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Sind Freimaurer die heimlichen Drahtzieher des Weltgeschehens und Teil eines undurchschaubaren Verschwörungsnetzes? Geht es ihnen um politische Macht und wirtschaftlichen Einfluss? Geheimnisvolle Gesten, Riten und Symbole – was verbirgt sich dahinter? Der ausgewiesene Experte Matthias Pöhlmann bietet in diesem Buch in knapper und sehr übersichtlicher Form, was sonst kaum zu finden ist: zuverlässige Informationen über ein Thema, bei dem die Mythen häufig die Fakten überdecken.
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Seitenzahl: 159
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Matthias Pöhlmann
Die Freimaurer
Mythos und Geschichte
Erweiterte Taschenbuchausgabe
Titel der Originalausgabe:
Freimaurer. Wissen, was stimmt
© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2008
ISBN 978-3-451-05964-3
© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2019
Alle Rechte vorbehalten
www.herder.de
Umschlaggestaltung: Agentur IDee
Umschlagmotiv: © antadi1332/iStock/GettyImages
E-Book-Konvertierung: Carsten Klein, Torgau
ISBN Print 978-3-451-06876-8
ISBN E-Book 978-3-451-81863-9
Einführung
1. Daten und Fakten
Freimaurerei zwischen Fiktion und Realität
Freimaurerei als »Königliche Kunst«
Das Ideal: Humanität, Toleranz und Brüderlichkeit
Loge, Tempel und Grade
Das Ritualerlebnis als freimaurerisches Geheimnis
Freimaurerei und inneres Erleben
2. Entstehung und Geschichte der Freimaurerei
Ursprungslegenden und Mythen
Die Welt der mittelalterlichen Steinmetzbruderschaften
Zeitgeschichtlicher Hintergrund
Freimaurerische Gründerjahre
Loge d’Hambourg – die erste deutsche Loge (1737)
Hochgrade, Ritterromantik und Illuminaten
Die deutsche Freimaurerei im 19. Jahrhundert
Spaltung: Christliche und humanitäre Richtung
Die deutsche Freimaurerei im 20. Jahrhundert
Freimaurerei im Nationalsozialismus: Zwischen Ergebenheit und Selbstauflösung
Freimaurerei in Ostdeutschland nach 1945
Freimaurerei in Westdeutschland seit 1945
3. Grundlagen und Praxis
Brauchtum und Zeichen
Hauptsymbole
Geheimnisvolle Zeichen auf der 1-US-Dollar-Note
Tempel
Verpflichtung und Gelöbnis
Verschwiegene Männer
Ämter in der Loge
Freimaurerbekleidung
Feste
Tempelarbeit
Bruderabende, Instruktionen und Gästeabende
Initiation in einen Lebensbund
Aufnahme (Lehrlingsgrad)
Beförderung (Gesellengrad)
Erhebung (Meistergrad)
Hochgradsysteme
4. Freimaurer heute
Unterscheidung zwischen englischer und französischer Freimaurerei
Königliche Kunst zwischen Mitgliederschwund und Stagnation
Freimaurer im deutschsprachigen Raum
Hilfe und Brüderlichkeit
Frauenlogen
Gemischte Logen
Freimaurer und Service-Clubs
5. Zirkel, Winkelmaß und das Kreuz
Männerbund zwischen Ethik und Religion
Christliche Kirchen und Freimaurerei
6. Königliche Kunst zwischen Geheimnis und Öffentlichkeit
Anhang
Zeittafel zur Geschichte der Freimaurerei
Berühmte Freimaurer
Internetadressen in Auswahl (Stand: 9/2019)
Literaturverzeichnis
Abbildungsnachweis
Über den Autor
Harmloser Männerverein oder gefährlicher Geheimbund? Regieren die Freimaurer die Welt? Was wollen sie wirklich? Von jeher ranken sich viele Gerüchte und Spekulationen um den Männerbund. Seine Symbolwelt und geheimnisvollen Rituale bieten Stoff für spannende Inszenierungen in Literatur und Film, aber auch für böswillige Behauptungen. Verschwörungstheoretiker unterstellen den Freimaurern »dunkle Machenschaften« und sehen in ihnen die heimlichen Drahtzieher des Weltgeschehens. Freimaurer sind verschwiegene Männer. Sie schätzen die Tugend der Verschwiegenheit, die ihnen allerdings oft negativ angelastet wird. Die Spekulationen und Fantastereien nehmen kein Ende. Solide Informationen sind deshalb besonders gefragt.
