Ein Rancher fürs Leben - Joanne Rock - E-Book

Ein Rancher fürs Leben E-Book

Joanne Rock

0,0
2,49 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Endlich hat Reporterin Sierra das Rätsel gelöst, das Royal monatelang in Atem gehalten hat: Sie hat den Vater des ausgesetzten Babys gefunden! Colt Black ist ein wahrer Traummann – und natürlich sofort bereit, sich um sein Kind zu kümmern. Um ihn dabei zu unterstützen, bietet Sierra dem Rancher spontan an, für eine Weile bei ihm einzuziehen. Je mehr Zeit sie mit Colt unter einem Dach verbringt, desto mehr entflammt ihr Herz für ihn. Da eröffnet er ihr, dass er mit seinem Sohn ins Ausland gehen wird …

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 205

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



IMPRESSUM

BACCARA erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2022 by Harlequin Enterprises ULC Originaltitel: „The Rancher’s Reckoning“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARA, Band 2278 02/2023 Übersetzung: Gabriele Ramm

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 02/2023 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751515498

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

Werden Sie Fan vom CORA Verlag auf Facebook.

1. KAPITEL

Bitte antworten Sie mir. Ich glaube, dass Sie der Vater des sechs Monate alten Babys der kürzlich verstorbenen Arielle Martin sein könnten.

Sierra Morgan saß am Schreibtisch in ihrem Pensionszimmer in Royal und las den Text, den sie gerade verfasst hatte, noch einmal durch.

Unverblümt? Auf jeden Fall.

Da sie selbst Enthüllungsjournalistin war, wusste sie, dass man Menschen mit ihrem Beruf gern in eine Schublade steckte, auf der stand, dass man alles für eine Story tun würde, und Sierra gefiel es gar nicht, dass die Zeilen vermutlich genau in diese Kategorie fielen. Aber für sie gab es kaum eine wichtigere Geschichte, als den Vater eines mutterlosen Babys ausfindig zu machen.

Noch immer zögerte sie, die Textnachricht abzuschicken, und setzte stattdessen den alten Globus aus dem letzten Jahrhundert in Schwung, der auf dem kleinen Schreibtisch stand. Sie wohnte jetzt schon seit Monaten hier in dieser Frühstückspension und versuchte, das Geheimnis um den kleinen Micah zu lösen, der auf dem Parkplatz des Krankenhauses in Royal gefunden worden war.

Damals war sie gerade in der Stadt eingetroffen, um für die Zeitschrift America einen Artikel über das zehnjährige Jubiläum der Mitgliedschaft von Frauen im Texas Cattleman’s Club zu schreiben. Sie hatte die Story eingereicht und seitdem als freie Journalistin auch für die Royal Gazette geschrieben, während sie gleichzeitig Micahs Geschichte weiterverfolgt hatte. Ja, sie war verbissen und schonungslos und auch all die anderen Dinge, die eine gute Reporterin auszeichneten.

Es war ihr lieber, die Leute hielten das für die Wahrheit, als zu vermuten, was wirklich dahintersteckte, dass ihr nämlich Micahs Schicksal aus sehr viel privateren Gründen ans Herz ging.

Ziemlich schnell hatte sie herausgefunden, wer die Mutter des Babys war, nachdem Eve Martin, Micahs Tante, im Krankenhaus das Bewusstsein wiedererlangt hatte. Aber selbst die war nicht in der Lage gewesen, das Geheimnis von Micahs Vater zu lösen, denn Eves Schwester Arielle war an einem Herzinfarkt gestorben, bevor sie den Namen des Daddys preisgeben konnte. Seitdem, also seit fünf Monaten, folgte Sierra jeder Spur, die sie Arielles Tagebuch entnehmen konnte.

Und eine dieser Spuren hatte sie zu dem Rancher Colt Black geführt, der in Frankreich gerade ein Weingut aufbaute und bisher all ihre subtiler formulierten Text- und Sprachnachrichten ignoriert hatte.

