Effie Hetherington - Robert Williams Buchanan - E-Book

Effie Hetherington E-Book

Robert Williams Buchanan

3,0

Beschreibung

Der Leser nimmt Anteil an der unerschütterlichen Liebe des Richard Douglas zu Effie Hetherington mit all ihren Höhen und Tiefen. Der Roman spielt im ausgehenden 19.Jahrhundert.

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Nach der Ausgabe von

T. Fischer Unwin

Paternoster Square

London MDCCCXCVI

Illustration von P.M.Richter

Für Antje

Inhaltsverzeichnis

Buch 1: Die Leidenschaft des Richard Douglas

Kapitel I: Wie Richard Douglas Halloween begeht

Kapitel II: Wie Douglas die Gesellschaft gastfreundlich aufnimmt

Kapitel III: Wie Effie an die Schönheit und die Bestie denkt

Kapitel IV: Das hohe Fest auf Schloß Lindsay

Kapitel V: Wie Effie den Geist beschwört

Kapitel VI: Wie der Zauberspruch sich entwickelt

Kapitel VII: Wie die Ringeltaube leise singt

Kapitel VIII: Wie Effie sich auf den Krieg vorbereitet

Kapitel IX: … Effie Hetherington reitet zu Richard Douglas.

Buch II: Der Kummer der Effie Hetherington

Kapitel I: Wie es wieder einmal Halloween wurde

Kapitel III: Wie das Wunder wächst

Kapitel IV: Wie Richard Douglas sein Wort hält

Kapitel V: Wie Arthur Lamont heimkommt

Kapitel VI: Der Kummer der Effie Hetherington

Kapitel VII: Lady Bell

Kapitel VIII: Die zwei Frauen

Kapitel IX: Trennung ist solch süßer Schmerz

Kapitel X: Lebewohl!

Buch 1

Die Leidenschaft des Richard Douglas

« Je dy toujours, et sans cesse diray,

Sans que jamais je change de propos,

Quand vos vertus a’ tous j’annonceray,

Que tout honneur en vous prend son repos.

Quelle beaute’ a’vous compareray?

Quel caeur gentil a’bien du tout dispos?

Digne m’estes pas du bien de l’autre vie,

Si votre los toujours ne le convie? »

La Chanson Amoureuse

Kapitel I

Wie Richard Douglas Halloween begeht

„Sie kämmt ihr golden glänzendes Haar,

Das über ihren Nacken fällt und sie umhüllt.

Wenn sie ein jungfräuliches Mädchen ist,

Wird sie lächeln und nicht ängstlich sein;

Wenn sie ein teuflisches Ding ist,

Stürzt sie ihren Körper in die Fluten,

Bis der reißende Strom der Gezeiten sie holt.“

Ein Wassergeist-Lied

In der Nacht des 31. Oktober 1870 steht Richard Douglas allein in der Tür seines verwitterten Anwesens und schaut auf das stürmische Wetter im Solway Fjord. Der Regen fällt in reißenden Strömen und prasselt auf ihn und von der aufgewühlten See wehen Schaumfetzen heran. Er ist barhäuptig und steht mit verschränkten Armen sorglos den stürmischen Elementen gegenüber. Vor ihm ist alles dunkel, außer wenn der Vollmond aus den Sturmwolken wie ein Feuerauge über dem großen Fjord aufleuchtet, der über der dunklen Ebene des nördlichen Hochmoores und den entfernten Bergen von Galloway im Hintergrund steht.

Das düstere Anwesen steht inmitten des Torfmoores und etwa eine Viertelmeile von der sandigen Küste. Es gibt keine Straße dahin, nur ein Reitweg verbindet es mit der Fernstraße und führt durch grasloses Land des trostlosen Sumpfes – dem wilden Grund des väterlichen Erbguts, von welchem er seinen Namen hat.

Ein seltsamer Platz, ein einsamer Mann – und letztlich vornehm arm geboren, hat weder Verwandte noch Anverwandte, weder Frau noch Freund. Vor dreißig Jahren kam er auf die Welt, schreiend auf der Brust seiner toten Mutter. Zehn Jahre später hatte sein Vater bei einem schlimmen Ritt, nach einer Nacht eines Gelages in der Stadt Dumfries, sich das Genick gebrochen. Er hinterließ einige unfruchtbare Morgen und die düstere Heimstatt und alles andere seinem Waisenjungen. Der Schatten dieses frühen Unheils legte sich auf Richards Seele und machte ihn düster und einsam. Mit einem Körper und Leib eines großen Mannes, war er nur fünf Fuß und sechs Inches groß. Aber er war stark wie Herkules, mit einem kräftigen Brustkasten eines Löwen und den langen muskulösen Armen eines Menschenaffen.

„Komm herein! Komm herein!“ ruft eine schrille Stimme von drinnen.

