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Als Salah seinen ersten Ferienjob im Hotel Eden annimmt, ahnt der junge Spanier nicht, welche Geheimnisse der Sommer birgt. Nicht genug, dass er das erste Mal auf sich allein gestellt ist, stellen auch noch drei Männer sein Leben auf den Kopf. Verwirrende Gefühle und zwielichtige Abenteuer wecken bislang ungeahnte Begierden in Salah, bis ein einschneidendes Erlebnis ihn fast zerbricht. ´Die Drei Männer Salahs´ handeln von geheimen Leidenschaften und sexueller Grenzerfahrungen, von Traumabewältigung und Liebe. Und alles verpackt in der Leichtigkeit des Sommers. #Erotik #Sommerliebe #Coming Out #Traumabewältigung
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Seitenzahl: 194
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Als Salah seinen ersten Ferienjob im Hotel Eden annimmt, ahnt der junge Spanier nicht, welche Geheimnisse der Sommer birgt. Nicht genug, dass er das erste Mal auf sich allein gestellt ist, stellen auch noch drei Männer sein Leben auf den Kopf. Verwirrende Gefühle und zwielichtige Abenteuer wecken bislang ungeahnte Begierden in Salah, bis ein einschneidendes Erlebnis ihn fast zerbricht.
´Die Drei Männer Salahs´ handeln von geheimen Leidenschaften und sexueller Grenzerfahrungen, von Traumabewältigung und Liebe. Und alles verpackt in der Leichtigkeit des Sommers.
Was wirst du anfangen mit deinem einen wilden und kostbaren Leben?
Zitat Mary Oliver
Salah
Anselmo
Der Magnat
Der Größte Schwanz
Fabian
*
Seit vier Wochen war er nun im Hotel Eden als Servicekraft tätig. Und vier Wochen war es her, dass der gerade mal einundzwanzig Jahre junge Salah seine Familie und seine Freundin Flor zurückgelassen hatte, um seine neue Arbeitsstelle auf den Balearen anzutreten. Die schlechte Arbeitssituation in seinem Heimatdorf im Süden Spaniens, hatte ihn dazu gezwungen, den sicheren Kreis der Familie zu verlassen. Während des brütend heißen andalusischen Sommers, bot der Tourismus, auf der klimatisch günstiger gelegenen Inselgruppe, gute Arbeit und ein sicheres Einkommen. Allerdings war Salah zum ersten Mal komplett auf sich allein gestellt und fühlte sich in dieser ungewohnten Situation ein wenig einsam.
Zuhause in der Provinz Malaga, wo der junge Südspanier, arabischer Abstammung, mit mehreren Generationen im Haus seiner Großeltern lebte, gab es praktisch keine einsamen Momente. Dort teilte er sogar sein Zimmer mit seinem zwei Jahre jüngeren Bruder Alonso, was ihn besonders störte, wenn er am Lernen war oder seine Freundin Flor ihn besuchte. Darüber hinaus war das kleine Haus der Großeltern Moreno-Sabeh Treffpunkt für die gesamte Familie. Es verging kaum ein Tag, an dem nicht mehrere Generationen zusammen im Schatten des großen Walnussbaums Tee tranken und dabei, ganz typisch für die Region, laut gestikulierend diskutierten. Salahs Mama hatte für die Gäste immer selbstgemachte Schmalzkringel, Nussgebäck oder frisches Obst aufgetragen; zu den Abendstunden auch mal liebevoll angerichtete Tapas-Teller mit eingelegten Oliven, salzigen Meeresfrüchten oder feuriger Chorizo und iberischem Manchego Käse.
Neben den zahlreichen Onkel und Tanten, kamen auch regelmäßig Salahs ältere Geschwister zu Besuch, die ebenfalls wiederum ihre eigenen Familien gegründet hatten. Daher war das Haus der Großfamilie immer mit bis zu vier Generationen Kindern und Enkelkindern belebt. Jeder Tag glich einem kleinen Fest. Für die Kleinsten war es selbstverständlich aufregend so viele Spielkameraden um sich herum versammelt zu wissen.
