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Star-Ballerina Sofia lässt sich bloß auf eine Scheinverlobung mit Milliardär Quinn McNeill ein, um ihrem verkupplungsfreudigen Vater zu entkommen. Denn sie liebt nichts so sehr wie ihre Freiheit! Dumm nur, dass Quinns feurige Küsse diese sinnliche Sehnsucht wecken …
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Seitenzahl: 189
IMPRESSUM
Die feurigen Küsse des Milliardärs erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2017 by Joanne Rock Originaltitel: „The Magnate’s Mail-Order Bride“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe COLLECTION BACCARABand 392 - 2018 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Brigitte Marliani-Hörnlein
Umschlagsmotive: Harlequin Books S.A., Hrecheniuk Oleksii / Shutterstock
Veröffentlicht im ePub Format in 06/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733717490
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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„Kein Wunder, dass ihrer Performance die Leidenschaft fehlt. Hast du Sofia jemals mit einem Mann gesehen?“
Normalerweise lauschte Sofia Koslov nicht. Doch jetzt, auf dem Weg von der Küche des Gulfstream Jets zu ihrem Sitz, blieb sie bei den geflüsterten Worten abrupt stehen.
Sofia, Solotänzerin beim New York City Ballet, hatte letzte Woche ein kurzes Engagement mit kleinem Ensemble in Kiew übernommen. Für den Rückflug in die Vereinigten Staaten hatte ihr wohlhabender Vater seinen Privatjet zur Verfügung gestellt. Ihre Kolleginnen hatten das Angebot nur zu gern angenommen, doch offensichtlich hatte ihr diese Großzügigkeit keine neuen Freunde eingebracht. Im Gegenteil. Sie war im Ensemble eine der am schnellsten aufgestiegenen Tänzerinnen und hatte recht bald die Kehrseite des Erfolgs kennengelernt: den Neid.
Sie drückte die zerlesene Ausgabe des Sommernachtstraums gegen die Brust und spähte zum Sitz ihres Vaters vorn im Jet. Sie war dankbar, dass er noch in einer geschäftlichen Telefonkonferenz steckte. Vitali Koslov hatte das Ensemble auf die Reise in die Ukraine, sein Geburtsland, begleitet. Er hatte die seltene Zeit mit seiner Tochter genutzt, um Druck auf Sofia auszuüben. Sie sollte endlich heiraten und ihm Enkel schenken, die vielleicht mehr Interesse an der Übernahme seines Imperiums zeigten, als sie es tat.
„Das ist nicht fair, Antonia“, sagte eine der anderen Tänzerinnen und machte sich nicht einmal die Mühe, die Stimme zu senken. „Keine von uns hat Zeit für andere Menschen übrig während der Spielzeit. Ich hatte das ganze Jahr über keinen Lover. Macht mich das leidenschaftslos, wenn ich auf der Bühne stehe?“
Sofia mahnte sich weiterzugehen, bevor der Pilot für die Landung zum Anschnallen aufforderte. Doch sie blieb wie angewurzelt stehen. Sie blickte auf das Buch und tat, als würde sie die Notizen zu ihrer Rolle als Titania studieren, falls sie jemand bemerken sollte.
„Aber Sofia gehört seit der Ballettschule zum Ensemble, und haben wir je ihren Namen in Verbindung mit einer Romanze gehört?“ Antonia Blakely war zeitgleich mit Sofia in der Ballettschule gewesen. „Ihr Dad scheint auch der Meinung zu sein, dass sie zu einer vertrockneten alten Schachtel wird, denn … Stellt euch vor.“ Antonia legte eine theatralische Pause ein. Auch in ihrer Karriere vertraute sie mehr auf geschickte Zurschaustellung als auf technisches Können. „Ich habe gehört, wie ihr Vater mit einer Partneragentur gesprochen hat, die er beauftragt hat. Einer Agentur, die vor allem auf Hochzeiten spezialisiert ist.“
Sofia hatte ein flaues Gefühl im Magen, obwohl der Jet noch gar nicht mit dem Landeanflug begonnen hatte. Mehr als ein Jahr lang hatte sie sich den Bemühungen ihres Vaters widersetzt, eine Partnervermittlung in Anspruch zu nehmen. Aber es stimmte – er hatte den Druck während ihres Besuchs in der Ukraine erhöht, hatte darauf beharrt, dass sie an ihre Familie und ihre Wurzeln dachte.
