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Ständig läuft sie ihm über den Weg! Dabei ist Lark nach Catamount zurückgekehrt, weil sie um ihr Erbe kämpfen muss. Von ihrem Ex-Mann Gibson Vaughn sollte sie sich unbedingt fernhalten! Doch mit seinem dichten, dunklen Haar und dem leicht verwegenen Aussehen ist er noch immer verflucht attraktiv, und zwischen ihnen knistert es wie früher. In einem schwachen Moment lässt Lark sich zu einem Kuss hinreißen und landet sogar mit Gibson im Bett. Aber wie wird er reagieren, wenn er erfährt, was sie ihm seit ihrer Scheidung verheimlicht?
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Seitenzahl: 203
IMPRESSUM
BACCARA erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
© 2022 by Joanne Rock Originaltitel: „A Colorado Claim“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARA, Band 2275 01/2023 Übersetzung: Ariane Stark
Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 01/2023 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751515467
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Normalerweise verbrachte die Kinderpsychologin Lark Barclay ihren Donnerstagnachmittag nicht mit sehnsüchtigen Gedanken an einen kühlen Drink.
Doch heute war nicht irgendein Donnerstag.
Sie war quer durchs Land geflogen, um in einem stickigen Saal des Amtsgerichts Routt County in Colorado zwischen ihren Schwestern zu sitzen, mit denen sie in den letzten zehn Jahren kaum ein Wort gewechselt hatte. Sie hatte die Termine ihrer Patienten für die nächsten zwei Wochen verschoben, um bei der Verhandlung dabei zu sein, die über das Schicksal ihrer Familie entscheiden würde.
Ihr Vater war jedoch nicht aufgetaucht, obwohl er derjenige war, der das Testament seiner verstorbenen Mutter angefochten hatte.
Der Richter teilte Lark, Jessamyn und Fleur Barclay mit, dass der Anwalt der Gegenseite eine Vertagung beantragt hatte, weil er mehr Zeit brauchte.
Unter solchen Umständen war Alkohol am Nachmittag erlaubt.
„So ein Arschloch“, flüsterte Jessamyn, die mittlere der drei Barclay-Schwestern, als der Richter verkündete, dass er einen dreiwöchigen Aufschub ablehnte, aber immerhin eine Woche gewähren würde.
Die Rolle der Friedensstifterin in der Familie fiel wieder einmal der jüngsten Schwester Fleur zu. „Dad hätte uns ruhig mal sagen können, dass er versucht, die Verhandlung aufzuschieben.“
Der Richter rief den nächsten Fall auf und bedeutete den Barclays, den Saal zu verlassen.
Lark ging voran auf den Ausgang zu und biss sich auf die Zunge, um nicht auch noch ihren Senf dazuzugeben. Jessamyn war jahrelang der Liebling des Vaters gewesen, der sie in seinem Immobilienkonzern unter seine Fittiche nahm. Sie hatte erst vor Kurzem herausgefunden, was für ein Ekel Mateo Barclay sein konnte. Lark konnte es nur schwer verwinden, dass Jessamyn für einen gut bezahlten Job so lange die Augen vor der wahren Natur ihres Vaters verschlossen hatte. Doch Lark hatte Fleur versprochen, dass sie Jessamyn eine Chance geben würde, ihr zu beweisen, dass sie sich geändert hatte. Seitdem Lark wusste, dass Jessamyn schwanger war, hätte sie ihr dieses Versprechen ohnehin nicht abschlagen können. Werdende Mütter genossen nun einmal ihren besonderen Schutz.
Sie biss sich also auf die Zunge und hoffte, dass es irgendwo in der Nähe eine anständige Bar gab, möglichst mit Happy Hour am Nachmittag.
„Ist vielleicht gar nicht so schlecht“, erwiderte Lark, obwohl sie ihre Worte selbst kaum glaubte. „So haben auch wir mehr Zeit.“
Lark wusste, dass jeder Tag, an dem ihre Praxis geschlossen war, ihren Patienten schaden konnte. Alles, was sie während ihrer Abwesenheit anzubieten hatte, waren Videositzungen.
Endlich hatten die Schwestern den langen Gerichtssaal durchquert. Erleichtert stieß Lark die Ausgangstür auf. Davor erstreckten sich Marmorflure in alle Richtungen. Schwere Holztüren zu den Gerichtssälen waren reich verziert.
