch (9. Juli 1941 - 24. Dezember 2009)
Unser gesamtes lieferbares Programm und viele weitere Informationen zu unseren Büchern, Spielen, Experimentierkästen, DVDs, Autoren und Aktivitäten finden Sie unter www.kosmos.de
© 2010, 2011 Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart
Alle Rechte vorbehalten.
Mit freundlicher Genehmigung der Universität Michigan
Based on Characters by Rober Arthur.
ISBN 978-3-440-12914-2
Satz: DOPPELPUNKT, Stuttgart
eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
Der Mann musste lebensmüde sein. Oder wahnsinnig. Oder beides. Völlig bewegungslos stand er am Rand der leicht überhängenden Klippe, zwanzig Meter über der Wasseroberfläche, vielleicht fünfundzwanzig, und sah in die saphirblaue, unergründliche Tiefe. Die bald untergehende Sonne brach sich in kupfernen Lichtblitzen auf den kleinen Wellenkämmen und tauchte die zerklüfteten Felsen in ein beinahe unwirkliches, scharlachrotes Leuchten. Jede Kante, jeder Vorsprung der Klippe schien vor Blut zu triefen.
»Das … das kann er doch nicht … tun«, hauchte Peter fassungslos und starrte zu dem Mann empor.
»Der ist doch völlig irre!« Auch Bob brachte nur ein Flüstern zustande. »Komplett verrückt.«
Der Mann trat noch einen kleinen Schritt nach vorne. Sein muskulöser Brustkorb hob und senkte sich. Eine kleine Windböe strich ihm durch die schwarzen Haare, aber der Mann schien es gar nicht wahrzunehmen. In tiefster Konzentration verharrte er über dem Abgrund, atmete ein, atmete aus, langsam, bedacht.
Auch Justus spürte ein Kribbeln im Nacken. Vor allem, wenn er sich vorstellte, er würde jetzt dort oben stehen. »Der weiß genau, was er tut.« Der Erste Detektiv hörte sich so an, als wollte er vor allem sich selbst überzeugen.
Peter atmete unwillkürlich im Rhythmus des Mannes. »Dann ist er noch irrer, als ich dachte. Man kann nicht klaren Verstandes sein und sich dann da raufstellen.«
Bob nickte nach oben. »Er tut’s. Er tut es wirklich!«
Tatsächlich breitete der Mann jetzt die Arme aus. Als würde er sich jeden Moment in den Himmel schwingen wollen, hob er die Arme und hielt sie seitlich vom Körper, die Handflächen nach unten, jede Faser seines Körpers aufs Höchste gespannt. Ein Kreuz aus Muskeln und Sehnen. Dann stellte er sich auf die Zehenspitzen.
»Unfassbar!«, keuchte Peter.
Der Mann ließ sich wieder zurück auf die Fersen sinken, ging leicht in die Hocke und drückte sich kraftvoll vom Felsen ab. Wie eine Sprungfeder schnellte er in die Höhe, legte sich waagrecht in die Luft und schwebte für den Bruchteil einer Sekunde wie eingefroren über dem Abgrund.
Peter hielt den Atem an. Ein Bild schoss ihm durch den Kopf. Er saß in einer Achterbahngondel, die eben den höchsten Punkt erklommen hatte. Einen Herzschlag lang schien die Welt stillzustehen, dann raste der Wagen in die Tiefe.
Die Schwerkraft erfasste den Mann. Sein Körper kippte leicht vornüber und begann zu fallen.
»Ich mach mir gleich ins Hemd.« Peter war nur noch Augen und Mund und Bob faltete unwillkürlich die Hände.
Der Mann fiel immer schneller. Doch immer noch war sein Körper bis in den letzten Muskel gespannt, immer noch streckte er die Arme aus, als wollte er bis zuletzt daran glauben, dass er fliegen konnte. Den Rücken leicht durchgedrückt und den Kopf im Nacken, raste er auf das Wasser zu.
»Die Hände nach vorne, die Hände nach vorne«, murmelte Justus. Als wollte er es dem Mann vormachen, legte er seine Hände über Kreuz und verschränkte die Daumen.
