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Fleur Barclay ist skrupellos und berechnend! Davon ist Rancher Drake Alexander schon lange überzeugt. Trotzdem kann er seiner Feindin nun nicht mehr aus dem Weg gehen. Denn Fleur möchte ein Stück Land verkaufen, das er unbedingt haben will. Natürlich geht es bei ihren Verhandlungen heiß her. Doch als Drake in Fleurs funkelnde Augen schaut, überkommt ihn plötzlich ein Verdacht: Streiten sie so erbittert, um die erotische Chemie zu unterdrücken, die zwischen ihnen herrscht? Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden …
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Seitenzahl: 198
IMPRESSUM
BACCARA erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
© 2022 by Joanne Rock Originaltitel: „Rocky Mountain Rivals“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARA, Band 2259 10/2022 Übersetzung: Ariane Stark
Abbildungen: Harlequin Books S. A., vedvid_ARTS / Depositphotos, alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 10/2022 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751509244
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Fleur Barclay hoffte, dass es ein gutes Vorzeichen war.
„Wir stellen ein.“ Das Schild im Fenster des einzigen Restaurants in Catamount war ihr sofort ins Auge gefallen. Kurzerhand ließ sie ihr verbeultes Auto stehen, um sich nach dem Job zu erkundigen. Die warme Sommersonne wärmte ihr Gesicht und der Duft von gegrilltem Fleisch hing in der Luft. Das Cowboy Kitchen war eine Institution in dem kleinen Ort und hatte schon Burger serviert, als Fleur früher mit ihrer Familie die Großmutter in Catamount besucht hatte. Auch während ihrer Teenagerjahre waren ihre Großmutter und das Restaurant eine wichtige Konstante in ihrem Leben gewesen. Ihre Eltern hatten sich nach einem furchtbaren Rosenkrieg scheiden lassen. Fleur war dabei zwischen die Fronten geraten und hatte schließlich eine Zeitlang bei ihrer Großmutter gewohnt.
Vor fünf Jahren hatte Fleur Catamount Hals über Kopf den Rücken gekehrt, nachdem sie selbst eine schmerzhafte Trennung erlebt hatte. Dass das Cowboy Kitchen noch immer existierte und man sie vielleicht sogar einstellen würde, ermutigte sie.
Da sie gerade arbeitslos war und ohnehin eine Weile hierbleiben musste, um den Nachlass ihrer Großmutter zu ordnen, beschloss sie, das Schild als Wink des Schicksals zu betrachten.
In den letzten Monaten hatte sie nicht nur ihre geliebte Großmutter verloren, sondern gleichzeitig die Avancen ihres Chefs ertragen müssen, sodass sie sich gezwungen sah, ihren Job als persönliche Assistentin aufzugeben. War ihre Pechsträhne endlich zu Ende? Zumindest konnte sie auf der Farm ihrer Großmutter wohnen, während sie alles für den Verkauf vorbereitete. Ohne Job hätte sie ihre Miete in Dallas ohnehin nicht mehr bezahlen können. Auf ihr Arbeitszeugnis würde sie lange warten müssen, nachdem sie ihren Chef wegen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz verklagt hatte, und ohne würde sie in Texas keine gute Stelle mehr finden.
Doch darüber wollte sie jetzt nicht nachdenken. Sie schob sich zwischen den parkenden Autos vor dem berghüttenartigen Gebäude hindurch, das neben dem Restaurant auch noch einen Eisenwarenladen und einen Postschalter beherbergte. Ein Restaurant war es eigentlich auch nicht wirklich, eher eine Kneipe. Aber es war nur ein paar Meilen von Crooked Elm, der Farm ihrer Großmutter, entfernt und sie durfte nicht wählerisch sein. Sie musste Geld verdienen, um ihre Rechnungen bezahlen zu können, wenn sie nicht an ihre Ersparnisse gehen wollte, die eines Tages für ihr eigenes Restaurant bestimmt waren.
