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Akunin ermittelt im Auftrag des Zaren. Moskau Herbst 1894: Die Krönung des letzten russischen Zaren Nikolai II. steht unmittelbar bevor. Aus diesem Anlaß kommt die hochherrschaftliche Verwandtschaft der Romanows nach Moskau. Doch bei einem ersten Spaziergang im Park werden die Zarenfamilie und ihre Gäste überfallen und der vierjährige Großfürst Mika wird entführt. Fandorin, der diesmal unmittelbar im Auftrag des Herrscherhauses ermittelt, stellt sein ganzes Können unter Beweis.
Eine handlungsreiche und spannende Geschichte in höchsten adligen Kreisen Rußlands am Ende des 19. Jahrhunderts, als der Machtverfalls der Romanows bereits deutlich sichtbar wird, erzählt von ihrem Haushofmeister.
Gefeiert als "James Bond und Sherlock Holmes mit russischer Seele" (ARD- Kulturreport), trat Erast Fandorin auch seinen Siegeszug in Deutschland an. Der Gentleman-Detektiv brachte seinem Schöpfer Boris Akunin phänomenalen Erfolg und riesige Auflagen.
"Boris Akunin ist der Meister der russischen Kriminalautoren. Ich habe jegen seiner Romane verschlungen." Wladimir Kaminer.
"Akunins Bücher bieten Unterhaltung ohne Reue: Liebe und Eifersucht, Mord und Totschlag, Doppelspiele und Weltverschwörungen." FAZ.
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Seitenzahl: 511
Boris Akunin
Die Entführung des Großfürsten
Fandorin ermittelt
Roman
Aus dem Russischen von Renate und Thomas Reschke
Die Originalausgabe unter dem Titel
Koronazia
erschien 2001 bei Sacharow-AST, Moskau.
ISBN 978-3-8412-0161-4
Aufbau Digital,
veröffentlicht im Aufbau Verlag, Berlin, 2012
© Aufbau Verlag GmbH & Co. KG, Berlin
Die deutsche Erstausgabe erschien 2004 bei Aufbau Taschenbuch, einer Marke der Aufbau Verlag GmbH & Co. KG
© B. Akunin 2001
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Umschlaggestaltung Torsten Lemme
unter Verwendung der Gemälde »Der Student«, 1881,
von Nikolai Alexandrowitsch Jaroschenko
und »The Letter«, 1876–78, von James Jacques Tissot
Konvertierung Koch, Neff & Volckmar GmbH,
KN - die digitale Verlagsauslieferung, Stuttgart
www.aufbau-verlag.de
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20. Mai
Er starb vor meinen Augen, dieser seltsame und unangenehme Herr.
Es ging schnell, sehr schnell.
Die Schüsse krachten, und er wurde gegen das Seil geschleudert.
Er ließ den kleinen Revolver fallen, griff nach dem schwankenden Geländer und erstarrte mit zurückgeworfenem Kopf. Sein weißes Gesicht mit dem Querstreifen des Schnurrbarts blinkte auf und verschwand wieder hinter dem schwarzen Flor.
»Erast Petrowitsch!« rief ich, ihn zum erstenmal mit Vor- und Vatersnamen ansprechend.
Oder hatte ich nur rufen wollen?
Der unsichere Untergrund schaukelte unter seinen Füßen. Plötzlich flog sein Kopf, wie von einem kräftigen Stoß, nach vorn, der Körper kippte mit der Brust gegen das Seil und stürzte im nächsten Moment mit einer plumpen Drehung hinab, hinab, hinab.
Die kostbare Schatulle entglitt meinen Händen, schlug auf einen Stein und zerbarst, die Brillanten, Saphire und Smaragde entfachten ein blendendes vielfarbiges Gefunkel, aber ich warf keinen Blick auf die unermeßlichen Schätze, die ins Gras fielen.
Aus der Schlucht drang der knackende Laut des Aufpralls, und ich stöhnte auf. Die schwarze Gestalt rollte immer schneller den steilen Hang hinunter und kam erst direkt am Bach zum Halten, wo sie willenlos eine Hand ins Wasser tauchte und so liegenblieb, das Gesicht auf den Kieselsteinen.
