Die Entführung - Robert Williams Buchanan - E-Book

Die Entführung E-Book

Robert Williams Buchanan

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Beschreibung

Die Geschichte einer Entführung im Irland des 19. Jahrhunderts

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 1

Am 7. Januar 1890, als Pater John O‘Donnell, der Priester des Kirchspiels von Mulrany, im Bezirk Mayo, ruhig im Shamrock-Hotel in Westport frühstückt, wendet sich der Oberkellner Dennis Macartney folgendermaßen an ihn:

„Sind Sie mit dem ersten Morgenzug aus Dublin gekommen, Pater John?“

„Ja, den habe ich genommen, Dennis“, antwortet der Priester, sich in seinen Sessel zurücklehnend.

„Hat Euer Ehren die Nachricht gehört? Sicher werden Sie sie in der morgendlichen Zeitung gelesen haben. Es sind schlimme Nachrichten.“

„Was für Nachrichten, mein lieber Dennis? Ich habe die ganze Bahnfahrt geschlafen und fuhr geradewegs ins Hotel.“

„Dann lesen Sie dies, Euer Ehren“, sagt der Kellner und gibt ihm ein frisch gedrucktes Flugblatt in die Hand.

„Sie sind in der Stadt verteilt worden und die Schutzmänner sind im ganzen Land, von hier bis Galway, in Alarmbereitschaft versetzt worden.“

Der Priester setzt seine Brille auf und liest:

‚100 Pfund Belohnung

Gestern Abend, als Miss Catherine Power von Castle Craig in ihrer Kutsche von Newport nach Ballyveeny unterwegs war, wurde sie von einem maskierten Mann angegriffen, der im Hinterhalt, unter einer Brücke der Ballyveeny Road, lag. Der Kutscher James Feeny wurde niedergeschlagen und war angeblich bewußtlos. Als er wieder zur Besinnung kam, standen die Kutsche und das Pferd auf der Straße, aber seine Herrin war verschwunden. Er fuhr zurück in das Dorf Mulrany und machte Meldung bei der Polizei. Bis Tagesanbruch diesen Morgen gab es keine Nachricht oder Zeichen von der unglücklichen Lady und es ist zu befürchten, daß sie einem bösen Spiel zum Opfer gefallen ist. Jede Person, die Informationen zur Identifikation des Täters macht, erhält die oben erwähnte Belohnung.

Polizeistation Mulrany, den . . .‘

„Heiliger Himmel!“ ruft der Priester aus und ist ganz weiß wie ein Blatt Papier geworden, er springt auf, „ träume oder wach ich? Der Menschenschlächter, feiger Schurke! Hat man sie letztlich ermordet?“

Seine beleibte und kräftige Gestalt zittert wie ein Blatt im Wind. Er ballt seine Faust, als wolle er den unsichtbaren Feind schlagen.

„Ich weiß, es ist eine schlechte Nachricht, Euer Ehren“, sagt Dennis mit einem traurigen Kopfnicken.

„Schlechte Nachrichten! Es ist wie ein Messer in meinem Herzen, Dennis Macartney. Meine süße junge Lady! Die Blume meiner Herde! Die schönste und beste Lady ganz Irlands! Und ich bin fort von Dublin, wo ich doch an ihrer Seite aufpassen und für sie beten sollte! Gib mir meinen Stock, Dennis – meinen Hut und meinen Stock. Ich werde nichts mehr essen, nicht eher ruhen, bis ich den Schurken entdeckt und ihn zur Strecke gebracht habe.“

„Hauptmann Kennedy ist im Pferdestall, Sir, wenn Sie mit ihm sprechen wollen.“

Der Priester nickt leidenschaftlich und entfernt sich, seinen Stock schwingend.

Als er zur Hintertür hinausgeht, begegnet er einem großen, gut rasierten, militärisch aussehenden Mann, der gerade ins Hotel will. Im Hof draußen befindet sich eine Kutsche und ein angeschirrtes, vor Schweiß triefendes Pferd. Nicht weit von der Kutsche ist eine Gruppe Stallknechte und bewaffnete Polizei.

Was ist los, Hauptmann Kennedy, was ist das?“

fragt der Priester, „ist es wahr, was ich hörte, oder eine schrecklich Erfindung?“

„Es ist wahr, Pater John“, antwortet Kennedy und grüßt an seiner Mütze, „ Miss Power wurde letzte Nacht wieder überfallen. Wir haben den Distrikt durchsucht, aber wir konnten keine Spur von ihr finden.“

„Gott hilf uns!“ keucht Pater John unter herablaufenden Tränen auf seinen Wangen.