Eine rostige Glocke schepperte, als Fleur die Tür öffnete. Der Geruch von gebratenem Schinken hing in der Luft, obwohl es bereits Nachmittag und die Frühstückszeit längst vorbei war. Es sah alles noch so aus wie früher: weißer Tresen, schwarz-weiß karierter Fußboden und verchromte Barhocker mit türkisfarbenen Sitzflächen aus Kunstleder. Das Einzige, was im Cowboy Kitchen an den Wilden Westen erinnerte, war ein überdimensioniertes Bild eines Cowboyhuts an der Wand hinter dem Tresen. Falls es heute einen Ansturm auf den Mittagstisch gegeben hatte, war er jedenfalls vorbei. Ein paar ältere Männer in verblichenen Overalls saßen an einem Tisch am Fenster vor ihren Kaffeetassen. Am Tresen entdeckte sie einen schlaksigen Jungen, ebenfalls im Overall, der gelangweilt über das Display seines Handys wischte.
„Ich komme!“, rief eine Frau aus der Küche. Wahrscheinlich hatte sie die Glocke gehört.
Fleur strich über ihren zerknitterten Rock und stellte sich direkt vor den Tresen. Ein Flachbildschirm stand neben einem Kartenlesegerät auf der Theke. Auch wenn die Einrichtung aus dem letzten Jahrhundert stammte, hier hatte jemand in Technik investiert. Bedeutete das, dass sie hier mit einem vernünftigen Gehalt rechnen konnte? Fleur wusste, dass ihre Großmutter ihre Reserven aufgebraucht hatte. Deshalb würde sie haushalten müssen, bis sie den Nachlass veräußert hatte und ihren Anteil bekam. Während der Scheidung ihrer Eltern hatte sie immer wieder versucht, die Wogen zu glätten. Ihr Vater hatte das als übermäßige Loyalität ihrer Mutter gegenüber interpretiert und ihr zum achtzehnten Geburtstag den Geldhahn zugedreht.
„Was kann ich für dich tun?“ Eine Brünette kam lächelnd durch die Schwingtür aus der Küche, um Fleur zu bedienen. „Einzeltisch?“
Die Frau trug einen knalligen Lippenstift und das Haar zum Pferdeschwanz gebunden. Auf dem Namensschild an ihrer weißen Uniform stand „Marta“.
Fleur erkannte sie sofort. Marta Macon und ihre Familie lebten am Rande der Kleinstadt, und Fleur meinte sich zu erinnern, dass Martas Vater im Eisenwarenladen arbeitete.
„Nein, danke. Aber ich habe das Schild im Fenster gesehen. Gilt das noch?“ Ihr war klar, dass einige Leute in Catamount es als sozialen Abstieg betrachten würden, wenn sie hier anfing. Schließlich hatte sie einmal alles unternommen, um genügend Geld für eine professionelle Kochausbildung zusammenzukratzen. Vor allem Drake Alexander, der so etwas dank seiner Eltern nicht nötig hatte, war vernichtend gewesen mit seinem Spott, wenn sie an Schönheitswettbewerben vor großen Rodeo-Turnieren teilgenommen hatte, um dort vielleicht etwas Preisgeld zu ergattern. Aber wieso verschwendete sie überhaupt einen Gedanken an Drake Alexander?
„Aber klar doch.“ Marta bückte sich und zog ein Formular unter der Theke hervor. „Du bist eine von den Barclay-Schwestern, nicht?“
„Genau. Ich bin Fleur.“ Sie lächelte höflich, obwohl sie nicht erwartet hatte, dass sich noch jemand an die Barclay-Mädchen erinnerte. Seit Jahren waren weder Lark noch Jessamyn in Catamount gewesen. „Wir waren doch zusammen in der 4-H auf der Kochschule.“
„Jetzt erinnere ich mich. Hast du schon mal gekellnert?“
„Ja.“ Es gab wohl keinen Job in der Gastronomie, den sie noch nicht gemacht hatte. „Aber ich hatte gehofft, dass ihr vielleicht jemanden für die Küche sucht.“
„Sorry, da sind wir gut besetzt.“ Marta schüttelte den Kopf und begann, die Serviettenspender aufzufüllen.
Fleur konnte ihre Enttäuschung kaum verbergen. Im Grunde hatte sie nichts dagegen zu kellnern, aber hier in Catamount würde das bedeuten, dass sie ständig Leute anlächeln musste, die sie eigentlich nie hatte wiedersehen wollen. Vor allem Drake Alexander.
„Ich denke drüber nach. Darf ich das Formular trotzdem mitnehmen?“ In einer Kleinstadt konnte man sich eben nicht aussuchen, wo man arbeitete. Wenn sie so weitermachte, würde ihr in ein paar Wochen das Geld ausgehen.