Inmitten dieser Pracht warteten die Männer ihrer Schwestern. Drake Alexander war ein Urgestein aus Catamount und hatte sich schon Hals über Kopf in Fleur verliebt, als die noch ein junges Mädchen gewesen war. Ryder Wakefield war bei der Bergwacht und hatte vor Kurzem eine Jugendromanze mit Jessamyn wieder aufleben lassen. Er war der Vater des Kindes in ihrem Bauch.
Drake und Ryder waren als Zeugen zwar am Prozess beteiligt, aber zu diesem Termin nicht geladen gewesen. Beide standen voll im Leben und hatten sich einigen Wohlstand erarbeitet. Lark konnte die emotionale Begrüßungsszene der beiden Pärchen kaum aushalten. Auf sie wartete niemand, und das tat weh.
Es gab eine Zeit, da hatte auch Lark bei jedem Wiedersehen innige Begrüßungsküsse mit einem Mann getauscht. Die Erinnerung an ihre kurze und grandios gescheiterte Ehe mit dem Eishockey-Star Gibson Vaughn versetzte ihr immer noch einen Stich, obwohl sie schon seit zwei Jahren geschieden waren. Immerhin war sie seitdem die Sportmedien los.
Keine Schlagzeilen mehr über den begehrtesten Junggesellen im Eishockey und seine hartherzige Therapeutin. Keine dämlichen Anspielungen auf den schlechten Einfluss, den sie angeblich auf seine Karriere hatte, weil sie ihre Praxis nicht aufgeben wollte. Keine dummen Sprüche mehr in den sozialen Medien über Gibsons turbulentes Liebesleben vor der Ehe.
Das alles hätte ihr nichts ausgemacht, wenn Gibson wenigstens ein Viertel seiner Zeit mit ihr verbracht hätte. Doch seine langen Reisen zu Auswärtsrunden, bei denen er kein Spiel verpassen durfte, hatten ihre Beziehung zerstört.
„Lark?“ Fleurs sanfte Stimme durchdrang wie von Ferne den Nebel ihrer unglücklichen Erinnerungen. „Möchtest du mit uns etwas essen gehen?“
Lark zwang sich, die künftigen Ehemänner nicht anzustarren, und schluckte ihre Melancholie runter. Doch auf ein verspätetes Mittagessen mit den glücklichen Liebenden konnte sie verzichten. Sie war seit Jahren schon nicht mehr allein in einer Bar gewesen, aber nach einem Tag wie diesem war ein Tequila-Shot gefolgt von einem großen Bier vor allem unerlässliche Selbstfürsorge.
„Nein, danke.“ Sie schwang ihren schweren dunklen Zopf zurück über ihre Schulter. „Ich muss … einen Klienten anrufen. Wir sehen uns heute Abend auf Crooked Elm.“
Geflissentlich wühlte sie in ihrer Tasche nach ihrem Telefon und winkte mit der anderen Hand halbherzig ihren Schwestern hinterher.
Als sie endlich weg waren, öffnete sie die Navigations-App und ließ sich alle Bars in der Nähe anzeigen. Wenn sie heute schon nicht gegen ihren verlogenen Vater gewinnen konnte, musste sie sich ihre Genugtuung eben woanders verschaffen. Und vielleicht nebenbei auch die Erinnerungen wegtrinken, die der Gerichtssaal in ihr wachgerufen hatte.
Entschlossen schob sie das Telefon zurück in ihre praktische Umhängetasche. Von ihrem Einkommen als Therapeutin konnte sie sich keinen Designer-Schnickschnack leisten. Schließlich zahlte sie immer noch ihren Studienkredit ab.
Mit festen Schritten marschierte sie zum Ausgang und nickte dem Wachposten an der Tür höflich zu. Im warmen Sonnenschein blinzelte sie für einen Moment und musste sich in der Menschenmenge auf der Freitreppe erst einmal orientieren.
Irgendwie kamen ihr die Leute alle bekannt vor, obwohl ihr zu keinem Gesicht ein Name einfiel. Sie eilte die Stufen hinab.
Hinter ihr wurde die Eingangstür zum Gericht wieder geöffnet, und die Menge strömte an ihr vorbei darauf zu.
Auf einmal waren überall Kameras. Panik machte sich in ihr breit, als sie einige der Sportfotografen wiedererkannte, die ihr einst das Leben zur Hölle gemacht hatten. Da hörte sie auch schon die ersten aufgeregten Rufe der Journalisten.
