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Erst unendliche Leidenschaft, dann tausend Tränen: Nie wieder will Jessamyn so einen Liebeskummer erleben wie damals wegen Ryder Wakefield! Weit weg von ihm, in New York, ist sie mit einem erfolgreichen, berechenbaren Mann verlobt. Doch wegen eines Erbfalls muss sie zurück nach Colorado. Schon am Flughafen läuft ihr Ryder über den Weg! So unverschämt sexy und arrogant wie damals ist der reiche Rancher, und ihr Wiedersehen löst in Jessamyn eine verbotene Lust auf Liebe aus. Macht sie den größten Fehler ihres Lebens, wenn sie einen anderen heiratet?
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Seitenzahl: 201
IMPRESSUM
BACCARA erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
© 2022 by Joanne Rock Originaltitel: „One Colorado Night“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARA, Band 2263 11/2022 Übersetzung: Gabriele Ramm
Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 11/2022 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751509282
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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In Manhattan liefen Jessamyn Barclay nie verflossene Liebhaber über den Weg. Von allen fünf New Yorker Stadtteilen war es in Manhattan am leichtesten, den Menschen aus dem Weg zu gehen, die man nicht sehen wollte.
Seit nicht einmal zehn Minuten stand sie nun aber auf dem kleinen Flughafen Yampa Valley, immerhin das Tor zum Nordwesten Colorados, wenn man dem Schild glauben durfte, als ihr Blick auf den einen Mann fiel, den sie niemals wieder sehen wollte. Ryder Wakefield wartete am Gepäckband auf seinen Koffer. Ryder war nicht irgendein Ex-Freund. Er war der erste Mann gewesen, der ihr gezeigt hatte, was wahre Leidenschaft war.
Leider war er auch derjenige gewesen, der sie am meisten verletzt hatte. Auch wenn er ihr so rücksichtsvoll wie möglich das Herz gebrochen hatte.
Bastard. Als ob man sie wie ein rohes Ei behandeln musste. Das war Jessamyn Barclay noch nie gewesen.
„Oh, Shit.“ Sie stellte sich hinter einen schlaksigen Teenager mit einem Skateboard auf dem Rücken und hoffte, dass sie so aus Ryders Sichtfeld verschwand. Zumindest für den Moment. Denn als stellvertretende Geschäftsführerin eines internationalen Immobilienkonzerns hatte sie es nicht nötig, sich zu verstecken.
Es beunruhigte sie, wie schnell Ryders Anblick ihre innere Uhr zurückdrehte, und die knallharte Geschäftsfrau in ihr wieder zu einem naiven jungen Ding wurde.
Mit entspannter Eleganz lehnte Ryder an einer Betonsäule. Sein Körper schien mit der Zeit noch muskulöser geworden zu sein. Sein anthrazitfarbenes T-Shirt spannte über den breiten Schultern und Jessamyn konnte ihren Blick nicht davon abhalten, zu seinen ausgeblichenen Jeans zu wandern, unter denen sich feste Oberschenkel abzeichneten.
Sie zwang sich, wieder in sein Gesicht zu sehen. Seine kantigen Wangenknochen und sein festes Kinn waren von einem attraktiven Dreitagebart überzogen, der ihre Lippen zum Glühen bringen würde, wenn sie …
Jessamyn brachte schon der Gedanke zum Glühen, also befahl sie sich, damit aufzuhören. Offenbar spielte es keine Rolle, dass sie die erfolgreichste Frau in ihrer Branche war und der Firma ihres Vaters seit drei Jahren mehr Klienten und Abschlüsse einbrachte als alle anderen. Tief drin hatte sie noch den Hormonhaushalt einer Achtzehnjährigen.
Jessamyn beschloss, sich professionell zu verhalten und ihn wie zufällig zu übersehen.
Sie umklammerte den Griff ihrer Designer-Handtasche und starrte geradeaus auf das Gepäckband, auf dem ihr Koffer langsam heranglitt. Endlich konnte sie den Flughafen verlassen.
Sie schoss hinter dem schützenden Skateboard hervor und befreite ihren roségoldenen Rollkoffer aus der Umklammerung einer vollgestopften Reisetasche und eines malträtierten Hartschalenkoffers.
Normalerweise reiste sie nur mit Handgepäck, doch diesmal hatte sie keinen Rückflug gebucht. Sie hatte keine Ahnung, wie lange es dauern würde, den Nachlass ihrer Großmutter endgültig zu regeln.