„Gern.“ Marta war immer noch mit ihren Servietten beschäftigt. „Komm vorbei, wenn der Job was für dich ist. Ich mag es hier. Früher oder später kommen hier alle mal vorbei.“
Genau das ist das Problem, dachte Fleur.
„Die Arbeitsbedingungen sind besser geworden, seit der neue Eigentümer den Laden übernommen hat“, fuhr Marta fort. „Er zahlt sogar die Krankenversicherung.“
Der Gedanke, dass ihre Krankenversicherung übernommen werden würde, bestärkte Fleur in ihrem Entschluss.
„Wirklich? Wer ist denn der neue Eigentümer?“ Sie legte das Formular vor sich auf den Tresen und strich es glatt. Kein Hinweis auf den Arbeitgeber.
Die alte Glocke läutete erneut und Martas Augen strahlten.
„Da ist er ja“, flötete sie fröhlich und deutete auf die Tür.
Fleur drehte sich um.
Ihre Pechsträhne war offenbar doch noch nicht vorbei.
Als sie die markanten Gesichtszüge des gefühllosesten Arschlochs, das ihr je begegnet war, erkannte, war ihr schlagartig klar, dass es mit dem Job nichts werden konnte.
Marta hatte von alldem nichts bemerkt und plapperte munter weiter: „Erinnerst du dich noch an Drake Alexander? Er ist unser Rodeo-Star.“
Martas Stimme drang wir durch einen Nebel an Fleurs Ohr. Ihre Aufmerksamkeit war gebannt von dem Mann, der sie vor fünf Jahren vertrieben hatte. Er hatte sie nicht gemocht, und als Fleur seinen jüngeren Bruder gedatet hatte, war zwischen ihnen eine regelrechte Feindschaft entstanden.
Daran hatten auch die letzten fünf Jahre nichts geändert.
Aus dunklen Augen funkelte Drake sie an. Er hatte dunkles, welliges Haar, breite Schultern und schmale Hüften. Von den Stiefeln bis zum Cowboyhut war er ganz in Schwarz gekleidet. Äußerlich war er ein wahrer Adonis, doch Fleur wusste, dass nicht einmal ein Gasbrenner sein Herz zum Schmelzen bringen konnte.
Selbst sein Lächeln wirkte kühl. „Danke, Marta. Wir kennen uns bereits.“
Fleur umklammerte das Bewerbungsformular so fest, dass es zerknüllte. Aber das war ihr egal. Lieber ging sie pleite, als sich noch einmal diesem Mann auszuliefern. Schnell schob sie das zerknitterte Papier in die Tasche ihrer Jeansjacke. Marta erwiderte etwas, doch ihre Worte drangen nicht zu Fleur vor.
„Was für ein Pech, dich wiederzusehen“, erklärte sie. Sie hatte sich auf diesen Augenblick vorbereitet. Ihr war klar, dass sie Drake in Catamount zwangsläufig über den Weg laufen würde. „Aber wenigstens weiß ich jetzt, dass ich nicht ins Cowboy Kitchen gehen sollte, solange ich hier bin.“
„Willst du etwa wieder an deine Karriere als Schönheitskönigin anknüpfen? Oder überlässt du das Feld jetzt den Jüngeren?“
Er ließ keinen Zweifel daran, dass auch er sie immer noch nicht ausstehen konnte. Das war ihr ganz recht, denn so konnte sie die komplizierten Gefühle besser einordnen, die dieser Mann in ihr wachrief.
„Dasselbe könnte ich dich fragen. Aber ich habe keine Lust, wieder davon anzufangen, wie du mein Leben ruiniert hast. Außerdem muss ich los.“ Sie hängte sich die Handtasche um und wandte sich an Marta.
„Es war nett, dich wiederzusehen, Marta.“
Mit eiskalter Verachtung, die in krassem Widerspruch zu der sengenden Hitze stand, die Drake in ihr ausgelöst hatte, marschierte Fleur aus dem Cowboy Kitchen und schwor sich, nie wieder dorthin zu gehen.
