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Dieser Band enthält folgende Geschichten: (499) Sandy Palmer: Rendezvous in Niagara Falls Alfred Bekker: Die schöne Erbin Anna Martach: Prolog zur Liebe Konrad Carisi: Isabella oder der Schatz im Klavier Sandy Palmer: Tausend heiße Liebesnächte Sandy Palmer: Sag mir nur drei kleine Worte Alfred Bekker: Das unheimliche Schloss Leslie Garber: Pias Liebesreise nach Monte Carlo Leslie Garber: Sie liebte den Milliardärssohn Leslie Garber: Linda und Max in Monte Carlo Einen so spannenden Auftrag hat die Journalistin Ellen Niehaus lange nicht mehr bekommen: Sie soll in Dubai den Schauspieler Dennis Ullmann interviewen, der dort vor Drehbeginn eines Actionfilms Urlaub macht. Der Traumjob gestaltet sich allerdings ziemlich anstrengend, denn Dennis wohnt nicht, wie angekündigt, im Burj Al Arab. Auf ihrer Suche trifft sie einen ebenso geheimnisvollen wie aufregenden Mann mit dunklen Märchenaugen, der sie Dennis vergessen lässt …
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Seitenzahl: 715
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Die große Strandliebe 2024: Liebesromane im Bundle
Copyright
Rendezvous in Niagara Falls
Die schöne Erbin
Prolog zur Liebe
Isabella oder der Schatz im Klavier
Tausend heiße Liebesnächte
Sag mir nur drei kleine Worte
Das unheimliche Schloss
Pias Liebesreise nach Monte Carlo
Sie liebte den Milliardärssohn: Liebesgeschichte
Linda und Max in Monte Carlo
Dieser Band enthält folgende Geschichten:
Sandy Palmer: Rendezvous in Niagara Falls
Alfred Bekker: Die schöne Erbin
Anna Martach: Prolog zur Liebe
Konrad Carisi: Isabella oder der Schatz im Klavier
Sandy Palmer: Tausend heiße Liebesnächte
Sandy Palmer: Sag mir nur drei kleine Worte
Alfred Bekker: Das unheimliche Schloss
Leslie Garber: Pias Liebesreise nach Monte Carlo
Leslie Garber: Sie liebte den Milliardärssohn
Leslie Garber: Linda und Max in Monte Carlo
Einen so spannenden Auftrag hat die Journalistin Ellen Niehaus lange nicht mehr bekommen: Sie soll in Dubai den Schauspieler Dennis Ullmann interviewen, der dort vor Drehbeginn eines Actionfilms Urlaub macht.
Der Traumjob gestaltet sich allerdings ziemlich anstrengend, denn Dennis wohnt nicht, wie angekündigt, im Burj Al Arab. Auf ihrer Suche trifft sie einen ebenso geheimnisvollen wie aufregenden Mann mit dunklen Märchenaugen, der sie Dennis vergessen lässt …
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Bathranor Books, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author
© dieser Ausgabe 2024 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Alles rund um Belletristik!
Der Umfang dieses Buchs entspricht 32 Taschenbuchseiten.
Julia Schrader, die Modedesign studieren will, macht eine Schneiderlehre in einem renommierten Atelier. Eines Tages muss sie die Ballkleider für eine bekannte Schauspielerin direkt auf ein Kreuzfahrtschiff ausliefern, das sich kurz vor der Abfahrt nach New York befindet. Sie wird um einen Gefallen gebeten, der sie in einen großen Konflikt stürzt...
