Die Glücksschwindlerin - Nina Hundertschnee - E-Book
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Die Glücksschwindlerin E-Book

Nina Hundertschnee

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Beschreibung

Lügen haben viele Follower: Der humorvolle Liebesroman »Die Glücksschwindlerin« von Nina Hundertschnee jetzt als eBook bei dotbooks. Ach du heiliger Hashtag! Wilma Wonnebergs Leben ist das pure Chaos: Job verloren, Freund weg. Nicht einmal ihre spirituell-erleuchtete Freundin Sonne schafft es, die Chakren wieder in Balance zu bringen. Wilma macht sich über Sonnes esoterische Ratschläge eher lustig. Doch Karma is a bitch … Bei einem Treffen mit alten Freundinnen bringt ein kleiner Schwindel Wilma in große Not. Plötzlich ist sie Star-Influencerin Dalia Dolittle und kommt aus der Nummer so schnell nicht wieder raus. Stattdessen stolpert sie von einer Notlüge zur nächsten und landet schließlich als Nominierte bei den German Influencer Awards. Wird ihr Lügengerüst dort zusammenbrechen? Oder wird Wilma nicht nur den Mut zur Wahrheit, sondern auch das Glück in der Liebe finden? Jetzt als eBook kaufen und genießen: Die romantische Komödie »Die Glücksschwindlerin« von Nina Hundertschnee wird alle Fans der Bestseller von Petra Hülsmann und Ali Hazelwood begeistern. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 275

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Über dieses Buch:

Ach du heiliger Hashtag! Wilma Wonnebergs Leben ist das pure Chaos: Job verloren, Freund weg. Nicht einmal ihre spirituell-erleuchtete Freundin Sonne schafft es, die Chakren wieder in Balance zu bringen. Wilma macht sich über Sonnes esoterische Ratschläge eher lustig. Doch Karma is a bitch … Bei einem Treffen mit alten Freundinnen bringt ein kleiner Schwindel Wilma in große Not. Plötzlich ist sie Star-Influencerin Dalia Dolittle und kommt aus der Nummer so schnell nicht wieder raus. Stattdessen stolpert sie von einer Notlüge zur nächsten und landet schließlich als Nominierte bei den German Influencer Awards. Wird ihr Lügengerüst dort zusammenbrechen? Oder wird Wilma nicht nur den Mut zur Wahrheit, sondern auch das Glück in der Liebe finden?

»Die Glücksschwindlerin« erscheint außerdem als Hörbuch und Printausgabe bei SAGA Egmont, www.sagaegmont.com/germany.

Über die Autorin:

Nina Hundertschnee war früher Eiskunstläuferin und Verlagslektorin. Heute ist sie erfolgreiche Autorin. Ihr neuer Roman ist inspiriert von einer wahren Geschichte, aber nicht der eigenen. Denn Nina würde nie schwindeln. Sie sagt immer die Wahrheit. Außer manchmal. 

Die Autorin bei Facebook: facebook.com/hundertschnee/

Die Autorin auf Instagram: instagram.com/nina.hundertschnee/

Bei dotbooks veröffentlichte die Autorin ihren Roman »Die Glücksschwindlerin«, der auch als Printausgabe bei SAGA erhältlich ist.

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eBook-Ausgabe November 2023

Die deutsche Erstausgabe erschien 2023 unter dem Titel »Die Spinnfluencerin« bei SAGA Egmont.

Copyright © der Originalausgabe 2023 Nina Hundertschnee und SAGA Egmont

Copyright © der eBook-Ausgabe 2023 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Paulina Ochnio unter Verwendung von Bildmotiven von Shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ah)

ISBN 978-3-98690-875-1

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Nina Hundertschnee

Die Glücksschwindlerin

Roman

dotbooks.

Für meine Familie und meine Freundinnen, allen voran Annette, Nici und Frauke.

Kapitel 1

#NoFilter

Wenn wir die Wahl zwischen der Wahrheit und einer Lüge haben, sollten wir uns im Zweifel für die Wahrheit entscheiden. Denn Lügen, das weiß doch jedes Kind, haben kurze Beine. Außer, man bearbeitet sie mit Photoshop. Nach allem, was passiert ist, weiß ich allerdings: Hat man die Wirklichkeit erst einmal retuschiert, dann kommt man um die Nutzung weiterer Filter meist nicht drum herum.

Das hier ist eine ziemlich gute Geschichte. Meine Geschichte. Doch vielleicht sollte ich mit ihr an einem Punkt beginnen, an dem mein Leben noch keine Bearbeitung brauchte.

Hilfe! Ich habe nichts zu lesen.

Ich starrte auf mein Bücherregal, dessen Böden sich schon gefährlich nach unten wölbten. Ich habe NICHTS zu lesen.

Ich meine, natürlich hatte ich genug Bücher. Offensichtlich. Daniel verdrehte jedes Mal die Augen, wenn ich mit einem neuen Buch ankam. Andere hatten einen SuB, einen Stapel ungelesener Bücher; ich hatte ein ganzes RuB – ein Regal ungelesener Bücher. Und trotzdem kam es mir immer, wenn ich in Urlaub fahren wollte, so vor, als hätte ich nichts zu lesen. Jedenfalls nichts Passendes für diesen einen bevorstehenden Urlaub.