Während sie in der Mittagshitze in der kühl gefliesten Wohnstube oder im schattigen Patio spielten, der mit üppigen Geranien und hängenden Grünlilien in bunten Keramiktöpfen geschmückt war, machten sie gegen Abend mit den anderen Kindern des Viertels die schmale Gasse vor dem Haus unsicher. Und so wurde jeder Tag von fröhlichem Kinderlachen und ausgelassener Toberei begleitet.
Als Salah vor einigen Jahren schließlich Flor daheim vorgestellt hatte, wurde sie von den Moreno-Sabehs sofort wohlwollend in die Familie aufgenommen.
Obwohl die beiden Teenager all diese neuen Gefühle der Verliebtheit selbst noch kaum begriffen, stand für den Rest der Familie schnell fest, dass Flor eines Tages in ihren Klan einheiraten würde. Als Salah drei Jahre später seiner Freundin einen Ring zum zwanzigsten Geburtstag schenkte, hatte er nicht ahnen können, welche Freudenergüsse dies in ihrem Umfeld auslöste.
Obwohl der Ring nicht als Verlobungsgeschenk gedacht war, organisierten die beiden Familien ein großes Fest in dem kleinen Patio. Die Frauen standen stundenlang gemeinsam in der Küche und bereiteten eine Zarzuela und noch viele andere kulinarische Köstlichkeiten nach uralten Rezepten zu, während im Garten der Sherry floss. Onkel Carlos spielte auf seiner Gitarre und es wurde bis tief in die laue Sommernacht hinein getanzt und gesungen. Beide Familien arbeiteten bereits eifrig Pläne für die bevorstehende Hochzeit aus und es wurden sogar schon Namensvorschläge für Enkelkinder gemacht. Flor und Salah ließen sich von dem ganzen Zauber richtig mitziehen und träumten nun selbst von einer ganzen Bande Kinder, die sie einmal haben würden. Gleich vier oder fünf sollten es werden. Sie waren sehr glücklich miteinander. Natürlich waren das nur die romantischen Fantasien zweier Verliebter, die ihre erste große Liebe erlebten. Flor hatte schließlich gerade erst ihre Ausbildung abgeschlossen und wollte nun gerne studieren, Salah war noch etwas orientierungsloser. Vielleicht würde er ihr einen richtigen Antrag machen, wenn er im Herbst aus Mallorca zurückgekehrt war und sie sich endlich wieder in die Arme nehmen konnten. Doch die nächsten Monate würde er lernen müssen allein zurecht zu kommen. Noch fühlte er sich fremd und einsam in dem riesigen Hotelkomplex, aber bald schon würde er sich an die neue Situation und bestimmt auch an die harte Arbeit im Eden gewöhnt haben, betete er insgeheim.
*
Das Eden war ein prachtvoller Hotelkomplex, der sich imposant entlang einer beliebten Badebucht, mit feinem Sandstrand und karibisch anmutendem Meer erstreckte.
Auf den ersten Blick glich das Familienhotel einem Urlaubsparadies, mit atemberaubender Botanik in prächtig bunten Farben, eingerahmt vom zarten Grün uralter Olivenbäume und duftender Pinien. Das Herzstück war die ausladende Poollandschaft, die gleichermaßen von jungen Familien und Rentnern frequentiert wurde. Hier entspannte man sich beim Ruhen auf den Sonnenliegen, nahm ein paar kostenlose Drinks an der Poolbar oder trainierte das üppige Frühstücksbüfett bei der Wassergymnastik ab. Die Sonne schien bald dreihundert Tage im Jahr und mit jeder Woge des blauen Mittelmeers wehte der Duft der Ferne über die Anlage.