„Nur noch eine Stunde, dann ist Feierabend.“ Hanna, die älteste Mitarbeiterin des Ateliers „Fair Lady“ dehnte den schmerzenden Rücken. „Ich bin total geschafft bei der Hitze heute.“
„So schlimm ist es doch nicht.“ Julia Schrader griff nach ihrer Wasserflasche und hielt sie der Kollegin hin. „Magst du noch was trinken?“
„Nein, nein, danke. Ist schon gut.“ Hanna beugte sich wieder über ihre Arbeit, und auch Julia arbeitete weiter. Mit einer fast zärtlichen Geste strich Julia über den weich fließenden Stoff des Abendkleides, das eine bekannte Kundin bestellt hatte. Einmal auch so ein Modell besitzen, einmal die Gelegenheit bekommen, in festlichem Rahmen eine solche Traumrobe zu tragen...
Julia unterdrückte einen Seufzer, dann legte sie das Kleid in die dafür vorgesehene große Schachtel mit dem Aufdruck des Modehauses. Anschließend widmete sie sich wieder ihren profanen Pflichten. Und die bestanden für sie, die jüngste der drei Schneiderinnen, unter anderem darin, auf ein blaues Kostüm Knöpfe zu nähen und einen Saum zu kürzen.
„Julia, Sie müssen mir schnell mal einen Gefallen tun.“ Gerlinde Meerfeld, die Leiterin des Ateliers, kam mit kleinen, für sie typischen Schritten durch den Raum gehetzt. Ihr schmales Gesicht war gerötet, nervös zerfetzte sie ein Tempotuch in kleinste Schnipsel - ein Zeichen dafür, dass sie kurz vor einem Nervenzusammenbruch stand. So jedenfalls behauptete es Hanna immer.
„Natürlich, gern.“ Julia stand auf. Sie war ein besonders apartes Mädchen mit langen blonden Haaren und eine perfekten Figur. Sie hätte es mit jedem Mannequin aufnehmen könne, doch ihr Berufsziel war es, Mode zu entwerfen, nicht, sie auf irgendwelchen Laufstegen vorzuführen. Um Modedesign studieren zu können, war eine Schneiderlehre Grundvoraussetzung, und Julia war froh, sie in diesem renommierten Atelier absolvieren zu können.
„Eine Mitarbeiterin von Frau Höhler hat angerufen. Die Kundin hat keine Zeit mehr, ihre beiden Kleider abzuholen. Sie wird sofort zum Schiff fahren und möchte, dass wir ihr die beiden Modelle dorthin bringen.“ Sie holte keuchend Luft. „Das hat die Sekretärin vergessen, uns vorgestern schon mitzuteilen.“ Sie strich sich nervös über das perfekt frisierte Haar. „Nun ja, noch ist es ja nicht zu spät, wir können den Fehler dieser Person zum Glück noch ausbügeln.“
„Kein Problem. Mit welchem Schiff fährt sie?“ Julia zog sich schon den leichten Kittel, den sie stets bei der Arbeit trug, aus und hängte ihn über einen der vielen Haken.
„Mit der Europa. Wo dieser Luxusliner liegt, weiß ich allerdings nicht. Sie müssen sich danach erkundigen.“
„Kein Problem.“ Julia war in Hamburg aufgewachsen, ihr Vater und Großvater waren beides Seeleute gewesen, ihr Bruder fuhr als Kapitän auf einem Kreuzfahrtschiff. Sie wusste also genau, wo sie die Europa zu suchen hatte.
Eine halbe Stunde später befand sich das Taxi, das ihre Chefin für Julia geordert hatte, auf dem weitläufigen Hafengelände. Es herrschte ein reges, geschäftiges Treiben ringsum. Der schneeweiße Luxusliner stach hervor, und Julia entlohnte den Fahrer. Es standen genügend Taxen bereit für ihre Rückfahrt. Jetzt galt es erst einmal, Veronique Höhler ausfindig zu machen.
Veronique war eine beliebte Schauspielerin, die seit zwei Jahren auch sehr erfolgreich als Fernsehmoderatorin fungierte. Und wie man den Klatschspalten diverser Zeitschriften entnehmen konnte, wollte sie die Reise auf der Europa gemeinsam mit ihrem neuen Verehrer, dem Konzernchef Holger Wahlen, unternehmen. Es ging zunächst nach New York, dann an der kanadischen Küste entlang.