Drinnen ließ sich Drake auf eine Bank am Fenster fallen und befahl sich, nicht hinauszuschauen. Doch leider haftete sein Blick bereits an Fleurs schlanker Figur, die zwischen parkenden Autos hindurch zu einer Rostlaube hastete, die fast als Oldtimer durchgehen konnte. Das war kein Wagen, den er bei einer ehemaligen Schönheitskönigin vermutet hätte. Aber Fleur entsprach auch sonst keinem Klischee.
Mann, sie sah noch umwerfender aus als je zuvor.
Aber ihre Schönheit konnte nicht über ihre Gier hinwegtäuschen. Er verachtete sie dafür, dass sie versucht hatte, seinen Bruder in die Ehe zu locken, nachdem er gerade einmal ein paar Wochen mit ihr zusammen gewesen war.
Fleur war schön, daran bestand kein Zweifel. Sie hatte endlos lange Beine und volle Lippen, die ihn zu erotischen Fantasien verführten, sobald sie den Mund öffnete. Fleur zog ihn an und stieß ihn gleichzeitig ab. Deshalb hatte er sich immer von ihr ferngehalten.
Außer damals, als er herausgefunden hatte, dass sein törichter Bruder sich mit ihr verlobt hatte. Sie war gerade erst zwanzig gewesen und nach dem Tod seiner Eltern hatte er die Rolle als Familienoberhaupt und Vaterersatz für seine Geschwister übernommen. Daher hatte er Fleur direkt ins Gesicht gesagt, was er von ihren Hochzeitsplänen hielt. Sie hatte die Verlobung gelöst und Colin war wutentbrannt nach Montana gezogen. Drake hatte immer gehofft, dass sein Bruder ihm eines Tages verzeihen würde, doch er hatte sich seit fünf Jahren nicht mehr blicken lassen.
Als er Fleur nun beim Einsteigen zusah, konnte Drake nicht umhin, zu bemerken, wie der kurze blaue Rock ihre Hüften umspielte. Drei feine silberne Halsketten in ihrem Dekolleté reflektierten die helle Junisonne. Ihre ausgefranste Jeansjacke war das Einzige, was an ihre Vergangenheit hier auf dem Land erinnerte.
Ein Becher wurde vor ihm hingestellt, was ihn aus seinen Tagträumen riss. Marta stand an seinem Tisch und goss ihm dampfenden Kaffee aus einer Glaskanne ein.
„Ich hätte meinen rechten Arm dafür gegeben, einmal Miss Silver Spurs zu werden“, sagte sie geknickt. „Sie muss eine großartige Reiterin sein.“
„Sicher“, gab er zu und bekam prompt ein schlechtes Gewissen. „Ich wollte niemanden beleidigen.“
„Hast du aber“, gab Marta zurück und war gar nicht mehr fröhlich. „Du hast ja keine Ahnung, was Schönheitsköniginnen in ihren Gemeinden alles bewegen können, wenn sie ihren Bekanntheitsgrad richtig einsetzen.“
Das wusste er sehr wohl und hätte sich die blöde Bemerkung über ihre Karriere als Schönheitskönigin sparen sollen. Aber Fleur hatte ihn schon immer auf die Palme gebracht.
„Entschuldigung. Ich habe schlechte Erfahrungen mit ihr gemacht. Trotzdem hätte ich sie nicht so provozieren dürfen.“ Auf keinen Fall wollte er es sich mit seiner einzigen Kellnerin und Restaurant-Managerin verscherzen. „Hat sie gesagt, was sie hier will?“
Er nahm an, dass Fleur in Catamount war, um die Angelegenheiten ihrer Großmutter zu regeln. Insgeheim hoffte er, dass sie sich damit beeilte.
„Sie hat nach dem Job gefragt. Aber nachdem sie das Bewerbungsformular zerknüllt hat, werden wir wohl nicht wieder von ihr hören.“ Marta kehrte auf dem Absatz um und füllte die Kaffeetassen der anderen Gäste auf.
Fleur suchte einen Job?
Wie lange wollte sie denn bleiben?
Er hätte sich beherrschen sollen. Drake wartete schon seit Jahren darauf, dass die Farm Crooked Elm zum Verkauf angeboten wurde. Endlich war es so weit, und er hatte nichts Besseres zu tun, als die Verkäuferin daran zu erinnern, dass sie einander nicht ausstehen konnten.