„Es ist ein sehr merkwürdiger Fall. Wir fanden den Mantel der armen Lady nicht weit vom Flußufer und das Gras war völlig niedergetrampelt, als ob ein verzweifelter Kampf stattgefunden hat. Eine halbe Meile entfernt, an der Bergseite, fanden wir ein kleines geklöppeltes Taschentuch mit Blutflecken darauf. Jim Feeny sagt, daß er einen furchtbaren Schrei vom Fluß unten gehört habe, fürchtete aber um sein eigenes Leben und fuhr sogleich zur Polizeiwache .“

„Tot! Ermordet! Oh Catherine, Catherine, Pulsschlag meines Herzens, meine liebe junge Lady!“

„Wenn sie tot ist, Euer Ehren, ist es ungewöhnlich, daß wir keine Spur ihres Körpers finden könne. Wir suchten mit dem Grundnetz den Fluß bis Ballycroy ab und fanden überhaupt nichts. Da wäre noch die Möglichkeit, daß sie in die See hinunter gespült wurde, weil in der letzten Nacht eine Flut war. Aber das scheint unwahrscheinlich.“

„Und die Schurken, die das taten? Die Menschenschlächter, die mörderischen Feiglinge?“ sagt der Priester, sich bebend an den Polizeihauptmann wendend.

„Sicher ist das auch ein Rätsel!“ erwidert Kennedy, „es gab Geld in der Kutsche – die arme Lady hatte es an diesem Morgen von der Bank abgehoben und verstaute es in ihrer Damenhandtasche. Wir fanden die Handtasche weit offen, aber es war keine einzige Pfundnote gestohlen. Es waren keine Diebe, diese Schurken, dies ist sicher. Es ist mehr, als wollten sie sich an der armen Lady rächen, für etwas Böses, was sie ihnen angetan hat.“

Die Blicke der beiden Männer treffen sich und es scheint , als hätten sie den selben Gedanken in ihrem Kopf.

„Das meinen Sie nicht im Ernst!“ sagt der Priester.

„Doch, Euer Ehren“, antwortet der Offizier, „es gibt nur einen Mann im Land, der Miss Power Übles will und von den Informationen, die ich erhielt, denke ich, daß er der Grund für alles ist.“

Während Kennedy spricht, erschallt Pferdegetrappel auf dem Straßenpflaster und ein Mann auf einer kraftvollen Stute galoppiert in den Hof des Hotels. Er ist ein hagerer, aber dennoch kräftig gebauter Mann von etwa dreißig Jahren, bekleidet in schicklichem Reitanzug. Sein kurzes gelocktes Haar und der kleine schwarze Schnurrbart kontrastieren ungewöhnlich mit seinem klaren und feingeformten Gesicht, das geisterhaft blaß ist.

„Hauptmann Kennedy!“ ruft er während er vom Pferd springt und das Zaumzeug einem Burschen zuwirft.

„Hier, Sir“, antwortet der Hauptmann laut und flüstert dem Priester zu: „Mr. Langford ist nahezu wegen dieser Sache um den Verstand gebracht. Armer Gentleman! Er ist es, der die Belohnung von einhundert Pfund ausgesetzt hat.“

"Captain Kennedy!" he cried.

Der Neuangekommene tritt heran, sieht den Priester, der nimmt seine Hand und drückt sie still. Seine Art ist voll tiefen Gefühls der Erschütterung.

„Nun?“ fragt er lebhaft und wendet sich zu dem Hauptmann hin.

„Es gibt nichts Neues, Sir, es tut mir leid, dies zu sagen.“

„Ich war drüben in der Polizeistation gewesen und befragte Jim Feeny. Er widerspricht sich bei jedem Wort. Letzte Nacht sagte er, daß nur zwei Mann die Kutsche attackierten, nun denkt er es waren ein halbes Dutzend.“

„Er war noch nicht richtig zur Besinnung gekommen“, äußert Kennedy, „ er wird vor der formalen Untersuchung ernüchtert gewesen sein.“

„Sie denken, man kann ihm vertrauen?“ fragt Langford, „er steckt möglicherweise mit den Verbrechern unter einer Decke.“

„Ich bin mir sicher, daß er das nicht ist, Sir. Jim ist ein anständiger Bursche und ist ein großer Verehrer seines Fräuleins. Wir werden weiter machen und die oder den Schurken suchen.“

Langfords schwarze Augen leuchten auf und seine Lippen öffnen sich und er ruft:

„Wir werden ihn finden und wenn wir die ganze Welt durchsuchen müssen!“

„Verdächtigen Sie dann jeden, Sir?“ sagt Kennedy mit einem bedeutungsvollen Blick zu Pater John.