„Gibson! Hier drüben, Gibson!“ Der spitze Schrei einer weiblichen Stimme schrillte aus dem Lärm hervor. „Kannst du uns sagen, was du hier im Gericht gemacht hast?“
Lark blieb wie angewurzelt stehen. Sie konnte keinen Schritt mehr tun. Ein Reporter kam auf sie zu und rannte sie beinahe um mit seinem Mikrofonständer. „Gibson, stimmt es, dass Sie sich mit Ihrer Exfrau versöhnen wollen?“
Kameras surrten, von überall her schossen Blitze auf sie zu, und Lark fühlte sich an einen der schlimmsten Tage ihres Lebens zurückversetzt. Man hatte sie damals gefilmt, während sie mit einer Frau und deren Tochter, die vor einem gewalttätigen Ehemann zu ihr geflohen waren, um kurz vor Mitternacht in einem Supermarkt das Nötigste einkaufte. Gibsons Berühmtheit hatte ihre therapeutische Arbeit fast unmöglich gemacht.
Doch daran konnte sie jetzt nicht denken, denn offenbar stand ihr Exmann gerade hinter ihr und wurde zu seinen Plänen mit seiner Exfrau befragt. Also zu seinen Plänen mit ihr.
Zum ersten Mal war sie dankbar für ihr Allerweltsgesicht. Bisher schien sie niemand erkannt zu haben. Noch nicht.
Sie nutzte die Gelegenheit und wand sich durch die Menge, solange aller Augen auf einen einzigen Punkt gerichtet waren. Sie hörte Gibsons Stimme von Ferne, wie er versuchte, den impertinenten Fragen auszuweichen.
Auch nach all der Zeit ließ seine Stimme sie nicht kalt. Ihr Herz raste, und zwar nicht nur vom Treppensteigen. Ihr Drink würde warten müssen. Sie hastete hinunter zum Parkplatz zu und wollte nur noch weg.
Allerdings war es der falsche Parkplatz. Sie hatte ihren Mietwagen hinter dem Gebäude geparkt und war jetzt zum Haupteingang herausgekommen, weil ihre Navigations-App sie auf dem kürzesten Weg zur Bar dorthin gelotst hatte. Sie stellte sich hinter ein besonders großes Auto und widerstand dem Drang, sich nach Gibson umzusehen.
Denk nach!
Sie presste die Finger an ihre Schläfen und versuchte, ihren Herzschlag wieder zu beruhigen. Sie redete sich ein, dass die Reporter sie nicht gesehen haben konnten. Und Gibson noch viel weniger.
Plötzlich wurden die Schreie vor dem Gerichtsgebäude wieder lauter, und Lark schaute sich um. Offenbar ging Gibson auf der seitlichen Treppe nach unten. Zum Glück war es die von ihr abgewandte Seite, und er zog die Meute mit sich von ihr weg.
Lark ließ erleichtert die Schultern sinken und fragte sich, ob sie ungesehen ihr Auto erreichen konnte.
Gerade als sie aus ihrem Versteck hervortrat, schoss ein tiefergelegter Sportwagen die Straße entlang. Durch die verdunkelten Scheiben konnte sie nicht erkennen, wer darin saß. Doch den Porsche 911 in Adriablau hätte sie auch im dichtesten Nebel noch erkannt.
Als der Wagen neben ihr zum Stehen kam und das Fenster auf der Fahrerseite heruntergelassen wurde, sank ihr der Magen in die Kniekehlen.
Gibson Vaughn saß hinter dem Steuer. Er war nicht grundlos seit gut zehn Jahren das Gesicht des amerikanischen Eishockeysports. Sein dichtes dunkles Haar fiel wellig auf seine Schultern und wartete nur darauf, von zarten Fingern durchkämmt zu werden, und das Grübchen in seinem Kinn hatte genau die richtige Größe für zum Kuss gespitzte Frauenlippen. Eine Narbe durchzog eine seiner Augenbrauen, und seine Nase war seit dem Kontakt mit einem Hockeyschläger ein wenig schief, was den Look des einsamen Kriegers abrundete.
„Du hast zwanzig Sekunden, bevor die hier sind.“ Gibson blickte sich nach der Meute der Sportreporter um, die immer noch verwirrt auf der Freitreppe des Gerichtsgebäudes standen. „Wenn du sie abhängen willst, spring rein!“
Lark wusste ganz genau, weshalb ihr Puls raste und das Blut in ihren Adern rauschte. Schließlich hatte der Mann in dem blauen Sportwagen ihr einst seine ewige Liebe und Treue geschworen.