Die Freimaurerei in Deutschland verändert sich. Sie hat sich in den vergangenen Jahren zunehmend den Erfordernissen der Medien- und Kommunikationsgesellschaft angepasst. Im Vergleich zu früheren Jahren und Jahrzehnten wenden sich einzelne Freimaurer und die Logen bzw. Großlogen in stärkerem Maße der interessierten Öffentlichkeit zu: Neu gestaltete Internetauftritte, Diskussionsforen, Buchpublikationen, die Beteiligung an öffentlichen Aktionen wie »Die lange Nacht der Museen« oder dem »Tag des Denkmals« zeigen zum einen eine neue Offenheit, zum anderen aber auch das große Informationsbedürfnis einer interessierten Öffentlichkeit. Darauf reagieren Freimaurer mit Ausstellungen in städtischen Museen, die damit einen Beitrag zur Erforschung und Dokumentation der Regionalgeschichte leisten. Zusätzlich verschaffen neuere, oft flott geschriebene Bücher von Freimaurern dem eigenen Anliegen eine größere Öffentlichkeit. Bei Tagungen der freimaurerischen Forschungsloge Quatuor Coronati wird der wissenschaftliche Diskurs mit Nichtfreimaurern gepflegt.
2017 jährte sich für die Freimaurer ein besonderes Ereignis zum 300. Mal: der – wenngleich historisch nicht belegbare – Beginn der organisierten Freimaurerei. Ein Jahr später, 2018, konnten die deutschen Freimaurer auf das 60-jährige Bestehen der Vereinigten Großlogen von Deutschland (VGLvD), einer Art Dachverband der fünf Großlogen, zurückblicken. Mit deren Gründung erlebte die Freimaurerei nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland eine neue organisatorische Basis. Von jeher waren die Freimaurer ein Männerbund. Doch mittlerweile haben auch Frauen die »Königliche Kunst« für sich entdeckt. In den letzten Jahren sind hierzulande mehrere Frauenlogen entstanden.
Bei dieser Veröffentlichung handelt es sich um eine aktualisierte und erweiterte Neubearbeitung des Buches, das unter dem Titel »Freimaurer« in der Reihe »Wissen, was stimmt« 2008 und zuletzt in zweiter Auflage 2010 erschienen ist. Sie konzentriert sich auf die Geschichte und das heutige Erscheinungsbild der Freimaurerei im deutschsprachigen Raum. Ausführlicher als bisher wird auf die Geschichte in West- und Ostdeutschland eingegangen. Ein eigenes Kapitel befasst sich mit der Frage nach Religion in der Freimaurerei und dem Verhältnis der christlichen Kirchen zur Königlichen Kunst. Eingearbeitet wurden neue Zahlenangaben und neue Literatur.
Das Buch will zuverlässig und sachlich über die Geschichte und über das Leben in den Logen informieren. Die im Anhang genannten Internetadressen und die angegebene Literatur sollen dem Leser dabei helfen, sich eine eigene Meinung über die Freimaurer zu bilden – jenseits von Spekulation und Verschwörungsdenken.
München, im September 2019
Matthias Pöhlmann
Immer wieder wird offen oder versteckt die Befürchtung geäußert, Freimaurer würden politische Macht anstreben und deshalb gezielt Schlüsselpositionen in Politik und Wirtschaft einnehmen. Die »geheimen Brüder« gelten in Verschwörungsszenarien als dämonische Macht, als allgegenwärtige Drahtzieher einer Weltverschwörung und Mitwirkende in einer Koalition der Bösen oder gar als antichristliche, satanische Macht.