Warum hatte er ihr nicht einfach sein Beileid über den Tod ihrer Großmutter ausgesprochen? Er hatte Antonia Barclay gemocht, auch wenn sie sich seit Jahren geweigert hatte, ihm das Sahnestück ihres Landbesitzes zu verkaufen. Sie hatte ihn immer gewarnt, dass es eines Tages Fleur sein würde, die er vom Verkauf überzeugen musste.
Er war einfach überrascht gewesen, als sie plötzlich am Tresen gestanden hatte. Leibhaftig und so schön, dass sein ganzer Körper zu prickeln begonnen hatte.
Geistesabwesend trank er einen Schluck Kaffee und verbrannte sich prompt die Zunge. Leise fluchend sah er erneut aus dem Fenster.
Fleurs Rostlaube stand immer noch da, direkt neben seinem Pick-up-Truck. Durch die Windschutzscheibe konnte er sehen, wie Fleur auf ihrem Handy herumtippte.
Bevor er es sich anders überlegen konnte, sprang er auf und lief zum Ausgang. Noch im Gehen setzte er seinen Cowboyhut auf und machte sich bereit, ihr entgegenzutreten.
Er wollte ihr auf der Stelle ein Angebot für Crooked Elm machen. Vor fünf Jahren war sie sich nicht zu fein gewesen, Geld von der Familie Alexander zu nehmen. Er hatte gehört, wie sie und Colin über einen möglichen Ehevertrag gesprochen hatten, der sehr zu ihren Gunsten ausgefallen wäre. Die Verlobung war da noch keine Woche her gewesen. Es war ihm mächtig gegen den Strich gegangen, dass sein Bruder sich binden wollte, bevor Fleur überhaupt ihre Berufsausbildung begonnen hatte. Also hatte er ihr ordentlich die Meinung gesagt. Damit hatte er sie zwar dazu gebracht, die Verlobung zu lösen, doch es hatte ihn auch die Beziehung zu seinem Bruder gekostet.
Inzwischen sah er ein, dass er einen Fehler begangen hatte. Ein zweites Mal würde ihm das nicht passieren. Vielleicht konnte er sie überzeugen, ihm die Farm zu verkaufen, ohne einen Makler einzuschalten.
Der Zustand ihres Autos stimmte ihn jedoch nachdenklich. Er hatte angenommen, sie sei nur auf Geld aus gewesen. Das passte nicht zu ihrer alten Rostlaube oder zu ihrer Bewerbung in der Spelunke von Catamount. Das Restaurant machte wirklich nicht viel her, aber es war das einzige weit und breit. Nach der Insolvenz des früheren Eigentümers hatte Drake es nur übernommen, damit Catamount nicht ganz ohne Gastronomie dastand wie so viele andere Kleinstädte in der Gegend. Er würde niemals hier wegziehen, also musste er sich seine Umgebung so angenehm wie möglich gestalten.
Als Drakes Schatten auf die Windschutzscheibe fiel, blickte Fleur von ihrem Handy auf. Sie erschrak und ließ das Telefon fallen. Dann verengten sich ihre grauen Augen zu Schlitzen.
Trotzdem kurbelte sie das Fenster herunter.
„Hast du mir noch was zu sagen?“, fragte sie und blinzelte im Sonnenlicht zu ihm herauf.
Er würde nicht darauf eingehen. Wenn er eine Chance auf die Farm haben wollte, musste er sich zusammenreißen.
„Mein Beileid zum Tod deiner Großmutter. Antonia war sehr beliebt.“
Fleurs Gesichtszüge erschlafften. Er konnte nicht sagen, ob sie traurig war oder irritiert, weil er sich nicht ans Drehbuch hielt.
„Danke.“ Ihre Stimme klang gepresst. „Ich muss noch einen Termin mit meinen Schwestern abstimmen, dann organisieren wir einen Gedenkgottesdienst.“
Er war selbst noch ein Teenager gewesen, als er die Barclay-Schwestern zuletzt zusammen in Catamount gesehen hatte. Den Tag würde er niemals vergessen. Es war kurz nach der Trennung der Eltern gewesen und auf dem Jahrmarkt gab es einen Rodeo-Wettkampf für Jugendliche. Fleurs Mutter ging mit Fleur dorthin, während der Vater mit seiner neuen Freundin ihre beiden Schwestern begleitete. Jessamyn, die mittlere, war zum Hindernisreiten angemeldet gewesen. Drake hatte an dem Tag alle Wettkämpfe von der Tribüne aus beobachtet.