Während es mit ihrer Karriere bergauf ging, war eine Hochzeit definitiv nicht auf ihrem Radar. Ihr Dad würde doch nicht ohne ihre Zustimmung eine Agentur beauftragen? Ihr Blick wanderte wieder zu dem stolzen Milliardär, der ein Vermögen gemacht hatte, indem er seinem Bauchgefühl vertraut und nicht eine Sekunde an sich gezweifelt hatte.
Natürlich würde er das tun.
„Wirklich?“, fragte eine der anderen Tänzerinnen. „Eine private Kupplerin?“
„Natürlich. Reiche Leute nutzen nicht dieselben Online-Dating-Webseiten wie wir. Sie haben ihre eigenen.“ Antonia sprach mit einer nervigen Überheblichkeit. „Wenn Papa Koslov seinen Kopf durchgesetzt hat, dann wartet am Flughafen jetzt schon ein reicher, heiratswilliger junger Mann auf seine kostbare Tochter.“
Sofia legte die Hand an den Mund, um einen entgeisterten Aufschrei und eine Handvoll Flüche zu unterdrücken. Zum einen war sie nicht reich. Ihr Vater mochte einer der reichsten Männer der Welt sein, aber das bedeutete nicht zwangsläufig, dass sie ebenfalls reich war. Bis zum Tod ihrer Mutter – Sofia war damals gerade dreizehn Jahre alt gewesen – hatte sie nicht eine einzige Nacht unter dem Dach ihres Vaters verbracht. Sie war dem Vorbild ihrer Mutter gefolgt und hatte schon vor langer Zeit in finanziellen Dingen eine Grenze gezogen und seine Unterstützung abgelehnt. Ihr Vater setzte Geld mit Macht gleich, und sie würde ihn nicht über ihr Leben bestimmen lassen. Das Ballett war ihre Rebellion – ihre Entscheidung, die Kunst über den allmächtigen Dollar zu stellen.
Ihr Vater wusste, dass er keinen Einfluss auf ihre Entscheidungen hatte. Nicht einmal Vitali Koslov war so vermessen, ihr vor zwanzig Kolleginnen einen möglichen Heiratskandidaten zu präsentieren. Nicht nach anstrengenden Auftritten in Übersee und neun Stunden in der Luft über sieben Zeitzonen hinweg. Oder?
Ein Klingelton riss sie aus ihren Gedanken. Sie blickte sich um und merkte schnell, dass der Ton aus ihrer Tasche kam. Ihr Handy. Offensichtlich hatte sie es nicht ausgeschaltet.
Sofia eilte zu ihrem Sitz und schnallte sich für die Landung an. Sie checkte die SMS, die sie bekommen hatte, während der Pilot die üblichen Anweisungen vor der Landung gab.
Ihre beste Freundin Jasmine Jackson war in der Öffentlichkeitsarbeit tätig und hatte zugestimmt, Sofia in diesem Jahr bei einer PR-Initiative zu unterstützen. In Jasmines SMS ging es um das Interview, das Sofia dem Magazin Dance versprochen hatte.
Reporterin und Kamerafrau werden am Terminal sein, um deine Ankunft zu filmen. Du musst aussehen, als kämst du von einer erfolgreichen Welttournee! Frisch dein Make-up auf, und keine Yogahose, bitte.
Panik ergriff Sofia bei dem Gedanken, sich ausgerechnet jetzt mit der Presse zu treffen, wo sie erschöpft war und verärgert über die Kommentare der anderen Tänzerinnen. Dennoch nahm sie ihre Reisetasche und suchte darin nach ihrem Kosmetiktäschchen, um Jasmines klugen Rat zu befolgen. Es war gut möglich, dass Antonia das Gespräch ihres Vaters falsch interpretiert hatte. Er mochte selbstherrlich und anmaßend sein, aber er wusste von dem Interview. Sie hatte ihm erzählt, dass eine Journalistin sie möglicherweise am Flughafen treffen wollte. Er würde sie nicht absichtlich in Verlegenheit bringen.