Sie glaubte fest daran, dass es ihr endlich gelungen war, Micahs Vater aufzuspüren. Aber sie brauchte eine Antwort von Colt Black, um ihre Vermutung zu bestätigen.

Das Smartphone umklammernd, blickte sie noch einmal auf die taktlosesten Zeilen, die sie je verfasst hatte.

Unverblümt und schonungslos? Schuldig im Sinne der Anklage.

Sie drückte auf Senden.

Schließlich wusste sie nur zu gut, wie es sich anfühlte, wenn man mit dem Wissen aufwuchs, als Kind verlassen worden zu sein. Das hinterließ eine lebenslange Narbe, die sie niemandem wünschte, und Sierra wollte den süßen Jungen, den sie seit ihrer Ankunft in Royal schon viele Male besucht hatte, unbedingt beschützen.

In welcher Form auch immer, nach dieser Nachricht würde Colt Black ihr wohl antworten müssen.

Hatte es sich jemals so schrecklich angefühlt, nach Hause zu kommen?

Colt Black blickte nicht einmal aus dem Fenster des luxuriösen SUVs, den er am Flughafen samt Fahrer gemietet hatte, als sie durch die Innenstadt von Royal fuhren.

Fünfzehn Monate lang war er aus Texas fort gewesen, und noch vor vierundzwanzig Stunden hätte er sich vermutlich gefreut, nach so langer Zeit aus Frankreich nach Hause zurückzukehren.

Jetzt allerdings nicht mehr.

Er zog sein Handy aus der Tasche seines Sportsakkos und las noch einmal all die Nachrichten, die die Journalistin Sierra Morgan ihm geschrieben hatte. Er hatte noch nie von der Frau gehört, bis er sie nach dieser abschließenden, katastrophalen Mitteilung gestern Abend gegoogelt hatte. 

Bitte antworten Sie mir. Ich glaube, dass Sie der Vater des sechs Monate alten Babys der kürzlich verstorbenen Arielle Martin sein könnten.

Die Worte versetzten ihm immer wieder aufs Neue einen Stich, selbst als er sie jetzt zum wohl hundertsten Mal las. Ja, er hatte sämtliche Nachrichten der Enthüllungsjournalistin ignoriert, bis sie diese Bombe hatte platzen lassen. Aber da hatte er ja auch noch gedacht, sie sei eine x-beliebige Reporterin, die einfach nur auf irgendwelchen Klatsch und Tratsch für die Royal Gazette aus sei.

Nachdem jedoch Arielle Martins Name gefallen war, hatte er im wahrsten Sinne des Wortes alles stehen und liegen lassen. Er war gerade in der Probierstube des Weingutes gewesen und hatte den Wein eines Konkurrenten verkostet, als er die Worte gelesen hatte, die ihn zutiefst schockiert hatten.

Er hatte einen Sohn, ohne dass er davon wusste?

Sofort hatte er all die anderen Nachrichten von Sierra Morgan etwas aufmerksamer gelesen, nur um festzustellen, dass Arielle einen Monat nach der Geburt ihres Kindes verstorben war. Und dass ihr Kind – möglicherweise sein Kind, auch wenn er nur eine Nacht mit ihr verbracht hatte – seitdem als Waise aufwuchs. Das war vor fünf Monaten gewesen.

Sollte der Junge wirklich von ihm sein, so würde Colt sich das niemals verzeihen.

Als die Frühstückspension in Sicht kam, steckte er sein Handy in die Tasche. In einer ihrer Nachrichten hatte die Journalistin ihm mitgeteilt, dass sie ein Zimmer im Cimarron Rose bewohnte. Die Pension war seit Langem eine Institution in Royal, schon bevor Natalie Valentine sie übernommen und das Untergeschoss in einen Brautmodenladen verwandelt hatte. Sierra hatte ihm auch alle anderen Kontaktdaten von sich übermittelt, damit er sich mit ihr in Verbindung setzen konnte. Natürlich hatte er das nicht getan. Gestern Nacht war er zu geschockt gewesen, um sie anzurufen. Stattdessen hatte er den ersten Flug gebucht, um persönlich mit ihr zu sprechen.