Jessamyn hatte ihrer Schwester Fleur versprechen müssen, den Sommer auf der Ranch der Großmutter zu verbringen, bevor alles verkauft werden sollte. Das war ihr nicht leichtgefallen, denn seit der Scheidung ihrer Eltern, die einen tiefen Graben durch die Familie gerissen hatte, war ihr Verhältnis zu ihren beiden Schwestern angespannt.
Anfangs hatten sie es noch miteinander versucht, um der alten Zeiten willen. Doch auch dieses zarte Band war bereits vor über zehn Jahren endgültig zerrissen. Wenn die Großmutter nicht gestorben wäre und ihnen gemeinsam die Crooked Elm Ranch vermacht hätte, wären die drei noch jahrelang getrennte Wege gegangen. Jessamyn vermutete, dass die Großmutter ihre Gründe gehabt hatte, ihren eigenen Sohn bei der Verteilung des Erbes zu übergehen und stattdessen die Enkelinnen zu bedenken.
Den Blick fest auf den Stand der Autovermietung gerichtet, zog Jessamyn ihren Koffer hinter sich her. Sie würde sich die Schlüssel für den reservierten SUV aushändigen lassen, auf der Fahrt nach Catamount ihre Gedanken ordnen und eine Strategie entwickeln, bevor sie ihrer Schwester gegenübertrat. Sie konnte es sich nicht leisten, ihren inneren Panzer abzulegen. Fleur sollte ruhig denken, dass alles in Ordnung war und sie in der Firma des Vaters Karriere machte. Insgeheim war Jessamyn jedoch stinkwütend, weil Mateo Barclay das Testament seiner Mutter angefochten hatte. Fleur hasste ihren Vater und Jessamyn wollte ihr nicht versehentlich etwas in die Hände spielen, womit sie die Bindung zerstören konnte, die Jessamyn von jeher mit ihm gehabt hatte.
„Barclay“, herrschte sie die junge Frau hinter dem Tresen an. Sie hatte nicht unhöflich sein wollen, aber der Stress der letzten Wochen machte ihr langsam zu schaffen. Sie riss sich zusammen und lächelte. „Ich habe einen SUV reserviert. Erst einmal nur für eine Woche, aber vielleicht brauche ich ihn länger. Wäre das möglich?“
Nicht dass sie sich in Catamount versteckte. Auch das hatte sie nicht nötig. Doch sie musste in den Sommerwochen nicht unbedingt im Büro sein, warum sich also den Machtspielchen ihres Vaters aussetzen? Bald wollte er ihre Verlobung mit seinem auserkorenen Geschäftsnachfolger bekanntgeben. Schon bei dem Gedanken daran wurde ihr übel.
„Barclay?“ Die dürre Blondine tippte lustlos den Namen ein. „Ich schau mal nach, aber eigentlich haben wir vor einer Stunde den letzten Wagen rausgegeben.“
„Wie bitte?“ Jessamyn, wieder ganz die Geschäftsfrau, lehnte sich über den Tresen. „Ich habe vor einer Woche gebucht. Hier ist die Reservierungsnummer.“ Sie hielt dem Mädel ihr Telefon hin. Tricia hieß sie, das stand zumindest auf ihrem Namensschild.
„Ist grad viel los“, gab Tricia unbeeindruckt zurück. „Tut mir leid, alle Wagen sind vergeben.“
In einer Großstadt wäre Jessamyn jetzt einfach nach nebenan zur Konkurrenz gegangen oder, besser noch, hätte einen Chauffeur-Service bestellt, damit sie sich auf der Fahrt nach Crooked Elm ganz ihren Gedanken hingeben konnte. Aber hier?
Sie konnte bei Uber eine Fahrt buchen, aber das löste nicht ihr Transportproblem für die nächsten ein bis zwei Wochen.
„Auch die Kleinwagen?“, fragte sie und spürte, wie sie allein bei dem Gedanken Kopfschmerzen bekam.
Damit schien sie Tricias Aufmerksamkeit zu wecken. Sie sah vom Bildschirm auf und blickte Jessamyn in die Augen. „Alle Wagen sind vergeben. Wenn Sie mir Ihre Kontaktdaten dalassen, gebe ich Bescheid, wenn wieder was reinkommt.“
Jessamyn verfluchte sich. Warum war sie nicht nur bis Denver geflogen und das letzte Stück durch Colorado gefahren? Dort hätte sie wenigstens ein Auto bekommen. Sie war drauf und dran, zurückzufliegen und einen neuen Anlauf zu starten.