„Was gibt es für dich bei diesem kalten Wind und dem Regen Begeisterndes zu sehen? Komm rein, Gutsherr, und schließe die Tür!“

Er zögert für einen Moment, schließt dann die Tür gegen den heftigen Wind, geht durch den dunklen Vorsaal und kommt in die Küche – eine große getäfelte Kammer, düsterer als eine Scheune. Eine siebzigjährige Frau steht am Herd und murmelt fast zu sich selbst, als sie sich über das Torffeuer beugt:

„Du bist bis auf die Haut durchgeweicht“, sagt sie, sich flüchtig umschauend, als er hereinkommt, „Komm, Gutsherr und trockne deine Sachen.“

Innehaltend, im Licht einer altertümlichen Öllampe, die von der getäfelten Decke herabhängt, schüttelt er die Regentropfen aus seinem schwarzen Haar und geht dann zu dem Feuer hinüber. Sein Gesicht würde schön sein, aber seine Augen sind zu klein und zu streng und die Gesichtszüge haben einen gewöhnlichen, schwermütigen Ausdruck. Als er flüchtig zu der alten Frau blickt, seine einzige Gesellschaft und Dienerin in dem einsamen Haus, ist sein Ausdruck noch freundlich genug und seine Augen blicken freundlich.

„Eine schwarze Nacht, Elspeth“, sagt er, „und störrisch genug für Halloween. Noch sah ich Lichter im Inland über dem Torfmoor, dort, wo sich die Leute der Farmen sammeln.“

Die Frau seufzt und schüttelt ihren Kopf.

„Du solltest unter ihnen, Herr, anstatt im beschwerlichen Kummer sein. Warum willst du nicht ein Mann unter Männern sein, gewiß ein Freier unter Freiern? Dort drüben sind brave kleine Mädchen mit großen Erwartungen und der Herr von Douglas mag seine Wahl treffen.“

Der Mann lacht – ein merkwürdiges Lachen, wie das Krächzen einer Rabenkrähe. Er nimmt eine gewöhnliche Bruye’reholzpfeife(1) aus seiner Brusttasche, füllt sie mit einem Stück Torf vom Herdfeuer und setzt sich hin. Elspeth beobachtet ihn ruhig, dann fährt sie fort, teilweise an ihn gerichtet, teilweise als Selbstgespräch:

„Das Haus Douglas ist dir zu sehr Einöde, als wäre das Haus auf Sand gebaut! Drei Generationen habe ich gesehen und nun steht der Gutsherr allein, ein vertrockneter Stumpf, wie vom Sturm drüben im Moor umgeworfen. Froh wäre ich Kindergeschrei auf Douglas zu hören, bevor ich sterbe; und die Zeit ist nah und das Haus ist leer, wie ein Nest vom vergangenem Jahr.“

„Ja, genau so“, sagt der Mann, schwermütig in das Feuer schauend, „was dann, eine Frau?“

„Was dann, Herr? Es ist keine Sünde oder Schande, sollte es so sein.“

„Nein, bei Gott!“ entgegnet Douglas, „wir waren eine kranke Rasse und niemand wird die Brut missen, wenn sie ausgeblutet ist. Laß das Haus fallen, seit der Teufel seinen Fluch darauf warf und seine Zeichen auf mich machte.“

„Du bist wie dein Vater“, sagt Elspeth, „er war ein störrischer Mann und immer unzufrieden, und der Fluch trieb ihn zum Trost zum Trinken, bis er sich durch den Kummer bei dem Ritt das Genick brach. Es ist krank, beweisen zu wollen, deines Vaters Sohn zu sein! Noch habe ich meinen Verstand. Statt du hier sitzen bleibst und deinen Rücken krumm machst, wie ein alter Mann, stehe auf und gehe aus, unter die Leute, schau nach einer hübschen Braut dieses Halloween!“

Wieder lacht der Mann, dieses Mal beinahe leidenschaftlich. Dann steht er plötzlich auf, schaut durch das große Fenster in Richtung Inland. Weit über dem Moor bewegen sich die Lichter.

Haus Douglas

„Und dort wird eine große Gesellschaft sein“, fährt Elspeth fort, „hinter dem Moor, heute Nacht. Die Lamonts sind dort und Miss Forsyth von Schloß Gordon und Lord Graeme’s Verwalter mit seiner Tochter France.“

„Verflucht seien sie!“ murmelt Douglas.

„Gewiß, verdammt!“ echot die alte Frau, „aber die meisten von ihnen sind reich und manche von ihnen sind hübsch. Ein Mann, der blindlings unter ihnen sucht, fährt besser, als wenn er zögert, wie ein Ochse im Stall.“

„Halte den Mund, du Närrin!“ sagt der Herr, sich ärgerlich umdrehend, „ich werde niemals heiraten.“

Dann verlässt er die Küche, geht den dunklen Korridor entlang in einen anderen Raum, ein großer und düsterer Wohnraum im Erdgeschoß, ein roh gezimmertes Wohnzimmer. Hier liegt kein Teppich auf dem aus polierter schwarzer Eiche bestehenden Fußboden und wie die Oberfläche eines Holzfloßes aussieht. Ein langer Esstisch und einige Eichenstühle sind die einzigen Möbel, ausgenommen wenige ausgeblichene Ölportraits an den Wänden, sowie einige Gewehre und Angelruten, die in einem Futteral über der Feuerstelle hängen. Eine altmodische Öllampe, wie auch in der Küche, hängt vom Zentraldeckenbalken. Vor dem schwelenden Feuer liegen verschiedene Hunde – ein alter Jagdhund, zahnlos und blind, ein Paar Spaniels und ein Blackretriever, der sich umschaut, als sein Herrchen eintritt, aber sonst keine weitere Zeichen von sich gibt. Der Tisch ist mit Büchern und Landkarten bedeckt und weitere Bücher liegen verstreut im Flur. Durch das gardinenlose Fenster, welches wie eine stille Nische gestaltet und mit einem abgenutzten Eichensitz versehen ist, kommt ein unbeständiges Aufleuchten des Mondlichts und das Glitzern der stürmischen See. Der Sturm heult, der Regen klatscht an die Scheiben und durch die kräftigen Windböen erbebt das Anwesen durch und durch.