Nun stand er unangekündigt um zehn Uhr morgens vor ihrer Tür.

Nachdem er den Fahrer bezahlt hatte, stieg er aus und ging auf die halb offen stehende Haustür zu.

„Hallo?“, rief er durch die Fliegengittertür und klopfte leicht an den Holzrahmen.

Noch ehe er leise Schritte und eine weibliche Stimme hörte, nahm er den Duft von Kaffee und Zimt wahr.

„Kommen Sie herein“, rief die Frau, noch bevor sie an der Tür angelangt war. „Natalie ist nicht da, aber ich …“

Die zierliche Blondine verstummte, als sie die Tür weiter öffnete und seinem Blick begegnete.

Aus großen moosgrünen Augen schaute sie zu ihm auf. Zerzaustes flachsblondes Haar fiel ihr über die Schultern und das schwarze T-Shirt. Dazu trug sie rosa gestreifte Pyjamahosen und graue Flanellhausschuhe.

„Sie müssen Sierra sein“, brachte er schließlich heraus, nachdem ihm bewusst geworden war, dass er die Frau einer allzu eingehenden Musterung unterzogen hatte. „Ich bin Colt Black.“

Sie blinzelte und meinte sichtlich überrascht: „Sie sind hier.“

Vermutlich hielt sie nicht viel von ihm, weil er nie auf ihre Nachrichten geantwortet hatte. Oder frohlockten ihre Reporterinstinkte angesichts einer möglichen Exklusivgeschichte?

„Wenn auch ziemlich verspätet“, meinte er trocken. Er deutete auf die Fliegengittertür und zog sie auf, sichtlich bemüht, cool zu bleiben, bis er Sierra besser einschätzen konnte. „Darf ich?“

Sofort trat sie einen Schritt zurück.

„Natürlich. Ich wollte Sie unbedingt sprechen. Allerdings habe ich Sie nicht so schnell erwartet, nachdem …“ Sie musterte ihn weiterhin aus ihren grünen Augen, während er ins Haus trat und seine Reisetasche auf einer hölzernen Bank im Flur abstellte. Sierra schien sich wieder zu fangen, und er vermutete, dass sie sich bemühen musste, die Fragen zurückzuhalten, die ihr deutlich ins Gesicht geschrieben standen. Stattdessen erkundigte sie sich: „Möchten Sie einen Kaffee? Oder Tee?“

Sie deutete auf eine kleine Frühstückstheke, auf der Gebäck, eine Kaffeemaschine sowie ein Wasserkocher und ein Korb mit Teebeuteln standen. Sie griff nach ihrem eigenen Becher und hielt ihn wie einen Schild vor die Brust. Während sie einen Schluck nahm, betrachtete sie Colt über den Rand des Bechers hinweg.

„Nein danke. Ich bin sowieso schon viel zu aufgedreht nach einer schlaflosen Nacht, die mir Ihre Nachricht beschert hat.“ Es gelang ihm nicht, die leichte Verbitterung in seiner Stimme zu unterdrücken.

Sie hob eine Augenbraue. „Das Schicksal eines Babys schien mir zu wichtig. Ich wollte nicht länger um den heißen Brei rumreden.“ Ihre grünen Augen funkelten wütend.

Aber lag das daran, dass ihr das Wohl des Kindes am Herzen lag? Oder war sie bloß auf der Jagd nach einer guten Story? Wenn er nicht Thema ihres nächsten Artikels werden wollte, sollte er lieber auf der Hut sein.