Der Gedanke, ohne Auto in Crooked Elm festzustecken, löste in ihr wieder die Platzangst aus, die sie seit der Scheidung der Eltern jedes Mal befiel, wenn sie mit irgendeinem der Barclays Zeit unter einem Dach verbrachte. Sie hatte schon Panikattacken gehabt, die sie fast um den Verstand gebracht hatten.
Sie versuchte, tief zu atmen, und sah zur Gepäckausgabe herüber, um wieder auf klare Gedanken zu kommen. Nur noch wenige Reisende warteten auf ihr Gepäck. Keine Spur von Ryder, das beruhigte sie ein wenig.
Natürlich war es nur eine Frage der Zeit, bis er ihr in Catamount über den Weg lief. Auch bei dem Gedenkgottesdienst für ihre Großmutter Antonia Barclay war er gewesen. Zum Glück hatte er sie damals nicht angesprochen. Vielleicht hatte er sie auch heute bemerkt, aber bewusst ignoriert. Wieso ließ sie das nicht kalt?
Sie wollte einfach nur in Crooked Elm ankommen und drei Tage durchschlafen. Sie hatte alle Termine für die nächsten zwei Wochen vorgezogen, war jeglichen Planungen für eine etwaige Hochzeit aus dem Weg gegangen und hatte sich nebenbei mit den Angriffen und Vorwürfen ihres Vaters herumschlagen müssen. Nach dieser furchtbaren Woche war sie völlig fertig.
Sie wandte sich zurück zum Tresen und wollte gerade Luft holen, um zu sagen, dass sie sich anderweitig behelfen würde, als Tricias Gesicht zu leuchten begann. Jessamyn erkannte die gelangweilte Autovermieterin kaum wieder.
„Hier sind Ihre Schlüssel, Mr. Wakefield.“ Mit einem Augenzwinkern fischte sie einen dicken Umschlag unter der Tischplatte hervor. Mr. Wakefield, ernsthaft?
Die Härchen in Jessamyns Nacken stellten sich auf, als sie bemerkte, dass jemand hinter ihr stand. Sie konnte sich denken, wer es war.
Ihr Kopf schoss herum und wutentbrannt starrte sie den Mann an, dessen Gesicht ihr einst nicht aus dem Kopf gehen wollte.
„Wieso bekommt er ein Auto, obwohl ich zuerst hier war?“
Ryder lächelte unbeeindruckt und maß sie kurz mit seinen blauen Augen, bevor er sich vertrauensvoll über den Tresen beugte. „Danke, Trish.“
Doch bevor er den Umschlag in die Hand bekam, hatte Jessamyn beherzt zugegriffen.
„Das kann ja nicht Ihr Ernst sein“, fuhr sie die Angestellte an. Sie versuchte, sich zu beherrschen, denn es war peinlich, seinen Frust an Angestellten auszulassen. Aber sie würde sich auch nicht ignorieren lassen, damit ein steinreicher Rancher den letzten Mietwagen bekam. „Das ist mein Auto. Ich habe eine Reservierung und ich war vor diesem …“ Es lag ihr auf der Zunge, aber sie konnte Ryder nicht vor aller Augen beschimpfen. „… Herrn da.“
Kopfschüttelnd musterte Tricia die aufgebrachte Jessamyn. „Das ist kein Mietwagen“, sagte sie ungerührt.
Bevor sie zu einer Erklärung ausholen konnte, mischte Ryder sich ein. „Keine Sorge, Trish. Miss Barclay und ich kennen uns.“
Eisig starrte er Jessamyn an. So, wie sie sich damals getrennt hatten, brauchte er heute nicht zu versuchen, sie zu umgarnen. Das wusste er.
„Hallo, Jessamyn. Schön, dich zu sehen.“ Er sprach die Worte, als hätte er sie auswendig gelernt für eine Schulaufführung. Völlig ausdruckslos.