Sie durfte ihm nie wieder zu nahe kommen.
„Was ist jetzt, Lark?“ Seine Stimme riss sie aus ihren Erinnerungen. Der Hochleistungsmotor brummte tief und ungeduldig. „Sie haben uns gesehen.“
Da hörte sie auch schon die wilden Schreie. „Lark! Lark Barclay! Haben Sie sich mit Gibson versöhnt?“ Sie war doch erkannt worden. „Wirst du ihn dazu bringen, weiterzuspielen?“
Ihre Kehle wurde trocken, diesmal aus schierer Panik. Auf einmal erschien es ihr weniger verheerend, zu Gibson ins Auto zu steigen, als sich ihren Erzfeinden von der Sportpresse zu stellen.
Mit wenigen Schritten war sie auf der anderen Seite und riss die Beifahrertür auf, bevor sie sich mit einem Hechtsprung ins klimatisierte Innere rettete.
Gibson trat das Gaspedal durch, und gemeinsam schossen sie vom Parkplatz herunter und weg von den blitzenden Kameras. Ihre Erleichterung hielt kaum eine Sekunde an, bevor Gibson mit seiner samtweichen Baritonstimme zu sprechen begann.
„Schön, dich wiederzusehen, Lark.“
Lark fuhr herum und funkelte ihn aus zusammengekniffenen Augen so zornig an, dass man meinen könnte, er hätte sie beleidigt.
So war es schon immer zwischen ihnen gewesen. Er war immer einen Schritt langsamer als seine Exfrau gewesen, zu beschäftigt mit seiner Karriere, um ihr die Zeit und Aufmerksamkeit zu schenken, die sie verdiente. Er war immer zu langsam gewesen, um ihre Gefühle und Bedürfnisse zu verstehen.
Außer natürlich im Bett. Dort hatten sie sich bis zuletzt ohne Worte verstanden. Egal, in wieviel tausend Teile der Rest ihrer Beziehung bereits zerbrochen war.
Wieso dachte er ausgerechnet jetzt daran, wo er sie zum ersten Mal seit zwei Jahren wiedersah?
Sie sah natürlich wie immer umwerfend aus. Ihr minimalistischer Kleidungsstil brachte immer die Frau zur Geltung, die in den Kleidern steckte. Ihr einziges verführerisches Accessoire war ihr langes, dunkles Haar, das sie zu einem kräftigen Zopf geflochten hatte.
„Habe ich etwas Falsches gesagt?“, fragte er und blickte stur geradeaus auf die Straße. Er fuhr nach Westen und wollte so viele Meilen wie möglich zwischen sich und die Bluthunde bringen, die schon wieder die nächste Story über sein vermeintliches Comeback erschnüffelten.
Aus dem Augenwinkel sah er, wie Lark sich in ihrem Sitz zurücklehnte. Ihr strenger Zopf fiel hörbar neben ihrer Schulter auf das Polster. Er dachte gern an ihre wilde Mähne zurück, die sie niemals in der Öffentlichkeit zeigte. Es hatte ihn immer unheimlich erregt, der Einzige zu sein, der am Ende des Tages dieses Spektakel bestaunen durfte.
„Es überrascht mich nur, dass du dich freust, mich wiederzusehen. Schließlich sind wir ja nicht gerade in Freundschaft auseinandergegangen.“ Ihre Stimme klang stets ein wenig autoritär, als ob sie sich selbst nie infragestellte. Er hatte immer gedacht, dass das auf ihre Patienten beruhigend wirken musste. Schließlich waren sie auf Larks Kompetenz angewiesen. „Du hast doch gesagt, es sei das Beste, keinen Kontakt mehr zu haben“, fuhr sie fort.
Das stimmte natürlich, und er bereute es bitter. Unwillkürlich umklammerte er das Steuer fester, als er auf die Straße nach Catamount einbog.
„Ich habe damit nicht gemeint, dass wir nie wieder miteinander reden sollen“, versuchte er klarzustellen. Er sah noch einmal in den Rückspiegel, um sicherzugehen, dass ihnen niemand gefolgt war. „Damals hatte ich gehofft, dass uns etwas Abstand helfen würde, über alles hinwegzukommen.“
Lark dachte nach, bevor sie unbedacht eine Spitze gegen ihn abfeuerte, nur um die Stille zu füllen. Sein Blick ruhte weiter fest auf der Straße entlang des Yampa River, aber vor seinem inneren Auge sah er deutlich, wie sie gedankenverloren an ihrer Unterlippe saugte.