Bei genauerer Betrachtung erkannte man jedoch deutlich die vielen ausgebesserten Kerben in der Hotelfassade und die feinen Risse, die Salz und Wind in das marode Mauerwerk gefressen hatten. Das Inventar war nicht mehr besonders modern und wies hier und da sogar kleine Beschädigungen auf, die nur notdürftig behoben wurden, denn alle Einnahmen wurden sofort von den Kosten des Tagesgeschäfts und der schwierigen Wasserversorgung aufgezehrt. Daneben erwarteten die Gäste noch aufwändige Shows und abwechslungsreiche Animation zur Unterhaltung. Nicht zuletzt war das Eden mit einem unverschämt teuren Kredit für die Erneuerung der Klimabelüftung belastet. Hinter der sonnigen Fassade des Reiseidylls wurde ein strikter Sparplan eingehalten. Die fleißigen Angestellten arbeiteten daher in zehn bis vierzehn Stunden Schichten - so auch Salah. Mit den ersten Strahlen der aufgehenden Sonne begann seine Schicht im Speisesaal, wo er mit flinker Hand die Tische ein- und abdeckte.
Täglich bewegte er dabei mehrere hundert Kilo Geschirr vom Restaurant zur großen Spülmaschine in der Küche und wieder zurück. Dabei grüßte er noch jeden einzelnen Gast mit einem freundlichen Lächeln und bedankte sich mit einem schüchternen Gracias für ihren Besuch. Salah war für alle Schichten vom Frühstück bis zum Abendessen eingeteilt und bis auf die wenigen Pausen dazwischen, arbeitete er durch, bis der letzte Gast sein Abendessen beendet hatte und alle Tische für den nächsten Tag eingedeckt waren. Die ersten beiden Wochen schmerzten seine Arme nach der Tortur bleiern schwer, doch sein junger Körper gewöhnte sich schnell an die Strapazen.
Die Servicekräfte im Eden waren eine fröhliche Truppe. Das junge Team war frisch zusammengestellt, denn für die Sommermonate engagierte das Hotel viele neue Servicemitarbeiter. Hier im Speisesaal, waren es hauptsächlich junge Männer, denen ausreichend Kraft für die schwere körperliche Arbeit zur Verfügung stand.
Trotz der langen Arbeitszeiten und der harten Tätigkeit herrschte untereinander eine ausgelassene Stimmung.
Manchmal bekam man den Eindruck, dass das junge Team den Aufenthalt im Eden mehr genoss als die Gäste selbst. Zu den Mahlzeiten glich der Speisesaal einem Schlachtfeld. Menschenströme schoben sich zäh und doch im wilden Durcheinander um das aufwendig angerichtete Büfett. Im Saal herrschten dann hitzige Aufregung und ein ohrenbetäubender Geräuschpegel.
Kinder rannten ungestüm zwischen den Tischen herum und die Angestellten mussten achtgeben, nicht mit ihnen zu kollidieren. Schon nach wenigen Augenblicken landeten Servierten und Besteck auf dem Boden.
Achtlos traten die Gäste auf Pommes und Nudeln, die zuvor von viel zu überladenen Tellern heruntergefallen waren. Obwohl mehrere dutzend Köche und Hilfsarbeiter minutiös gefertigte Kunstwerke aus Gemüse und Obst geschnitzt hatten, glich jede Mahlzeit einer Abfütterung. Kein Wunder, dass manche Urlauber, trotz aller kulinarischer Genüsse, so grimmig dreinblickten, dachte Salah. Einige sahen sogar richtig unglücklich aus. Manchmal war Salah auch unglücklich.