Verloren schreitet Douglas in dem Zimmer auf und ab, unbeachtet von den Hunden am Kamin, die unzweifelhaft mit dem Gemütszustand des Herrn vertraut sind und keinen Versuch machen seine Aufmerksamkeit zu erhalten. Zuletzt hält er vor einem Bild an der Wand inne. Es ist das Bildnis einer blassen und bleichen furchtsamen Frau, traurige Augen schauen unter einem altmodischen Hut hervor und ihre behandschuhten Hände sind ruhig auf ihrem Schoß auf dem alten Brokat gefaltet. Er sieht sie lange und still an. Es ist das Portrait seiner toten Mutter, die er in seinem Leben nie kennengelernt hatte. Dicht daneben ist eine andere Ähnlichkeit, die er jetzt ansieht. Nun ist es ihm, als schaue er in einen Spiegel. Er sieht dort sein eigenes düsteres Gesicht, seine finsteren Brauen, seine tiefsitzenden, traurigen Augen. Es ist das Gesicht des Vaters, den letzten Herrn auf Douglas.

Dieses Gesicht, wie sein eigenes, besitzt eine bleibende Schwermut, aber es leuchtet eine geistreiche Flamme eines finsteren Humors von Innen heraus, welche um den Mund wie ein erleuchteter Rand einer Gewitterwolke erscheint. Der unbekannte Künstler hatte natürlich gut die Eigentümlichkeit des Charakters erfasst, wie von jemanden, der verrückte Einfälle hat. Weil die Einfälle so rau waren, wurde ihm der Titel eines ‚Dare-the-Deil’(2) gegeben.

lange und intensiv schaute Douglas auf das Frauenbildnis, geht aber unduldsam von dem des Mannes weg. Er wirft sich in einen Sessel, nimmt ein Buch und versucht zu lesen. Es ist ein sonderbares Buch und es zeigt Spuren öfteren Gebrauchs, als ob es von seinem Besitzer viel in die Hand genommen worden ist, es ist das Decamerone von Giovanni Boccaccio, in einer französischen Übersetzung mit aquarellierten Illustrationen. Das Buch fällt wie aus Gewohnheit, auf den Seiten offen, die die achte und neunte Geschichte des fünften Tages beinhalten. Diese zwei wunderbaren Geschichten scheinen wieder und wieder gelesen worden zu sein und dadurch das Papier und die Schrift nun abgegriffen sind und die Seiten Eselsohren bekommen haben, mehr als der Rest des Buches. An ihre Themen wird sich der Leser zweifellos erinnern; das eine beschreibt, wie Anastasio Onesti, der eine Lady liebt und es gering schätzt, zu Chiassi geht, eine andere Lady sieht, von einem Jäger verfolgt wird, zu Boden gerissen und von Hunden überwältigt wird: Das zweite erzählt die rührende Geschichte von Federico, der, nachdem er all sein Vermögen ihr zu Liebe hingab, für sie seinen Lieblingsfalken tötete und ihn ihrem wählerischen Appetit opferte. Wenig Mühe hat Douglas den Druckzeilen zu folgen. Jeden Satz, jede Silbe dieser Geschichten sind ihm wohlbekannt und brannten sich wie Feuer in sein Gedächtnis. Doch er liest eifrig, als wären die Geschichten neu. Und während er liest erhellt sich sein finsteres Gesicht, seine Augen leuchten und um seinen traurigen Mund hängt dieses Leuchten, wie der funkelnde Schein im Gesicht des Portraits seines Vaters, aber mehr leidenschaftlich und heftiger, heller leuchtend und sinnlicher, so charakteristisch wie für ein brennendes Feuer im kummervollen Herzen des Mannes.

‚Und er sieht eine wunderschöne junge Frau mit aufgelöstem Haar, durch das Unterholz zu ihm fliehen, ihr zarter Körper zerrissen und blutend, hinter ihr rennen zwei schwarze Hunde, die sie gebissen hatten, als sie fortrannte, sie beginnt ein herzzerreißendes Geschrei. Dann kommt ein Reiter auf einem schwarzen Roß, schaut mit leidenschaftlicher Miene, ergreift einen Dolch, mit welchen er das bedrohte Leben der Frau… und die Hunde fassten sie bei der Hüfte und schleifen sie über den Erdboden, da saß der leidenschaftliche Reiter ab und eilte zu ihr.‘

Was ich zitiert habe war ein Bild der Szene, grausig genug, aber typisch für die Schönheit des Gesichts und der Gestalt des Opfers. Douglas beugt sich über das Buch, als trinke er jedes Detail. Währenddessen befällt sein Gemüt eine heftige Seelenqual und sein Gesichtsausdruck ist vor Rührung entstellt. Dann, die Seiten ungeduldig und leidenschaftlich umblätternd, liest er folgendes:

‚Obgleich er arm war, hat Federico bis zu diesem Tag nicht

erkannt, dass seine unbekümmerte Liebe und verrückte Zügellosigkeit ihn in Armut brachte. Aber nun fühlte er es schmerzhaft, nichts für die Lady im Hause zu haben und zornig verfluchte er sein Glück und lief hin und her, vergebens Geld zu entdecken oder was Goldwert hätte, was er verkaufen könnte…

Plötzlich erinnerte er sich an seinen Falken, der im Käfig in seinem Zimmer saß. Er wusste nichts anderes zu tun, als dass er zum Gefallen der Lady auf den Tisch müsse und er drehte ihm das Genick um. Dann trug er dem Dienstmädchen auf ihn zu rupfen und zu braten und nach dem Decken des Tisches mit dem einzigen weißen Tischtuch, das er übrig behalten hatte, floh er mit einem heiteren Gesicht in den Garten, das Essen wäre fertig. Dann setzten sie sich beide hin und bedient von Federico, aß sie den Vogel, nicht wissend was es war.‘

Warum verdunkelt sich der Blick des Mannes? Warum beben seine Lippen, wie bei einem betrübten Kind, als er diese einfachen Worte liest? Seine Rührung ist so groß, dass er das Buch zur Seite legt, aufsteht und in einen anderen Raum geht. Der Regen platscht an die Fensterscheiben und der Wind schüttelt das einsame Haus, während er zu sich selbst laut murmelt:

„Elspeth hat recht. Ich sollte nach dort drüben gehen und nicht hier schmachten. Ich werde schon bald verrückt, wenn es so weiter geht. Da drüben auf der Farm im großen Haus spielt die Musik und Lampen brennen und die Mädchen verkümmern in ihren Seidenkleidern. Dort wird in der Küche und im Saal geflirtet und sich umarmt. Aber für mich ist nur die alte Elspeth und diese Rattenfalle von einem Haus! Kein Narr mag einen alten Narren! Dreißig Jahre alt und leicht reizbar, wie ein krankes Kind. Verdammt diese Frauen! Verdammt ihr weiches glattes Gesicht und ihr duftendes Haar und all ihre lieblichen Wege! Oh weh, verdammt seien sie alle – verschont nur die eine!“

Er hält inne, reißt seine Hände hoch und presst sie zusammen. In diesen Moment war der Wind vorbei und es ist eine relative Stille, die von Pferdegetrappel auf dem vorbeiführenden Weg unterbrochen wird. Er lässt seine Hände sinken und lauscht. Nun mischen sich lachende menschliche Stimmen, dann ruft eine Männerstimme laut und eine klare, glockenähnliche Stimme antwortet. Hierauf nehmen der Wind und der Regen ihren Tumult wieder auf, aber er hört erstaunt noch ein lautes Klopfen an der Haustür.

Kapitel II

Wie Douglas die Gesellschaft gastfreundlich aufnimmt

Zwei oder drei Minuten später betritt Elspeth den Raum.

„Herr! Herr!“ ruft sie, „komm aus dem Gefängnis! Hier ist eine Gesellschaft unterwegs nach Castle Lindsay, die ein Schutzdach vor dem Sturm sucht. Hier ist Mr. Aird, der Schriftsteller aus Dumfries und zwei junge Gentleman und zwei hübsche junge Ladies, alle bis auf die Haut durchweicht; ihre Diener sind draußen bei den armen Pferden, die ganz unruhig vor Schreck und halb ertrunken sind.“

Während sie spricht kommen die Stimmen durch die offene Tür. In diesen Moment übertönt ein Donnerschlag, der das Haus erzittern lässt, alles. Einer, der Douglas nicht kennt, würde sagen, er war wie vor Schreck gelähmt. Sein Gesicht wird plötzlich weißer als der Tod.

“Was bringt sie hierher?“ murmelt er.

„Nun, das ist eine unbedachte Frage!“ sagt die alte Frau, „hattest du nicht zugehört? Sie sind quer durch das Moor geritten, als der Sturm losbrach und sie kamen für ein Obdach hierher, bis sich das Wetter beruhigt. HERR behüte uns! Achte darauf!“

Die letzten Worte sind gesagt, als es draußen so hell blitzt, dass es schien, als würde der ganze Raum in Flammen aufgehen. Der Donner folgt nahezu unmittelbar, ein Krachen, als würde ein fester Felsen bersten, gefolgt von misstönendem und Ehrfurcht gebietendem Geschrei. Da ist ein Kreischen in der Küche, furchtsam und schrecklich.

„Das ist eine der jungen Ladies!“ sagt Elspeth, „von einer Minute zur anderen wird sie hysterisch, schreit ängstlich oder lacht.“

Douglas hört das Ende des Satzes nicht, denn er verlässt ungeduldig den Raum, läuft den Flur entlang und erreicht die Küche, wo die unerwartete Gesellschaft sich versammelt hat. Auf der Schwelle inne haltend betrachtet er sie. Da sind fünf Personen, drei Herren und zwei Ladies. Einer der Herren ist der Anwalt Mr. Aird, ein drahtiger kleiner Mann in den Fünfzigern und in Schwarz gekleidet. Die zwei anderen, von Elspeth als die ‚jungen Lamonts’ beschrieben, sind junge Männer, von dreiundzwanzig und neunzehn Jahren, beide in Reitkleidung mit bestem Schuhwerk und gespornt. Diese drei und eine junge Lady, die dunkle Reitkleidung an hat und eine flache Königskrone trägt, stehen und starren ziemlich hilflos auf das letzte Mitglied der Gesellschaft, welches auf einem Stuhl nahe am Feuer sitzt. Das Gesicht mit ihren Händen bedeckt und hysterisch zitternd. Auch sie trägt ein Reitkostüm, durchweicht und tropfend vom Regen. Ihr Hut ist heruntergefallen und ihr dunkelgoldenes Haar hat sich selbst gelöst und fällt auf ihre Schultern. Bei jedem Blitz und dem begleitendem Donner, die nun in schneller Folge kommen, stößt sie laute Schreie aus, wie ein erschreckter Vogel und scheint in Ohnmacht zu fallen.