„Sie sind auf jeden Fall gleich zur Sache gekommen.“ Er schaute sich im Zimmer um, in dem außer ihr keine weiteren Gäste zu sehen waren. „Können Sie mir bitte erklären, wie Sie auf mich gekommen sind? Und ob ich das Thema Ihres nächsten Artikels werde? Ich weiß, dass Sie für die Zeitschrift America schreiben.“

„Im Augenblick nicht, nein“, erwiderte sie kopfschüttelnd. Im nächsten Moment kniff sie die Augen zusammen. „Und obwohl ich freiberuflich auch für die Lokalzeitung arbeite, schreibe ich aus Respekt vor Eve Martin und ihrem Neffen nicht mehr über Micah.“

„Es gab aber schon Berichte über das Baby.“ Während seines Flugs über den Atlantik hatte er viel Zeit zum Googeln gehabt. „Also entschuldigen Sie bitte, wenn es mir schwerfällt, das zu glauben.“

„Ich habe anfangs über ihn berichtet, um Hinweise auf seinen Vater zu finden. Aber jetzt schreibe ich nichts mehr, solange ich nicht über ein Happy End berichten kann, und dann auch nur, wenn der Vater es gestattet. Heute bin ich vor allem daran interessiert, ein menschliches Drama zu entwirren, denn ich war dabei, als Micah gefunden wurde.“

Hatte sie ein persönliches Interesse an dem Fall? Bei ihrem leicht anklagenden Tonfall stellten sich ihm die Nackenhaare auf.

„Tja, jetzt bin ich ja hier“, erinnerte er sie. „Ich bin bereit, den Jungen kennenzulernen und mit Arielles Familie zu sprechen. Und natürlich werde ich sofort einen DNA-Schnelltest …“

Seine To-do-Liste war ellenlang, doch Sierra legte ihm die Hand auf den Unterarm und brachte ihn mit dieser unerwarteten Berührung zum Schweigen.

„Niemandem ist vermutlich mehr als mir daran gelegen, das alles schnellstmöglich in die Wege zu leiten, aber ich finde, wir sollten erst mal Informationen austauschen, ehe Sie Micah treffen.“ Plötzlich wurde ihr offenbar bewusst, dass ihre Hand noch auf seinem Arm lag, denn sie riss sie hastig fort. Dann nickte sie Richtung Hintertür. „Wollen wir draußen weiterreden? Ich könnte ein bisschen frische Luft gebrauchen.“

„Wo auch immer“, erwiderte er frostiger als geplant. „Ich will nur Antworten. Je schneller, desto besser.“

Zornig straffte sie die Schultern und stellte den Kaffeebecher auf das Büfett.

„Ich versuche seit Wochen, Sie zu erreichen“, informierte sie ihn kühl und verschränkte die Arme. „Davor habe ich Monate damit zugebracht, die Hinweise aus Arielle Martins Tagebuch auszuwerten, um Micahs Vater zu finden. Sie können mir also glauben, dass auch ich an Antworten interessiert bin.“

Es lag ihm auf der Zunge, ihr zu sagen, dass sie einfach ihre Versuche, ihn zu erreichen, hätte forcieren müssen. Wenn sie die letzte Nachricht vor zwei Wochen geschickt hätte, wäre er schon längst hier gewesen. Aber da er ohne sie nicht einmal gewusst hätte, dass Arielle ein Kind bekommen hatte, verkniff er sich eine entsprechende Erwiderung.

„Natürlich, Sie haben recht.“ Sein Herz klopfte heftig angesichts der Furcht, die ihn seit vierundzwanzig Stunden umtrieb. „Entschuldigen Sie meine Unhöflichkeit, Miss Morgan. Ich bin wütend auf mich selbst, weil ich Arielle womöglich im Stich gelassen habe, wenn auch unwissentlich …“

Es gab keine Worte, die auch nur annähernd sein Bedauern beschreiben konnten, wenn es tatsächlich so war. Verantwortungsbewusstsein wurde in seiner Familie großgeschrieben und war ihm schon von Kindheit an eingebläut worden. Nur die Familie selbst war fast genauso wichtig. Und das war vielleicht eine weitere Institution, die Colt verunglimpft hatte, als er die Staaten vor fünfzehn Monaten verlassen hatte.