Noch immer haben Freimaurer unter Diffamierungen und Unterstellungen zu leiden, wenngleich sie in den letzten Jahren ihre Anstrengungen intensiviert haben, das eigene Anliegen – bei aller Diskretion im Blick auf ihre Rituale – auf publizistischem Wege zu profilieren. Noch immer gibt es in der Öffentlichkeit große Vorbehalte und Verdächtigungen. Verschwörungsmythen halten sich hartnäckig. Seit ihren Anfängen im frühen 18. Jahrhundert war die Freimaurerei vielfältigen Angriffen und Diffamierungen ausgesetzt. Virulent ist in einschlägigen Büchern noch immer der so genannte antimaurerische Verschwörungsmythos, der sich bis in unsere Tage hält. Er wird fiktional in Filmen wie »Das Vermächtnis der Tempelritter« (2004), »Anatomie 1 und 2« (2000/2003), »From Hell« (2001) oder als Mystery-Unterhaltungsstoff in Buchform verbreitet. In Dan Browns Bestseller »Illuminati« werden die Freimaurer zu ahnungslosen Helfern der Geheimgesellschaft der Illuminaten. In seinem Buch »Das verborgene Symbol« (2009) widmet er sich dem geheimen Einfluss der Freimaurer auf die amerikanische Politik und schildert sie als Geheimkult. Dabei greift er populäre Mythen und stereotype Verschwörungslegenden auf. Die freimaurerische Ritualistik und ihre Symbolwelt dienen in dem Thriller als geheimnisvolle Hintergrundfolie für einen spannenden Plot. Gleichwohl machte Autor Dan Brown in verschiedenen Interviews aus seiner Bewunderung für das freimaurerische Anliegen keinen Hehl.
Neben diesen fiktionalen Stoffen taucht der antifreimaurerische Verschwörungsmythos in angeblich aufklärenden Sachbüchern oder in christlich-fundamentalistischen oder katholisch-traditionalistischen Traktaten auf. In der Esoterikszene finden sich Bücher, die auf den angeblich bedrohlichen wie geheimnisvollen Einfluss der Freimaurer auf das öffentliche Leben hinweisen wollen. Zu diesem Genre verschwörungsesoterischer Literatur sind z. B. die Werke von Jan Udo Holey alias Jan van Helsing (»Geheimgesellschaften 3 – Der Krieg der Freimaurer«) und Jo Conrad (»Entwirrungen«) zu rechnen. Auffällig ist, dass auf der Basis eigenwilliger Interpretationen viel behauptet und nichts bewiesen wird.
In Zusammenhang mit Verschwörungstheorien taucht immer wieder der Verdacht auf, Freimaurer würden in den höheren Graden Baphomet, dem Teufel, huldigen und damit in Wirklichkeit Satanisten sein. Diese Vorstellung geht zurück auf den von dem französischen Publizisten Léo Taxil, der in Wahrheit Marie Joseph Gabriel Antoine Jogand-Pagès (1854–1907) hieß, inszenierten »Taxil-Schwindel«. Taxil, ein Meister der Fake News, wird nicht ohne Grund als der größte Lügner des 19. Jahrhunderts bezeichnet. Er besaß die Fähigkeit, falsche Behauptungen virtuos in die Welt zu setzen. Zunächst im Geist des katholischen Jesuitenordens erzogen, entwickelte er sich später zum radikalen Freidenker. Zunächst trat Taxil als vehementer Bekämpfer des Katholizismus auf. So veröffentlichte er ein antiklerikales Jahrbuch. 