Ganz ruhig, Wilma. Tief durchatmen. Du weißt, was du zu tun hast.

Ich hüpfte unter die Dusche und hielt mir den Brausekopf direkt vors Gesicht, um ein wenig wacher zu werden. Danach ließ ich meine Locken an der Luft trocknen, während ich ein Buttercroissant mit Himbeermarmelade frühstückte. Ich war allein, denn Daniel war übers Wochenende auf Geschäftsreise in Hamburg. Mal wieder. Das bedeutete auch, ich konnte ohne schlechtes Gewissen den ganzen Samstag in der Buchhandlung verbringen und nach passender Urlaubslektüre stöbern.

Der Buch-Salon wirkte klein und kuschelig. Er war, ohne zu übertreiben, von oben bis unten mit Literatur gefüllt. Überall standen Türme aus Büchern, die Wände wirkten wie mit Buchrücken tapeziert, und von der Decke hingen aus den Seiten alter Bände gebastelte Lampions. An dunklen Tagen leuchteten sie wie Glühwürmchen und zauberten dem Laden eine behagliche Atmosphäre.

Man war fast gezwungen, Bücher zu kaufen, um sich einen Weg durch den Buch-Salon bahnen zu können. Zum Beispiel einen Weg zu dem lavendelblauen Cordsofa in der hintersten Ecke. Dort konnte man es sich mit einem Buch gemütlich machen, eine Schokolade trinken und ein Stück von Annelies selbst gebackenem New York Cheesecake genießen. Genau das hatte ich mir gerade vorgenommen. Und dann, in zwei Tagen, würde ich mit einem Buch im Strandkorb sitzen und mit Daniel Hand in Hand über die Strandpromenade schlendern. Nur wir zwei und nur zwei Tage noch. Mit anderen Worten: Los, Wilma, beeil dich!

Voller Vorfreude stürmte ich durch den Hausflur nach draußen, doch im selben Moment, als ich über die Türschwelle trat, begann es zu regnen. Der Buch-Salon lag nur einen Block entfernt, also zögerte ich nicht und sprintete los.

Schon nach wenigen Metern war ich jedoch nicht nur triefend nass, sondern auch vollkommen fertig. Man wird halt nicht jünger.

Mit dem Alter ist das ohnehin so eine Sache – ich schaffte es nie, mich so alt zu fühlen, wie ich eigentlich war. Entweder kam ich mir mindestens doppelt so alt vor (wie nach diesem Sprint oder meiner wöchentlichen Power-Yoga-Stunde mit meiner besten Freundin Sonne) oder aber mindestens zehn Jahre jünger (immer dann, wenn ich nach meinem Alter gefragt wurde.) Aber nie im Leben fühlte ich mich wie vierunddreißig.

Als ich völlig außer Atem vor dem Buch-Salon ankam, klebten meine Haare am Kopf wie Spaghetti al dente. Ich riss die Tür zur Buchhandlung auf und stürzte hinein – mitten in einen Vortrag.

Die riesige Leinwand links vom Eingang fiel mir als Erstes ins Auge. Sie verdeckte das Regal, in dem sich die Bestseller von Auster bis Zola tummelten. Doch nun projizierte der Beamer davor ein schwarz-weiß-rotes Tortenmodell darauf. Ich musste sofort an Schwarzwälder Kirschtorte denken, und mein Magen begann, laut zu knurren. Alle Anwesenden, die ordentlich aufgereiht vor der Leinwand saßen, sahen mich fragend oder leicht säuerlich an. Direkt vor der Torte stand ein Mann um die vierzig, in dunkelblauem Anzug mit Mikrofon in der Hand, und unterbrach kurz seine Ausführungen.

Gott, wie peinlich. Wie kam ich aus dieser Nummer nur wieder raus? Vermutlich gar nicht.

Also tat ich das Naheliegendste: Ich lächelte verlegen und setzte mich auf einen der freien Stühle in der letzten Reihe.

Puh. Jetzt nur nicht weiter auffallen, Wilma.

Der Mann nickte mir freundlich zu, fuhr sich durch seine dunklen halblangen Haare und machte dort weiter, wo ich ihn unterbrochen hatte.

»Wer heutzutage nicht in den sozialen Netzwerken präsent ist, der existiert für seine Zielgruppe praktisch nicht.«

Ich schielte verstohlen zum Plakat an der Eingangstür. »SOCIAL MEDIA MARKETING IM BUCHHANDEL«, stand da. Ach, du lieber Bot! Eines dieser Themen, das mich nicht im Geringsten interessierte. Klar, irgendwie kann sich kaum einer Facebook, Instagram und Co. entziehen. Ich allerdings hielt Social Media für überbewertet. Und ungesund. Ein absoluter Zeitfresser, der einem nicht viel bringt, außer vielleicht Kopf- und Nackenschmerzen und auf die Dauer schlechte Augen. Wofür sollte das Ganze dann gut sein? Wahre Freundschaften findet man dort eh nicht. Das ist ja im echten Leben schon schwer genug. Privat nutzte ich den Social-Media-Kram fast nie, und im Verlag kümmerte sich zum Glück immer irgendeine der Praktikantinnen drum.

Mister Marketing strich sich über seine lila Krawatte.