Ich hatte diesen Mann nicht gemocht. Hatte ihn vielleicht sogar gehaßt. Jedenfalls gewollt, daß er ein für alle Mal aus unserem Leben verschwand. Doch den Tod hatte ich ihm nicht gewünscht.
Sein Handwerk war das Risiko, er hatte stets mit der Gefahr gespielt, aber sonderbarerweise hätte ich nie gedacht, daß er umkommen könnte. Ich hielt ihn für unsterblich.
Ich weiß nicht, wie lange ich so stand und gebannt nach unten starrte. Wahrscheinlich nicht lange. Aber die Zeit hatte gleichsam einen Riß bekommen, war auseinandergebrochen, und ich stürzte in diesen Spalt – in das frühere, sorglose Leben, das genau zwei Wochen zuvor abgerissen war.
Ja, es war auch ein Montag gewesen, der 6. Mai.
6. Mai
In Moskau, der alten Hauptstadt des Russischen Reiches, kamen wir am Morgen an. Wegen der bevorstehenden Krönungsfeierlichkeiten war der Nikolaus-Bahnhof überlastet, und unser Zug wurde zum Brester Bahnhof umgeleitet, was ich seitens der örtlichen Behörden, gelinde gesagt, unkorrekt fand. Darin äußerte sich wohl auch die Kühle in den Beziehungen zwischen Seiner Hoheit Georgi Alexandrowitsch und Seiner Hoheit Simeon Alexandrowitsch, dem Moskauer Generalgouverneur. Anders kann ich mir den demütigenden halbstündigen Halt auf dem Rangierbahnhof und die folgende Umleitung des Expreßzuges auf den zweitklassigen Brester Bahnhof nicht erklären.
Und es empfing uns auf dem Bahnsteig auch nicht Großfürst Simeon persönlich, wie es das Protokoll, die Tradition und nicht zuletzt die Achtung gegenüber dem älteren Bruder geboten hätten, sondern lediglich der Vorsitzende des Empfangskomitees, ein Minister, der übrigens gleich zum Nikolaus-Bahnhof weiterfuhr, um den Kronprinzen von Preußen zu begrüßen. Seit wann wurde dem preußischen Thronfolger in Moskau mehr Achtung erwiesen als dem Onkel Seiner Majestät, dem General-Admiral der russischen Flotte, der in der Rangfolge der kaiserlichen Großfürsten den zweiten Platz einnahm? Großfürst Georgi ließ sich nichts anmerken, aber ich denke, ihn entrüstete der deutliche Affront nicht weniger als mich.
Zum Glück war Großfürstin Jekaterina Ioannowna, die penibel auf die Feinheiten des Rituals und die Wahrung der Würde achtet, in Petersburg geblieben. Ihre vier mittleren Söhne, Alexej Georgijewitsch, Sergej Georgijewitsch, Dmitri Georgijewitsch und Konstantin Georgijewitsch, waren an den Masern erkrankt, was Ihre Hoheit, eine vorbildliche und liebevolle Mutter, daran hinderte, zur Krönung, dem höchsten Ereignis im Leben des Reiches und der kaiserlichen Familie, zu reisen. Allerdings behaupteten böse Zungen, ihr Fernbleiben erkläre sich weniger aus mütterlicher Liebe als vielmehr aus der Unlust, dem Triumph der jungen Zarin in der Rolle einer Statistin beizuwohnen. Man erinnerte sich an die Geschichte auf dem vorjährigen Weihnachtsball. Die neue Zarin hatte den Damen der kaiserlichen Familie vorgeschlagen, einen Handarbeitszirkel zu gründen, um warme Mützchen für die Waisenkinder des Marien-Stifts zu stricken. Vielleicht hatte die Großfürstin wirklich zu schroff auf dieses Ansinnen reagiert. Ich schließe auch nicht aus, daß seitdem das Verhältnis zwischen Ihrer Hoheit und Ihrer Majestät etwas getrübt war, aber mit ihrem Fernbleiben wollte meine Herrin niemanden brüskieren, dafür verbürge ich mich. Wie immer Jekaterina Ioannowna Ihrer Majestät gesonnen sein mag, sie würde sich nie erlauben, ohne triftigen Grund ihre dynastischen Pflichten zu vernachlässigen. Ihre Söhne waren tatsächlich schwerkrank.