Dabei fiel ihm auf, dass sie immer noch keinen Lippenstift trug. Das hatte er an ihr geliebt. Sie hatte sich niemals hinter Make-up versteckt, hatte kein Bedürfnis, sich zu verbergen. Bei Lark war alles genauso, wie es aussah. Ihre vollen Lippen brauchten keine Farbe, um verführerisch zu sein, und weil sie keine Kosmetik trug, hatte er immer sofort ihren echten Geschmack auf der Zunge gehabt.
„Und? Hat es geholfen?“, fragte sie leise. Ihr nachdenklich weicher Ton überraschte ihn fast so sehr wie die Frage an sich. „Hat dir der Abstand geholfen, über alles hinwegzukommen?“
Der vertrauliche Unterton katapultierte ihn direkt zurück zu den langen Nächten, in denen sie im Bett noch miteinander geredet hatten. Zu den Telefonaten auf seinen Reisen, wenn er irgendwo mit seiner Mannschaft im Hotel gesessen hatte und sie selbst dann noch ans Telefon gegangen war, wenn sie eigentlich schon fast geschlafen hatte, nur um zu hören, wie es ihm ging. Warum hatte er sie nicht öfter gefragt, wie es ihr ging? Warum hatte er sie in seinem Leben nicht an die erste Stelle gesetzt?
„Schwer zu sagen. Es war auf jeden Fall … hart“, gab er zu und bremste an einem Stoppschild ab. „Ich dachte damals, wenn wir Freunde bleiben, komme ich nie über dich hinweg.“
Er hatte immer behauptet, mit ihr zusammenbleiben und über die Probleme mit seiner Karriere sprechen zu wollen. Aber irgendwie war das nicht alles gewesen, was zwischen ihnen nicht stimmte, und er hatte nie den Finger auf die eigentliche Wunde legen können. Was sie letztlich dazu bewog, die Scheidung einzureichen, hatte sie immer für sich behalten. Sie hatte ihm ihren Körper geschenkt, aber er wusste nie genau, was in ihrem Kopf vor sich ging. Eines Tages war er von einer Auswärtsrunde aus Kanada zurückgekommen und hatte sie auf gepackten Koffern vorgefunden.
Das war der zweitschlimmste Tag seines Lebens gewesen, nur übertroffen von dem Tag, als sie vor Gericht ihre kurze Ehe annullieren ließen. Das hatte ihn tief getroffen, und er würde so etwas nicht noch einmal aushalten können. Er hasste es, etwas nicht zu schaffen. Schon als Junge, nachdem sein Vater die Familie verlassen hatte, war es seine Aufgabe gewesen, die Dinge in Ordnung zu bringen. In seiner Familie, in seiner Mannschaft. Aber Lark schien keine Hilfe zu brauchen, und damit war er nicht klargekommen.
„Ich verstehe.“ Ihre Worte kamen wie Pistolenschüsse, eiskalt und stahlhart. „Du wolltest nicht, dass wir Freunde bleiben. Warum bietest du mir dann eine Mitfahrgelegenheit an? Schließlich war uns die Presse nur deshalb auf den Fersen, weil du dich unbedingt in Catamount zur Ruhe setzen musstest. War es nicht schwer genug in L. A? Müssen wir auch noch hier Nachbarn sein?“
Gibson biss die Zähne zusammen und trat aufs Gaspedal.
„Ich liebe Catamount. Und nur weil ich vor zwei Jahren nicht bereit für eine Freundschaft mit dir war, heißt das nicht, dass ich dich den Wölfen zum Fraß vorwerfe. Ich weiß doch, wie wichtig dir deine Privatsphäre ist.“
Er sah noch einmal verstohlen zu ihr herüber, und sein Blick blieb am Ausschnitt ihrer Bluse hängen, unter dem ein Streifen Haut in verheißungsvolle Tiefen lockte. Er musste zugeben, dass er sie auch deshalb mitgenommen hatte. Er war einfach überwältigt, sie wiederzusehen.
Er war bei Gericht gewesen, um seine Mutter für geschäftsuntüchtig erklären zu lassen. Ihre Demenz war zu weit fortgeschritten, als dass sie ihre Angelegenheiten noch allein regeln konnte.