1881 ließ er sich in eine Freimaurerloge aufnehmen. Nach nur drei Besuchen wurde er wegen Vergehens ausgeschlossen. Ihm wurde vorgeworfen, gegen die freimaurerische Ehre verstoßen und unlautere Geschäfte betrieben zu haben. Taxil, der leidenschaftliche atheistische Publizist, wandte sich dann vom bisherigen Weg ab und 1885 der katholischen Kirche zu. Es schien sich um eine Art Bekehrung gehandelt zu haben, die er aber dazu nutzte, aus antifreimaurerischen Ressentiments der zeitgenössischen katholischen Kirche Kapital für sich selbst zu schlagen. Er erkor sich in den Freimaurerlogen einen neuen Feind, den er nunmehr mit kirchlichem Segen massiv zu bekämpfen begann. So verbreitete er viele Schauergeschichten und böse Gerüchte über den Bruderbund, die er als Enthüllungsliteratur über deren angebliches satanisches Treiben inszenierte. Sogar der päpstliche Nuntius in Paris ermunterte Taxil, sein publizistisches Schaffen ganz in den Dienst der Kirche zu stellen. Selbst Papst Leo XIII. schien von den ernsten Absichten Taxils überzeugt zu sein und lud diesen zu einer Audienz. Der Papst erhoffte sich von dem Journalisten wohl Unterstützung, da er kurz zuvor die Enzyklika »Humanum genus« gegen die Freimaurer erlassen hatte. 1885 veröffentlichte Taxil sein Buch über die »Dreipunktebrüder«, in der er der Öffentlichkeit die Lüge auftischte, die Freimaurer würden satanistische Rituale betreiben, in denen es ausschließlich um die Verherrlichung des Teufels gehe. In weiteren Veröffentlichungen verbreitete Taxil diese falschen Behauptungen und reicherte sie durch weitere skandalöse Aspekte an: Demnach würden in Frauenlogen sexuell-orgiastische Zusammenkünfte stattfinden. Taxil schien zunächst davon zu profitieren, dass der Papst ihm durch den offiziellen Empfang einen seriösen Anschein gegeben hatte. In dem Werk »Gibt es Frauen in der Freimaurerei?« von 1895 trieb Taxil den Schwindel auf die Spitze, indem er darin den satanistischen Tempelkult der Freimaurer in den Hochgraden noch weiter ausschmückte: »In den ›palladischen Satanslogen‹ feierte man nach Taxil wahre Unzuchtsorgien. Luzifer wurde auch hier als Prinzip des Guten verehrt, der Gott der Christen als Geist des Bösen geschmäht. ›Hier beginnen der Kult und die direkte Anbetung des Teufels, die progressive Vertierung durch die Schwarze Kunst, endlich die Ehrenbezeugung an den Satan in Gestalt einer Schlange … der Adept ruft Satan als seinen Gott an … er betet ihn an in Gestalt von Baphomet, einem infamen Götzenbild mit Bocksfüßen, Frauenbrüsten und Fledermausflügeln.‹« (zit. nach Internationales Freimaurerlexikon, S. 831) Taxil bediente sich hier offensichtlich der Baphomet-Darstellung des französischen Okkultisten und zeitweiligen Freimaurers Éliphas Lévi Zahed, eigentlich Alphonse Louis Constant (1810–1875), der sich jedoch mit den Logenbrüdern überworfen und sein weiteres Leben dem Okkultismus verschrieben hatte.
Abb. 1: Baphomet in einer angeblichen Freimaurer-Zeremonie. Illustration in einem von Léo Taxil herausgegebenen Buch.
Taxil suchte sich literarische Unterstützer für seine phantastische Enthüllungsliteratur über die angeblichen Umtriebe der Freimaurerei. Er fand sie in dem deutschen Arzt Karl Hacks und dem Italiener Domenico Margiotta. Das Trio begann immer wildere Gerüchte über die satanistischen Geheimnisse der Hochgradfreimaurerei in Umlauf zu bringen, wovon die Inhaber »unterer Grade« nichts wüssten.