„Wohl kaum. Und bevor du fragst: Nein, ich kann dich nicht mitnehmen.“ Sie steckte den dicken Umschlag tief in ihre geräumige Handtasche, um klar zu signalisieren, wer den letzten Wagen bekam. Sie sah ihn unverwandt an, sprach aber zu der Angestellten. „Tricia, können Sie mir sagen, was für ein Wagen es ist? Dann kann ich unterschreiben und komme endlich los.“
Ryder zog einen Mundwinkel hoch, fast als müsse er sich ein Grinsen verkneifen. Das Grinsen würde ihm schon vergehen, wenn er die nächsten Stunden hier auf ein Auto warten musste, während sie auf dem Highway ihrem Ziel entgegenrauschte.
„Das ist der Schlüssel zu Mr. Wakefields Tesla“, informierte sie Tricia. „Seinem eigenen Tesla.“
Jessamyn traute ihren Ohren kaum, während Ryder sich nun keine Mühe mehr gab und sie unverhohlen angrinste. Jessamyn zog den Umschlag aus ihrer Handtasche und riss ihn auf.
Darin befand sich ein schwarzer Fernbedienungsschlüssel und ein Zettel, auf dem in unordentlicher Männerschrift der Name Ryder geschrieben stand.
„Hat mein Bruder gestern Abend hier für mich abgegeben“, ließ Ryder sie wissen und nahm ihr Schlüssel und Zettel aus der Hand. Seine warme Berührung versetzte ihren ganzen Körper in Schwingung und sie wusste nicht, was von allem ihr peinlicher war.
Bevor sie etwas sagen konnte, beugte er sich zu ihr hinüber und flüsterte ihr ins Ohr: „Und weil ich viel netter bin als du, Jessie, darfst du gern bei mir mitfahren.“
Ryder konnte förmlich eine Rauchwolke über Jessamyn aufsteigen sehen, als sie ihm wenig später über den inzwischen menschenleeren Flughafenparkplatz folgte. Das Publikum für ihre Tirade über Männer, die glaubten, der Rest der Welt müsse ihnen stets zu Diensten sein, war schon längst nach Hause gefahren. Was ihren Ausbruch allerdings nicht bremste und ihre Absätze klackerten im Rhythmus ihrer salvenartig hervorgestoßenen Worte.
„… und seit wann ist die Autovermietung der private Valet-Service der Familie Wakefield?“
Auf diese Frage hatte Ryder eine Antwort: „Seit Tricia meine Nichte ist.“
Sie wäre beinahe in ihn hineingelaufen, hielt aber rechtzeitig an und sah ihm trotzig ins Gesicht.
Er musterte ihren teuren Großstadtschick, von ihrem taubengrauen Kostüm über das blütenweiße Seidentop bis hin zu den hochhackigen Pumps und ihrem glitzernden Rollkoffer. Dafür war sie also vor zehn Jahren aus Catamount weggegangen.
„Deine Nichte“, wiederholte sie ungläubig und verzog den Mund, als müsse sie die Neuigkeit erst einmal verdauen. „Deshalb hat sie also gezwinkert, als sie dich Mr. Wakefield genannt hat. Ich nehme an, das sind die Vorteile des Kleinstadtlebens.“
Ihr Blick schweifte über die Berge am Horizont und zurück zu dem Maisfeld direkt neben dem Parkplatz. Ob sie es hier schön fand? Sie war einmal felsenfest entschlossen gewesen, das alles hinter sich zu lassen. Doch Ryder wusste, wie stark die Sogwirkung einer Provinzstadt wie Catamount war. Nachdem seine Eltern die Viehzucht aufgegeben und sich in Phoenix zur Ruhe gesetzt hatten, war auch sein älterer Bruder seiner College-Flamme nach Idaho nachgezogen, um zu heiraten. Trey kam immer noch jedes Jahr nach Catamount und seine Tochter, die inzwischen selbst aufs College ging, half im Sommer in der Autovermietung aus. Auch Ryder hatte seine Chancen außerhalb von Nordwest-Colorado genutzt, war aber immer wieder nach Hause zurückgekommen.
„Ja, es hat so seine Vorteile. Zum Beispiel, dass man auf dem Flughafen jemanden trifft, der einen mit nach Hause nimmt“, erinnerte er sie und ließ mit dem Türöffner alle Lampen an seinem Wagen blinken.
Misstrauisch sah sie das schicke Auto an.
„Ich sollte wirklich nicht“, sagte sie leise, als ob er sie nicht hören sollte.