„Ich vermute, es ist ziemlich viel, was da gerade auf Sie einprasselt. Deshalb hätte ich meine Nachricht auch lieber etwas weniger unverblümt verfasst.“ Ihr Tonfall war wieder weicher, als sie sich umdrehte und durch die Küche ging. „Kommen Sie, lassen Sie uns an die frische Luft gehen. Und bitte, nennen Sie mich Sierra.“

Als Colt ihr durch die Küche folgte, sah er einen Flyer für das örtliche Wein- und Rosenfestival, das ihn als Neuling im Weingeschäft natürlich sofort interessierte. Aber bis dahin war er mit etwas Glück längst wieder in Europa.

Gemeinsam mit Sierra trat er nach draußen auf den Rasen, wo eine Eiche ihre dicken Äste fast über die gesamte Fläche ausbreitete. Eine schmiedeeiserne Bank stand zwischen rosa und lilafarbenen Azaleenbüschen, die in voller Blüte standen.

Sierras blondes Haar wehte leicht im Wind, als sie vor ihm zur Bank ging und sich setzte.

Er nahm am anderen Ende Platz. „Um Ihnen Zeit zu ersparen, kann ich Ihnen sagen, dass ich im Internet inzwischen alles über Arielles plötzlichen Tod gelesen habe. Ihre Schwester Eve habe ich nie kennengelernt, aber sie ist es, die jetzt für das Baby die Vormundschaft übernommen hat, oder?“

„Für Micah, ja“, korrigierte Sierra ihn. „Und ja, das ist richtig. Aber Eve leidet ebenfalls an Herzproblemen und war bis vor Kurzem noch im Krankhaus. Daher hielt man es für das Beste, wenn Micah weiterhin in der Obhut von Camilla Wentworth – Cammie – bleibt, der Frau, die ihn gefunden hat.“

Colt gefiel es gar nicht, dass eine völlig Fremde als Elternersatz für einen kleinen Jungen fungierte, der vielleicht sein Sohn war.

„Ich muss ihn sehen.“ Seine Hand ballte sich zur Faust. „Meine Güte, der Junge verdient es, ein Heim zu bekommen …“

„Und das wird er auch finden.“ Sierra stieß mit dem Finger gegen die Bank, um ihren Standpunkt zu unterstreichen. „Aber Cammie und Eve haben mir die Suche nach Micahs Vater anvertraut und mir Arielles Tagebuch gegeben, um dort nach Hinweisen zu suchen. Also würde ich mich freuen, wenn Sie mir verraten würden, woher Sie Arielle kannten. Ich habe mir fast ein Bein ausgerissen, um all die Puzzleteile aus dem Tagebuch zusammenzufügen, die darauf hindeuten, dass Sie möglicherweise der Vater sind.“

„Ihre Nachricht klang aber nicht so, als würden Sie nur eine bloße Vermutung anstellen.“ Er lehnte sich zurück und sah sie an.

Grimmig erwiderte sie seinen Blick. „Ich habe getan, was nötig war, um Antworten zu bekommen. Doch selbst nachdem Sie den ganzen Weg hierhergeflogen sind, scheinen Sie nicht gewillt zu sein, mir zu erzählen, wie gut Sie Arielle kannten.“

Colt presste den Daumen gegen seine Schläfe. Er musste sich vor dieser Frau nicht rechtfertigen. Er könnte einfach gehen und Cammie Wentworth auf eigene Faust finden. Doch wenn es stimmte, dass Sierra das Vertrauen von Cammie genoss, dann war es vielleicht besser, die Sache hier auszudiskutieren, ehe er abgelenkt wurde, wenn er ein Kind traf, das vielleicht sein Sohn war.