„Effie! Effie!“ ruft die dunkeläugige junge Lady, „was für eine Närrin bist du! Sieh, hier ist Mr. Douglas.“

Effie schreckt auf, nimmt die Hände vom Gesicht und schaut in die Runde und zeigt ein zartes, hübsches Gesicht und zwei große sehnsuchtsvolle blaue Augen.

Als ihr lebhafter Blick auf den Hausherrn fällt, lächelt sie schwach.

„Ich kann nichts dafür, Lady Bell“, sagt sie „die Blitze erschrecken mich, Oh, Mr. Douglas, ist der Sturm vorüber?“

Ein weiterer Blitz antwortet ihr, aber der Donner folgt nicht unverzüglich und scheint nun weiter entfernt.

„Der Sturm ist vorüber“, antwortet Douglas, „es ist nichts mehr zu befürchten, Miss Hetherington. Aber um alles in der Welt, warum sind sie bei diesem Wetter ausgeritten?“

Der ältere der beiden jungen Männer, Arthur Lamont, hager und ziemlich weibisch, aber sehr schön, mit kastanienbraunem Haar und leichten Schnurrbart, beantwortet die Frage:

„Wir hatten einen Ritt nach Dumfries gemacht und waren auf dem Rückweg zum Schloß, wegen Halloween. Es war eine schöner Abend, als wir starteten und kein Anzeichen für schlechtes Wetter. Der Regen überraschte uns inmitten des Moores, in der Nähe der ‚Tyke Bridge’ und dann, beim ‚Heiligen Georg‘ brach der Sturm los! Unsere Pferde gehorchten nicht mehr und Ihr Haus ist das einzige weit und breit, so trabten wir hierher.“

„Genau so!“, sagt Mr. Aird, „es war ziemlich schwierig Sie zu finden, das können Sie mir glauben.“

Kaum auf die an ihn gerichteten Worte achtgebend, wendet sich Douglas Miss Hetherington zu und beugt sich eifrig über sie.

„Sie sind tropfnaß“, sagt er zu ihr, „Sie werden sich den Tod holen!“

„Ich glaube nicht, dass ich durchgeweicht bin“, antwortet sie, liebenswürdig in sein Gesicht schauend, „wenn nur das furchtbare Blitzen aufhörte. Sie wissen, Mr. Douglas, ich hatte eine Schwester, die an meiner Seite von einem Blitz getötet wurde, als wir auf einem Feld spielten und seitdem ist es immer so, oh! Oh!“

Erschreckt durch einen weiteren verfluchten Blitz, hält sie sich bei Douglas fest, umschlingt ihn und versteckt ihr Gesicht in seinem Arm. Er bebt bei ihrer Berührung und zittert wie Espenlaub.

Er will etwas sagen, aber er kann es nicht. Er steht in einer sonderbaren Gemütsbewegung, befeuchtet nervös seinen trockenen Lippen mit seiner Zunge. Durch seinen Körper rennt ein wilder Schauer der Freude, als er die Berührung des warmen Nackens und der ihn festhaltenden Hände des Mädchens fühlt.

Die junge Lady, die mit ‚Lady Bell’ angesprochen wurde, blickt flüchtig zu Arthur Lamont und zuckt ihre Schultern, dreht sich zu Douglas und sagt:

„Wir sind alle in einem schlimmen Zustand, wie Sie sehen. Auch ich tropfe wie Ihre Seejungfrau. Aber es ist zwecklos, länger hier zu bleiben. Wir sollten besser losreiten, außer, wenn Effie Hetherington meint, die ganze Nacht hier zu bleiben.“

Effie erhebt ihr Gesicht vom Arm des Herrn, aber klammert sich noch mit nervösen Händen an seinen Ärmel.

„Verzeihen Sie, Lady Bell“, sagt sie respektvoll, „ich weiß kaum was ich tue – ich bin so erschrocken! Aber ich bin bereit zu gehen, wenn Sie es wünschen.“

„Das werden Sie nicht! Sie werden hier bleiben, bis der Sturm vorüber ist! Elspeth!“

„Herr“, antwortet die alte Frau.

„Wirf einige neue Torfstücke ins Feuer – mache heißes Wasser! Gehe ins Wohnzimmer und bringe eine Flasche. Seien Sie nicht beunruhigt, Miss Hetherington, hier besteht keine Gefahr, ausgenommen Kälte und Schüttelfrost, aber ein warmer Grog wird Abhilfe schaffen.“

Die Küche ist voll schwachen Dunstes, durch das flammende Feuer und von den durchtränkten Gestalten der Besucher. Die Männer nehmen ihr Hüte ab und die Umhänge und Mäntel werfen sie beiseite.