Jetzt reichte es aber. Nicht genug, dass sie an der Gepäckabholung so getan hatte, als kenne sie ihn nicht. Das konnte er verzeihen, denn ihm hatte die Trennung damals auch das Herz aus dem Leib gerissen. Aber dass sie sich jetzt so zickig verhielt, wo sie doch beide in dieselbe Richtung mussten, das konnte er nicht fassen. Er würde sich jedenfalls nicht als Sündenbock hergeben für alles, was Jessamyn Barclay damals gegen den Strich gegangen war.
„Ach ja? Und wieso nicht, wenn man fragen darf?“ Er trat gerade nah genug an sie heran, um in ihren persönlichen Bereich einzudringen. „Hast du etwa Angst, dass da noch ein Funke ist?“
Er hatte die Frage kaum ausgesprochen, als er auch schon deutlich die elektrische Ladung spürte, die von ihren braunen Augen auf seine nackte Haut überging. Sein Puls hämmerte und die Druckwelle breitete sich in seinem Körper aus wie ein Virus, das er nicht loswurde.
Jessamyn verzog die Unterlippe, als sei ihr der bloße Gedanke unerträglich. Vielleicht empfand sie die Anziehung zwischen ihnen auch als Virus.
„Auf gar keinen Fall.“ Sie spie ihm die Worte entgegen wie spitze Pfeile.
„Was ist dann das Problem daran, mit mir zu fahren?“ Er öffnete den Kofferraum und wartete, ob Jessamyn ihm ihren Koffer anvertraute.
Sie runzelte die Stirn und verschränkte abwehrend die Arme. „Ich habe kein Problem, Ryder. Ich habe nur keine Ahnung, wo ich in Catamount einen Mietwagen herbekommen soll, wenn ich jetzt bei dir einsteige.“
Das leuchtete ihm ein.
„Fleur hat doch ein Auto.“ Er dachte laut nach. „Damit bringt sie manchmal morgens Gebäck ins Cowboy Kitchen. Du wirst doch bei ihr wohnen, oder?“
„Ich kann nicht einfach das Auto meiner Schwester nehmen. Vor allem nicht, wenn sie es selbst braucht.“ Sie umklammerte den Griff ihres Koffers fester. Ein wohl manikürter Fingernagel klopfte nachdenklich einen Rhythmus.
Er ließ den Blick noch einmal über sie schweifen. Alte Erinnerungen strömten plötzlich auf ihn ein: wie er diese Hüften an sich gezogen hatte, wie sie sich an ihn geschmiegt und ihm die Arme um den Hals geschlungen hatte.
Doch all das war lange her, ermahnte er sich und zwang sich, ihr wieder in die Augen zu sehen.
„Aber sie könnte dich doch wieder zum Flughafen fahren, wenn hier wieder ein Auto zur Verfügung steht.“ Er wollte endlich los und sich nicht mit einer Frau herumstreiten, die definitiv Teil seiner Vergangenheit war. „Kommst du jetzt mit oder nicht? Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.“
Sie zögerte nur eine Millisekunde, bevor sie kurz angebunden nickte.
„Ja, bitte.“ Sie ließ den Koffergriff in die Halterung zurückschnappen und machte Anstalten, ihn selbst in den Kofferraum zu heben.
Ryder verkniff sich eine Bemerkung über sture Weibsbilder und nahm ihr den schweren Koffer ab, um ihn zu verstauen.
Jessamyn schwieg, als er die Beifahrertür für sie öffnete und ihr beim Einsteigen behilflich war. Ryder hatte seit Antonias Tod vor einigen Wochen gewusst, dass Jessamyn bald wieder in die Stadt kommen würde.
Bis vor ein paar Tagen hatte er angenommen, dass sie sich einfach aus dem Weg gehen würden. So wie immer seit ihrer Sommerromanze vor vielen Jahren. Doch dann hatte Ryder aus der Gerüchteküche gehört, dass ihr Vater Antonias Testament anfechten wollte, wonach die Crooked Elm Ranch direkt auf die drei Enkelinnen und somit auch auf Jessamyn übergehen sollte. Ryder wollte aus guten Gründen nichts mit irgendeinem der Barclays zu tun haben. Erst recht nicht mit der Frau, mit der er einmal kurz auf eine gemeinsame Zukunft gehofft hatte. Doch wenn Mateo Barclay es wirklich darauf anlegte, Jessamyn ihren rechtmäßigen Anteil an der Ranch vorzuenthalten, dann würde Ryder ein paar Leichen aus dem Keller holen müssen, über die er jahrelang Stillschweigen bewahrt hatte.