Ein kleines Lächeln glitt über Julias Gesicht, als sie sich daran erinnerte, dass man sie schon häufig mit Veronique Höhler verwechselt hatte. Sie war ebenso blond wie die prominente Fernsehgröße, fast genauso groß - doch leider, wenigstens in ihren eigenen Augen, lange nicht so schön. Veronique besaß ein ebenmäßiges Gesicht mit hohen Wangenknochen und strahlend blauen Augen. Ihr Mund war üppig, die blonde Haarmähne immer von einem exzellenten Haarkünstler gestylt.
Julia trug ihr Haar heute im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Ihre Augen hatten das dunkle Blau der ersten Veilchen, und ihre Wangen waren in ihren Augen noch beinahe kindlich rund. Allerdings war sie die Einzige, die sich so sah, alle anderen fanden ihr Gesicht wunderschön.
Als sie einen jüngeren Mann entdeckte, der gerade die Gangway hoch gehen wollte, hielt sie ihn mit einem kurzen Ruf auf.
„Bitte, können Sie mir helfen? Ich muss zur Kabine von Frau Höhler... oder zumindest aufs Schiff, damit ich dieses Paket hier für die Dame abgeben kann.“
„Tut mir leid, ich werde im Maschinenraum arbeiten.“ Der junge Mann grinste. „Von den Passagieren hab ich keine Ahnung. Wenden Sie sich an den Zahlmeister, der kann Ihnen weiterhelfen.“
„Entschuldigen Sie, wenn ich unterbreche.“ Ein großer, gut aussehender Mann trat auf Julia zu. Er kam vom Schiff und hielt sie jetzt auf den beiden unteren Stufen der Gangway auf. „Sie suchen Veronique Höhler?“
„Ganz recht. Ich komme vom Modehaus „Fair Lady“ und soll diese bestellten Kleider abliefern.“
„Tja, das wird schwierig.“ Der Mann zuckte mit den Schultern. „Ich hab Veronique auch gesucht. Leider vergeblich. Sie wird die Reise nicht antreten.“
„Aber meine Chefin sagte mir doch...“
„Vergessen Sie’s.“ Der Mann machte eine wegwerfende Handbewegung. „Alles, was vor zwei Stunden noch Gültigkeit hatte, ist vergessen. Unwichtig geworden.“ Bitterkeit schwang in seiner Stimmer mit, und eine kleine steile Falte erschien auf seiner gebräunten Stirn.
„Würden Sie mir erklären, was Sie meinen?“ Julia sah zu ihm auf. Er war fast einen ganzen Kopf größer als sie. „Ich muss schließlich im Geschäft eine logische Erklärung dafür abgeben, warum ich die Kleider nicht abliefern konnte.“
Der Mann zögerte einen Moment, doch dann belebten sich seine Gesichtszüge, er griff nach Julias Arm und sah sie eindringlich an.
„Sie sind hoffentlich flexibel“, meinte er.
„Im Grunde ja.“ Julia umklammerte den großen Karton noch etwas fester. „Warum?“
„Na, ich denke, Sie brauchen gar keine Erklärung abzugeben. Und ich auch nicht.“
„Sie sprechen in Rätseln. Tut mir leid, aber ich muss jetzt weiter.“ Sie wollte sich aus seinem Griff befreien, doch er hielt sie fest.
„Bitte, Sie würden mir einen riesigen Gefallen tun. Kommen Sie mit aufs Schiff. Ich brauche Ersatz für Veronique.“
„Sie spinnen.“ Julia riss sich los.