Aber Lady Bell behält ihren Hut auf und ihren Reitmantel an, beides tropfnaß.

Miss Hetherington wird eine Schüssel mit Wasser vor ihre Füße gestellt und dichter ans Feuer gerückt.

„Lassen Sie mich Ihren Mantel nehmen“, sagt Douglas, all seine Besorgtheit scheint nur für das erschrockene Mädchen zu sein. Sie steht auf und nimmt den Mantel von ihren Schultern. In der Zwischenzeit kommt Elspeth mit einer Flasche Whisky in die Küche und stellt sie auf den Tisch. Dann bückt sie sich dicht zu Miss Hetherington und ruft:

„Mein Gott, Lady, von ihren Beinkleidern rinnt das Wasser in Ihre hübschen Schuhe. Bleiben Sie ein bisschen und lassen Sie mich sie nehmen und am Feuer trocknen.“

Effie lacht und schaut flüchtig zu Lady Bell, die das Vorgehen mit Ungeduld beobachtet. Sie tut nichts, ihr Ungemach zu verbergen. In diesen Moment kommt Arthur Lamont vor und sagt:

„Meine liebe Bell, auch Sie sind durchgeweicht! Geben Sie mir Ihren Mantel zum Trocknen.“

„Oh, denken Sie nicht an mich, Arthur!“ antwortet die junge Lady mit einem hämischen Lachen, „ich bin nicht aus Salz oder Zucker, ich werde mich nicht auflösen! Effie Hetherington ist anders – sie ist zart, armes Ding! Sie braucht Aufmerksamkeit!“

Jetzt hat sich Effie wieder hingesetzt und duldet, dass Elspeth ihr die Schuhe und Strümpfe auszieht. Während Lady Bell sprach, schaute sie in die runde und lächelte.

Für den Moment scheint es, dass sie den Schrecken überwunden hat und er einer höhnischen Fröhlichkeit Platz gemacht hat.

„Ich bin nun ganz warm“, sagt sie, zwei schöne nackte Füße vor zum Feuer haltend und in der Glut röstend, „oh, Lady Bell, möchten Sie nicht herkommen und auch rösten?“

Als Lady Bell sich gereizt umwendet, um tändelnde Zeichen zu Mr. Aird zu machen, treffen sich die Blicke von Arthur Lamont und Miss Hetherington für einen Moment. Ein genauer Beobachter würde ein verstecktes Verstehen, eine geheime Sympathie bemerkt haben. Douglas bemerkt den Blick nicht, er steht am Kamin und hängt den Mantel auf, blickt flüchtig von den nackten Füßen auf ihre Besitzerin, bis zu ihren weißen unbehandschuhten Händen. Wenig Beobachtung hätte genügt, sein sonst schwermütigen Gesichtsausdruck zu verdächtigen das wilde Verlangen, das ihn ergriffen hat, zu zeigen. Ein Verlangen niederzuknien und eine Menge Küsse auf des Mädchens rosige Hände und Füße zu drücken.

„Seidene Strümpfe und Schuhe, die von einer Fee getragen werden müssten , als von einer Lady! Hat man jemals so etwas gesehen? Diese Art Beinkleider und Schuhe von Christen zu tragen!“

Da gibt es ein allgemeines Gelächter, in welches Effie selbst einfällt.

„Wer konnte voraussagen, dass es so schrecklich regnen würde? Mr. Douglas sehen Sie zu Lady Bell! Lassen Sie sie tun, was ich tue! Ihr wird es sicher kalt sein!“

Aber Lady Bell ist verstockt, sie verweigert sogar ihren Mantel abzulegen und ist erpicht zur Eile anzutreiben. Als Elspeth eben das dampfende heiße Wasser auf den Tisch bringt und ein oder zwei Becher Whisky mit Wasser gemischt hat, weigert sich die dunkle junge Lady einen Tropfen anzurühren. Mr. Aird und der junge Mann nehmen sich selbst, während Douglas einen dampfenden Becher vom Tisch nimmt und ihn zu Effie Hetherington bringt. Effie lacht zuerst und schüttelt ihren schönen Kopf, aber zuletzt, durch die Überredung des Hausherrn, setzt sie den Becher an die Lippen.

„Wie stark es ist!“ sagt sie heiter mit einer kleinen Grimasse, „aber es ist gut und süß! Geben Sie Lady Bell etwas, Mr. Arthur, machen Sie das!“

Als Effie Hetherington dies sagt, sitzt sie im Glutschein des Feuers, ihre zarte Gestalt ist beleuchtet, ihre wohlgestalten Füße gucken wie Rosenknospen unter ihrem Spitzenunterrock hervor, ihr golden braunes Haar fällt über ihre Schultern, ihre großen Augen sagen Wehmut und Vergnügen aus. Sie sieht hübscher denn je aus.