„Wir waren nur kurz zusammen“, begann er schließlich. „Wir haben uns kennengelernt, direkt bevor ich nach Frankreich abgereist bin. Ich war in Trauer um meinen Großvater und versessen darauf, den Traum zu verwirklichen, den er schon lange gehegt hatte – ein Weingut aufzubauen. Mir ist bewusst, dass meine Trauer eine billige Ausrede dafür ist, dass ich Arielle nach unserem Zusammensein nicht mehr kontaktiert habe.“ Er betrachtete Sierra. „Wissen Sie, ob noch jemand anders Anspruch auf das … auf Micah erhoben hat?“

„Nein, niemand.“ Sie schlüpfte aus ihren Hausschuhen, um die Füße unter sich zu ziehen. „Aber da Sie in Arielles Tagebuch nicht erwähnt werden, basiert meine Vermutung auf ziemlich dürftigen Beweisen.“

Colt dachte darüber nach. Das Bedauern, das er verspürte, wurde immer drängender und überlagerte auch den Groll, den er verspürte, weil Sierra sich in die Angelegenheit eingemischt hatte. Er musste herausfinden, ob Micah wirklich sein Sohn war, und wenn er dabei auf Sierras Hilfe angewiesen war, dann musste er das akzeptieren.

Sein Leben würde sich ab sofort grundlegend ändern. „In dem Fall stehe ich tief in Ihrer Schuld, dass Sie mich gefunden haben, Sierra.“ So viel konnte er immerhin zugeben, trotz all seiner Bedenken. „Und ich weiß nicht, ob ich jemals in der Lage sein werde, diese Schuld abzutragen.“

Sierra starrte in Colt Blacks blaue Augen und versuchte, diesen Mann genauer einzuordnen.

Konnte sie seiner Aussage bezüglich Arielle trauen? Der DNA-Test würde die Wahrheit ans Licht bringen. Und wenn er der Vater des kleinen Micah war, dann würde sie sich natürlich zurückziehen, damit das Baby mit seinem Vater zusammengebracht werden konnte. Aber bis das bewiesen war, fühlte Sierra sich verpflichtet, sich einzumischen, damit Cammie ihre Zeit nicht mit einem Rancher vergeudete, der dann vielleicht doch nichts mit Micah zu tun hatte. Und Eve hatte schon mehr oder weniger aufgegeben, den Vater überhaupt noch zu finden. Sie arbeitete hart daran, mithilfe von Physiotherapie wieder fit zu werden, weil sie davon ausging, dass sie Micah großziehen würde.

Zunächst einmal wollte sie Colt genauer unter die Lupe nehmen. Schauen, ob er ein guter Mensch war, dem man vertrauen konnte. Die Art von Mann, der Micah ein schönes Zuhause bieten könnte.

Denn es reichte nicht, nur attraktiv zu sein. Und es war nicht zu leugnen, dass Colt äußerst gut aussehend war. Dass ihr das auffiel, war überraschend, denn eigentlich hatte sie geglaubt, diesen Teil ihres Lebens erfolgreich verdrängt zu haben. Ihr Fokus lag eindeutig auf ihrer Karriere, alles andere wollte sie lieber vergessen.

Sicher, Colt war groß und muskulös, fast imposant, aber das hatte wohl mehr mit seiner ernsten, eindringlichen Art zu tun. Ganz objektiv betrachtet, war er ein wirklich attraktiver Mann. Sein maßgeschneidertes Jackett und die graue Flanellhose unterstrichen seinen Reichtum ebenso wie die alte silberne Uhr an seinem Handgelenk. Aber die Schatten unter seinen Augen und das leicht zerzauste, wenn auch frisch geschnittene dunkle Haar bewiesen, wie wenig er geschlafen hatte, seit ihre Nachricht ihn erreicht hatte. Diese Hinweise auf seine Verzweiflung gingen ihr näher als sein Äußeres, denn sie bewiesen, dass ihm Micahs Schicksal nicht egal war.