Obwohl er schon seit fast drei Wochen im Eden arbeitete, hatte er noch keinen rechten Anschluss finden können. Er fühlte sich noch immer fremd in dem jungen Team und seine schüchterne Zurückhaltung erschwerte die Eingewöhnung zusätzlich. All seine Kollegen hatten sich hingegen schnell untereinander angefreundet, tauschten Nummern aus, zeigten sich gegenseitig Bilder auf den Smartphones und verbrachten ihre Freizeit miteinander am Strand oder in den Nachtclubs der nahegelegenen Stadt. Salah spürte große Hemmungen mit den anderen Jungs in Kontakt zu kommen.
Abgesehen von beteiligtem Mitlachten, wenn seine Kollegen sich bei der Arbeit gegenseitig Sprüche zuwarfen oder sich jungenhaft neckten, blieb er weitgehend für sich. Anfangs hatte er noch die ein oder andere Einladung zu einem gemeinsamen Ausflug in die Stadt bekommen, doch nachdem er ein paar Mal abgelehnt hatte, blieben die Anfragen aus. Jeden Abend vor dem Schlafen gehen telefonierte er mit Flor und seiner Familie, die er alle schmerzlich vermisste. Wenn er dann hörte, welchen Ärger Alonso wieder gemacht hatte, oder dass Opa und Oma Moreno-Sabeh ihm Küsse sendeten, fühlte er sich fast schon wieder daheim.
Es tat gut ihren Stimmen und Alltagsgeschichten zu lauschen. Nachdem das Telefonat beendet war, fühlte er sich jedoch umso einsamer.
Am schlimmsten war allerdings sein nicht enden wollender freier Tag, der ihm einmal die Woche zustand. Ein paar Stunden am Strand oder eine Radtour allein durch die Berge konnten ihn nur schwer vom Heimweh ablenken. Daher arbeitete er schon bald auch an seinen freien Tagen und wurde dafür in die Hotelbar eingeteilt. Die Arbeit hier war nicht so hart wie im Restaurant und noch dazu gab es üppigere Trinkgelder.
Das Team war unheimlich freundlich und auch die Gäste wirkten nicht mehr so gestresst. Die Kundschaft war leutselig und machte reichlich Späße mit dem Personal. Immer wieder wurde man auch auf einen Drink eingeladen, die Salah bloß nicht ablehnen durfte, wurde er instruiert. Schon bei seinem zweiten Dienstantritt fühlte er sich vertraut und war kaum noch auf die Hilfe seiner Kollegen angewiesen.
„Einen Café Cortado, bitte.“, erklang es eines späten Nachmittags in akzentfreiem Spanisch. Ein junger Mann, ein klein wenig älter als Salah, hatte an der Bar Platz genommen und leuchtete ihn mit offenen, freundlichen Augen an.
„Sehr gerne.“, brachte Salah den frisch gemachten Kaffee und platzierte noch ein Schokoladenstückchen auf den Unterteller, so wie er es gelernt hatte.
„Muchas gracias.“ Der junge Gast nippte an der Tasse und schob sich mit einer beiläufigen Handbewegung die dichten Locken aus der Stirn. Kleine Grübchen bildeten sich auf seinen Wangen, während er Salah verschmitzt anlächelte. „Ich habe dich hier noch nie gesehen… Salah?!“, las er mit zugekniffenen, rehbraunen Augen von Salahs Namensanstecker ab. „Ich heiße Anselmo.“
Es folgte ein unangenehm langes Schweigen, in dem Anselmo ihn lediglich spitzbübisch, aber eingehend betrachtete, fast so, als wolle er sich sein Gesicht ganz genau einprägen. Eine knisternde Spannung breitete sich aus, die Salah nicht so recht zu interpretieren wusste. Nachdem er sichergestellt hatte, dass Anselmo keine weiteren Wünsche mehr an ihn hatte, entfloh er daher alsbald dem merkwürdigen Verhalten seines Gastes, indem er die nächsten Getränkewünsche abarbeitete, die ihm seine Kollegin bereits zugeschoben hatte. Konzentriert hangelte er sich gerade an der Rezeptanleitung für eine Erdbeer-Colada entlang, als er jäh aus seiner Tätigkeit gerissen wurde.
