Die Erkundung Europas - Kay Petersen - E-Book

Die Erkundung Europas E-Book

Kay Petersen

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Beschreibung

Über Länder im Umkreis Europas schreibe ich. Erlebnis, Erfahrung und Abenteuer auf Reisen in mehr als dreißig Jahren wird abgebildet und reflektiert. Einheimische und Freunde, Kultur und kritische Situation stehen im Mittelpunkt.

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Kay Petersen

DIEERKUNDUNGEUROPAS

Von Reisen in und um Europa

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2023

Kay Petersen wurde 1950 geboren. Nach einer Ausbildung zum Lehrer (Physik, Germanistik, Sport) und einer Fortbildung zum Umwelt-Berater sowie beruflicher Tätigkeit widmete er sich verstärkt dem Schreiben. Seine Hobbys sind das Klavier- und Schachspiel, Handwerk und der Sport.

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar.

Copyright (2023) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Fotografien © Kay Petersen

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

Inhalt

Skizze zu den Erkundungen

(I) An der Grenze Europas

Marokko

Das Schweifen in die Ferne

Eine Reise in andere Welten

Kurz vor Marokko

Casablanca

Die marokkanische Familie

Steppen, Oasen und viel Staub

Marrakesch

Der arabische Volksvertreter

Geld aus Berlin und Heimreise

Ausklang

(II) Im lichten Norden

Norwegen

(III) Im sonnigen Süden

Griechenland

Vorbereitungen auf eine größere Reise

Die Fahrt in den Süden

Gruppendynamische Gespräche

Erdbeben in Thessaloniki

Auf dem Weg zum Zeus

Die Meteora-Klöster und Delphi

Athen

Das verpasste Weinfest

Geschichten und eine Lebensgeschichte

Auf Paros

Ein griechisches Volksfest

An der goldenen Küste

Mit Anne auf Naxos

Eine kurze Reise ins Jenseits

Eine Einladung zu griechischem Essen

Erfahrungsaustausch mit einem Koch

Athen, kulturell gesehen

Mit dem Freak-Bus nach Deutschland

Portugal

Die Reise nach Portugal

Durch Frankreich

Durch die Pyrenäen

Durch spanisches Land

Erste Eindrücke von Portugal

Am Atlantik

Von Bevölkerung und Einwanderern

An der Algarve

Italien, Italien!

Eine kurze amerikanische Bekanntschaft

Mit Marianne in die Toskana

Mit Joachim in der Cinque Terre

Florenz und Umgebung

Mit Sonja in Oberitalien

Abwechslung von Deutschkursen

Am Golf von Venedig (ca. 2004)

Am Golf von Neapel (Ischia)

Auf Kreta (1991)

Flug und Ankunft

Zeit des Einlebens

Fortbewegung

Von Eseln und Windmühlen

Abendstimmungen

Wettrennen am Strand

Knossos

Der Sturz und die Ohrfeige

Abschied und Tanz

(IV) In der Mitte Europas

Amsterdam und mehr

Harry und das Reisefieber

Zehn Tage Amsterdam

Der besondere Geschmack der Briten

Eine Lektion in Puritanismus

Die Versuchung auf einer Tapete

Musik in der Brandung

Porträts und Quellen des Genusses

Unfälle und Verhaftungen

Die eisernen Freunde

Begegnung mit dem Teufel

„Die Kraft des Geistes“

Ausklang

Conny und die Bretagne

Holland zu Ostern

Grachten-Romantik und Kunst

Die Suche nach einer Pension

Gespräche der besonderen Art

Der Krake

Haarlem

Im Vondel-Park

Stimmungen und Eindrücke am Leidseplain

Seeluft und Abreise

Die Radtour um den Bodensee

In der Provence

(V.) Im Fernen Osten

Russland-Tagebuch (1999)

Der Rote Platz

Die Tretjakow-Galerie

Aufbruch zur Wolga

Auf dem größten europäischen Strom

Wolgograd

Die russische Französisch-Lehrerin

Astrachan

Gegen den Strom

Saratow

Spiele an Deck und Neptun-Spiele am Wasser

Tschuwaschken

Abschied von der „Friedrich Engels“

Wladimir

Susdal

Skizze zu den Erkundungen

Über Länder im Umkreis Europas schreibe ich. Erlebnis, Erfahrung und Abenteuer auf Reisen in mehr als dreißig Jahren wird abgebildet und reflektiert. Einheimische und Freunde, Kultur und kritische Situation stehen im Mittelpunkt.