Noch fünf Meter. Erst jetzt ging der Mann in den senkrechten Fall über. Er streckte den Rücken, nahm den Kopf zwischen die Schultern, zog den Hals ein und erhörte Justus’ Flehen. Die Arme jetzt in gerader Verlängerung des Körpers, verhakte er die Finger. Im nächsten Augenblick stieß er wie ein fleischgewordener Pfeil ins Wasser, das ihn mit einem kaum wahrnehmbaren Zischen verschluckte.
Alles schwieg und starrte reglos ins Meer. An der Stelle, wo der Mann eingetaucht war, brodelte die See für einen Moment, als Luft und Wasser in einer gurgelnden Blase an die Oberfläche stiegen. Doch von dem Mann selbst war nichts zu sehen.
»Wie tief ist es da noch mal?«, fragte Bob leise, während er mit unsteten Blicken die Wasseroberfläche absuchte.
»Über zwölf Meter angeblich.« Auch Justus hielt angespannt nach dem Mann Ausschau.
Plötzlich jagte ein spitzer Schrei über das Wasser. Die drei ??? rissen die Köpfe herum. Eine junge Frau in einem der anderen Boote deutete hektisch auf eine Stelle der Bucht. Die Jungen blickten dorthin, erkannten jedoch nichts, weil die Sonne so blendete. Erst als sie die Augen mit den Händen abschirmten, sahen sie ihn.
»Da ist er!«, rief Peter erleichtert. »Er hat es geschafft!«
Am Rand der Bucht war der Kopf des Klippenspringers aufgetaucht. Fröhlich lächelte der Mann den Zuschauern zu und streckte eine Faust als Zeichen seines Triumphes aus dem Wasser.
»Meine Herrschaften! Applaus für Roberto Cavalli!«, verkündete der Sprecher durch sein Megafon. Zusammen mit der vierköpfigen Jury saß er auf einem größeren Motorboot, das in der Mitte der Bucht vor Anker lag. »Das war ein klasse Sprung!«
»Wahnsinn!«, entfuhr es Bob, und wie alle anderen begann er frenetisch zu klatschen und zu jubeln.
»Super!«, schrie Peter und pfiff, so laut er konnte, durch die Finger.
»Äußerst bemerkenswert. Dazu gehört wirklich Mut.« Justus nickte anerkennend und applaudierte ebenfalls, während der Springer zu einer kleinen Plattform kraulte und aus dem Wasser stieg. Oben auf der Klippe machte sich zwischenzeitlich der nächste Sportler bereit.
Insgesamt hatten sich neun Klippenspringer für diesen Wettbewerb angemeldet, der hier am Rande des kleinen Dorfes Santa Clara in der Nähe von Malibu ausgetragen wurde. Vor einigen Jahren hatten Mitglieder des örtlichen Surfclubs herausgefunden, dass sich die Teufelsklippe, wie der Felsen im Volksmund genannt wurde, hervorragend für das Klippenspringen eignete. Seitdem fand hier jährlich ein Wettkampf statt, dessen Sieger sich neben einem kleinen Preisgeld das Recht sicherte, an internationalen Klippenspringen rund um den Globus teilnehmen zu dürfen.
Natürlich war Peter nicht mehr zu halten gewesen, als er im Internet darüber gelesen hatte. Als Sportass der drei ??? interessierte er sich für so ziemlich jede Art von sportlichem Wettkampf. Klippenspringen kannte er bisher nur aus dem Fernsehen und wollte es unbedingt einmal live erleben.
Bob hatte sofort begeistert zugestimmt und auch Justus war gerne mitgekommen, obwohl der Erste Detektiv sportlichen Aktivitäten im Allgemeinen nicht sonderlich viel abgewinnen konnte. Was man im Übrigen auch an den paar Pfunden zu viel erkannte, die Justus mit sich herumtrug. Doch die Entscheidung war ihm leichtgefallen, denn zu Hause auf dem Schrottplatz wartete die Arbeit in Form einer Wagenladung Elektromüll, die Onkel Titus ergattert hatte. Und den zu sichten, zu prüfen und zu katalogisieren machte noch viel weniger Spaß, als welche Sportveranstaltung auch immer zu besuchen.