Er hatte Lark sofort erkannt, sogar aus der Entfernung. Ihr selbstsicherer Gang, ihre weibliche Silhouette, die unter ihren Business-Outfits nie wirklich verborgen blieb. Und ihr dichtes, dunkles Haar, das sie wie immer mit strenger Präzision nach hinten geflochten und mit einem Streifen Baumwollstoff zusammengebunden hatte.
Wie oft hatte er diese Stoffstreifen für sie gelöst? Dabei hatte er gelernt, dass sie die Haarenden vor dem Austrocknen und vor Haarbruch schützten. Der vertraute Anblick hatte ihn so gefesselt, dass er der Presse direkt in die Arme gelaufen war. Er musste lernen, sich aus den Schlagzeilen herauszuhalten.
„Wenn das so ist, dann danke fürs Mitnehmen.“ Sie begann, an der Lüftung herumzustellen, bis der Luftstrahl ihr direkt ins Gesicht blies. „Ich möchte auf keinen Fall im Rampenlicht stehen.“
Daraus konnte er ihr keinen Vorwurf machen. Die Medien hatten sie ordentlich in die Mangel genommen. „Soll ich dich nach Crooked Elm bringen?“, fragte er, um das Gespräch von diesen unangenehmen Erinnerungen abzulenken. „Oder musst du noch einmal zurück zum Gericht? Wenn wir hier eine halbe Stunde warten, ziehen die Reporter ab.“
„Mein Auto steht noch auf dem Parkplatz hinter dem Gericht. Aber ich will es nicht riskieren, heute noch einmal dahin zu fahren.“ Sie verschränkte Arme und Beine zugleich und zeigte mit ihrer Körpersprache an, dass sie gerade überall lieber wäre als im Auto neben ihm. „Bring mich bitte nach Crooked Elm. Ich hole morgen mit meinen Schwestern das Auto ab.“
„Kein Problem. Ich wollte ohnehin in die Richtung.“ Die Ranch, die er sich für die Zeit nach seiner Sportkarriere zugelegt hatte, grenzte auf einer Seite an das Land der Barclays. Er wusste, wie sehr es ihr missfiel, dass er weiterhin in dem Haus wohnte, in das sie zusammen hatten einziehen wollen.
Als sie wieder sprach, waren ihre Worte kurz angebunden und kühl. „Danke, Gibson. Ich möchte dich danach nicht wiedersehen, solange ich in der Stadt bin. Wie du vor zwei Jahren richtig gesagt hast, bringt es nichts, wenn wir Freunde bleiben.“
Das sollte ihn eigentlich nicht überraschen, und doch spürte er einen unerwarteten Stich der Enttäuschung. Aber schließlich war er über sie hinweg, oder? Er hatte einige Dates gehabt, aber es war nie mehr daraus geworden.
„Wenn du das so möchtest, werde ich mich danach richten“, sagte er und manövrierte den Wagen an einem entgegenkommenden Traktor vorbei, der beinahe beide Fahrspuren einnahm. „Aber sag Bescheid, wenn die Presse dich nicht in Ruhe lässt.“
Sie drehte sich abrupt zu ihm um und umklammerte ihre Körpermitte fest mit den Armen. „Wieso das denn?“
„Du hast es doch auch gehört. Sie haben dich erkannt. Irgendwer hat garantiert ein Foto von dir gemacht, als du ins Auto gestiegen bist.“ Er verstand nicht, warum sie beim Einsteigen noch einmal direkt in die Kameras geblickt hatte. Aber sie hatte zwei Jahre lang nichts mit der Presse zu tun gehabt und war es wohl einfach nicht mehr gewöhnt. Kopf runter und bloß nicht hinschauen, das war die Devise.
Ihr enerviertes Stöhnen sah einer so beherrschten Frau wie Lark überhaupt nicht ähnlich. Erschrocken schaute er sie an. War dieses Geräusch wirklich aus Lark Barclay gekommen? Und könnte er sie dazu bringen, es noch einmal zu machen?
„Das habe ich ganz vergessen“, gab sie zu und schien sich wieder unter Kontrolle zu haben. Zumindest starrte sie wieder aus dem Fenster. Wohl, um ihn nicht ansehen zu müssen. „Aber ich kann es nicht mehr rückgängig machen. Es wird schon nichts passieren.“
Mit Mühe hielt er sich davon ab, den Wagen anzuhalten und direkt in ihre moosgrünen Augen zu blicken, um zu verstehen, was in ihr vorging. Um vielleicht sogar endlich zu verstehen, warum sie ihre Ehe von einem Tag auf den anderen für beendet erklärt hatte.