Das Land „Marokko“ (1972) zurzeit der Hippie-Bewegung gibt Einblicke in arabisches Leben.

„Amsterdam und mehr“ (1974) bildet eine teils dramatische Geschäfts- und Erlebnis-Reise ab.

Abenteuerlich verläuft (1978) anfangs die Reise unter Studenten nach „Griechenland“ bis Attika. Dem Aufstieg des Olymps folgen die Insel-Paradiese Paros und Naxos. Von Athen aus erlebe ich die Heimreise in einem Freak-Bus.

Mit Erika und Sohn Jan sind wir (1987) nach „Portugal“ unterwegs und jeden Tag am Atlantik.

„Kreta“ erkunde ich (1991) mit Freundin Sonja.

1999 ergibt sich eine Einladung nach Moskau auf eine Wolga-Fahrt von Gorki bis Astrachan („Russland-Tagebuch“), später nach Wladimir und Susdal. Zwischen großen Reisen liegen viele Urlaube nach „Italien“ und „Holland zu Ostern“.

(I) An der Grenze Europas

Marokko

1972 führte mich eine erste größere Reise gleich auf einen anderen Kontinent. Die Lehrzeit an einer Großbank in Berlin verlief öde. Interessanter gestalteten sich Kontakte mit einem Studenten an der Hochschule für Bildende Künste, Mick, und einem Aussteiger aus der Bürgerlichkeit, Dirk Ruth, ein Typ aus Berlin-Schöneberg. Sein Abbruch der Schule kurz vor dem Abitur und später weg von einer Kunst-Schule, die „seine Fähigkeiten verdorben hätte“, irritierte mich. Zum Beleg seiner Gründe zeigte er mir Fotos von Arbeiten vor der Ausbildung und danach, deren Unterschiede aber nicht erkennbar waren. Dirk legte sich auf ein neues Leben fest. Von Anfang an nahm mich seine Ausstrahlung, souveränes und gelassenes Auftreten gefangen. Etliche Einschätzungen konnte ich teilen, wenn sie mir auch oberflächlich vorkamen. So würde ich – um ein Beispiel zu nennen – „die Plastiktüte“ nicht „als die Erfindung des Jahrhunderts“ bezeichnen.

Heutige Folgen der Umweltverschmutzung ließen sich aber damals nicht absehen. In seiner Wohnung (Schöneberg) hörten wir meistens Musik von Bob Dylan auf Tonband. Es waren Abende mit Tee, Freunden und guter Stimmung, begleitet von Drogen, die er sich in Szene-Lokalen beschaffte. Ein Dealer, der erwischt wurde, tat ihm nicht leid; den Besuch bei der örtlichen Polizei und mündlich formulierte Auflagen des Beamten wegen Drogenbesitzes absolvierte er gelassen.

Dirk veranlasste mich nach einiger Zeit unter dem Motto „Etwas für meine Entwicklung tun“, einen Antrag auf Urlaub bei der Ausbildungsleitung meiner Bank zu stellen, notfalls mit der Drohung zu kündigen. Ich tat es mit Nachdruck, stieß natürlich auf Unverständnis, bekam ihn aber schließlich. Es sollte aber noch eine Weile dauern. Inzwischen lernte mein WG-Partner ihn bei einem Besuch kennen.