„Verdächtigen? Ich?“ sagt Langford, „ich weiß keinen einzigen Menschen, der seine Hand gegen diesen Engel erheben würde.“

„Aber denken Sie daran, Sir“ , fährt der Offizier beharrlich fort, „erinnern wir uns, es ist nicht das erste Mal, daß Miss Powers Person bedroht worden ist und bei einer früheren Gelegenheit sie auch ihren Angreifer kannte, wollte ihm aber kein Wort der Schuld geben.“

„Den Segen aller Heiligen für sie“, murmelt der Priester, „ihr Herz ist zu gütig.“

Langford scheint nachzudenken, heftet seinen Blick auf den Boden, schlägt nervös mit seiner Reitpeitsche an seine Reitstiefel, schaut auf und ruft plötzlich aus:

„Sie meinen diesen Schuft von ihrem Cousin, Patrick Blake?“

Kennedy nickt und der andere fährt fort:

„Das kann nicht sein! Ich will es nicht glauben!

Ich kenne den Kerl, ein Trunkenbold und ein Lump, aber alles in Allem ist er ein Gentleman und ihr eigener Verwandter.“

Kennedy kann ein Lächeln nicht unterdrücken.

„Das ist es gerade, was ich zu seinem Respekt erklären wollte. Wenn Miss Power nicht die Besitzungen nach dem Willen ihrer Tante geerbt hätte, wäre Patrick Blake der Erbe gewesen. Wenn Miss Power ohne Testament verstürbe, wie sie es einmal erklärte, erbte er alles. Dann rufen Sie sich nur ins Gedächtnis zurück, was stattfand, als die arme Lady kam, um im Schloß zu leben. Sie wären nicht der Einzigste, Sir, vergeben Sie mir das zu sagen, der dachte, ihren Besitz zu gewinnen. Patrick Blake begann, als die Lady ihn ablehnte, zu fluchen und zu drohen, sie an den Galgen zu bringen und versuchte sie zu seiner Frau zu machen. Sie schickte ihn kurzerhand fort, wie er es verdiente. Danach wurde sie attackiert, als sie einmal ausritt und bat um Polizeischutz. Sie wußte sehr gut, wer schuld war, aber sie hielt ihre Zunge im Zaum, weil sie weichherzig und er ihr Verwandter ist. Das zweite Mal, als sie dachte in der Nähe ihres Hauses sicher zu sein, belästigt sie ein Schuft, brachte sich selbst aber in Sicherheit. Nun zählen Sie eins uns eins zusammen, Mr. Langford, Sie werden sehen, daß wir nicht ganz so falsch liegen. Auf jeden Fall gehe ich mit meinem Mann diesen Morgen zu Blakes Wohnung und wenn der Bursche sich nicht rechtfertigen kann, werden wir ihn sicher unter Beobachtung halten und werden ihn noch am Abend festnehmen.“

Als der Offizier sprach, hörte Langford mit größtem Interesse zu, gab von Zeit zu Zeit einen nervösen Laut von sich und durch die guten Argumente Kennedys scheint ihm ein Licht aufzugehen.

„Es sieht schwarz aus“, murmelt er, „und Sie gehen jetzt dorthin?“

„Sobald die Pferde gefüttert sind.“

„Dann werde ich mit Ihnen reiten und wenn es so ist, wie Sie sagen . . .“ Er macht eine Pause, schwingt seine Peitsche und seine Augen blitzen gefährlich auf.

Als Kennedy losgeht seine Anweisungen zu geben, wendet er sich mit einem verlorenen und verzweifelten Blick an den Priester, daß das Herz des guten Paters zutiefst ergriffen ist.

„Gott tröstet Sie, Sir“ , sagt Pater John, „es ist, weil Sie sie wie Ihren Augapfel lieben und ich selbst hoffe die heiligen Worte zu sprechen, die Euch zu Mann und Frau machen werden.“

„Ich hatte bisher keine Chance“, sagt der junge Mann traurig, „ich hätte Ihr nichts zu bieten, als einen alten Namen und unfruchtbare Morgen Lands. Aber Sie haben recht: Ich liebe Sie mit Herz und Seele.“

Eine halbe Stunde später fährt die Kutsche mit Hauptmann Kennedy und seinem bewaffneten Polizisten schnell nordwärts in Richtung Newport, gefolgt von einer weiteren Kutsche in der die würdevolle Gestalt Pater Johns O‘Donnell sitzt. Kurz bevor sie losfuhren, galoppierte Langford in die gleiche Richtung.