Das Sicherheitspersonal hatte eingegriffen, als die neue Freundin von Fleurs Vater ihre Handtasche wie einen mittelalterlichen Morgenstern geschwungen und Mrs. Barclay mehrere Stufen die Tribüne hinuntergeschleudert hatte.
Fleurs Karriere als Schönheitskönigin bei der Eröffnung von Rodeo-Wettkämpfen hatte damals gerade begonnen. Sie musste gerade erst neun Jahre alt gewesen sein, hatte ein Kostüm aus rotem, weißem und blauem Satin getragen und war mit den Fahnenträgern in die Manege eingeritten. Als der Streit entbrannt war, hatte sie die Menge überrascht, indem sie lauthals „America the Beautiful“ sang. Viele hatten das damals merkwürdig gefunden, vor allem da ihre Mutter durchaus hätte schwer verletzt werden können. Doch Drake hatte vermutet, dass Fleur damit die allgemeine Aufmerksamkeit von der unwürdigen Szene ablenken wollte.
Von dem Tag an war allen in Catamount klar gewesen, dass Fleur eine kleine Rampensau war, die immer alle Aufmerksamkeit für sich beanspruchte. Das tat jetzt allerdings nichts mehr zur Sache. Er musste sie dazu bringen, ihm Crooked Elm zu verkaufen. Der letzte Pächter hatte die Dinge schleifen lassen, und Drake würde sich einiges einfallen lassen müssen, um die Bodenqualität wiederherzustellen. Den Boden so zu bestellen, dass er auf lange Sicht fruchtbar blieb, war das Credo seiner Eltern gewesen. Das musste er unbedingt weiterführen.
„Da werden sicher alle kommen“, sagte er etwas verspätet, während er immer noch überlegte, wie er am besten vorgehen sollte. Er schluckte seinen Stolz hinunter und fügte freundlich hinzu: „Marta meinte, du suchst einen Job.“
Fleur stieß ein kurzes, freudloses Lachen aus. „Ja, aber nur bis ich wusste, wer der Eigentümer ist.“
Er lehnte sich gegen seinen Pick-up, der neben ihrem Auto stand, und wählte seine Worte sorgfältig. Es war an der Zeit, das Kriegsbeil zu begraben.
„Wir müssen uns ja nicht begegnen. Ich komme eh nur selten.“
Sie schüttelte so heftig den Kopf, dass ihre kupferfarbenen Locken flogen. „Hast du noch nicht genug? Willst du deine reichen Freunde einladen, damit sie sich daran weiden können, dass ich jetzt im Cowboy Kitchen bediene?“
„Nein.“ Im Gegenteil, er würde alles tun, um seine Freunde vor dieser geldsüchtigen Schönheitskönigin zu schützen. „Ich habe die Kneipe gekauft, weil es eine gute Investition war, nicht weil ich hier essen gehe. Ich will dich nicht abhalten, wenn du hier arbeiten möchtest.“
„Du willst mich doch auf den Arm nehmen“, erwiderte sie trocken und angelte ihr Handy aus dem Fußraum auf der Beifahrerseite. Als sie wieder auftauchte, sprühten ihre Augen Funken. „Nachdem du meine Verlobung ruiniert und mich aus Catamount vertrieben hast, willst du mir jetzt helfen, ja? Und das soll ich dir glauben?“
„Du tust mir unrecht“, begann er, doch sie war noch nicht fertig.
„Wenn du mein Chef wärst, würdest du mir das Leben zur Hölle machen. Darauf kann ich verzichten, danke.“ Sie stopfte ihr Telefon in den Getränkehalter und begann, das Fenster hochzukurbeln. Das Gespräch war beendet.
Wenn man ihre bisherigen Auseinandersetzungen als Maßstab nahm, war es diesmal recht glimpflich ausgegangen.
Drake sah dem rostigen alten Auto nach und dachte, dass er sich wohl etwas mehr anstrengen musste, wenn Fleur ihm die Farm ihrer Großmutter verkaufen sollte.