Oder doch? Wollte er einen Streit mit ihr verhindern, indem er sie mit einem Mann überraschte, während die Kamera lief?
Unmöglich. So weit würde selbst er nicht gehen. Sie hatte bereits den Lipgloss aufgedreht, als noch eine SMS von Jasmine kam.
VORSICHT – die Kamerafrau arbeitet freiberuflich für die Klatschpresse. Ich mache mir natürlich keine Gedanken um dich, aber vielleicht solltest du die anderen Tänzerinnen warnen. Viel Glück.
Der Jet setzte mit einem Ruck auf der Landebahn auf. Sofia fiel fast das Handy aus der Hand. Sie drehte den Lipgloss wieder zu, wohl wissend, dass kein Make-up der Welt die bevorstehende Katastrophe hätte verdecken können. Wenn Antonia recht hatte, was die Pläne ihres Vaters betraf, und irgendein Klatschreporter den daraus resultierenden Streit zwischen Sofia und ihrem Vater einfing – die Folgen wären schrecklich. Das würde alles gefährden, wofür sie gearbeitet hatte.
Der berühmte Choreograf Idris Fortier war diese Woche in der Stadt mit seinem neuesten Werk, das in New York uraufgeführt werden sollte. Sofia würde für eine Hauptrolle vortanzen – so wie alle anderen Frauen in dem Flieger auch. Der Konkurrenzkampf könnte schrecklich werden und in Bösartigkeiten ausarten.
Vielleicht war es bereits passiert.
Sie wappnete sich für das, was auch immer im Terminal geschehen würde, und holte tief Luft, um ihren rasenden Herzschlag zu beruhigen. Vorgewarnt war gewappnet, richtig? Sie sollte froh sein, dass sie dank ihrer tratschenden Kolleginnen von dem Plan ihres Vaters wusste. Vor laufender Kamera durfte sie sich nicht den kleinsten Fehler leisten. Sie konnte später mit ihm streiten, wenn sie allein waren. Sie würde diesen PR-Termin nicht verpatzen und sich dadurch die Chance nehmen, eine Haupttänzerin in dem neuen Idris-Fortier-Ballett zu werden.
Sie würde dies als Performance betrachten, und sie würde es schaffen − egal, welche Überraschungen die öffentliche Bühne zu bieten hatte. Das war ihr Job, verdammt.
Und dieses Mal würde niemand sagen, dass ihrer Darbietung die Leidenschaft fehlte.
„Mach nichts Unüberlegtes, nur weil du sauer bist.“ Quinn McNeill versuchte, vernünftig mit seinem jüngsten Bruder zu reden, als er neben ihm zum Terminal des größten Privatflughafens in der Nähe von Manhattan lief. Sie waren zusammen vom Büro der McNeill Resorts im Stadtzentrum zum Terterboro Airport gefahren, auch wenn Quinns Flug zu einem Treffen mit möglichen Investoren in Osteuropa erst in einigen Stunden ging. Er hatte seine Nachmittagstermine abgesagt, um seinen Bruder Cameron zur Vernunft zu bringen.
„Ich bin nicht sauer.“ Cameron breitete die Arme weit aus. „Sieh mich an. Sehe ich aus, als wäre ich sauer?“
Mit seinem gezwungenen Lächeln sah er so aus, ja. Als Quinn nichts sagte, fuhr Cameron fort: „Ich lasse zu, dass Gramps mein Leben bestimmt und mich wie eine Schachfigur hin und her schiebt, damit ich eines Tages einen Anteil am Familienunternehmen erben kann. Was ich eigentlich nicht will, aber er hat uns Loyalität eingebläut und dass kein anderer als ein McNeill die McNeill Resorts leiten soll.“
In der letzten Woche waren Quinn, Cameron und ihr Bruder Ian in die Kanzlei des Anwalts ihres Großvaters bestellt worden. Bei dem Termin wurde das geänderte Testament des alten Herrn erklärt, wonach der Weltkonzern zu gleichen Teilen aufgeteilt werden würde. Die Neuigkeit an sich barg keine Überraschung, denn das hatte der Patriarch schon vor Jahren versprochen und sie auf ihre Rollen in seinem Unternehmen vorbereitet, auch wenn jeder von ihnen seine eigenen geschäftlichen Interessen weiterentwickelt hatte. Malcom McNeills einziger, leider etwas phlegmatischer Sohn hatte kurzzeitig das Ruder übernommen und sich als unfähig erwiesen, sodass der alte Herr entschieden hatte, die nächste Generation als Erben einzusetzen.