»Mit Ihrem Social-Media-Auftritt schaffen Sie maximalen Nutzen auf minimaler Fläche.«

Ach, wirklich? Gerade sah ich nur eine maximale Personenanzahl auf minimaler Fläche. Und die sorgte für ganz schön stickige Luft …

Der Regen tropfte aus meinen Haaren auf den Boden, und mein Kopf glühte wie Sonnes Lavalampe. Kein Wunder – ich hatte ja auch noch meinen Mantel an.

»Nie war der Kampf um Aufmerksamkeit härter«, hallte es durch den Buch-Salon. Ich versuchte möglichst leise und unauffällig, meinen Mantel von mir zu streifen. Dabei kippelte mein Stuhl bedrohlich, und meine Nachbarin warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu.

»Viele Ihrer Kundinnen wechseln ganz selbstverständlich und mehrmals täglich von der realen in die digitale Welt und zurück.«

Ach herrje. Ich schaffte es ja nicht mal aus meinem Mantel raus. Ein Schweißausbruch nach dem anderen folgte, was die Sache nicht gerade einfacher machte. Langsam wurde ich ungeduldig. Verflixt aber auch. Der eine Arm war draußen, doch der andere wollte nicht so recht, denn er war eingeschlafen – was mich bei einem langweiligen Vortrag wie diesem ehrlich gesagt nicht wunderte …

»Es kommt darauf an, positiv-emotional im Gedächtnis zu bleiben.«

Nun reichte es mir aber. Mit einem Ruck zog ich den Arm aus dem Ärmel. Dabei verlor ich das Gleichgewicht, und mein Stuhl begann zu kippen. Geistesgegenwärtig riss ich den anderen Arm in die Höhe und konnte so das Schlimmste verhindern. Dachte ich jedenfalls.

»Oh. Wir haben eine Wortmeldung.«

Alle Köpfe drehten sich zu mir um.

Oh nein! W-Wa-Was sollte ich denn jetzt machen? Was sollte ich sagen?

»Ähm, also, na ja …« Ich strich mir eine nasse Strähne aus dem Gesicht. Positiv-emotional im Gedächtnis bleiben, Wilma.

»Ich … ich finde das alles äußerst aufschlussreich«, sagte ich schnell. »Und ich denke, jeder kann heute hier sehr viel für sich mitnehmen.« Nur offensichtlich keine Reiselektüre für den Ostseeurlaub.

»Vielen Dank«, entgegnete Mister Marketing schmunzelnd.

Moment mal – hatte er mir da gerade etwa zugezwinkert?

»Wenn Sie weiterhin aufmerksam zuhören und meine Tipps beherzigen, gewinnen Sie das Know-how, um neue Kontakte zu knüpfen und langfristige Verbindungen zu schaffen.«

Da. Schon wieder. Er hatte mir doch tatsächlich zugezwinkert. Was zum -

Mein Handy piepte. Ich sah den bitterbösen Blick meiner Nachbarin und hätte mich am liebsten auf der Stelle aus dem Staub gemacht. Vor allem, als ich erkannte, dass die Nachricht von Daniel kam. Ich traute mich allerdings nicht, sie an Ort und Stelle zu lesen, denn ich hatte für meinen Geschmack schon genug Aufmerksamkeit auf mich gezogen. Also saß ich die restliche halbe Stunde still und trocknend da und träumte vor mich hin. Von Wellenrauschen und Sand unter den Füßen und einem romantischen Spaziergang bei Sonnenuntergang. Hach.

Als der Vortrag endlich vorbei war, flüchtete ich Hals über Kopf nach draußen. Der Regen hatte zum Glück aufgehört, und durch das Grau der Wolken suchte sich die Sonne wieder ihren Weg. Ich zückte mein Handy und öffnete Daniels Nachricht.

Schatz, bitte nicht sauer sein. Hatte gerade einen Call zu einer Change-Request. Muss das nächste Woche leider managen. Urlaub holen wir ganz bald nach, Schnuffelchen. HDGDL!

HDGDL?! Oh, wie ich diese Abkürzungen hasste. Vor allem, wenn sie offenbar nicht ernst gemeint waren. Niemand sagt einen langfristig geplanten Urlaub so kurzfristig ab, wenn er dich GDL hat. WTF!

Mit zittrigen Händen wählte ich Daniels Nummer. Es klingelte gefühlte tausend Mal, bis er endlich ranging – im Hintergrund war Stimmengewirr zu hören und dumpfe Musik.

»Schatz, ist gerade ungünstig. Bin mitten im Meeting.« Seine Stimme war honigweich, keine Spur von schlechtem Gewissen.

»Das klingt aber eher nach Bar als nach Business«, entgegnete ich spitz, und meine Laune rutschte ein weiteres Stockwerk tiefer.

»Wir haben ja auch heute – wrap up – zusammen ins Office und dann – verlegt.« Ich konnte ihn kaum verstehen – nicht seine Worte und auch nicht, was er mir damit sagen wollte.

Es knackte ein paar Mal, und dann hatte ich nur noch ein Rauschen im Ohr. »Bist du noch dran? Hallo? Halloooo?« Ich starrte genervt aufs Handy, so als sei es schuld an der ganzen Misere, und fluchte. »Verdammter Mist.« Plötzlich knackte es wieder. In der Leitung war ein helles Lachen und dann Daniels Stimme: »Hör mal, Schnuffelchen, ich muss jetzt hier weitermachen.« Es war kurz still, denn meine Wut erstickte jedes Wort.