„Salah?!“, streckte ihm Anselmo ein Smartphone entgegen. „Hier in der Nähe soll ein Kunsthandwerksmarkt sein. Ich kann auf der Karte jedoch keinen Eintrag finden.“, deutete er auf einen Stadtplan auf seinem Display und blickte dabei hilfesuchend zu ihm hinüber. Salah kannte sich selbst noch nicht so gut aus. In den wenigen Wochen seit seiner Ankunft, hatte er kaum die Gegend erkunden können. Allerdings hatte er schon von dem besagten Markt gehört, der jeden Dienstag im Nachbarort stattfand.
„Mal sehen…“, legte er das Messer beiseite, mit dem er zuvor noch Erdbeeren aufgeschnitten hatte und vergrößerte die Karte auf dem Smartphone mit der üblichen Fingerbewegung. Kaum hatte er es berührt, zersprang das Display mit einem krachenden Geräusch in tausend Teile. Salah wurde blass. Ihm lief es gleichzeitig heiß und kalt den Rücken hinab.
„Es… es tut mir leid!“, schnappte er nach Luft und hielt sich am Tresen fest, weil seine Knie heftig zu zittern begannen. Noch bevor er seinen ersten Gehalt verdient hatte, würde er bereits einen teuren Schaden abbezahlen müssen. Anselmo schien jedoch kein bisschen verärgert und grinste nun sogar noch frecher als zuvor.
„Keine Sorge. No pasa nada.“, lehnte er sich zu Salah nach vorne, als wolle er ihm ein Geheimnis anvertrauen.
„Das war nur ein Prank! Alles in Ordnung, siehst du?!“, wischte er über das Display. Die Grafik veränderte sich und Salah erkannte, dass er reingelegt worden war. „Das ist nur ne App. Meinem Handy geht es fantastisch.“, wuschelte er Salah durch das Haar, der nun langsam wieder Farbe ins Gesicht bekam.
„ANSELMO“, rief es plötzlich von hinter dem Tresen hervor. Es war Miguel, der Teamleiter. „Deine Schicht hat schon lange begonnen. Ab an die Arbeit, aber schnell!“, blickte er ermahnend zu Anselmo hinüber.
Der streifte sich seine Arbeitsweste über und zwinkerte Salah verstohlen zu. „Überraschung! Ich bin dein Kollege. Willkommen im Team!“
Ab da wurden die beiden Jungs dicke Freunde. Anselmo gehörte schon seit Jahren zur Crew und war ein richtiger Spaßvogel. Mit seiner lockeren Art kam er gleichermaßen gut bei den Gästen und seinen Kollegen an. Er war ein unheimlich warmherziger Mensch, dem es offenbar gefiel, den schüchternen Salah aus der Reserve zu locken und jede Gelegenheit nutzte, ihm einen kleinen Streich zu spielen. So versteckte er Salah beispielsweise den Shaker, wenn der gerade dabei war ein Getränk zu mixen. Oder er schuckte Salah beim Vorbeigehen eine Handvoll Crushed Ice in die Unterwäsche, der daraufhin mädchenhaft hell aufschrie.
Danach lachten beide ausgelassen. Je länger Salah mit Anselmo zusammenarbeitete, desto wohler fühlte er sich auf der Insel. Wenn dann gegen Mitternacht die Bar schloss und sich die Gäste in ihre Zimmer zurückgezogen hatten, begann erst der richtige Spaß.
Die junge Crew kehrte regelmäßig bei Diegos BBQ Grill ein - einer Strandbar, die bei den einheimischen sehr beliebt war, da sie die ganze Nacht geöffnet hatte.