Für den Moment würde er erst einmal nichts unternehmen. Er fuhr aus dem Parkhaus heraus. Jess würde schon einen Ausweg finden. Er konnte sich nicht vorstellen, dass sie sich ohne Weiteres etwas abnehmen ließ, das ihr gehörte.
Er hatte gerade beschlossen, dass Jessamyn sicher allein zurechtkam, als ihre samtige Stimme das Innere seines luxuriösen Wagens erfüllte.
„Na, wer hat hier das Problem?“, fragte sie versöhnlich.
Er blickte sie flüchtig von der Seite an. „Was? Ich? Ich habe doch gar nichts gesagt, seit wir losgefahren sind.“
„Und deshalb weiß ich, dass du total genervt bist.“ Sie setzte sich auf, als wolle sie ihn ausgiebig befragen. „Wenn ich gestresst bin, werde ich biestig. Du wirst still. Bist du sauer, weil ich dich an der Autovermietung so angefaucht habe?“, fragte sie nachdenklich, während sie die Klimaanlage auf ihrer Seite aufdrehte.
Sie schob den Seidenstoff ihres Trägertops auf ihrem Schlüsselbein zurecht und zog damit seine Aufmerksamkeit auf ihre Brüste unter dem engen, tailliert geschnittenen Blazer.
Er sollte besser auf den Verkehr achten und war dankbar, dass so wenig los war. Saftige Wiesen und Felder mit reifem Getreide säumten die Straße in Richtung Westen nach Catamount.
„Wir sind vor zehn Jahren miteinander ausgegangen. Glaubst du wirklich, dass du mich noch so gut kennst?“
Sie schnaubte spöttisch und ließ sich wieder in ihren Sitz sinken. „Du hast angefangen mit dem Quatsch, dass ich Angst vor irgendwelchen Funken hätte.“ In ihrer Stimme schwang Verachtung mit. „Das klingt ja, als ob du denkst, wir hängen beide noch in der Vergangenheit fest.“
„Treffer, versenkt.“ Er nickte und gestand ihr den Sieg zu, während er darüber nachdachte, wann er sie das letzten Mal so neben sich gehabt hatte. Ihre Romanze war kurz gewesen, aber intensiv. Die Erinnerung an ihre Berührungen war immer noch frisch in seinem Hirn, seinem Körper. „Halten wir also fest, zwischen uns ist nichts mehr und du weißt nicht, was ich denke.“ Er glaubte an beides nicht recht, aber er wollte nicht die ganze Fahrt lang mit ihr streiten. „Hast du noch weitere Vorschläge für mögliche Gesprächsthemen, mit denen wir die nächsten fünfzig Minuten füllen können? Oder sollen wir über das Wetter und die Arbeit sprechen?“
Jessamyn zupfte an einem Knopf am Ärmel ihres Blazers. „Ich glaube nicht, dass ich mit dir über meine Kaufabschlüsse sprechen möchte und deine High-Tech-Ranch interessiert mich auch nicht.“
Er zog eine Augenbraue hoch und fragte sich, woher sie davon wusste. Hatte sie mit jemandem über ihn geredet? Das waren ja ganz neue Töne, die ihm ein wohlig warmes Gefühl gaben.
„Okay.“ Er konnte die Freude nicht ganz aus seiner Stimme verbannen.
„Aber ich würde gern über etwas anderes reden“, fügte sie eilig hinzu. Sie stellte ihre Füße fest auf die Bodenmatte und holte Luft. „Um dich zu überzeugen, dass zwischen uns definitiv nichts mehr ist, werde ich dir von meinem Verlobten erzählen.“
Stille machte sich breit im Wagen.
Sie fuhren auf der Route 40 entlang des Yampa River und Jessamyn beobachtete Ryder am Steuer. Die Landschaft war grün und eintönig und innerhalb des eleganten Wagens gab es definitiv mehr zu sehen als draußen vor dem Fenster.
Ein Muskel an seinem Kinn zuckte, doch sonst bewegte er sich nicht. Sogar seine Hände lagen reglos am Lenkrad. Auf der schnurgeraden Strecke gab es für ihn kaum etwas zu tun.