»Hey, frag doch Sonne, ob sie mit will«, sagte er in versöhnlichem Tonfall. »Macht euch ein paar schöne Tage am Meer. Und ich versorge Derrick. Versprochen.«

Ich schluckte den heißen Kloß in meinem Hals runter. »Besorgst du ihm noch ein Aquarium? Ein richtiges? Und einen Freund braucht er auch dringend. Einen Harry. Kümmerst du dich drum?«

»Aber sicher.« Daniel machte ein Geräusch, das sich nach einem Kuss anhörte. »Du kannst dich auf mich verlassen.« Dann knackte es erneut, und das Gespräch war beendet.

In diesem Moment hätte ich vielleicht etwas ahnen können. Ich hätte die gestörte Verbindung als Zeichen sehen sollen und wissen müssen, dass sich nicht nur etwas zwischen unsere Urlaubspläne, sondern auch zwischen uns drängen würde.

Kapitel 2

#KeineHalbenSachen

Das Meer glitzerte im Sonnenlicht, und der Himmel wechselte langsam von Rosarot ins Blaue hinein. Wenn man aus der Großstadt kommt und die meiste Zeit zwischen Büchern und Bildschirmen im Büro eines Verlags verbringt, dann vergisst man leicht, dass die beste Neuerscheinung ein Sonnenaufgang ist.

Daniel verpasste das alles leider, denn er musste sich ja unbedingt um dieses eine, besonders wichtige Projekt kümmern. Und da ich den Urlaub nicht mehr stornieren konnte, war meine beste Freundin Sonne eingesprungen. Als ich in Tränen aufgelöst vor ihrer Tür gestanden hatte, war sie sofort bereit gewesen, mein »Sakralchakra in Einklang zu bringen«. Auf Sonne war eben immer Verlass. Bei Daniel konnte man sich darauf verlassen, dass man sich nicht auf ihn verlassen konnte. Leider bin ich jedoch eine Person, die Verlässlichkeit braucht. Spontane Dinge beäuge ich eher kritisch, und unvorhergesehene Ereignisse beängstigen mich. Sie führen in der Regel dazu, dass ich nicht mehr klar denken kann und irrational handle. Deshalb mag ich es auch nicht, wenn jemand im letzten Moment alle Pläne über Bord wirft. Daniel machte das leider ziemlich oft, und ich ärgerte mich ebenso oft darüber.

Doch nun saß ich am Ostseestrand, im Hier und Jetzt, und das war alles, was zählte, wie Sonne immer sagte.

Sie saß neben mir im Lotussitz, und der Wind wehte uns die Haare ins Gesicht. Es war schon fast Herbst, aber der Sommer mit seinem goldenen Licht schien nicht enden zu wollen. Während Sonne mit geschlossenen Augen meditierte, blickte ich hinaus aufs Meer. Ich hörte dem wilden Rauschen zu, schmeckte die salzige Luft und beobachtete, wie die Möwen hell kreischend über dem Wasser schwebten. Manche ließen sich einfach vom Wind treiben. Andere stiegen erst hoch in den Himmel, um sich kurz drauf steil hinab in die See zu stürzen. Eine von ihnen flog über mich hinweg, und plötzlich klatschte etwas Weißes auf meine Schulter. Ach, du heilige Scheiße! Ich stieß einen kurzen Schrei aus. Sonne hielt sich die Hand vor den Mund und fing an zu glucksen.

»Das ist ein gutes Omen, Willi, das bringt Glück«, rief sie mir gegen den Wind zu. Und weil Sonne so herrlich ansteckend lachte, konnte ich gar nicht anders und lachte mit ihr. In diesem Moment ahnte ich auch noch nicht, dass mein Leben in Kürze so richtig beschissen werden sollte.

Nach fünf Tagen am Meer kehrte ich gut erholt und mit Ostseesonne im Herzen zurück. Vor mich hin summend schloss ich die Wohnungstür auf und pfefferte meine Reisetasche in die Ecke. Meine Wohnung hatte nur zwei kleine Zimmer von übersichtlichen fünfundfünfzig Quadratmetern, doch trotz der Enge fühlte ich mich wohl in ihr. Den knarzenden Boden liebte ich ebenso sehr wie die quietschenden Doppelfenster und die altmodischen Kacheln in Küche und Bad. Ich mag es, wenn Dinge Geschichte haben. Meine Möbel waren deshalb eine kunterbunte Mischung aus Flohmarktfunden und Erbstücken. Und dazwischen tummelten sich Billy, Heddamaria und Svenshult. Daniel machte sich manchmal lustig über mich und nannte meine Wohnung »den Zauberwürfel«. Er sagte, man könne die Dinge drehen und wenden, wie man wollte – sie passten einfach nicht zusammen.