Der Reisende, der mit der betrübten Szenerie von Clew Bay bekannt ist, weiß wie traurig und öde seine Landschaft ist. Obgleich für Liebhaber der wilden Landschaft sie ihre eigenen Schönheit besitzt. An dem Nachmittag, von dem wir hier berichten, ist sie etwas zu hell und es bietet sich eine belebte Szenerie. Dicke Wolken ziehen vom Atlantik her und gehen in den grauen Dunst der entfernten umgebenden Berge von Mulrany und Achill auf. Im Inland fällt ein feiner Regen aus dem grauen, sonnenlosen Himmel.

Langford duldet ein langsames Gehen seines Pferdes, während er in schwermütiger Meditation im Sattel sitzt. In dieser Weise verfolgt er seinen einsamen Weg etliche Meilen, bis er die Dächer und Schornsteine der kleinen Stadt Newport in der Ferne sieht. Er hält das Pferd an und nach einem Moment der Überlegung, wendet er sich in eine schmale Nebenstraße, die nach links in Richtung der See führt. Dann treibt er sein Pferd zu leichtem Trott an, kommt so schnell etwa eine Meile voran, als die Straße an einer zerbrochenen Steinmauer endet. Er überspringt die Mauer und befindet sich auf einer Wiese von kräftigem Gras an deren äußerem Ende die See zu sehen ist und ein Haus aus weißen Steinen, groß und einsam, durch Wind und Wetter verfärbt und beschädigt aber den Anschein hat in früherer Zeit ein herrschaftliches Haus gewesen zu sein. Daran angeschlossen ist ein ummauerter Obstgarten voller Obstbäume, die einen kleinen Ertrag an Früchten liefern. Das ist Langfords Haus, wo die Familie der Langfords seit Generationen wohnt und wo der Junggeselle und der Letzte seiner Linie noch residiert.

Ein einsamer Platz, weit entfernt von jeder menschlichen Behausung. Obgleich da Raum ist für eine große Niederlassung, aber alles ist in Unordnung, schäbig und baufällig. Das Haus selbst ist umgeben von einem Rasen voller Unkräuter in seinem hintersten Teil ist eine Steinmauer und hinter der Mauer erstreckt sich grünes Schwemmland mit Salzlaken, das bei Gezeitenhochwasser mit Meerwasser bedeckt ist. Keine menschliche Gestalt ist zu sehen, als Langford zum Haupteingang herum reitet. Aber der Klang der Pferdehufe wird im Innern des Hauses gehört und ein oberes Fenster wird geöffnet und ein Gesicht schaut heraus – das Gesicht einer alten Frau.

„Gibt es etwas Neues, Nannie?“ fragt er und schaut hinauf.

„Nein, Euer Ehren“, antwortet die Frau.

„Wo ist Michael?“

„Er ist sicher irgendwo hier im Haus. Soll ich ihn bitten hinunter zu kommen, um das Pferd zu nehmen?“

„Nein. Ich werde hinüber nach Newport „reiten, um die Polizei zu treffen.“

„Es gibt noch keine Nachricht von der armen jungen Lady?“

„Keine.“

„Behalte ihre Seele in Ehren, sie werden sie drüben im Schloß vermissen.“

„Wenn die Polizei her kommt, sage ihnen , ich sei zu Patrick Blake geritten. Verstehst du?“

„Ja, Euer Ehren.“

Er wendet sein Pferd und entfernt sich langsam, aber hält an der Seite des Hauses an und schaut ruhig auf das traurige Schwemmland und zu der entfernten See.

„Arme Catherine!“ seufzt er, „sie tat das Richtige nach Allem , von so einem Haus weg zu gehen.

Was für ein Narr und Verrückter ich gewesen war.“

Etwas später reitet er in die Stadt Newport ein, pausiert einen Moment vor einem Hotel, wo einige Klatschbasen versammelt sind.

„Ist Hauptmann Kennedy hier entlang gekommen?“ fragt er.

„Nein, Euer Ehren“, antwortet ein Mann und grüßt ihn mit dem Finger an seiner Stirn.

Er treibt sein Pferd mit dem Reitsporn an und trottet weiter, während die Gruppe hinter ihm ein einhelliges Klagen anstimmt.

„Armer Gentleman! Er sieht aus, als wäre sein Herz gebrochen“, sagt der Mann, der seine Frage beantwortet hatte, „sie sagen die arme Lady liegt getötet auf dem Grund der See.“