Aber nach anfänglicher Skepsis zog das Klippenspringen auch Justus in seinen Bann. Die extreme Körperbeherrschung, der Mut und auch die Gefahr, die mit diesem Sport verbunden waren, übten einen ganz besonderen Reiz aus, dem sich keiner der Zuschauer entziehen konnte. Hin und her gerissen zwischen Gänsehaut-Feeling, atemloser Spannung und erleichtertem Jubeln verfolgten die drei Jungen das Spektakel bis zum Schluss. Ihrer Meinung nach hätte jedoch eher Wayne Carrick den Sieg verdient gehabt, der sogar einen Salto in seinen Sprung eingebaut hatte, und nicht Nathan Cole, der zwar kerzengerade und ohne einen Spritzer, aber eben recht unspektakulär ins Wasser eingetaucht war.
Nach dem Ende der Veranstaltung wurden alle Zuschauer um die Bucht zu einem kleinen Strand gerudert, von wo ein Pfad nach Santa Clara führte. Dort am Ortsrand befand sich der Parkplatz, auf dem auch Bobs Käfer stand.
Der Weg führte die Jungen zunächst ein steiles Stück die Küste hinauf und dann in einen lichten Wald. Sie unterhielten sich angeregt über Sprungtechniken, Springer und die Platzierungen und blieben dabei immer weiter hinter den anderen Zuschauern zurück. Auch die einsetzende Dämmerung nahmen sie kaum wahr, so sehr waren sie in ihr Gespräch vertieft.
Aber plötzlich zuckten alle drei zusammen. Ein grässlicher Schrei war durch den Wald gedrungen! Der Schrei einer Frau in Todesangst!
»Woher … woher kam das?« Bob fuhr erschrocken herum und blickte den Weg zurück, den sie genommen hatten.
»Nein, von dort!« Peter deutete aufgeregt den Hang hinauf, wo der Wald viel dichter und dunkler stand. »Der Schrei kam von dort! Ganz sicher!«
Wieder ertönte der Schrei. Lauter, näher.
»Peter hat recht. Das kommt von da oben«, bestätigte Justus. »Kommt, Kollegen!«
Die drei Jungen rannten los. Quer durch den Wald hasteten sie in die Richtung, aus der die Schreie gekommen waren. Je weiter sie in den Wald vordrangen, desto unwegsamer wurde es. Zweige schlugen ihnen ins Gesicht, sie stolperten über Wurzeln und Äste, und schließlich trat Peter in ein Fuchsloch und fiel der Länge nach hin.
»Wartet!« Justus blieb stehen und lauschte.
Schritte! Sie hörten jemand rennen! Die Geräusche kamen von rechts.
»Hallo!«, rief Bob und eilte voraus. »Hallo! Ist alles in Ordnung? Brauchen Sie Hilfe?«
»Wir sind zu dritt!« Peter tat der Fuß weh, aber er ignorierte den Schmerz.
»Oh Gott!«, hörten sie die gehetzte Stimme einer Frau. »Oh mein Gott!«
»Warten Sie! Wir sind gleich bei Ihnen!« Justus dirigierte seine Freunde. »Da rüber!«
Die Jungen schwenkten nach links. Noch sahen sie die Frau nicht, aber sie vernahmen ihre Schritte immer deutlicher. Weit konnte sie nicht mehr entfernt sein.
»Da ist sie!« Peter hatte einen Schatten zwischen zwei Baumstämmen vorbeihuschen sehen.
»Miss!« Justus scherte nach rechts aus und schnitt ihr den Weg ab. »Hier sind wir! Wir tun Ihnen nichts.«
Im nächsten Moment rannte die Frau mit einem spitzen Aufschrei in den Ersten Detektiv hinein. Justus konnte sich nicht mehr halten und fiel zu Boden. Die Frau stolperte über seine Beine und schlug ebenfalls hin. Dann waren Peter und Bob bei den beiden.
»Miss, was ist los? Werden Sie verfolgt? Können wir Ihnen helfen?«, fragte Bob und wollte der Frau beim Aufstehen behilflich sein. Sie war noch sehr jung und recht hübsch. Doch im Augenblick verzerrte panische Angst ihre Züge.
Die Frau klammerte sich an Bobs Arm fest und zog sich keuchend hoch. »Monster!«, stammelte sie und deutete den Hügel hinauf. »Da oben ist ein Monster! Macht, dass ihr von hier wegkommt! Schnell!« Ein vor Furcht flackernder Blick traf Bob. Dann stieß ihn die Frau zur Seite und rannte weiter.
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