Das Schweifen in die Ferne

In West-Berlin ist es im Februar 1972 kalt. Oft lief sein Fernseher ohne Ton, man sah arabische Welten und wir wollten dem Winter in den Süden entkommen. Ulli, mein Mitbewohner in unserer Kreuzberger WG, reist also mit Dirk, seiner Freundin Gabi und Mick, dem Kunststudenten, noch vor mir in die Carmargue (Südfrankreich) und weiter nach Marokko. Aus dem Urlaub schrieb er bewegt eine Postkarte: „Dirk und Gabi in Ceuta gelassen. Kein Paß. Marokko nach drei Anläufen geschafft. Dufte Leute getroffen. Liege am Strand, höre Brahms und bin unheimlich froh. Bin bald zurück. Dann mehr.“ Nach seiner Rückkehr will/soll er mich – wohl auf Geheiß von Dirk –, schnell nach Aachen bringen. Inzwischen kehrte er heim, erzählte aber nicht viel. Ich sollte meine eigenen Erfahrungen machen.

Wir verabschieden uns bald nach einer von heftigem Regen und hohem Tempo geprägten Fahrt in seinem Fiat 128 nach Aachen, ich fahre mit dem Zug nach Paris weiter. Am Bahnhof lerne ich eine Französin kennen. Sie klärt mich über teure Hotels auf oder die Alternative, wie ein Clochard unter einer Brücke schlafen zu müssen. Wir können uns auf Englisch verständigen und sie gewährt mir schließlich ein Nachtquartier bei sich. Etwas überrascht bin ich schon von ihrer Nische unter einer Dachschräge mit bloßen Ziegeln. Es wurde trotzdem gemütlich bei Tee und Kerzenschein. Sie bot mir einen Schlafplatz vor ihrem Bett an, ein ungemütlicher Ort wegen des Zementbodens. Dort halte ich es aber wegen der Härte und Kälte in einem amerikanischen Schlafsack ohne Isomatte nicht lange aus. Enger Körperkontakt in ihrem Bett führt schließlich – nach einigen Widerständen – zu einem Akt der Hingabe. In einer Zeit freizügiger Liebe war man nicht sparsam. Am nächsten Morgen gibt es ein kurzes Frühstück, sie begleitet mich rechtzeitig zum Bahnhof und bezeichnet mich als einen „good guy“. Ich setze die Reise im Zug nach Madrid fort.

In aller Frühe durchquert der Zug die Pyrenäen. Morgenröte erleuchtet den Tag und herrlicher Nadel- und Laubwald prägt bergige Landschaft. Je mehr sich Madrid nähert, desto karger wird die Vegetation. Ab und zu sieht man einen Schäfer mit Kapuzenmantel, großem Hirtenstock und seiner Herde.

In der spanischen Hauptstadt gibt es ein freudiges Wiedersehen mit Dirk und Gabi an der Deutschen Botschaft. Sie haben einen neuen Pass erhalten.

Eine Reise in andere Welten

Von Madrid nach Algeciras bietet Dirk uns eine stärkere Droge an, um die lange Nacht in einem kalten Zug erträglich zu gestalten. Wir gehen auf einen Trip mit einer chemischen Droge (LSD). Sie löst einen Streifzug durch eine Welt von schnell wechselnden farbigen Eindrücken, von Ornamenten und Strukturen aus, die ohne Ende aus einem Zentrum im Gehirn hervor zu quellen scheinen. Gute Gefühle, aber auch Ängste treten auf. Beruhigend ist das Spiel mit zwei Messingschellen, die man an Gummis über Daumen und Zeigefinger zieht und rhythmisch aneinander schlägt. Wenn ich im Spiel hektisch werde, kommt Dirks Bemerkung herüber: „Keep cool“.

Draußen ziehen in nächtlicher Einsamkeit Kleinstädte, Bahnhöfe und Landschaften vorüber, während das Holpern über Eisenbahnschienen uns ständig begleitet. An Bahnhöfen gehe ich schon einmal auf den zugigen Gang. „Draußen laufen die Bäume vorbei“, teile ich mit und erheitere meine Mitreisenden. Es heißt später in der Drogensprache, ich sei „gut drauf gewesen“. Die Kälte im Abteil – wir sitzen in Schlafsäcke gehüllt – beeinträchtigt aber ein dauerhaft gutes Gefühl.

In einem anderen Abteil des Zuges entdeckt Dirk eine einsame junge Reisende. Wie wir erfahren, will sie einen Freund in Marokko besuchen. Sie gesellt sich zu uns. Nach einer langen, halb durchwachten Nacht kommt der Zug endlich im spanischen Algeciras ans Ziel.