Daniels eigene Wohnung dagegen sah vollkommen anders aus. Sie war schon allein drei Mal so groß wie meine. Als Unternehmensberater war er zwar ständig in Hotels unterwegs, hatte aber trotzdem noch ein eigenes Apartment in der City, nicht weit von seiner Firma entfernt. Eins mit diesen riesigen Fenstern. Solche, die bis zum Boden gingen, dessen fugenlose Oberfläche mit einer glänzenden Schicht versiegelt war. Man war fast versucht, darauf Schlittschuh zu laufen. Seine Einrichtung beschränkte sich farblich auf Schwarz und Weiß. Wenn ich bei ihm war, kam ich mir vor wie auf einem Schachbrett – wie eine Schachspielerin, die taktisch vorgehen musste, um zum Zug zu kommen. Natürlich war alles immer picobello aufgeräumt. Und natürlich nicht von ihm, sondern von Edita, die ein Mal in der Woche für Ordnung sorgte. Jedes der Zimmer hätte auf dem Titel von »Schöner Wohnen« landen können, und dennoch fühlte ich mich nie ganz wohl dort. Vielleicht mochte ich seine Wohnung auch deshalb nicht, weil es nicht unsere war.

Drei Jahre lang waren wir schon ein Paar. Trotzdem wollte Daniel uns mit dem Zusammenziehen noch ein wenig Zeit geben.

»Ganz oder gar nicht, Schnuffelchen – keine halben Sachen«, das war immer sein Spruch, wenn ich das Thema auf den Tisch brachte. »Lass uns lieber irgendwann in Eigentum investieren. Bei den derzeitigen Mieten wäre alles andere Unsinn.«

Daniel konnte ziemlich überzeugend sein, wenn er wollte. Das war ja auch Teil seines Jobs und vermutlich einer der Gründe, warum er so viel mehr verdiente als ich. Von meinem mageren Gehalt allein hätte ich uns jedenfalls kein Eigenheim finanzieren können.

Ich ließ mich mit einem Seufzer aufs Sofa fallen und legte gerade die Beine hoch, da streifte mein Blick das Goldfischglas auf der Kommode. Komisch. Daniel hatte doch versprochen, ein richtiges Aquarium zu kaufen. Außerdem wollte er einen Freund für Derrick besorgen. Und … oje! Was war das denn? Der arme Fisch streckte alle Flossen von sich.

Ich sprang auf, griff nach dem Glas und schüttelte es verzweifelt. Doch egal, was ich machte – Derrick rührte sich einfach nicht mehr. »Oh nein. Das darf doch nicht wahr sein.« Das Glas glitt mir aus den Händen, und dann sah ich es wie in Zeitlupe auf dem Boden aufschlagen. Wasser spritzte durch die Gegend, Scherben flogen in alle Richtungen, und Derrick rutschte einmal quer über das Parkett bis kurz vors Sofa. Leblos blieb er dort liegen, und ich stand fassungslos daneben.

Derrick war von uns geschwommen. Dabei hatte ich ihn erst vor Kurzem von meiner Kollegin Maja übernommen. Und ich hatte ihr noch geschworen, mich um ein größeres Zuhause und einen Harry an seiner Seite zu kümmern.

Hoffentlich war er nicht an Platzangst oder Einsamkeit gestorben. Ich wusste ja nur zu gut, wie allein man sich manchmal in einer winzigen Wohnung fühlen konnte. Oh Gott. Er war mit Sicherheit an Platzangst UND Einsamkeit gestorben. Und das war ganz allein meine Schuld. Ich war einfach in Urlaub gefahren und hatte Derrick seinem Schicksal überlassen. Wie hatte ich Daniel nur vertrauen können? Ich hätte wissen müssen, dass sich Unternehmensberater nur um die ganz, ganz dicken Fische kümmern.

Heiße Tränen liefen über mein Gesicht, während ich die Scherben zusammenfegte. Ach herrje. Sogar unter dem Sofa war noch eine Pfütze. Ich rückte es ein kleines Stück zur Seite und hätte mir beinahe einen Hexenschuss geholt. Wahrscheinlich wäre es das geringere Übel gewesen, denn als ich mit dem Mopp unter das Sofa fuhr, fischte ich einen pinkfarbenen Tanga hervor – und mir gehörte er ganz sicher nicht.

Kurz danach stand ich schon wieder verheult vor Sonnes Wohnungstür. Ich hätte es mir eigentlich denken können, es schon längst hätte merken müssen. Warum nur war ich so naiv gewesen? Warum nur wollte ich nicht glauben, was doch so offensichtlich war, dass man es nicht einfach unters Sofa kehren konnte? Ich hätte eins und eins zusammenzählen können, aber leider bin ich noch nie gut in Mathe gewesen.

Als mir Sonne nach einer gefühlten Ewigkeit endlich öffnete, fiel ich ihr schluchzend in die Arme.

»Alles wird gut, Willi«, tröstete sie mich. Ich trocknete meine Tränen, indem ich mein Gesicht in ihrem selbst gestrickten rosa Wollpulli vergrub. Er war weich wie Watte und duftete wohlig nach dem Kokos-Shampoo, das Sonne zum Waschen von fast allem benutzte.

Sie schob mich behutsam in ihre Wohnung und reichte mir ein Mandala-besticktes Stofftaschentuch, in das ich ziemlich geräuschvoll hineinschnäuzte. Ich war niemand, der sich für seine Gefühle schämte, doch ich schämte mich zutiefst, in die Kategorie »Frau-Mitte-dreißig-die-es-hätte-besser-wissen-müssen« zu fallen.

»Ich mache dir jetzt erst mal eine kräftige Tasse Kräuter-Glücks-Tee, und du wirst sehen: Danach sieht die Welt gleich anders aus.« Sonne wuschelte mir aufmunternd durch meine Locken. Während sie Mantra-summend in die Küche tänzelte und das Wasser aufsetzte, fiel mein Blick auf den Servierwagen neben dem Wohnzimmerschrank, auf dem nicht nur eine Teekanne mit Leopardenpunkten stand, sondern auch eine Auswahl alkoholischer Getränke.