Fleur stand in der hellgelb gestrichenen Küche, in der sie viele glückliche Stunden mit ihrer Großmutter beim gemeinsamen Kochen verbracht hatte. Ihr Tablet hatte sie auf die Arbeitsplatte gestellt, um mit ihrer ältesten Schwester Lark in einem Video-Anruf die letzten Einzelheiten für den Gedenkgottesdienst zu besprechen. Fleur war dankbar für die Gesellschaft, denn das alte Bauernhaus schien plötzlich einsam und verlassen, jetzt, da ihre Großmutter nicht mehr da war. Außerdem lenkte das Telefonat mit Lark sie von ihrer unerwarteten Begegnung mit Drake ab.
Bildete sie sich das nur ein oder war er nach all den Jahren auf einmal freundlich zu ihr? Egal, das Beste war, sich jetzt erst einmal auf den Gottesdienst zu konzentrieren.
Wie oft hatten Fleur und ihre Großmutter hier auf den blau gestrichenen Holzstühlen gesessen und gegenseitig ihre neuesten Rezepte verkostet? Sie betrachtete die Zierteller, die über dem Spülbecken hingen, und erinnerte sich daran, wie sie immer einen nach dem anderen heruntergenommen und abgewaschen hatte. Dabei hatte die Großmutter ihr erzählt, wo sie jeden einzelnen Teller gekauft hatte und wie sie in ihrer Jugend den Großvater kennengelernt und schließlich mit ihm die Farm seiner Eltern in Catamount übernommen hatte. Diese Geschichten hatten Fleur daran erinnert, dass eine Ehe nicht zwangsläufig scheitern musste – so wie die ihrer Eltern.
Fleur riss den Blick von den Wandtellern los und konzentrierte sich auf das Gesicht ihrer Schwester auf dem Bildschirm vor ihr. Lark war Psychotherapeutin. Sie hatte langes, glänzendes dunkles Haar, das heute zum Zopf geflochten war. Unter ihren Augen lagen dunkle Schatten. Gerade packte sie Spielsachen in eine Tasche. Fleur nahm an, dass sie am Nachmittag noch weitere Sitzungen in den Schulen und Kindergärten haben würde, die sie als Therapeutin betreute.
„Willst du danach wirklich gleich nach Los Angeles zurück?“, fragte Fleur sie zum zweiten Mal, weil sie sich danach sehnte, ihre Familie zu sehen. Ihre Beziehung zu ihren Schwestern war zwar schwierig, aber mit Lark kam sie zeitweise doch ganz gut aus. Lark nahm es ihr nicht ganz so übel wie Jessamyn, dass sie damals versucht hatte, den Haussegen zu retten.
„Ja.“ Lark hob gerade das letzte Spielzeug auf und stopfte es in ihre Tasche. „Es war schwer genug, mich von Dad und dem ganzen Drama abzugrenzen. Bei der Trauer um Großmutter brauche ich ihn nicht auch noch um mich herum.“
Fleur biss sich auf die Unterlippe, hielt aber den Mund. Ihre Schwester sah erschöpft aus, und Fleur wusste, dass es für Lark belastend genug war, überhaupt nach Catamount zu kommen, selbst ohne neue Familienzwistigkeiten. Zu allem Überfluss hatte Larks Ex-Mann nämlich auch noch die Ranch nebenan gekauft. Zwar hatte ihre Schwester nie alle Details über das Scheitern ihrer Ehe preisgegeben, aber ihre Scheidung war ein weiterer Grund, weshalb sie normalerweise einen großen Bogen um Catamount machte.
Dafür hatte Fleur Verständnis, schließlich war sie selbst ein gebranntes Kind, was das anging.
„Verstehe.“ Sie fuhr die Rillen auf der gefliesten Arbeitsplatte nach. „Es ist halt so still hier ohne sie.“
„Es tut mir so leid.“ Lark sah den Schmerz, für den Fleur keine Worte fand. „Für mich ist es auch seltsam, diese große Küche so leer zu sehen. Ich kann mir vorstellen, wie schwer es für dich ist.“
Fleur nickte und musste schlucken.
Nach der Scheidung war Fleurs Mutter depressiv geworden und die Großmutter hatte die Mutterrolle für sie übernommen. Jennifer Barclay war getrieben gewesen von dem Drang, immer wieder gegen ihren Mann vor Gericht auszusagen, doch als die Scheidung durch war, hatte sie allen Lebensmut verloren.