Was sie ebenfalls anziehend fand, war die Entschlossenheit, die er ausstrahlte. Das Bedürfnis, etwas wiedergutzumachen. Nachdem sie sich monatelang Sorgen um Micahs Zukunft gemacht hatte, gefiel ihr das.

Der Gedanke erinnerte sie an seine Bemerkung eben. Dass er glaubte, in ihrer Schuld zu stehen.

„Sie schulden mir gar nichts.“ Sie wischte ein welkes Blatt von der Bank. „Es wird Belohnung genug sein, wenn ich Micah mit seiner Familie vereinen kann.“

Danach könnte sie sich dann in ihr anderes Projekt vertiefen. Sie wollte ein Buch über die Geschichte des Texas Cattleman’s Clubs schreiben. Eine Aufgabe, die sie vom professionellen Standpunkt her reizte. Persönlich lag ihr mehr am Schicksal des kleinen Micah. Und so sehr sie sich auch wünschte, den Kleinen mit seinem Vater zusammenzubringen, würde sie die Besuche bei ihm vermissen, denn er hatte ihr Herz im Sturm erobert.

„Wenn Arielle mich niemals im Tagebuch erwähnt hat, wie sind Sie denn dann auf mich gekommen?“ Colt fuhr sich mit der Hand durchs Haar.

„Arielle hat den Namen des Colt-Rooms mehrmals an den Rand des Tagebuchs geschrieben“, erklärte sie und meinte damit die Bar im Texas Cattleman’s Club, die einer von Colts Vorfahren gebaut hatte. Colt selbst hatte erst kürzlich die Gelder für eine Renovierung bereitgestellt. „Neben einem prangt ein Herz, also dachte ich anfangs, sie hätte den Vater dort getroffen.“

Colt runzelte die Stirn, sodass sich eine Falte zwischen den buschigen dunklen Augenbrauen bildete. „Das heißt doch noch gar nichts.“

„Aber es gab noch mehr Hinweise. Micahs mittlere Initiale ist ein C. Kein Name, nur ein C. Ich dachte mir schon die ganze Zeit, dass das ein Hinweis auf den Vater sein könnte.“ Wieder und wieder war Sierra das Tagebuch durchgegangen, um das Rätsel zu lösen.

„Es ist erstaunlich, dass Sie mich überhaupt gefunden haben“, murmelte er. „Ich war so mit dem Weingut beschäftigt, weil ich zu Ehren meines Großvaters unbedingt erfolgreich sein wollte. Stattdessen hätte ich hier sein sollen, um für Arielle und ihr Kind zu sorgen.“

Sie nahm die Verzweiflung und die Schuldgefühle in seiner Stimme deutlich wahr und wünschte, sie könnte ihn ablenken, da nichts davon in dieser Situation weiterhalf.

„Jetzt sind Sie ja hier. Und ich muss zugeben, Sie waren schnell, nachdem ich meine Karten aufgedeckt hatte.“ Sie zog die Knie an die Brust und schlang die Arme darum. Es war eine Art Schutzwall vor dem attraktiven Mann neben sich. „Nachdem ich mehr über den Colt-Room, Ihr Engagement und die Tatsache, dass Sie das Land verlassen hatten, kurz nachdem Arielle schwanger geworden war, herausgefunden hatte, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass Sie Micahs Vater sein könnten.“

„Ihre früheren Nachrichten waren voller Fragen, statt gleich zur Sache zu kommen und mich geradeheraus zu fragen.“ Er schüttelte den Kopf. „Nachdem ich Sie gegoogelt hatte, dachte ich, Sie wären nur jemand, der Verbindung zum Texas Cattleman’s Club sucht, um daraus eine reißerische Story zu machen.“

Das tat weh.