Ausgedehnt aßen sie dann zusammen Grillfleisch und plauderten bei Cuba Libre bis zwei, manchmal auch drei Uhr in die Nacht hinein. Wer bis dahin noch nicht genug hatte, tauchte noch ins Nachtleben der Stadt ein und tanzte noch einige Stunden in den vibrierenden Clubs. Zunächst hatte sich Salah geziert die Nächte so lange auszudehnen. Dafür war er viel zu pflichtbewusst seiner Arbeitsstelle gegenüber. Doch bald schon fiel es ihm immer schwieriger sich frühzeitig von der spaßigen Truppe zu verabschieden und schloss sich, öfter als geplant, dem Rhythmus seines Teams an. In ihrer Mitte fühlte er sich aufgehoben und vergaß fast das Heimweh und die Sehnsucht nach Flor. Dafür orientierte er sich nun stark an Anselmo, der mit seiner unkonventionellen Art die Menschen verzauberte. Der fünfundzwanzigjährige junge Mann mit dem Nasenring war beliebt. Man schätzte seine Meinung und seine Selbstsicherheit. Er war glückselig und entspannt und das Leben nur eine abwechslungsreiche Spielwiese voller Kunst, Emotionen und Abendteuer. Doch das faszinierendste an Anselmo war diese unbändige Freiheit, die er lebte. Vor ein paar Jahren hatte er sich als Straßenkünstler in Barcelona durchgeschlagen, davor war er einige Zeit mit einem Wanderzirkus unterwegs gewesen, hatte dort die Gesichter der Kinder mit Fingerfarbe bemalt und andere Hilfsarbeiten erledigt. Seit zwei Jahren war er in den Sommermonaten Bartender im Eden und half während der Wintermonate auf einem Ziegenhof in den Bergen aus. Seine Zukunft steckte voller reicher Möglichkeiten und war auf eine spannende Weise unvorhersehbar.
Salahs eigenes Leben hingegen war das exakte Gegenteil davon. In seinem Dorf, in der Provinz Malaga, hatte er viel für die Schule gelernt, war fleißig und hilfsbereit, gehorsam und angepasst. In seiner Familie lebte man sehr traditionsbewusst, das bedeutete jede Generation exakt wie die Vorangegangene. Als junger Mann beispielsweise erlernte man einen klassischen Beruf, meist im Handwerk, heiratete, zeugte einige Kinder, war ein guter pflichtbewusster Vater. Die Familie war allumfassende Lebensphilosophie, und ihr Fortbestand das große Ziel. Mit jeder Hochzeit wurde der Klan um einen weiteren Familienzweig erweitert.
Darüber hinaus gab es wenig andere Kontakte. Bis auf ein paar einzelne Schulkameraden, mit denen sich Flor und er mal zum Lernen getroffen hatten oder einen Hamburguesa essen waren, bestand ihr gewöhnliches Umfeld aus der weitläufigen Verwandtschaft. Das Ansehen jeder Familie stieg gleichermaßen mit der Anzahl der Kinder, die sie zeugten. Die Person mit den meisten Lebensjahren hatte das Sagen über den Klan und diese Tradition wurde anstandslos weitergeführt.
Wer der Familie den Rücken kehrte, lief gegen eine Wand des Unverständnisses, selbst wenn der Grund dafür ein Studium im Ausland gewesen wäre.
Undenkbar die Situation, wie einst Anselmo, mit einem Wanderzirkus durchzubrennen. Man hätte dies als absolut unhöflich und undankbar gewertet. Wäre er selbst nicht bereits schon das dritte Jahr ohne feste Anstellung gewesen, hätten seine Eltern sich wohl kaum für seinen Aufenthalt im Eden eingesetzt. Es war schon lange überfällig, dass ihr kleiner Junge eine Arbeit fand, mit der er Frau und Kinder selbstständig ernähren konnte. Mit der Berufserfahrung, die er auf Mallorca sammeln würde, erhofften sie sich größere Chancen auf dem hiesigen Arbeitsmarkt, im heißen Süden Spaniens.