„Bitte!“ Mit einem Satz war er auf der Erde und stellte sich ihr in den Weg. „Ich bin Holger Wahlen, und alle Welt erwartet, dass ich mit Veronique verreise. Sie ahnen nicht, was die Presse für einen Zirkus machen wird, wenn sie von unserer Trennung erfährt.“ Er biss sich auf die Lippen. „Und meinem Onkel würde es das Herz brechen. Er weiß, dass er nicht mehr lange zu leben hat und hofft sehnlichst, dass ich vor seinem Tod noch die Frau fürs Leben finde.“
„Und ich soll diese Schmierenkomödie mitmachen?“ Julia schüttelte den Kopf, so dass der Pferdeschwanz hin und her flog. „Das ist ein ebenso billiger wie schlechter Scherz. Nicht mal in einer drittklassigen Komödie würde so etwas funktionieren.“
„Ich bitte Sie! Die Reise ist wunderschön, und ich verspreche, dass ich Sie in keiner Weise belästigen werde. Nur eins sollten Sie bitte tun: mich begleiten.“
Während er das so eindringlich sagte, sah er sie so flehend an, dass Julia schwankend wurde. Ihr Herz klopfte einen Takt schneller, denn genau wie Holger sah der Mann aus, von dem sie insgeheim immer geträumt hatte. Groß, dunkelhaarig, mit weltmännischem Benehmen und einem charmanten Lächeln.
Aber das hier war kein Traum, sondern Wirklichkeit. Vor ihr stand ihr Traummann und bat sie um Hilfe. Es war, zugegeben, alles etwas verrückt, und die Wirklichkeit war extrem bizarr, wie ihr gleich darauf klar wurde. Da sagte nämlich der Traumtyp, den Veronique Höhler versetzt hatte: „Begleiten Sie mich aufs Schiff, kommen Sie mit auf diese Reise. Sie würden mir damit einen Riesengefallen tun.“
Fremde Länder sehen, neue, sicher interessante Menschen kennenlernen, einmal unbeschwert und ohne den Gedanken: „Wie finanziere ich alles?“ einen tollen Urlaub machen...
Skrupel und Bedenken hatte Julia jede Menge, sie fand die Idee irrwitzig, sagte sich selbst, sie sei wahnsinnig, wenn sie sich auf das Angebot einließe. Und doch... Holger Wahlen hatte dagegen eine unwahrscheinliche Überzeugungskraft zu setzen.
Und so kam es, dass die kleine, unbekannte Schneiderin Julia an diesem verhängnisvollen Tag die Luxussuite bezog, die für Veronique Höhler und Holger Wahlen geordert worden war. Ohne Koffer, ohne irgendeinen persönlichen Gegenstand betrat sie das Schiff. Das einzige, was sie hatte, waren ein traumschönes Ballkleid und ein schmales schwarzes Etuikleid, zu dem ein kurzes Spitzenjäckchen gehörte.
„Sie helfen mir unendlich“, hatte Holger noch ein paar Mal versichert. Und dann: „Außerdem machen Sie einen alten Mann, der sicherlich nur noch kurze Zeit zu leben hat, eine große Freude. Lassen Sie mich für alles sorgen, was Sie benötigen. An Bord bekommt man einfach alles. Sie brauchen nur ein bisschen Mut, Ihren Ausweis - und Vertrauen in mich.“
Während er das sagte, sah er sie mit einem so innigen Blick an, dass Julia gar nicht anders konnte als zu allem zu nicken. Sie kannte sich selbst nicht wieder. Normalerweise war sie sehr zurückhaltend und alles andere als spontan. Doch dieser Holger hatte etwas an sich, das sie fast willenlos machte. Sie umklammerte ihre Handtasche ganz fest.
„Ich hab nur meinen Personalausweis dabei. Und man braucht doch für die USA ein Visum“, wandte sie ein.
Er zögerte. „Kann Ihnen jemand den Pass bringen?“
Julia zögerte. „Meine Freundin... ich wohne in eine kleinen WG.“
„Dann rufen Sie sie an.“ Er lachte leise, ein warmes, dunkles Lachen, das Julia unter die Haut ging. „Alles andere regle ich.“
Die folgenden fünf Stunden verbrachte Julia wie im Traum. Katrin, ihre Freundin, lieferte den Pass ab und wünschte ihr viel Spaß auf der Reise.