Am Kai warten wir auf die Schiffspassage. Dirk macht einer schönen Frau, die mit ihrem Begleiter schon auf das Schiff wartet, ein Kompliment. Viele Reisende des Zuges wollten nach Marokko, das Land ist in der Hippie-Bewegung der 70er Jahre angesagt. Die Seereise, eine Überfahrt bei frischer Brise durch die Straße von Gibraltar nach Ceuta – ‚zwischen den Säulen des Herakles‘ hätte man in der Antike gesagt –, dauert einige Stunden.

Im Ort, der eine Enklave von Spanien ist, suchen wir zunächst eine Adresse auf, die uns zu einem dänischen Pärchen führt. Sie sitzen hier fest aus Mangel an Geld für die Überfahrt. Gemeinsam wird gegessen, sie begleiten uns noch bis Tanger, um von hier die Rückreise anzutreten.

Kurz vor Marokko

Von Tanger wollen wir mit dem Bus über Rabat und Casablanca nach Marrakesch fahren, aber es gibt Probleme bei der Einreise. Reisende mit langen Haaren und wenig Geld sind nicht erwünscht. Beamte an der Grenze lassen uns nicht passieren und wir müssen aus dem Bus steigen. Nach langem Streit mit den Offiziellen – Dirk blieb zum Zeichen seiner Weigerung bestimmt eine Stunde lang im Haus der Grenzkontrolle auf einer Stelle stehen, die Arme in seine Jackenärmel verschränkt – und nach erfolglosem Protest ziehen wir ab.

Abends sitzen daher alle beim Friseur, der die Haarpracht kürzt. Noch eine Nacht in einem Hotel-Zimmer, dann überqueren wir früh am Morgen die Grenze – demonstrativ und souverän mit einem bestellten Taxi.

Casablanca

Den ganzen Tag über dauert die Busfahrt zur Hafen-Stadt, unterbrochen von einigen Pausen auf engen Sitzen, umgeben von Einheimischen. Dirk freundet sich mit einem jungen Araber an, „ein Führer“ wie Gabi später meint, der arabische Preise kennt und verhindern kann, dass wir übers Ohr gehauen werden.

In Casablanca angekommen, ziehen wir die Übernachtung in einem gekauften Beduinenzelt (75 DM im Preis) einer teuren Übernachtung im Hotel vor. Am Atlantik ist es feucht und erfrischend. Das zugige, unten offene Zelt nahe am Meer bei leichter Brandung gewährt nur mäßig guten Schlaf. Das Zeltdach mit seinem Gestänge behält am Ende unser Führer. Von ihm lernen wir einige arabische Zahlen und Preise. Dirk verständigt sich in spanischer Sprache.

Casablanca ist architektonisch eine geteilte Stadt, besteht im europäischen Teil aus Villen mit Palmen, großen Straßen und Gebäuden. In die eng gebaute Stadt der Mohammedaner bekommen wir keinen Einblick.

Um Marrakesch zu erreichen und Geld zu sparen, soll getrampt werden. Zu dritt sei es nicht günstig, meint Dirk, sodass eine vorübergehende Trennung nötig wird. Jetzt bin ich auf mich allein gestellt, wandere und fahre an die Stadtgrenze und halte meinen Daumen in den Wind. Es kommen Militär-Fahrzeuge vorbei, alle halbe Stunde geht vom Atlantik herüber ziehend ein Regenguss nieder und die wenigen Einheimischen halten auch nicht.

In der Nähe der Straße steht ein ärmliches spanisches Haus, umgeben von einer hohen Einfriedungsmauer. Spielende Kinder tauchen auf, ihre Mütter grüßen mich aus der Ferne. Am späten Nachmittag tritt auch der Hausherr mit einem Korb voller Lebensmittel in Erscheinung.