Flors Studienpläne hingegen verunsicherten die Moreno-Sabehs. Häufig musste sie sich dafür rechtfertigen, weshalb sie danach strebe, wo sie doch lieber Mutter werden solle. Dass Flor an der Uni in Malaga bleiben wollte, beschwichtigte die Gemüter zunächst, aber der Druck auf das junge Paar wuchs, ob sie es wohl ernst genug mit ihren Familienplänen hielten. Doch hier in der Ferne, wenn Salah mit seinen Kollegen die späten Abendstunden am Strand verbrachte, fühlte er sich entlastet. Zum ersten Mal, seit er Malaga verlassen hatte, reichte es ganz einfach Salah zu sein. Die kleine Gruppe wurde ihm eine ganz neue Familie und Anselmo war das Herz darin. Er liebte die nächtlichen Unterhaltungen bei Diegos Grill, wo sie unter freiem Sternenhimmel und bunten Glühbirnen ein paar Cervezas tranken. Er begnügte sich gerne mit einer Cola, während bei seinen Kollegen regelmäßig ein Grass-Joint in der Runde aufglühte. Er kam zunehmend mit dem wenigen Schlaf zurecht und obwohl er seine Arbeit sehr ernst nahm, ließ er sich keine der langen Nächte mit Anselmo und der Crew entgehen. Oftmals waren sie bis zu zehn Personen, die zusammen loszogen, um Mallorcas Nachtleben unsicher zu machen. Erst wenn zum Monatsende das Geld knapper wurde, verebbten die nächtlichen Tanztouren und gemeinsamen Abende. Heute waren sie daher nur zu dritt. Marisol, eines der Laufmädchen von der Bar, und Anselmo hatten sich beide Ecstasy eingeworfen und waren besonders aufgedreht. Sie redeten hauptsächlich von einer neuen Underground Partyreihe in einem kleinen Club und versuchten Salah zu überreden sich ihnen anzuschließen. Anselmo hatte ihm sogar eine seiner Pillen angeboten, aber Salah hatte verneint.
Drogen kamen für ihn nicht in Frage. Manchmal trank er ein Bier und noch seltener zwei. Obwohl er sich erst zögerlich verhielt, willigte Salah schließlich doch ein mitzukommen. Anselmo bejubelte dies überglücklich und drückte ihm dafür einen Kuss auf die Wange. Salah überraschte die überschwängliche Freude, schrieb es jedoch den Drogen zu, die sich sein Compi eingeworfen hatte. Anselmo und Marisol kannten den Club bereits und liefen beide zügig voraus. Der Weg führte durch Gegenden, in denen Salah noch nie zuvor gewesen war.
Im Dunkel der Nacht glitten sie durch enge Gassen.
Zwielichtige Gestalten lungerten dort an jeder Ecke. Ein paar Prostituierte sprachen ihn unterwegs an und legten ihm lasziv ihren Arm um seine Schultern. Verunsichert blieb er stehen, ehe Anselmo ihn weiterzog. Auf dem Weg zum Club passierten sie viele runtergekommene Gebäude, aus deren verrammelten Fenstern dumpfe Discobässe wummerten. Am Rande des Viertels waren sie endlich da. Eine Treppe führte in einen kleinen Gewölbekeller hinunter, aus dem es nach Rauch und Marihuana roch. Vor der Tür standen zwei auffällig lasziv gekleidete Männer mit zurück gegelten dunklen Locken; eine Hand in die Hüfte gestützt, die andere mit spitzen Fingern eine Zigarette haltend. Anselmo und Marisol begrüßten beide mit Küsschen links und Küsschen rechts und stellten ihnen Salah vor, der von den Männern mit verschmitzten Blicken taxiert wurde.
Unten im Keller angekommen, klatschte ihm schwül heiße Luft und laute Musik entgegen. Das Publikum feierte frenetisch und schrie zu den synthetischen Klängen der vibrierenden Musik. Salah fiel auf, dass hauptsächlich Männer auf der Tanzfläche waren.