„Du bist ein bisschen verrückt“, flüsterte sie Julia zu, als sie sich zum Abschied umarmten, „aber der Typ ist jedes Risiko wert.“
Holger rief indessen bei der Botschaft an und regelte die Sache mit dem Visum - wie, blieb sein Geheimnis. Dann informierte er ihre Chefin und bat für Julia um drei Wochen Sonderurlaub. Anschließend kaufte er die halbe Bordboutique leer. Jedenfalls erschien es Julia so, die vergeblich versuchte ihn zu stoppen.
„So viel brauche ich doch nicht“, sagte sie ein ums andere Mal, doch Holger winkte ab.
„Keine Widerrede, das ist schon o.k. so.“
Und dann, nachdem das Schiff den Hafen verlassen hatte, lernte sie den Mann kennen, dem diese ganze Inszenierung unter anderem galt: Dr. Wunnibald Wahlen! Er stand lächelnd neben ihr, als das Schiff den Hafen verließ - ein Kavalier der alten Schule, der sie mit einem Handkuss begrüßt hatte, ehe er sie kurz in die Arme zog.
„Ich bin überglücklich“, hatte er nur gesagt, dann lauschten sie der Musik, mit der der Dampfer beim Auslaufen begleitet wurde.
Immer wieder sah Julia diskret zu dem alten Mann hin, der sich auf die Reling stützte, doch konzentriert hinüber zur wunderschönen Elbphilharmonie schaute, die das neue Wahrzeichen Hamburgs war.
„Man nannte ihn früher den großen WW“, hatte Holger ihr vor einer halben Stunde über den Onkel erzählt. „Er hat nach dem Krieg aus der kleinen Firma seines Vaters ein Imperium aufgebaut, das seinesgleichen sucht. Ich bin sein Neffe - und der einzige Erbe.“
„Das ist ja toll!“ Julia hatte ihn insgeheim beglückwünscht zu der Aussicht, mal ein paar Millionen zu erben.
Doch Holger hatte erwidert: „Na ja, reinstes Zuckerschlecken ist es nicht. Doch während der Arbeit kommen wir gut miteinander aus. Mein Onkel zieht sich mehr und mehr aus der Firma zurück, überlässt mir das Tagesgeschäft. Nur bei größeren Transaktionen will er eingebunden werden.“
„Das ist doch in Ordnung so, oder?“
„Klar doch. Wie gesagt, beruflich harmonieren wir. Aber privat nervt er mich seit Monaten so sehr, dass ich wünschte, er hätte mindestens ein halbes Dutzend eigene Kinder und zwanzig Nichten und Neffen.“
Julia konnte sich das Lachen nicht verkneifen. „Ich denke, es gibt Schlimmeres im Leben.“
„Schon, aber mir reicht es, mindestens zwei Mal in der Wochen nach meinem Liebesleben gefragt zu werden.“ Er verzog dabei das Gesicht zu einer kleinen Grimasse, was Julia noch mehr amüsierte.
„Ihre Sorgen möchte ich haben“, murmelte sie und dachte daran, dass sie oft nicht wusste, wie sie das Monatsende überstehen sollte.
„Ich weiß, ich übertreibe. Aber es ist tatsächlich so, dass Onkel Wunnibald unbedingt will, dass ich so schnell wie möglich heirate - und Kinder in die Welt setze. Er weiß, dass er nicht mehr allzu lange zu leben hat und will unbedingt noch meinen Nachwuchs kennenlernen.“
„Aber Sie sind doch mit Frau Höhler so gut wie verlobt, oder?“
„Das hab ich auch gedacht. Zumindest bis zu der Nachricht, die mich am Morgen erreichte...“ Bei den Worten zog er sein Smartphone aus der Hosentasche und reichte es ihr.