Taxils literarische Fantasie kannte keine Grenzen. So hatte er sich ein zweites Wesen ausgedacht: Es handelte sich um die junge »Palladistin Diana Vaughan«. Angeblich habe sich diese vermeintliche Nachfahrin eines namhaften Teufelsbündlers der Barockzeit Taxil anvertraut. Sie berichtete ihm, dass sie bereits in sehr jungen Jahren dem Satan geweiht worden und später in die höchsten Freimaurergrade aufgestiegen sei. Nun habe sie sich zum katholischen Glauben bekehrt und müsse sich vor den rachsüchtigen Freimaurern in einem Kloster verstecken. Die Frau wolle nun die Öffentlichkeit über die satanistischen Umtriebe der Bruderschaft aufklären, was sie durch Taxil auch tat. In mehreren Fortsetzungen ihrer angeblichen Erinnerungen einer Ex-Palladistin (auf Deutsch veröffentlicht unter dem Titel »Die Geheimnisse der Hölle«) erzählte sie von Hostienschändungen, Satanskult und der Verhöhnung Gottes. Die Taxil-Enthüllungen heizten die Stimmung immer mehr an. Als er im September 1896 einen lange vorbereiteten Anti-Freimaurer-Kongress mit 36 Bischöfen, 50 bischöflichen Delegierten und 700 Besuchern, vor allem Geistliche, in Trient abhielt, war die Meinung im Blick auf die Existenz dieser sagenhaften Frau Vaughan gespalten. Schließlich flog der ganze Schwindel auf, nachdem seine beiden Mitstreiter begannen, die erfundenen Geschichten scheibchenweise zuzugeben. Taxil selbst verkündete am Ostersonntag, am 19. April 1897 im Großen Saal der Geographischen Gesellschaft in Paris, dass alles in Wirklichkeit ein jahrelanger Spaß gewesen sei: seine Bekehrung, die vielen antifreimaurerischen Enthüllungsbücher und nicht zuletzt die von ihm erfundene Frau Vaughan. Jahrelang hatte er Kleriker, Journalisten und auch die Öffentlichkeit an der Nase herumgeführt. Noch Jahre nach der Enthüllung des Taxil-Schwindels vermarktete er seinen Schelmenstreich in zahlreichen Vorträgen. Der in späteren Nachrufen als »König der Aufschneider« und »Jules Verne der Hölle« Gefeierte starb schließlich 1907. Sein literarisches Narrenstück wirkt als antifreimaurerische »Fake News« bis heute noch nach, so besonders in christlich-fundamentalistischen Kreisen.
Die Fantasie von Verschwörungstheoretikern beflügelt die Tatsache, dass sich der norwegische rechtsterroristische und islamfeindliche Massenmörder Anders Breivik (geb. 1979) vor seiner Tat im Freimaurerschurz ablichten ließ. Seit 2007 gehörte er der Johannisloge St. Olaus til de tre Søiler, einer Freimaurerloge des christlichen Norwegischen Freimaurerordens an und hatte dort den dritten Grad, den »Meistergrad«, inne.
Zunehmend begann er sich in der Folgezeit zu radikalisieren. Am 22. Juli 2011 verübte er Anschläge in Oslo und auf der Insel Utøya. Dabei kamen 77 Menschen ums Leben, darunter vor allem Teilnehmer an einem Zeltlager der sozialdemokratischen Jugendorganisation. Das Osloer Bezirksgericht verurteilte ihn am 24. August 2012 zu 21 Jahren Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung – der höchsten Strafe, die das norwegische Strafrecht kennt. Breivik fühlte sich vom Freimaurertum angezogen und betrachtete es eigenen Aussagen zufolge als Nachfolgeinstitution der christlichen Tempelritter, was aus historischer Sicht erwiesenermaßen falsch ist. Von den Idealen der Freimaurer hat sich Breivik weit entfernt und mit dem terroristischen Akt die symbolische Bedeutung der auf dem Schurz befindlichen drei Rosen völlig in das Gegenteil verkehrt: Sie stehen für Licht, Liebe und Leben.