Verstohlen blickte er sich mit gesenktem Kopf um und trottete seinen beiden Kollegen, wie ein Hündchen mit eingezogenem Schwanz, zur Bar hinterher. Anselmo bestellte ihm einen Cuba Libre. „Amüsier dich ein bisschen, Chiquillo…“ Und noch ehe Salah sich dafür bei ihm bedanken konnte, war Anselmo wippenden Schrittes zwischen den tanzenden Männern verschwunden. Rotes und grünes Licht flammte abwechselnd auf und reflektierte auf der nassen Haut der Männer. Viele waren nur spärlich bekleidet.
Schweiß rann ihnen zwischen den gestählten Muskeln herab und tropfte auf den klebrigen Boden. Manche waren behaart, andere ganz glattrasiert. Manche waren großflächig mit Tattoos überzogen und trugen eine Art Ledergurtgeschirr um die Brust. Es roch eigentümlich nach Parfüm und Testosteron und Sex. Schlanke Jungs in engen Hosen und aufgeknöpften Hemden räkelten sich in der Menge oder tanzten auf aufgestellten Lautsprecherboxen. In den dunkleren Ecken streichelten sich erregte Typen gegenseitig und rieben ihre Körper aneinander. Salah erblickte Anselmo, der ausgelassen in der Mitte der Tanzfläche herumsprang, die Hände in die Lüfte hob und dabei jubelte. Immer wieder kamen Typen heran getanzt und rieben sich unverschämt an ihm. Anselmo genoss die Berührungen und erwiderte die ein oder andere Annäherung. Salah bestellte sich ein weiteres Getränk. Der Mann neben ihm hatte ihn dabei beobachtet und lächelte ihm nun einladend zu. Sofort hielt er wieder hilfesuchend nach Anselmo Ausschau, doch der war schon wieder in dem wogenden Meer aus tanzenden Kerlen und glitzernden Tunten verschwunden. Mit pochendem Herzen knabberte Salah an seinem Strohhalm und verschlang seinen zweiten Longdrink viel zu schnell, was sein Nachbar aufmerksam registrierte und mit einem Handzeichen Nachschub orderte. Man prostete sich zu und unterhielt sich ein paar schüchterne, aber ungezwungene Sätze lang, bis der junge Mann von einem Bekannten unterbrochen wurde, der ihm kreischend um den Hals fiel und ihn in ein Gespräch verwickelte. Erst jetzt fiel ihm auf, wie schnell sein Herz in der Brust hüpfte. Die dunstige schwere Luft legte sich bleiern auf seine Atemwege. Schweiß rann ihm den Rücken hinab. Er bekam eine Hitzeattacke. Ich muss hier raus, dachte er, ehe er sich etwas benommen durch die Menge schob und im Dickicht des Clubs nach dem Ausgang suchte.
Schließlich entdeckte er Anselmo, der gerade einem sehr dünnen Jungen mit silberblond gefärbten Haaren ein kleines Tütchen in die Hand drückte und im Gegenzug ein paar Geldscheine und einen dicken Kuss erhielt. Sie verabschiedeten sich mit ein paar losen Floskeln und einer flapsigen Umarmung.
„Was ist los, Kleiner?! Willst du gehen?“, fragte er, als er ihn erblickte.
„Ich muss... raus.“, antwortete Salah kurzatmig.
„Bist du verwirrt, weil hier so viele Männer sind?“, grinste Anselmo keck.
„Nein, das ist es nicht... Es ist nur so heiß und die Luft...“, stotterte er und wankte die ersten Stufen hinauf.
Er hatte das Gefühl gleich ohnmächtig zu werden. Als er oben ankam, wehte ihm sogleich die klare Nachtluft um die Nase und erleichterte seine Sinne. Er hielt sich an einem Fenstersims fest und atmete mehrere Male tief ein.
„He Chiquillo