Statt des Tees trank ich dann zwei Flaschen Monte Rosso, und in der Tat sah die Welt danach anders aus. Irgendwie drehte sie sich auch schneller. Und während ich im Schneidersitz auf Sonnes Futon-Sofa saß und sie mir immer wieder fürsorglich nachschenkte, kreiste in meinem Kopf nur eine einzige Frage: Wie hatte es so weit kommen können?

Kapitel 3

#Herzchakra

Meine beste Freundin wohnte in derselben Straße wie ich, über meinem Lieblingscafé, dem Karma, dessen Eigentümerin sie war und in dem sie, wie sie selbst sagte, metaphysisch-kulinarische Pionierarbeit leistete. Eigentlich hieß Sonne Sonja, aber im Zuge ihrer spirituellen Erleuchtung hatte auch ihr Name an Glanz gewonnen.

»Er hat es nicht einmal abgestritten«, schluchzte ich, während Sonne sich neben mich setzte.

»Ich hätte doch was merken müssen. All die außerordentlichen Sitzungen nach Feierabend, und dann dieses Projekt, das so furchtbar dringend realisiert werden musste. Und die Sache mit dem Urlaub.« Ich schniefte. »Jetzt wissen wir ja, was für ein Projekt das war. Und realisiert hat er es dann auch noch in MEINER Wohnung. Unfassbar!«

»Ich will ihn ja nicht in Schutz nehmen«, sagte Sonne und schenkte sich etwas Yogi-Tee nach. »Aber meine Erfahrung sagt mir, dass es kaum einen Mann gibt, der treu ist. Das liegt offenbar in der Natur der Dinge, und ich glaube, das Universum hat sich dabei etwas gedacht.« Sonne drehte ihre rotblonden Haare zu einem Knoten und spielte dann nachdenklich an ihrer Buddha-Kette herum. »Vielleicht sollen wir Frauen unser Leben nicht nur an einen einzigen Mann verschwenden. Vielleicht hat das Universum die Untreue des Mannes erschaffen, damit die treue weibliche Seele auch zu etwas Abwechslung kommt.«

Zu dieser Sicht der Dinge war ich gerade leider nicht imstande.

»Dein Karma muss sich jetzt natürlich erst mal auf die neuen Gegebenheiten einstellen«, fuhr Sonne fort und legte verständnisvoll ihren Arm um meine Schulter. »Was ganz gut dabei hilft, den energetischen Reinigungsprozess voranzutreiben, ist so ein ayurvedisches Körperöl, das wir vor Kurzem reinbekommen haben.« Sie sprang auf und verschwand durch den Muschelvorhang ins Schlafzimmer.

»Irgendwo habe ich noch eine Probe davon«, hörte ich sie murmeln.

Im Café Karma gab es nicht nur Lupinenkaffee, ayurvedischen Kräutertee und veganen Kuchen, sondern auch alle möglichen spirituell angehauchten Accessoires, und Sonne war sozusagen Ersthelferin, wenn es um Karmareinigung, Engelkommunikation oder makrobiotische Diäten ging. Was mich angeht: Ich glaube nur bedingt an solchen Zauberkram.

»Um ehrlich zu sein – ich bevorzuge ja die gute altmodische Methode der Reinigung«, sagte ich, prostete mir selbst zu und trank das nächste Glas Wein in einem Zug leer. Ich wollte einfach nur vergessen. Daniel, den pinkfarbenen Tanga und den Tod meines Haustiers. Eine Welle der Trauer schwappte über mein Herz, und ein Ozean schoss aus meinen Augen.

»Dieser Mistkerl hat ihn kaltblütig umgebracht.« Obwohl meine Zunge schwerer und schwerer wurde, schien mein Geist stetig wacher zu werden. Mit jedem Glas wurde immer klarer, dass es Mord gewesen war. Hinterhältiger Mord, aus niederen Beweggründen. Daniel hatte sich um Derrick kümmern sollen und nicht um irgend so eine »Bitte setzen Sie hier ein politisch inkorrektes Wort ein«.

In meine Wut mischte sich auch Erleichterung: Ich war nicht verantwortlich für Derricks Tod. Vermutlich hatte er den Anblick von Daniel mit dieser Kimberly nicht überlebt – mir wäre das ja genauso gegangen.

Der Muschelvorhang klimperte hell, als Sonne wieder auftauchte. »Die wichtigste Stufe im Reinigungsprozess ist die Vergebung.« Sonne kramte in ihrer tibetanischen Hanf-Handtasche herum und zog eine kleine, dunkle Flasche hervor. Ich starrte sie nur entgeistert an. Was sollte das jetzt?

»Ich weiß, ich weiß, du bist noch nicht so weit.« Sonne drückte mir die Flasche in die Hand. »Hier. Damit reibst du dreimal täglich dein Herzchakra ein. Das wird helfen.«

Sonnes Worte dröhnten in meinem Kopf. Oder war das der Rotwein? Egal. Solange ich vergeben und vor allem vergessen konnte, war mir jedes Mittel recht. Denn das Schlimmste war: Insgeheim liebte ich Daniel noch immer. Auch wenn seine Liebe dringend zu realisierenden Projekten galt. Und wer wusste, wie viele er noch davon hatte.