Die marokkanische Familie

Eine der Mütter holt mich schließlich von der Straße weg und man lädt mich ins Haus ein. Über eine kniehohe Mauer gelangt der Besucher ins Innere des Anwesens; in einem Nebenraum lagert auf dem nackten Lehmboden wiederkäuend eine Kuh mit langen spitzen Hörnern. Wohnräume sind schlicht weiß getüncht, auf dem Boden liegen Teppiche und Matten. Gespräche gestalten sich schwierig, da ich kein spanisch oder französisch spreche, allenfalls durch Lateinkenntnisse Wörter verstehe oder Bedeutungen erahne.

Der Patron hat offenbar zwei Frauen, eine fröhliche jüngere mit einem Kind und eine ältere mit fünf Kindern, die nicht so glücklich wirkt. Die Frauen bereiten ein appetitliches Mahl zu: Fisch mit Salat und Gemüse wird in Schalen auf dem Boden sitzend serviert. Vor dem Essen bekommt jeder heißes Wasser aus einer silbernen Kanne über die Hände gegossen. Man isst mit Fingern und die Speisen schmecken vorzüglich.

Der Hausherr lädt mich zur Übernachtung ein, weist mir einen Platz neben ihm im Schlafgemach zu. Das ist mir zwar nicht ganz recht, weil dafür eine Frau weichen muss, aber offenbar in patriarchalischer Gesellschaft gegenüber männlichen Gästen üblich. Am nächsten Morgen gibt es ein Frühstück mit Baguette-Brot, Butter und Honig. Ich werde zum weiteren Trampen ermuntert: Es wird schon jemand anhalten, bedeutet der Patron mir mit Zuversicht. Er möchte noch ein Kofferradio, das nicht mehr so recht funktioniert, reparieren lassen und mir auf den Weg mitgeben. Damit kann ich ihm aber nicht dienen mit meinem unhandlichen Gepäck.

Wieder stehe ich an der Straße. Als schließlich bis mittags immer noch kein Fortkommen per Anhalter in Sicht ist, löse ich eine Busfahrkarte nach Marrakesch.

Steppen, Oasen und viel Staub

Von gut beregneter und fruchtbarer Küstenregion stößt der Bus ins Landesinnere nach Marrakesch vor. Durch eine steppenhafte Landschaft mit Nomaden-Siedlungen von Berbern – hohen Zelten und Kamelen –, vorbei an Oasen geht es über staubige Straßen zur Stadt des Sultans. Der Bus ist, wie schon auf der Fahrt nach Casablanca, überfüllt mit Menschen in engen Sitzreihen. Das Gepäck, sogar lebende Hühner in großen Korbgeflechten, werden auf dem Dach verstaut. Die lange Busreise in größerer Hitze finde ich strapaziös. In den Pausen kommen meist blinde Bettler und bitten um ein Almosen. Ich versuche eine Unterhaltung mit einem arabischen Jungen, der mich kaum versteht. Schließlich ist die Königsstadt erreicht.

Marrakesch

Haine mit Apfelsinenbäumen, hellbraun getünchte neuere Architektur und Palmen prägen zunächst das Stadtbild. Dann hält der Bus in der Nähe von Palastanlagen und der Mohammedaner-Stadt mit einem größeren Basar.

Von dort herüber und zur späteren Herberge dringt rhythmische Musik auf afrikanischen Trommeln. Der Basar zieht abends alles Leben auf sich. Kinder sprechen mich in verschiedenen Sprachen an, auch auf Deutsch. Sie wollen Touristen durch die Gassen führen und ihnen alles zeigen. Ich folge einem etwa Zehnjährigen. Händler versuchen ständig, zum Kaufen zu animieren. Einmal wird mir sogar eine Djellaba, eine ärmellose Kutte aus Wolle, übergestülpt. Sie sind verärgert, als ich nicht kaufen will. Auch mein kleiner Führer ist nicht zufrieden, als ich ihn mit mehreren Dirham entlohne.

Der Basar hat traditionell Teppiche, Lederwaren und Stoffe zu bieten. Für Touristen kommen imitierte Waffen, Kleidung, Tonpfeifen mit geschnitzten oder gemusterten Holzstielen, Schmuck und Essbares hinzu. Wer kaufen will, muss handeln, Preise für Lebensmittel kenne ich zum Teil und bestehe darauf.