Kann leider nicht mitkommen, Oliver Delanby dreht in Hollywood, er gibt mir endlich eine Hauptrolle. Das ist die Chance meines Lebens. Sei nicht sauer, ich weiß es erst seit heute Morgen, muss in Eile umdisponieren. Ich küsse dich - Veronique
Julia hatte die kühlen Zeilen mit klopfendem Herzen gelesen und dann das kleine Gerät kommentarlos an Holger zurück gegeben.
Und jetzt stand sie hier auf der Europa, sie, die Ersatz-Verlobte eines gut aussehenden Millionenerben! Der legte gerade zärtlich den Arm um sie und sagte: „Schau mal, Liebling, ist das nicht ein einmaliger Anblick?“
Und der alte Herr mit dem schneeweißen Haar, der an ihrer anderen Seite stand, meinte: „Ich hab das alles bestimmt schon ein Dutzend Mal erlebt. Aber heute, mein Kind, ist es besonders schön.“
Er nahm Julias Hand und zog sie wieder mit altväterlicher Grandezza an die Lippen. Wohlgefällig lächelte er dabei, und nur ein scharfer Beobachter hätte gesehen, dass er die junge Frau während der ganzen Zeit unauffällig taxierte.
Wunnibald Wahlen war fünfundachtzig Jahre alt, und wenn ihm sein Körper auch immer häufiger den Dienst versagte - sein Blick war noch scharf, sein Verstand wach und sein Herz noch jung.
Jedenfalls verstand er, warum sein Neffe sich in dieses bezaubernde Mädchen verliebt hatte. Sie war natürlich, anmutig, hatte ein offenes Lächeln und Augen so klar, wie es die Bergseen in seiner Jugend gewesen waren.
Immer wieder verglich er die junge Frau, die mit leuchtenden Augen hinüber zur Stadt hinüber blickte, mit der Fernsehmoderatorin Veronique. War das wirklich ein und dieselbe Person? Er mochte es kaum glauben. Doch Holger nannte seine Begleiterin Veronique, also musste sie es sein.
Aber die Zweifel blieben. Dennoch genoss der alte Herr die Reise über den Atlantik. Sein Neffe war so gelöst und heiter wie lange nicht mehr, und das Mädchen, das sich Veronique nennen ließ, war einfach bezaubernd!
Und wie sie sich freuen und an all dem Neuen, das ihr auf dem Schiff geboten wurde, begeistern konnte! Sie genoss den Service an Bord mit allen Fasern, das spürte man deutlich. Sie freute sich an einem romantischen Sonnenuntergang ebenso wie daran, in der Bordbibliothek stöbern und ein Buch über New York und seine Umgebung finden zu können. Die Nordengland-Staaten wurden ebenfalls beschrieben, und sie vertiefte sich stundenlang in dieses Buch.
„Das müssen Sie lesen!“, hatte sie am Vorabend zu Wunnibald gesagt. „Einfach fantastisch. Und die Bilder vom Indian Summer oder den Niagarafällen... beeindruckend.“
„Würden Sie die Niagara-Fälle gern mal sehen, Kindchen?“
„Aber ja! Es sieht so fantastisch aus...“
„Es ist wunderbar. Vor Jahren, als ich noch jünger war, haben meine Frau und ich mal einen Trip dorthin gemacht. Es war eine wunderbare Reise.“ Für einen Moment schien er in Erinnerungen zu versinken, und Julia störte ihn nicht.
„Dann wird Sie das Buch sicher besonders interessieren“, meinte sie.
„Leider kann ich es nicht lesen. Meine Augen...“ Ein bedauerndes Schulterzucken folgte.