Der Haken an der Sache war, dass jeder von ihnen seinen Anteil nur bekam, wenn er verheiratet war. Und sollte die Ehe nach weniger als zwölf Monaten enden, würde der Anteil zurück in die Erbmasse fallen.
Aus einer übertriebenen Loyalität heraus schien Cameron bereit zu sein, den Bund der Ehe mit einer Frau zu schließen, die er online aus einem Angebot an heiratswilligen ausländischen Frauen ausgewählt hatte und die er bisher nicht kannte. Entweder das oder er hoffte, dass sein wahnwitziger Gang zum Altar ihrem Großvater bewusst machen würde, was für eine schlechte Idee diese neue Klausel war, und dass er sie wieder strich.
Quinn hingegen würde abwarten. Der alte Mann war bei guter Gesundheit. Und er hatte praktischerweise gleich nach dem Treffen bei seinem Anwalt eine Reise nach China angetreten, was eine Diskussion mit ihm in den nächsten Wochen unmöglich machte.
„Cam, sieh es doch mal so. Wenn es Gramps wirklich wichtig wäre, dass das Unternehmen in der Hand der Familie bleibt, dann hätte er diese neue Klausel nicht hinzugefügt.“
„Gramps wird nicht ewig leben.“ Cameron hob die Stimme, als ein Jet über sie hinwegdonnerte. „Dieses Testament mag abstrus sein, aber es ist trotz allem ein legales Dokument. Ich möchte nicht, dass das Unternehmen irgendwann versteigert wird und irgendein Investor es sich schnappt.“
„Das will ich auch nicht. Stattdessen will ich versuchen, den sturen alten Herrn davon zu überzeugen, dass erzwungene Ehen die Stabilität im Unternehmen mehr gefährden als alles andere.“
„Wer sagt, dass meine Ehe nicht funktioniert? Es könnte der richtige Weg sein, einen Heiratsvermittler einzuschalten. Allein habe ich Mrs. Right bisher schließlich nicht gefunden.“
Cameron galt als Playboy. Er war ein Charmeur und ging mit den schönsten Frauen der Welt aus.
Quinn schüttelte den Kopf. „Sag nicht, dass du je nach einer ernsthaften Beziehung gesucht hast.“
„Ich will keine Frau, die nur ihre eigenen Interessen verfolgt.“ Cameron zog ein finsteres Gesicht. „Ich lerne zu viele Frauen kennen, die nur danach schauen, was ich für sie tun kann.“
„Das könnte bei dieser Frau doch genauso sein. Vielleicht bist du ihr Ticket zu einer unbefristeten Aufenthaltsgenehmigung in den Vereinigten Staaten.“ Sie kämpften sich durch eine kleine Gruppe Geschäftsleute, die lachend aus dem Flughafengebäude kamen. Quinn hielt seinem Bruder die Tür auf. „Was weißt du eigentlich über deine Braut? Du hast bisher kein Wort mit ihr gewechselt. Spricht sie überhaupt Englisch?“
„Ich weiß, dass sie Sofia heißt und aus der Ukraine kommt. In ihrem Profil steht, dass sie heiratswillig ist. Genau wie ich.“ Cam zog sein Smartphone aus der Tasche und hielt es Quinn unter die Nase. „Das ist sie.“
Auf dem Display war eine außergewöhnlich hübsche Frau zu sehen. Ihre Gesichtszüge entsprachen dem osteuropäischen Schönheitsideal: hohe Wangenknochen und geschwungenen Augenbrauen, die ihr ein stolzes Aussehen verliehen. Sie hatte graue Augen und blonde Haare. Die Schultern waren nackt, und sie trug eine Fülle von Perlenketten, was dem Foto einen professionellen Eindruck verlieh.