Als Beleg für freimaurerische Verschwörungen dient immer wieder das Treiben der römischen Loggia Propaganda 2 (Due), auch »P2«, in den 1970er und 1980er Jahren. Ursprünglich 1887 gegründet, diente sie als Gegenstück zur römischen Kurienkongregation »Propaganda Fide«. In der Zeit des Faschismus ging sie unter, wurde aber 1944 neu belebt. 1967 wurde Licio Gelli, obwohl er auch das Amt des Komturs im »Ritterorden vom Heiligen Grabe« versah, zum Meister vom Stuhl ernannt. Mit diesem Doppelamt verletzte er die Statuten der italienischen Großloge, weswegen er auch am 4. September 1982 ausgeschlossen wurde. Die Geheimloge wurde im selben Jahr vom italienischen Parlament verboten. Die Mitglieder der P2 wollten mit allen Mitteln den Machtantritt der italienischen Kommunisten im Falle ihres Wahlsiegs durch einen Putsch verhindern. In den 1970er Jahren konnten die Kommunisten bei den Parlamentswahlen große Gewinne verzeichnen. Italien versank in Chaos und Terrorismus. Deshalb begannen die P2-Mitglieder die Spitzenpositionen im Staat zu unterwandern, indem sie zahlreiche einflussreiche Politiker, Polizisten und Geheimdienstmitarbeiter in ihren Reihen sammelte. Wie sich später zeigte, waren Mitglieder der Geheimloge direkt und indirekt an zahlreichen Attentaten und terroristischen Aktionen beteiligt. Nachträgliche Untersuchungen haben festgestellt, dass P2 die heimliche Unterwanderung des italienischen Staatsapparates angestrebt und für diesen Zweck auch Kriminelle angestiftet, finanziert und bewaffnet hatte. Dieser Skandal, in den auch viele Regierungsmitglieder verwickelt waren, erschütterte nicht nur die italienische Öffentlichkeit, sondern bot in der Folgezeit den idealen Nährboden für das Aufblühen antifreimaurerischer Ressentiments.
Was ist Freimaurerei? Auf diese Frage gibt es innerhalb des Männerbundes keine einheitliche Antwort. Freimaurer verzichten bewusst auf eine verbindliche Erklärung. Die Freimaurerei wird nach alter Tradition auch »Königliche Kunst« (engl. Royal Art) genannt. Die Bezeichnung findet sich bereits in der wichtigsten Urkunde der heutigen Freimaurerei, in den so genannten »Alten Pflichten« von 1723, auf die später einzugehen sein wird. Offensichtlich soll damit auf die Bausage des jüdischen Königs Salomo angespielt werden, dessen Kunst bei der Errichtung des Tempels durch Baumeister Hiram zur Anwendung gekommen sei. Andere Deutungen gehen davon aus, dass die mittelalterlichen Steinmetzzünfte immer wieder von Monarchen gefördert wurden. Dadurch konnten sich die Baumeister des königlichen Schutzes sicher sein.
Der Begriff »Freimaurer« ist eine deutsche Übertragung des englischen Wortes freemason, das allgemein die Steinmetze und Kirchenbauer bezeichnet. In einer Aufzeichnung über die Zusammenkunft von Vertretern der Zünfte in der Stadt London taucht der Begriff freemason erstmals 1376 auf. 1396 wird derselbe Ausdruck in einer Liste der Bauhandwerker der Kathedrale von Exeter verwendet. Die unterschiedliche Verwendung des Begriffes freemason führt dazu, dass bis heute seine ursprüngliche Bedeutung nicht restlos geklärt ist. Deshalb gibt es herkömmlich zwei Erklärungsvarianten für seine Entstehung:
»Frei(stein)maurerei«: Mit freemason wird der höher qualifizierte und damit auch privilegierte Zunftmaurer bezeichnet, der den »free stone« (den »freien Stein«) – d. h. den für Schmuck- und Zierzwecke vorgesehenen dichteren Stein – zu bearbeiten hatte. Gemeint ist damit ein feinkörniger Sand- oder Kalkstein, der sich zu feiner künstlerischer Bearbeitung am Bau eignet – im Gegensatz zu den sog. Rausteinmaurern (»rough-stone-masons«), die mit niederen Steinmetzarbeiten, wie mit dem Behauen des grobkörnigen Steins (»rough stone«), betraut waren. Ein Freimaurer (»free-stone-mason«) verfügte also über besondere fachliche Kenntnisse, die gegenüber anderen »geheim« gehalten wurden. Hierzu gehörte z. B. auch die Kunst, freitragende Gewölbe zu errichten. Seine Arbeit ging also weit über das bloße Bearbeiten des einfachen Steins oder das Mauern (»bricklayer«) in unserem Sinne hinaus. Der Freimaurer als der vom Zunftzwang Befreite: Nach dieser zweiten Herleitung kommt der Vorsilbe free- eine besondere Bedeutung zu. Der Freimaurer ist hier jemand, der – vom städtischen Zunftzwang frei – von Ort zu Ort zog, jedoch Mitglied einer Bruderschaft der kirchenbauenden Maurer war. Dadurch kamen ihm besondere Vorrechte zu, denn die damaligen Gilden und Zünfte waren nicht autonom, sondern an landesherrliche oder städtische Obrigkeit gebunden, die auch den freien Ortswechsel untersagte.Bis heute ist nicht zu klären, welche der beiden Herleitungen die ursprünglichere ist. Beide lassen sich in der freimaurerischen Literatur finden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Doppeldeutigkeit dieses Begriffs bereits im Sprachgebrauch des Mittelalters mitschwang. Trotz mancherlei fantastischer Entstehungslegenden gelten in der freimaurerischen Geschichtsforschung die handwerklichen Bruderschaften und Bauhütten im Umfeld der Dombauten als eigentliche Vorläufer bzw. Vorbilder für heutige freimaurerische Gebräuche. Die Bauhütten bestanden aus Angehörigen des Steinmetzstandes und nahmen in ihre Reihen auch Maurer und Dachdecker auf.