Den Sonntag verbrachte ich damit, meine Wohnung und mein Karma zu reinigen. Ordnung zu halten, ist wirklich nicht meine Stärke. Aber Sonne hatte so viel von fremden, negativen Schwingungen und gestörtem Feng-Shui gefaselt, dass ich das dringende Bedürfnis verspürte, Klarschiff zu machen.

Bevor ich mit dem Aufräumen beginnen konnte, beseitigte ich meine Kopfschmerzen mit einer Red-Bull-Aspirin-Mischung. Danach saugte es sich ausgesprochen flott. Außerdem musste Derrick seine letzte Ruhe finden. Manch einer mag es für überzogen halten, aber ich spürte immer noch eine tiefe Verbundenheit zu diesem Fisch und wollte ihm eine letzte Ehre erweisen. Sein Wunsch wäre sicher eine Seebestattung gewesen.

»Mach es gut, treuer Freund«, sagte ich und drückte die Spülung. Dabei fiel mir der Freundschaftsring von Daniel in die Toilette. Rein versehentlich natürlich.

Als ich meine Wohnung auf Vordermann gebracht hatte und gerade aufs Bad zusteuerte, um zu duschen und mein Herzchakra ein weiteres Mal einzuölen, klingelte plötzlich mein Micky-Maus-Telefon. Ja, ich hatte noch Festnetz, und alle Welt beneidete mich um diesen Fernsprecher aus den Siebzigern – den guten alten Zeiten, in denen das Telefon noch zum Telefonieren da gewesen war.

»Wonneberg?«

»Milva, Darling, was zum Himmel ist nur los mit dir? Wo hast du denn bloß gesteckt? Wir haben dich alle vermisst.«

Oh nein. Pattis Drag-Party im Flittergold. An die hatte ich ja gar nicht mehr gedacht. Patti veranstaltete regelmäßig in seiner Bar einen Abend nur für seinen Freundeskreis. Sein Faible galt dabei Chansons und Schlagern, und er verehrte eine alte, italienische Diva so sehr wie andere den Papst oder ich den Erfinder des Donuts. Deshalb war Patti auch der Einzige, der mich ungestraft Milva nennen durfte.

»Habe ich dir denn nicht gesagt, dass ich ans Meer fahre?«, sagte ich und verzog schuldbewusst mein Gesicht.

»Kann sein, Chérie. Aber du weißt doch: Mein Gedächtnis ist eine Käsereibe.«

Allerdings. Patti konnte sich einfach nichts merken. Und dabei war er selbst eine Person, die man nur schwer aus dem Gedächtnis bekam. Mit einer Körperlänge von über zwei Metern in Stöckelschuhen, den abenteuerlichsten Outfits, die er nicht nur in seiner Bar, sondern auch im Alltag trug, und hochtoupierter, türkisfarbener Perücke war er ohne Zweifel eine imposante Erscheinung.

Wir kannten uns seit dem Kindergarten und hatten schon zusammen im Sandkasten gespielt. Später probierten wir gemeinsam Wimperntusche aus und lackierten uns gegenseitig die Nägel. Die ganze Schulzeit über versuchten meine Eltern, mich mit ihm zu verkuppeln. Sie hatten manchmal eine ziemlich lange Leitung.

»Ist dieser Patrick nicht entzückend?«, schwärmte meine Mutter ständig. »So kreativ und immer hübsch angezogen.« Erst, als Patrick anfing, künstliche Wimpern und pinkfarbene Röcke zu tragen und sich Patti Flitter nannte, gab meine Mutter auf.

»Dann hast du ja sicher eine grandiose Woche hinter dir«, hörte ich Patti sagen.

»Allerdings«, entgegnete ich. »Besonders gestern, da haben Daniel und ich uns nämlich getrennt.«

»Oh, Milva-Schatz, wie schrecklich.« Patti klang bestürzt. »Vielleicht kann dich eine Runde Karaoke etwas aufmuntern?«

»Ja, vielleicht«, sagte ich matt. Normalerweise liebe ich Karaoke über alles. Karaoke ist Singen unter der Dusche ohne Dusche. Man kann so wild und schräg rumgrölen, wie man will – wenn man das Playback nur laut genug laufen lässt, bekommt keiner die schiefen Töne mit. Im Gegenteil: Je weniger Töne man trifft, desto mehr Spaß bringt das Ganze, und desto wilder applaudieren die Leute. Denn niemand erwartet beim Karaoke Perfektion. Perfektes Karaoke setzt unperfektes Singen voraus.

Doch gerade war mir irgendwie nicht nach Rampenlicht. Ich wollte mich lieber verstecken, sodass niemand meine Augenringe und den kümmerlichen Rest von mir sehen konnte.