Quinn hatte das Gefühl, sie schon mal irgendwo gesehen zu haben. War sie ein Model?
„Das ist vermutlich ein Foto aus irgendeinem Magazin, das sie als ihres ausgegeben hat. So eine Aufnahme ist nicht billig. Und hast du einen Privatflug für die Frau bezahlt, damit sie kommt?“ Nicht dass es ihn etwas anging, was sein Bruder mit seinem Geld machte. Aber verdammt.
Selbst Cameron fand das übertrieben.
„Nein, natürlich nicht. Sie hat den Flug selbst arrangiert. Oder vielleicht die Heiratsvermittlerin.“ Er zuckte mit den Schultern, als spiele es keine Rolle, aber offensichtlich hatte er überhaupt nicht darüber nachgedacht. „Außerdem kommt sie aus der Ukraine.“ Er zog das Wort in die Länge. „Ich dachte, sie könnte mir beim Kauf von Immobilien in Osteuropa eine Hilfe sein. Es ist immer gut, wenn man jemanden hat, der die Sprache spricht. Vielleicht überlässt Gramps mir ja auch die Umgestaltung der Hotels, sobald ich den Ehetest bestanden habe.“ Er sagte das mit absolut ernstem Gesichtsausdruck.
Das konnte nur ein Scherz sein. Gleich würde Cameron sagen „Zum Teufel hiermit!“ und gehen. Oder lachen und gehen. Aber er würde nicht irgendeine Fremde begrüßen und ihr einen Antrag machen.
Quinn legte die Hand auf die Brust seines Bruders und zwang ihn, einen Moment stehenzubleiben.
„Versuch nicht, mir diese behämmerte Idee als praktisch zu verkaufen.“ Sie sahen sich einen Moment an, dann ging Cameron weiter, den Blick auf die Landebahn gerichtet.
Quinns Blick fiel auf eine Handvoll Reisende, die in der Nähe der Zollstation aus einem Flugzeug stiegen. Der Schal einer Frau schien sich im Handlauf der Fluggasttreppe verfangen zu haben.
„Das könnte sie sein.“ Cameron sah ebenfalls zu der Frau hinüber. „Ich hätte Blumen mitbringen sollen.“ Er drehte sich um und lief zu einem Counter in der Nähe des Pilotenclubs, auf dem eine Vase mit exotischen Blumen stand.
Nur vage bekam Quinn mit, wie Cameron auf seine charmante Art eine Dame vom Bodenpersonal bat, ihm ein paar Orchideen zu verkaufen. Quinns Aufmerksamkeit galt der Frau, die den pinkfarbenen Schal gerade vom Handlauf löste. Auch wenn eine große Sonnenbrille die Hälfte ihres Gesichts verdeckte, ähnelte sie mit dem blonden Haar und dem Schmollmund der Frau auf dem Foto. Etwa zwanzig weitere Passagiere stiegen aus dem Flugzeug, fast alle junge Frauen.
Die Sorge um seinen Bruder machte Quinn misstrauisch. Der Reisebegleiter der Frau war ein aalglatt wirkender Mann, alt genug, um ihr Vater zu sein. Er streckte die Hand aus, um ihr die Treppe hinunterzuhelfen. Die Frau war sehr zierlich und bewegte sich ausgesprochen anmutig. Als wäre sie es gewohnt, im Mittelpunkt des Interesses zu stehen.
„Die ist ja winzig.“ Cameron stand wieder neben Quinn.
Quinns Gehirn arbeitete auf Hochtouren, als er versuchte, die Teile zu sortieren, die nicht passten. Es musste schnell gehen, bevor die zukünftige Mrs. McNeill den Zoll passierte.
„Wer macht euch miteinander bekannt?“ Quinns ungutes Gefühl verstärkte sich von Sekunde zu Sekunde. „Ich hoffe, deine Heiratsvermittlerin hat eine angemessene Vorstellung arrangiert.“ Er sollte besser die Notizen für sein Meeting heute Abend durchgehen, statt sich Gedanken darüber zu machen, wer seinen idiotischen Bruder mit einer Heiratsschwindlerin bekannt machte.