Das war natürlich traurig, aber – wie der Volksmund sagt – jedes Übel hat auch sein Gutes, denn zusammen mit Ihrer Hoheit mußte auch ihr ganzer Hofstaat in der Residenzstadt bleiben, was mir die komplizierten Aufgaben, die aus der zeitweiligen Übersiedlung nach Moskau erwuchsen, wesentlich erleichterte. Die Hofdamen waren sehr betrübt, daß sie auf die Moskauer Feierlichkeiten verzichten sollten, und äußerten ihren Unmut (natürlich im Rahmen der Etikette), doch Großfürstin Jekaterina blieb unbeugsam: Nach dem Zeremoniell muß der kleine Hofstaat sich dort aufhalten, wo sich die Mehrheit der großfürstlichen Familie befindet, und die Mehrheit unseres Zweiges des Herrscherhauses blieb in Petersburg.
Zur Krönung fuhren vier: Großfürst Georgi, sein ältester und sein jüngster Sohn und die einzige Tochter Xenia Georgijewna.
Wie ich schon sagte, war ich froh, daß die Herren Höflinge nicht mitgekommen waren. Der Oberhofmeister Fürst Metlizki und der Leiter der Hofkanzlei Geheimrat von Born hätten meine Arbeit nur behindert, indem sie ihre Nase in Dinge steckten, von denen sie nichts verstanden. Ein guter Haushofmeister bedarf keiner Aufpasser, um seinen Pflichten nachzukommen. Und was die Hofmeisterin und ihre Hofdamen betrifft, so hätte ich gar nicht gewußt, wo ich sie unterbringen sollte – eine so kümmerliche Residenz hatte das Krönungskomitee dem Grünen Hof (so wird unser Haus nach der Farbe der Schleppe unserer Großfürstin bezeichnet) zugewiesen. Aber auf die Residenz kommen wir noch zu sprechen.
Die Fahrt von Petersburg nach Moskau verlief reibungslos. Der Zug bestand aus drei Waggons: Im ersten war die großfürstliche Familie untergebracht, im zweiten die Dienerschaft und im dritten der notwendige Hausrat und das Gepäck, so daß ich ständig von einem Waggon in den anderen wechseln mußte.
Seine Hoheit Großfürst Georgi sprach sofort nach Abfahrt des Zuges dem Cognac zu, zusammen mit seinem Sohn Pawel Georgijewitsch und dem Kammerjunker Endlung. Er geruhte elf Gläser zu trinken, wonach er müde wurde und dann bis Moskau schlummerte. Bevor er einschlief, schon in seiner »Kajüte«, wie er sein Abteil nannte, erzählte er mir noch von seiner Schiffsreise nach Schweden, die vor zweiundzwanzig Jahren stattgefunden und großen Eindruck auf Seine Hoheit gemacht hatte. Es ist nämlich so, daß Großfürst Georgi, obwohl General-Admiral, nur ein einziges Mal auf See war und die unangenehmsten Erinnerungen daran bewahrt; in diesem Zusammenhang erwähnt er häufig den französischen Minister Colbert, der nie ein Schiff betreten und dennoch sein Land zu einer großen Seemacht entwickelt hat. Die Geschichte von des Großfürsten Schwedenreise habe ich schon viele Male gehört und kann sie inzwischen auswendig. Das Gefährlichste ist die Beschreibung des Sturms vor der Küste Gotlands. Nach den Worten »Und da schrie der Kapitän: ›Alle Mann an die Lenzpumpen!‹« rollt Seine Hoheit jedesmal mit den Augen und haut krachend die Faust auf den Tisch. So geschah es auch diesmal, doch Tischdecke und Geschirr nahmen keinen Schaden, da ich rechtzeitig Maßnahmen ergriffen hatte: Ich hielt die Karaffe und das Glas fest.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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