„Also haben Sie mich ignoriert.“ Sie lächelte gequält. „Ich sehe schon, dass Sie der gängigen Meinung sind, Reporter wären wie Aasgeier.“

„Was sollte ich denn denken? Nie im Leben wäre ich darauf gekommen, dass Sie mir schreiben, um mir mitzuteilen, dass ich Vater sein könnte.“ Er stand auf. „Ich sollte gehen. Mir das Kind ansehen. Und herausfinden, wo ich einen Test machen lassen kann.“

Sierra erhob sich ebenfalls. Sie war nervöser, als sie eigentlich sollte, nun, da Micahs potenzieller Daddy in der Stadt und offenbar auch willens war, Verantwortung für den Jungen zu übernehmen. Das mögliche Ende ihrer Beteiligung an diesem Drama setzte ihr zu. „Warten Sie.“ Sie schlüpfte wieder in ihre Hausschuhe. „Sie können den DNA-Test im Krankenhaus machen lassen, auch wenn es extrem teuer ist, wenn man ein schnelles Ergebnis haben will. Aber erst einmal sollte ich mit Ihnen zu Micah fahren.“

Colt musterte sie mit abschätzigem Blick. Als Reporterin sollte sie daran gewöhnt sein, doch stattdessen wurde ihr auf einmal bewusst, dass sie nur eine dünne Pyjamahose und ein Schlafshirt trug.

„Ich werde auf jeden Fall den Preis für ein schnelles Testergebnis zahlen und sofort zum Krankenhaus fahren, nachdem ich Micah gesehen habe. Es ist nett, dass Sie anbieten, mich zu begleiten, Sierra, aber ich kann nicht erwarten, dass Sie noch mehr tun. Ich stehe ohnehin schon tief in Ihrer Schuld, egal, was Sie dazu sagen.“

„Ich habe Cammie noch nicht mal erzählt, dass ich Kontakt mit Ihnen aufgenommen habe“, antwortete sie, weil sie das drängende Bedürfnis verspürte, bei dem Treffen dabei zu sein. Sie wollte erleben, wie Micahs Reise zu Ende ging. „Und wir sollten auch Micahs Tante Eve wissen lassen, dass Sie in der Stadt sind.“ Es gab so viele Menschen in Royal, die an Micahs Schicksal Anteil genommen und geholfen hatten, das Rätsel um seine Herkunft zu lösen. „Aber wenn Sie Micah heute sehen wollen, dann möchte ich gern dabei sein. Micah lebt mit Cammie bei ihrem Verlobten Drake Rhodes, einem Rancher, der ein Haus in der Stadt hat.“

Während er darüber nachzudenken schien, überlegte sie, wie er wohl damit zurechtkommen würde, plötzlich für ein Baby sorgen zu müssen, sollte er wirklich der Vater sein. Wäre er glücklich darüber? Wieder regte sich Sorge um Micahs Wohlergehen in ihr.

Schließlich nickte Colt. „In dem Fall sage ich Danke.“

„Sehr schön.“ Sie eilte zum Haus. „Ich brauche zehn Minuten, um mich umzuziehen und Cammie anzurufen. Ich sage ihr Bescheid, dass wir kommen. Danach können wir los. Ich fahre.“

Sie hatte die Küche schon halb durchquert, als Colts Stimme hinter ihr sie aufhielt.

„Sierra. Kann ich Sie noch etwas fragen?“

Sie blickte über die Schulter und sah ihn in der Tür stehen, die er mit seinen breiten Schultern locker ausfüllte.

„Sicher. Schießen Sie los.“ Während sie die Hüfte an den Herd lehnte, versuchte sie, sich vorzustellen, wie er ein Baby im Arm hielt. Das Bild, das sie sofort vor Augen hatte, ließ sie einmal mehr um ihre fehlenden Eierstöcke trauern.

Und es erinnerte sie daran, warum sie Beziehungen mied.

„Sieht er mir ähnlich?“, fragte Colt mit dieser eindringlichen Stimme.