„Dein Verlobter, ja? Weiß er schon von seinem Glück?“ Kalte blaue Augen blitzten in ihre Richtung, bevor sie sich wieder stur geradeaus auf die Straße richteten. „Für einen Ring hat es anscheinend noch nicht gereicht?“, bemerkte er mit einem Seitenblick auf ihre unberingte Hand am Türgriff. Ertappt zog Jessamyn die Hand weg und schob sie unter ihren Oberschenkel.
Wieso hatte sie nur davon angefangen? Wieso konnte sie mit allen Männern ungezwungen plaudern und scherzen, außer mit diesem hier? Sie saß noch keine zehn Minuten in diesem Auto und schon benahm sie sich wieder wie ein Teenager.
„Es ist noch nicht offiziell.“ Sie zwang sich, ruhig zu bleiben, auch wenn sie diese Verlobung noch in den Wahnsinn trieb. Sie musste die Zeit in Catamount nutzen, um sich in einigen Dingen klar zu werden. „Wir lassen uns Zeit mit der großen Ankündigung, weil das rechtliche Folgen für die Barclay Property Group hat. Wir sparen uns das für die nächste Investorenversammlung auf.“
So hatte sie es zumindest ihrem Vater verkauft. Sie wollte Zeit schinden, damit Brandon und sie sich besser miteinander einschwingen konnten. Auch nach all den Jahren fühlte sie für ihn nicht dieselbe Leidenschaft, die sie damals mit Ryder empfunden hatte. Mittlerweile war die Ehe für sie eine praktische Notwendigkeit und nicht mehr der romantische Weg zum großen Glück.
Brandon und Jessamyn hatten neben der Arbeit nie viel Zeit füreinander gehabt, also würden sie sich Mühe geben müssen, wenn aus ihrem Zusammenleben mehr als eine immerwährende Vorstandssitzung werden sollte. Ihr Vater konnte es allerdings kaum erwarten, das „Traumpaar“ der Barclay Property Group an die große Glocke zu hängen.
„Das kann doch nicht dein Ernst sein.“ Ryder schüttelte den Kopf und fuhr sich mit der Hand durch sein dichtes dunkles Haar. „Du willst wirklich wegen der Firma heiraten?“
„Im Gegenteil. Ich nutze lediglich die Ankündigung meiner Hochzeit, um unsere geschäftlichen Ziele zu unterstützen.“ Es ging ihn ohnehin nichts an. Aber auch sie hatte es gestört, dass Brandon ihre gemeinsame Zukunft als geschäftliche Transaktion zu betrachten schien. Aber solange die bevorstehende Verlobung alle Gedanken an den Mann neben ihr im Auto verdrängte, sollte ihr das recht sein.
„Mir wäre das zu gefühlskalt, so als Start in die Ehe.“
„So redet ein Mann, bei dem Privates und Berufliches nahtlos ineinander übergehen.“ Wütend drückte sie auf den automatischen Fensterheber und ließ sich den Duft von frischgemähtem Gras, Bäumen und die Frische des Flusses um die Nase wehen. Sie musste das Heimweh nach Colorado oft unterdrücken, denn diese weite offene Landschaft hatte es ihr angetan.
„Na ja, von Privatleben kann bei mir wohl keine Rede sein“, gab er zu. „Meine Eltern sind im Ruhestand und mein Bruder lebt in Idaho. Ich verbringe nicht viel Zeit mit der Familie. Selbst Trish und ich stehen uns nicht sehr nahe.“ Hörte sie Bedauern aus seiner Stimme? Noch bevor sie weiter darauf achten konnte, fuhr er fort und wurde anzüglich. „Hat dir schon einmal jemand gesagt, dass sich Arbeit und Vergnügen nicht vermischen lassen?“
Das Glitzern in seinen Augen, als er „Vergnügen“ sagte, fachte die Glut in ihr wieder an, die nie völlig erloschen war. Zum Glück hielt der Gedanke an ihre Verlobung sie davon ab, eine Dummheit zu begehen.
„Meine Arbeit bereitet mir Vergnügen.“ Sie hatte ihren Job immer geliebt. Die Herausforderung, einen Kunden von einer Immobilie zu überzeugen, oder die Vorfreude, ganz neue Gebäude und Wohnanlagen entstehen zu sehen. Doch seit etwas über einem Jahr stellte sie ihre berufliche Zukunft mehr und mehr infrage. Würde diese Arbeit sie auf ewig so erfüllen? Vielleicht würde sich die Firma mehr wie ihre anfühlen, wenn Brandon das Ruder übernommen hatte.