»Wilma, bist du noch dran?«, erkundigte sich Patti besorgt. »Komm doch morgen vorbei, dann organisiere ich einen Abend nur für dich. Und wenn ich sonst irgendwas für dich tun kann, dann sag Bescheid, ja?«

»Ja, Patti, das mache ich.«

»Fein, fein.« Patti schickte mir einen Kuss durch die Leitung. »Und lass deinen schönen Lockenkopf nicht hängen, hörst du? Denk immer daran, Chérie: Männer sind wie Busse im Nahverkehr – du brauchst ihnen nicht nachzulaufen, weil alle fünf Minuten ein neuer kommt. Bussi, mein Hase.«

»Mach’s gut, Patti.«

Ich legte den Hörer auf. Hmmm … Alle fünf Minuten ein Neuer? Bei meinem Glück stand ich immer stundenlang an Haltestellen rum, weil mein Bus ausgefallen war und der nächste nicht kam, da er Verspätung hatte. Wenn das mit den Männern genauso war, na, dann gute Nacht.

Unter der Dusche ließ mich das warme Wasser ein klein wenig entspannen. Doch dann streifte mein Blick die Außenseite meines linken Oberschenkels. Was waren denn das bitte für komische Dellen? Hatte ich über Nacht etwa Orangenhaut bekommen? Letzte Woche waren Sonne und ich an der Ostsee im Meerwasserhallenbad schwimmen gewesen, und dort hatte es von älteren, orangenhäutigen Menschen nur so gewimmelt. Hatte ich mich womöglich bei einem von ihnen angesteckt?

Mein anderer Oberschenkel sah auch nicht viel besser aus. Möglicherweise war es mir bisher nur nicht aufgefallen. Eigentlich war ich mit meinem Körper zufrieden, von ein paar Kilo zu viel mal abgesehen. Vielleicht hatte ich im Urlaub nicht nur an Gewicht, sondern auch an Sehschärfe zugelegt. Wenn einem dann auch noch jemand die rosarote Brille von der Nase schubst, sieht man leider vieles klarer und zu allem Unglück auch sämtliche Problemzonen des eigenen Körpers.

Nach dem Duschen rubbelte ich meine Haare trocken. Oha. Da schimmerte es doch grau. Du meine Güte, ich war keine fünfunddreißig und schon am Rand des körperlichen Verfalls. Frustriert wandte ich mich meinem Herzchakra zu, um es einzuölen.

Was waren denn das für zwei schlaffe Dinger, die in Richtung Bauchnabel hingen? Und was war mit meinem Bauchnabel geschehen? Das Drumherum hatte auch schon mal deutlich flacher ausgesehen. Oh Mann – mein Körper war eine einzige große Problemzone.

Ich nahm alles, was die Flasche hergab, und ölte mich wie wild am ganzen Körper ein. Wenn dieses Wunderöl für meine energetische Reinigung gut war, dann konnte es meiner Selbstwahrnehmung ja wohl auch nicht schaden.

Es dauerte keine fünf Minuten, bis der Reinigungsprozess einsetzte, und zwar mit voller Wucht. Mein Körper fing an zu jucken, und meine Haut verwandelte sich in eine feuerrote Fläche. Von der Orangenhaut war auf jeden Fall nichts mehr zu sehen. So richtig freuen konnte ich mich trotzdem nicht. Ich griff zur Flasche und las:

Ayurvedisches Chakra-Öl durchdringt Ihren Körper mit wohliger Wärme. Es wirkt anregend und verleiht Ihrer Haut einen sinnlichen Schimmer. Der frische Duft von Zitrone ermuntert den antriebslosen Geist.

»Sonneeeeeeeeeee!«, brüllte ich in den Hörer. »Was zum Henker ist in diesem Öl drin?!«

»Rosmarin, Koriander, Zimt und Zitrone«, zählte Sonne gewissenhaft auf. »Ach ja, und ich glaube, ein klein wenig Ingwer-Chili-Essenz. Wirkt es denn schon?«

Ich war nicht mehr fähig, ihr zu antworten. Meine Beziehung war am Ende, mein Goldfisch gestorben, und ich stand kurz vor einem anaphylaktischen Schock.

»Wilma?«, hörte ich Sonnes Stimme aus dem Hörer. »Hast du etwa mehr als die walnussgroße Menge genommen?«

In der Notaufnahme wurde zum Glück nur ein Nervenzusammenbruch mit leichter Hyperventilation festgestellt.

»Machen Sie sich keine Sorgen«, sagte der Notarzt freundlich und unterzeichnete meine Entlassungspapiere. »Das Ganze ist nicht lebensgefährlich. Sie haben sich einfach nur zu sehr aufgeregt. Legen Sie zu Hause die Beine hoch und entspannen Sie sich. Die Rötungen werden von ganz alleine wieder verschwinden.«

»Die Orangenhaut auch?« Ich sah ihn hoffnungsvoll an.

Der Arzt guckte etwas irritiert, dann aber lächelte er. »Eine so hübsche Frau wie Sie sollte sich über Orangenhaut keine Gedanken machen. Ich wette, Ihr Freund hat nichts an Ihnen auszusetzen.«

Ich verzog nur gequält mein Gesicht. Es gab ja niemanden mehr, der meine Problemzonen unter die Lupe nehmen konnte.

Und da dämmerte es mir plötzlich. Bislang hatte ich nur die schlechten Seiten der Trennung wahrgenommen. Doch Sonne hatte vollkommen recht damit, wenn sie sagte, man müsse sich auf das Gute in allem besinnen. Im grellen Licht der Notaufnahme wurde mir schlagartig der riesige Vorteil meines wiedergewonnenen Single-Daseins bewusst: Ich konnte seelenruhig und völlig unbemerkt vom Rest der Welt weiter vor mich hin schrumpeln.

Kapitel 4

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