Die Gesundheit und das Glück der Jugend, sie ist erst neunzehn, scheinen aus ihr zu strahlen und anmutig und solide in ihrer Gestalt vereinigt zu sein und füllt jeden Blick und jedes Wort mit namenlosen Charme. Sie hat all die fest verwurzelte Frische eines arglosen Mädchens und einen leichten Anflug spritzigen Humors einer natürlichen Kokette. Durch ihre Natur und Kleidung ist sie kokett, wie eines dieser leichten entzückenden Dinger, welche zu hübsch sind, als von ihresgleichen geliebt zu werden. Sie scheint das Beste unter den bewundernden Augen der Männer zu sein. Erfahrungen auf diesem Gebiet ermangelt es ihr nicht. Die schwermütige Bewunderung des Hausherrn nimmt sie bewußt wahr, blickt aber wieder und wieder flüchtig zu Arthur Lamont, als ob sie eine größere und bestimmte Hochachtung begehrt und erwartet. Frauen sind sonderbar, sagt das Sprichwort. Effie ist sich des Unfugs voll bewußt, der an ihrer Freundin und Begleiterin Lady Bell passiert. Und das scheint sie zu freuen, entweder aus weiblicher Beharrlichkeit oder aus anderen spitzfindigeren Gründen. Und das, obwohl es ihr ganz klar ist, daß sie, in Rang und sozialer Position, der dunklen Lady untergeben ist. Aber sie ist ihr nicht nur im natürlichen Charme überlegen, sondern in all der kühnen Kunst, mit welcher Frauen das stärkere Geschlecht besiegen. Natürlich weiß sie, dass Lady Bell im Mittelpunkt stehen sollte, die führende Person des Interesses, jetzt und alle Zeit, aber die hübschere Frau hat die Situation gemeistert und ist insgeheim erfreut über ihren kleinen Triumph.

Während Mr. Aird, die Lamonts und Lady Bell sich um den runden Tisch zur Unterhaltung versammeln und Alt-Elspeth sich mit den dampfenden Kleidungsstücken am Feuer beschäftigt, bleibt Douglas beharrlich dicht bei Effie und verschlingt sie mit seinen dunklen Augen.

„Bleiben Sie länger im Schloß?“ fragt er sie jetzt.

Effie, die noch den Becher in ihrer rechten Hand hält, stellt ihn ab und ohne zu lächeln antwortet sie:

„Oh ja! Ich bin jeden Sommer dort, aber zu Neujahr gehe ich zurück nach Edinburgh. Ich denke“, setzt sie hinzu und senkt ihre Stimme, „ich denke, ich werde wegen der Einladung zur Hochzeit zurück sein, aber ich bin mir nicht sicher.“

„Die Hochzeit? - Welche Hochzeit?“

„Mr. Arthurs mit Lady Bell!“

Was für ein wunderbares kleines Gesicht, das aber während sie sprach plötzlich betrübt wurde, ein fremdes Leuchten kommt in ihre Augen und ihr zarter Mund verhärtet sich nahezu schrecklich.

„Ah, ja“, murmelt Douglas, „ich hörte so etwas. Sie sind schon lange verlobt?“

Effie lacht, aber das Lachen ist nicht so liebenswürdig wie gewöhnlich, ein wenig bitter vielleicht, und verächtlich.

„Psst!“ flüstert sie vertraulich, „sie müssen Sie nicht hören. Ja, es ist eine lange Verlobungszeit, wie sie vermuten. Glauben Sie an lange Verlobungszeiten? Die Leute sehen zuviel aufeinander und werden überdrüssig schon vor der Hochzeit. Denken Sie nicht auch?“

„Ich, ich weiß es nicht“, antwortet der Hausherr, „ich habe da sehr wenig Erfahrung.“

„Natürlich nicht“, sagt das Mädchen leichthin, „Sie sind ein alter Junggeselle, Mr. Douglas. Man sagt, Sie hassen Frauen, aber ich bin mir sicher, dass das nicht wahr ist. Ich habe mich oft gefragt, warum Sie niemals heiraten. Sie müssen hier so einsam sein.“

Douglas zittert und antwortet nicht. Wären sie allein gewesen, er würde die Sprecherin in den Arm genommen, sie an sich gezogen und ihr all die Leidenschaft, die in seinem Herzen brennt, ihr ins Ohr geflüstert haben. Niemals in seinem Leben fühlte er sich so glücklich, wie in diesem Moment.

Effies Natürlichkeit, ihr gewinnendes Vertrauen, ihre Unabhängigkeit, wie ein alter und treuer Freund, waren über alle Maßen köstlich. Er sieht darin keine Koketterie, sondern Sympathie – eben Ermutigung. Er würde gekämpft haben, daß sie auf diese Weise für immer bleiben würde. In all dem Feuer seiner Vergötterung, fragt er nicht weiter.

„Sie leben hier ganz allein?“ fragt sie in dem Moment.

„Ja, mit Alt-Elspeth, meiner Hausdame und Pflegemutter.“

„Fühlen Sie sich nicht sehr gelangweilt?“

„Manchmal.“

„Wie beschäftigen Sie sich selbst?“ begehrt sie mit einem fragenden Anheben der Augenbrauen.

„Mit Büchern, mit meinen eigenen Überlegungen. Wenn es mir zuviel wird, reite ich nach Dumfries, oder ich wandere drüben an der See.“

Sie schaut staunend in sein Gesicht und der Blick auf ihn scheint voller Zärtlichkeit und Mitleid, dann, seinen innigen starren Blick treffend, errötet sie und lächelt erneut.

„Erinnern Sie sich, wann wir uns zuerst trafen?“

Erinnert er sich? Wie konnte er es vergessen!

„Ja, auf der Mearns Farm, letztes Jahr“, antwortet er, „die Carlyles sind ihre Verwandten, sehen Sie sie oft?“

Er sagt ihr nicht, wie oft er dorthin jagte, in der Hoffnung, daß sie vorüber kommt.