Schon oft hatte Cameron mit einer impulsiven Entscheidung Probleme heraufbeschworen, war dann einfach gegangen und hatte die Schadensbegrenzung anderen überlassen.
„Niemand.“ Cameron zuckte mit den Schultern. „Sie hat mir nur eine SMS geschickt, wann ich am Flughafen sein soll.“
„Cam, lass es sein. Finde zumindest erst einmal heraus, wer sie wirklich ist, bevor du mit ihr zum nächsten Friedensrichter eilst.“ Sie beobachteten, wie die Frau die Sonnenbrille abnahm, als sie mit dem Zollbeamten sprach. Ihr Reisebegleiter wich ihr nicht von der Seite.
„Sofias Foto zumindest ist echt. Die Frau sieht umwerfend aus.“ Camerons Urteil klang so leidenschaftslos und distanziert, als ginge es um ein Gemälde für eines seiner neuen Hotels.
Quinn gelang es dagegen nicht, gleichgültig zu bleiben. Die Frau hatte etwas Faszinierendes an sich. Sie war eine zarte Schönheit, ihre Körperhaltung und der anmutige Gang strahlten Selbstsicherheit aus. Frustriert stellte er fest, dass ihn Camerons zukünftige Braut magisch anzog.
Cameron schob seinen Bruder zum Gate. „Gib es zu, Sofia ist genau wie beschrieben.“
Bevor Quinn etwas sagen konnte, näherten sich zwei Frauen den Türen. Beide trugen Namensschilder um den Hals, eine hielt eine professionell wirkende Kamera in den Händen.
Reporterinnen?
Cameron hielt den beiden die Tür auf und folgte ihnen nach draußen.
Und wie bei einer Katastrophe, bei der man nicht wegsehen kann, beobachtete Quinn, wie Cameron die zierliche Ukrainerin mit dem Blumenstrauß und – Quinn traute seinen Augen nicht – einer edlen Samtbox charmant begrüßte. Die Kamerafrau schaffte es gerade noch, das Bild in den Kasten zu bekommen.
Quinn eilte zu seinem Bruder, wusste aber, dass er zu spät kam. Hatte Cameron eine Freundin von der Presse angerufen? Wollte er, dass die Geschichte gefilmt wurde, damit ihr Großvater davon hörte? In welches Chaos auch immer Cam sich gerade hineinritt, Quinn hatte das Gefühl, dass er derjenige sein würde, der ihm wieder heraushalf.
Der kalte, trockene Winterwind wehte ihm ins Gesicht, als er Camerons Worte hörte.
„Sofia, ich habe den ganzen Tag sehnsüchtig darauf gewartet, meine Braut zu treffen.“
Sofia hatte sich innerlich darauf vorbereitet, auf einen Heiratskandidaten zu treffen. Doch sie hatte nicht mit einem Antrag gerechnet.
Sie hatte schon einiges durchgestanden: Sie hatte die Choreografien des weltberühmten George Balanchine getanzt, auf blutigen Zehenspitzen. Sie hatte bravouröse Pirouetten gedreht, immer in der Angst, vor dem Publikum zu stürzen. Doch niemals war sie so verunsichert gewesen wie jetzt, wo ihr dieser große, dunkelhaarige Mann gegenüberstand, der Blumen in der Hand hielt und … einen Ring.
Wie sie mit dieser Begegnung umging, würde entscheidend sein für ihre weitere Karriere als Balletttänzerin.
Sie hörte Antonia flüstern. Und kichern.
„Um Gottes willen, Mann, lassen Sie uns reingehen.“ Sofias Vater ergriff als Erster das Wort.
Nach außen hin bewahrte Vitali Koslov Haltung, doch Sofia kannte ihn gut genug, um die Überraschung in seiner Stimme herauszuhören. War es möglich, dass er so eine übereilte Aktion nicht vorhergesehen hatte, als er ohne Sofias Zustimmung eine Agentur beauftragt hatte? Je länger sie darüber nachdachte, desto wütender wurde sie. Wie konnte dieser fremde Mann es wagen, ihr in aller Öffentlichkeit einen Antrag zu machen?