Musik und Tanz begleiten das geschäftliche Treiben. Ein arabischer Mann gibt eine merkwürdige abergläubische Vorstellung: Auf dem Boden sind ein Totenkopf und allerlei ausgefallene Gegenstände verteilt, die zu seiner Aufführung gehören. Junge artistische Schausteller führen Kunststücke auf engem Raum inmitten der Zuschauer vor. Auf seiner Flöte spielt ein Beschwörer vor einer aufgerichteten Klapperschlange, die auf Bewegungen reagiert.

Am Rande des Basars treffe ich meine Freunde wieder, die schon tags zuvor eingetroffen sind. Als Pärchen hatten sie es leicht, nach Marrakesch zu trampen. Wir tauschen uns aus und gehen gemeinsam – Bohnen mit Fleisch – essen. Auf Dirks Angebot ziehe ich in ihre Herberge um und wohne wieder in ähnlichen Verhältnissen, einem schlichten Raum mit ausgelegten Matten und einer Tür, während die beiden in der ersten Etage ein Zimmer mit Bett und Fenster bewohnen, zu der Gang und Geländer am Innenhof führen.

Die Tage vergehen bei mir teilweise mit Lektüre von Hermann Hesse, seinem „Glasperlenspiel“, – das Buch hatte mir Dirk geliehen –, wenn ich mich zurückziehen möchte. Nachmittags halten wir uns im Freien auf bei Pfefferminztee aus frischer Minze und Gesprächen am Rande des Basars oder auf dem offenen Dach des Hauses.

Mittlerweile gehört auch der Gang zur Post zu unserer täglichen Gewohnheit. Wir haben Geld aus Berlin angefordert, wie vereinbart, falls finanzielle Not aufkommen sollte. Später erfahre ich, dass der Brief eine Woche lang im Briefkasten schmorte, bevor er entleert wurde.

In den Herbergen fasziniert mich so mancher aus Amerika oder Kanada stammende Hippie, braun gebrannt, mit Lederbändern, Perlenketten und Silber um den Hals oder an Handgelenken, der Mode der Zeit entsprechend.

Dirk kommt leicht in Kontakt, zumal er sprachlich begabt ist. Von verschiedenen Leuten leiht er sich Geld, während ich auf Nachfrage von Marokkanern Winterkleidung, Strickjacke und Pullover, verkaufe. Im sommerlich heißen Marokko ist sie im Monat März zu entbehren.

Es wird Marihuana geraucht. Genug Angebot dafür findet sich auf dem Basar. Ein junger Einheimischer bietet mir eine kleine Tonpfeife mit „grass“ an, lässt mich zur Probe ziehen. Mir wird fast schwindelig von der starken Wirkung. Für acht Dirham, ein paar Mark, überlässt er mir beides. Später kommt er wieder und will alles zurück kaufen.

Der arabische Volksvertreter

In unserem Umkreis befindet sich auch eine Dänin. Durch einen Bekannten von ihr erfahre ich, dass sie von einem Parlamentsabgeordneten zum Essen eingeladen wurde. Da sie sich nicht allein dem Araber überlassen möchte, will sie zwei Begleiter zu ihrem Schutz mitnehmen. Auf der Fahrt mit einem großen, hydraulisch gefederten Citroen in Richtung Süden grüßt der Volksvertreter die Landsleute seines Bezirks auf den Straßen und spricht auch mit ihnen. Bald gelangen wir zu einem Hotel im Atlasgebirge, dessen Besitzer er zu sein scheint. Dort werden wir zum Essen eingeladen. Wir können uns über die Bewirtung nicht beklagen. Unser Gönner hat zwei Begleitpersonen in Kauf genommen, um ein Ziel zu erreichen: Nach dem Essen will er mit der Dänin tanzen, das lässt sie auch zu. Als der Abgeordnete mehr und mehr auf Tuchfühlung geht, protestiert sie lautstark. Zum Freiwild wollte sie sich nicht machen lassen. Sie verlangt entschieden, nach Marrakesch zurück gefahren zu werden, lässt sich auch nicht beschwichtigen. Schließlich tut er ihr und uns den Gefallen. Die Rückfahrt gestaltet sich