„Ich habe gehört, dass euer Vater das Testament eurer Großmutter anfechten will.“ Gibson hatte Antonia Barclay unheimlich gerngehabt. Sie war eine starke Frau gewesen, unerschrocken und mit allen Wassern gewaschen. Nachdem ihre Familie weggezogen war, hatte sie die große Farm allein bewirtschaftet.
Während seiner Besuche in Catamount, bei denen er sein neues Zuhause einrichtete, hatte Antonia ihn ermutigt, sich als Rancher zu versuchen, nachdem seine Beziehung mit Lark den Bach heruntergegangen war. „Du wirst noch ein paar Mal ins Gericht fahren müssen. Das werden sich die Sportreporter denken können, möglicherweise liegen sie beim nächsten Mal schon auf der Lauer. Wenn ich dir irgendwie …“
„Auf keinen Fall.“ Sie zog ihr Telefon aus der Tasche. Ein klares Zeichen, dass das Gespräch beendet war. „Ich komme gut allein zurecht.“
Gibson beschleunigte und konzentrierte wieder auf die Straße. Lark sollte keine Minute länger als nötig neben ihm sitzen müssen. Er wusste, dass auch sie unter ihrer Scheidung gelitten hatte, aber er dachte immer, dass sie ohne ihn glücklicher sein würde. Dass sie schneller über ihn hinwegkommen würde, weil sie diejenige war, die beschlossen hatte, dass es vorbei war.
Aber war dem wirklich so? Er fragte sich, ob sie sich von ihrer Trennung überhaupt erholt hatte. Er hätte schwören können, dass da eine Spur des alten Glanzes in ihren Augen gewesen war, als sie ihn vorhin vor dem Gerichtsgebäude entdeckte.
Er spürte die Glut in seinem Inneren wieder aufflackern. Kämpfte gegen den Drang, ihr nachzugeben. Zumindest für den Moment.
Am Morgen nach ihrer Begegnung mit Gibson lief Lark ziellos durch die bunt gekachelte Küche ihrer verstorbenen Großmutter und schaltete die Kaffeemaschine ein, während sie gedankenverloren aus dem Fenster sah. Der Duft von Spätsommerblumen hing in der lauen Brise.
Lark atmete bewusst tief ein und sagte sich, dass sie die Zeit im Haus ihrer Großmutter genießen sollte. Das hier war das wahre Leben und nicht das, was irgendein Sportreporter und sein Fotograf sich zusammenspannen, nur weil sie zufällig zu Gibson ins Auto gestiegen war.
Sie wandte eine Beruhigungstechnik an, die sie ihren Angstpatienten oft beibrachte, und konzentrierte sich auf die einzelnen Duftnoten von wilder Bergamotte, Weidenröschen und Akelei.
Sie hatte Gibson nie verdächtigt, sie zu betrügen oder überhaupt Augen für andere Frauen zu haben. Aber seine Energie war immer so auf alle anderen in seiner Umgebung ausgerichtet gewesen, dass sie oft das Gefühl gehabt hatte, er nähme sie gar nicht wahr.
Schließlich öffnete sie die Augen. Ihr fiel auf, dass Fleurs Auto nicht in der Einfahrt stand. Das bedeutete, dass ihre Schwester im Cowboy Kitchen war, der einzigen Kneipe in Catamount. Fleur lieferte dort jeden Morgen frische Backwaren aus. Damit verdiente sie das Geld, von dem sie sich ihren Traum vom eigenen Tapas-Restaurant erfüllen wollte. Für ihre Kochkünste war sie bereits über Catamount hinaus bekannt. Mittlerweile bekam Fleur Catering-Aufträge, für die sie die Rezepte der Großmutter nachkochte und damit einmalige Menüs für Hochzeiten, Geburtstagsfeiern und andere Festlichkeiten zauberte.
Als die Kaffeemaschine mit einem letzten Gurgeln das Ende des Brühvorgangs verkündete, öffnete Lark den altmodischen Kühlschrank und nahm die Sojamilch heraus. Das Plätschern der Milch in ihrer Kaffeetasse hallte hohl und einsam von den bunten Kacheln der Arbeitsplatte wider.