Sie trat aus der Kälte in die warme Flughafenhalle. Wenn sie doch einfach hätte weiterlaufen können, bis zum Ausgang! Aber die Kamerafrau folgte ihr. Sofia musste die Situation in den Griff bekommen, bevor ein alberner Antrag den Fokus von der eigentlichen Geschichte in Dance ablenkte: ihrem Tanz.
„Ladies.“ Sie schenkte den Reporterinnen ein strahlendes Lächeln, verdrängte ihre Erschöpfung mit der eisernen Entschlossenheit, mit der sie auch siebenstündige Proben überstand. „Es tut mir ausgesprochen leid. Ich habe völlig vergessen, dass ich einen privaten Termin habe. Wenn Sie so freundlich wären, mir einen Moment Zeit zu geben?“
„Ach, aber das ist so eine gute Geschichte.“ Die schlanke, zierliche Reporterin war sicherlich eine ehemalige Tänzerin. Sie lächelte mit derselben Falschheit wie so viele von Sofias Kolleginnen – gespielte Nettigkeit vor einem bitterbösen Angriff. „Sofia, Sie haben in unserem Vorgespräch nicht erwähnt, dass es einen Mann in Ihrem Leben gibt.“
Die Kamera schwenkte zu dem Mann, der ihr gerade einen Antrag gemacht hatte, und zu dem noch attraktiveren neben ihm – ein weiterer dunkelhaariger, blauäugiger Fremder, der nicht ganz so groß war wie ihr Verehrer. Sie mussten verwandt sein. Die blauen Augen des zweiten Mannes waren dunkler, sein Blick offen und abschätzend zugleich. Er hatte breite Schultern und schien stark genug, um mehrere Ballerinen gleichzeitig hochzuheben. Mit Leichtigkeit.
Sie wandte den Blick von ihm ab und verdrängte den Gedanken. „Wenn ich ein paar Minuten mit meinem Freund unter vier Augen sprechen kann, dann können Sie mein Vortanzen für Idris Fortier filmen“, versprach Sofia der Reporterin, um die dringend benötigte Atempause zu bekommen. So wenig ihr daran gelegen war, dass das Vortanzen öffentlich dokumentiert wurde – vor allem, wenn sie es nicht schaffte, die Hauptrolle zu bekommen –, es war wichtig, dass die Kamera jetzt für einen Moment ausgeschaltet wurde.
Nach einem kurzen Blickwechsel mit ihrer Kollegin senkte die Kamerafrau die Kamera, und die beiden zogen sich zu einem Ledersofa in der Halle zurück. Die anderen Tänzerinnen standen indessen weiter um Sofia herum.
„Würden Sie uns kurz allein lassen, Ladies?“, bat Sofias Vater ihre Kolleginnen. Und auch wenn einige schmollten, so schlossen sie sich doch den Reporterinnen an und ließen Sofia und ihren Vater mit dem großen Mann und dessen gut aussehendem Begleiter allein.
Zu spät merkte Sofia, dass sie die Orchideen von dem Fremden angenommen hatte, ohne es wirklich wahrzunehmen. Sie konnte nur erahnen, wie die Szene auf den Fotos und dem Video der Kamerafrau aussehen musste.
Der Frau, die nebenberuflich als Paparazza arbeitete, wie Jasmine sie gewarnt hatte. Wie schnell würde die Geschichte die Runde machen?
„Sofia.“ Der große Mann beugte sich zu ihr. „Ich bin Cameron McNeill. Unsere Partnervermittlung hat dir doch gesagt, dass ich zum Flughafen komme?“ Selbst jetzt senkte er die Stimme nicht, auch wenn er verwirrt schien.
Sofia deutete auf eine Sitzgruppe, die weit entfernt von den anderen stand, doch der Mann bewegte sich nicht vom Fleck.
Sein Begleiter – er musterte sie immer noch mit diesem skeptischen Blick aus seinen blauen Augen – flüsterte ihm etwas ins Ohr. Mahnte er zur Vorsicht? Verstohlen blickte er auf sein Smartphone.
„Woher kenne ich Ihren Namen, McNeill?“ Ihr Vater hob herausfordernd das Kinn.