Heutige Freimaurer sehen sich in dieser Tradition. Sie wollen im übertragenen Sinn am Tempel der Menschheit arbeiten. Mit der Königlichen Kunst sollen die Mitglieder des Bundes zu wahrer Humanität, Toleranz und Brüderlichkeit angeleitet werden. Der Ort, in der diese Haltung eingeübt werden soll, ist die Loge. Dazu dienen die Gebräuche und Symbole, die aus der mittelalterlichen Bauhüttentradition übernommen werden. Wort, Musik und Rituale spielen dabei eine wichtige Rolle. Damit soll das Ideal wahrer Freundschaft und Bruderliebe geübt werden. Freimaurer begreifen sich als Gemeinschaft von Männern, in der geistige Vertiefung und humanitäre Werte verwirklicht werden sollen. Die Königliche Kunst wird damit zur »Einübungsethik«, um die Würde des Menschen zu achten, für Toleranz einzutreten – ohne Rücksicht auf Herkunft, Abstammung oder Nationalität. In den freimaurerischen Ritualen werden nicht nur die freimaurerischen Grundlagen vermittelt, sondern auch durch Symbole und Bilder erlebbar gemacht. Ihr Akzent liegt auf der Ethik und richtet sich besonders am Individuum aus, das sich als Teil eines weltumspannenden Bruderbundes begreift. Hier hat auch die Rede von der »Bruderkette« ihren Ort. Eine Weltorganisation, die für alle Mitglieder verbindliche Bestimmungen treffen könnte, besteht nicht. Gleichwohl sind bestimmte Grundüberzeugungen, Lehrarten und Schwerpunkte in den jeweiligen freimaurerischen Systemen festgelegt. Auf internationaler Ebene gibt es erhebliche Unterschiede.
Die Rückbesinnung auf Werte wie Mitmenschlichkeit und Toleranz habe – davon sind die Freimaurer überzeugt – für die Gegenwart nach wie vor große Aktualität. Von freimaurerischer Seite wird nicht nur auf bedeutende Freimaurer aus der Geschichte hingewiesen, sondern mit geradezu überschwänglichen Worten die bleibende Bedeutung der Königlichen Kunst für das friedliche Miteinander in der Gegenwart gepriesen. So würden sich in den Logen Menschen zusammenfinden, die sich sonst nie begegnet wären. Streitgespräche über Politik und Religion sind dort verpönt. So sollen sich Menschen unterschiedlichen Glaubens und unterschiedlicher Nationalität brüderlich begegnen können. Die Freimaurerei möchte nicht auf religiöse oder konfessionelle Vorgaben beschränkt sein. Sie möchte Raum geben für eine Nationalitäten und Religionen übergreifende Begegnung im Geist der Toleranz, Humanität und Brüderlichkeit.
Freimaurerlogen engagieren sich auf sozialkaritativem und kulturellem Gebiet – durch die gezielte finanzielle Unterstützung einzelner wohltätiger Projekte.
Die Großloge der Alten Freien und Angenommenen Meister von Deutschland