Und heute, es war noch früh und die Hälfte der Reisenden schlief wohl noch, setzte sie sich neben in einen der Deckstühle und sagte: „Wenn Sie mögen, lese ich Ihnen vor.“
Mehr als eine Stunde verging, dann kam Holger und meinte: „Hier steckst du also! Ich hab dich schon überall gesucht. Der Kabinensteward sagte, du wärst schon ganz früh aus der Kabine gegangen.“
„Stimmt.“ Veronique lächelte und fügte dann rasch hinzu: „Ich bin Frühaufsteherin, das weißt du doch. Aber du hast noch tief und fest geschlafen, da wollte ich dich nicht wecken.“
Für die echte Veronique und sich hatte Holger eine Suite gebucht gehabt, und Julia war damit einverstanden gewesen, sie zu beziehen - unter der Bedingung, dass sie einen der Räume als privates Schlafzimmer nutzen konnte.
„Wenn dein Onkel nichts merken soll, geht es wohl nicht anders“, hatte sie zu Beginn der Reise gesagt, und Holger war froh gewesen, dass sie so unkompliziert war. Überhaupt... sie war ein sehr nettes Mädchen. Liebenswert, klug, faszinierend in ihrer Begeisterung über das, was ihr geboten wurde.
Wenn er sich vorstellte, wie die echte Veronique wohl reagieren würde, kamen ihm Zweifel daran, dass die Reise so harmonisch wie jetzt verlaufen wäre. Niemals hätte sie sich am frühen Morgen aus dem Bett gequält. Und schon gar nicht hätte sie sich um seinen Onkel so rührend gekümmert!
„Ich war schon schwimmen“, erzählte Julia unbekümmert. „Frühmorgens hab ich den Pool fast für mich allein und kann mich richtig austoben.“
„Und ich dachte schon...“ Holger brach ein wenig verlegen ab. Er sagte nicht, dass er schon befürchtet hatte, Julia hätte die Nacht vielleicht mit dem blonden schwedischen Fischhändler verbracht, der sich seit zwei Tagen auffällig oft in ihrer Nähe aufhielt und gestern, in der Bar, mehr als einmal mit ihr getanzt hatte.
Eifersucht durchzuckte ihn auch jetzt wieder in der Erinnerung daran, wie Julia in den Armen des Schweden gelegen und mit ihm getanzt hatte. Es war wahnsinnige, höchst schmerzhafte Eifersucht.
Sie ist doch eigentlich eine Fremde, versuchte er sich einzureden. Ein Mädchen, das mir aus einer Verlegenheit hilft und als Entgelt diese Traumreise mitmachen darf.
Aber sein Herz sagte etwas anderes.
Am fünften Abend, kurz bevor das Schiff New York erreichte, fand das Kapitänsdinner statt. Julia sah dem Ereignis mit einem leichten Unwohlsein entgegen. Zwar besaß sie inzwischen wundervolle Garderobe, doch mit den Juwelen, die die anderen Damen Abend für Abend zur Schau stellten, konnte sie nicht konkurrieren. Die dünne Kette aus schlichten Süßwasserperlen, die sie bei der Arbeit getragen hatte, passte absolut nicht zu dem Ballkleid, das eigentlich Veronique Höhler gehörte.
Julia seufzte auf, als sie den Traum aus stahlblauem Chiffon, dessen Oberteil mit unzähligen kleinen Pailletten besetzt war, betrachtete. Es fiel ihr immer schwerer, ihrer Rolle gerecht zu werden. Lügen zu müssen, um eine andere Frau zu schützen...
Es war ein etwas stürmischer Tag auf See, und Holger und ein paar Bekannte beschlossen, ein Backgammon-Turnier auszutragen.
Wunnibald Wahlen fühlte sich nicht gut, und Julia schaute mehrmals besorgt nach ihm.