„Nicht oft“, sagt sie, „ich bin so beschäftigt im Schloß gewesen. Ah, Mr. Douglas, Sie können sich nicht vorstellen, wie traurig es ist, sich so arm und unversorgt zu fühlen! Ich sollte reich geboren sein, dann könnte ich mir meine eigene Gesellschaft wählen und lebte mein eigenes Leben. Manchmal könnte ich schreien, ich fühle mich so verlassen, so ohne Freund!“

Und wieder wird ihr Blick weich und ihre Augen füllen sich mit Tränen.

Sie sprach mit einer so leisen Stimme, daß ihr Zuhörer sich mit seinem Ohr dich an ihre Lippen beugen muß, um die Worte zu verstehen.

Als die Anderen laut ihre Vorkehrungen für den Weiterritt diskutierten, war es nicht zu überhören. Als sie ablassen, kommt die Unterhaltung zu einer Pause und die anderen Mitglieder der Gesellschaft gehorchen einem Zeichen von Lady Bell. Alle werfen nun ihre Blicke auf sie selbst und Douglas. Letzterer findet sich ihrer prüfenden Blicke ausgesetzt, steht schnell auf, grollend auf Arthur Lamont blickend, dessen Gesicht ein eigenartiges sarkastisches Lächeln zeigt.

In der Zwischenzeit hat es zu blitzen und zu donnern aufgehört, aber der Regen fällt noch immer heftig.

Plötzlich ruft Effie:

„Wir haben die armen Diener vergessen. Wie egoistisch wir sind!“

„Sprich nur für Dich selbst“, wirft Lady Bell ein, „ich bin seit einer halben Stunde fertig, und warte nur auf ein Zeichen von Dir. Wenn wir uns auf den Weg gemacht hätten, wären wir selbst und die ‚armen Burschen’, wie Du sie nennst, in der Zwischenzeit sicher zu Hause.“

„Es regnet noch in Strömen“, sagt Douglas, „ich werde nach den Männern sehen und ihnen etwas Whisky geben, damit ihnen warm wird.“

Er nimmt die Flasche vom Tisch und geht aus der Haustür. Als er gegangen war, wendet sich Lady Bell mit einem boshaften Lacher an Effie:

„Das bist Du, Effie Hetherington! Du flirtest mit einem Steindamm, als ob kein Mann in der Nähe wäre!“

„Wirklich, Lady Bell, nichts läge mir ferner“, antwortet Effie locker.

„Der Mann ist ein Wilder“, schreit die Andere, „und dieser, sein Platz, ist nur gut um Rinder zu beherbergen. Was hatte der Mann zu Dir gesagt? Er erglühte bei Deinem Blick, wie ein wildes Ding! Aber es ist möglicherweise ein Grund mehr zu fragen, was Du zu ihm sagtest?“

„Nichts persönliches“, antwortet Effie lachend, „ich fragte, ob er hier ganz allein lebt und er antwortete ‚ja’. Und ich denke das war alles.“

„Du hast ihn schon früher getroffen?“ fragt Arthur Lamont,

„ich wußte nicht, daß Du mit ihm bekannt bist.“

„Oh ja, flüchtig. Wir trafen uns in der Mearns-Farm, als ich meine Verwandten besuchte. Er ist für mich ein fremder Mann. Er wohnt schon immer hier und hat niemals geheiratet.“

„Was ist daran seltsam?“ unterbricht Mr. Aird, „die Welt ist nicht überall verheiratet und auf Hochzeit aus, ich selbst bin auf der Liste der Junggesellen.“

„Gut – dann, Effie, das ist Deine Chance!“ sagt Lady Bell, „ein Junggeselle und ein Haus gehen Betteln! Bedenke, wie groß das klingen würde: ‚Mistress Douglas von Douglas’!“

Effie errötet aufgebracht. Wieder kreuzt sich der mysteriöse Blick zwischen ihr und Arthur Lamont.

„Vielen Dank, Lady Bell, aber ich bin nicht so leicht zu vernichten. Und wenn ich heirate, so wird es nicht ein Wilder sein, wie sie ihn bezeichnen, ich denke ich bin sicher er ist sehr freundlich.“

In diesen Moment kommt Alt-Elspeth wieder in die Küche und hört die letzten Worte und sagt:

„Freundlich, meine Lady? Ist der Hausherr gemeint? Er ist freundlich und er ist gut, das sagen auch die Leute von ihm und er versteht sich selbst hier, wie ein Wiesel in seinem Bau. Aber er ist stolz - stolz – er hat Grund dazu. Das Blut der Douglas ist eines der Besten und ein Douglas desselben Namens war schon ein Herr zur Zeit Königs Jamie(3).“

Dann, sich an Lady Bell wendend, fragt sie mit einem Knicks:

„Ist Ihre Ladyschaft Lady Bell Lindsay vom Schloß Lindsay?“

„Ja, gute Frau“, ist die Antwort, „ich bin Lady Bell.“

Elspeth macht einen weiteren Knicks.

„Mein guter Mann arbeitete vor langer Zeit für ihren Vater, meine Lady. Ich erinnere mich gut an Sie, als Sie ein kleines Mädchen waren. Ihre Mutter verließ Sie dann. Und dieser junge Gentleman wird Mr. Arthur Lamont sein, mit welchen Sie verlobt sind?“