„Lass gut sein, Kindchen“, meinte der alte Herr am späten Nachmittag, „es geht schon wieder. Die See hat sich beruhigt, und mein Herzschlag auch. Ich werde gleich aufstehen.“
„Wollen Sie nicht doch lieber kurz den Arzt kommen lassen? Ich wäre dann beruhigter.“ Julia lächelte ihn so lieb an, dass er schließlich zustimmend nickte.
„Also gut, einverstanden, Kindchen. Aber nur, wenn du mir hinterher einen Wunsch erfüllst.“
„Jeden!“, versicherte Julia. Es fiel ihr so leicht, nett zu dem alten Herrn zu sein, der sie seit dem ersten Tag „Kindchen“ nannte. Sie mochte es, denn der Name Veronique war wie ein Stachel...
Der Arzt kam rasch und bestätigte dem alten Herrn beste Gesundheit. „Für Ihr Alter sind Sie in Topform, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf.“
„Sie dürfen. Aber nur mir gegenüber. Mein Neffe soll ruhig glauben, dass ich nicht mehr lange zu leben habe. Umso mehr beeilt er sich mit der Hochzeit. Am liebsten wäre mir ja noch eine Trauung hier an Bord. Dann kann gar nichts mehr schief gehen.“
Der Arzt lächelte. „Sie können nichts erzwingen, Herr Wahlen.“
„Ich weiß. Aber ein bisschen Schicksal spielen ist erlaubt.“
Als der Arzt gegangen war, machte sich der alte Herr sorgfältig zurecht. Dann überprüfte er, ob er alle Kreditkarten dabei hatte und ließ die vermeintliche Veronique zu sich rufen.
„Du hast mir einen Wunsch gewährt“, begann er sofort. „Komm mit, ich möchte ihn sofort erfüllt bekommen.“
Julia nahm den angebotenen Arm, und gut gelaunt schlenderte das ungleiche Paar durch die weitläufigen Gänge. Die junge Frau wunderte sich, dass Wunnibald Wahlen sie zu dem Trakt führte, in dem sich die Bordboutique, eine Parfümerie - und ein exklusiver Juwelierladen befanden.
Und genau in dieses Geschäft ging der alte Herr!
Man begrüßte ihn mit ausgesuchter Höflichkeit, und Julia konnte unschwer erkennen, dass er hier schon einmal gewesen sein musste, dann die Verkäuferin legte ihm unaufgefordert einige Schmuckstücke vor.
„Such dir etwas aus“, forderte Wunnibald Wahlen und wies auf die Juwelen, die auf blauem Samt lagen und im Licht der Lampen besonders funkelten. „Und ich bitte mir absolute Unbescheidenheit aus!“
„Aber ich kann doch nicht...“ Verlegen biss sich Julia auf die Lippen.
„Sei still und denk dran - du musst mir einen Wunsch erfüllen.“ Und als sie immer noch ganz fassungslos auf die wertvollen Schmuckstücke schaute, nahm er sie kurzerhand in die Arme und flüsterte: „Du bist zwar ohne Gold und Diamanten immer noch schöner als jede andere Frau auf diesem Kahn, aber ich finde, ein bisschen sollte es schon um deinen Hals glitzern.“
Nach diesen Worten griff er zu einer schmalen goldenen Kette, die alle fünf Zentimeter von einem kleinen Brillanten verziert wurde. In der Mitte glitzerte ein großes, perfekt gefasstes Brillantherz.
„Ich finde, das passt ideal zu dir.“ Und an die Verkäuferin gewandt: „Einzupacken brauchen Sie es nicht, doch eine kleine Schachtel dürfen Sie uns mitgeben.“
Julia erlebte alles wie im Traum. Als der alte Herr ihr mit leicht zitternden Fingern die Kette umlegte, schloss sie sekundenlang die Augen. Dabei stellte sie sich vor, wie schön es wäre, wenn Holger ihr dieses Schmuckstück geschenkt hätte.
Holger... sie musste ihr Herz in beide Hände nehmen, wenn sie in seiner Nähe war. Immer wieder musste sie sich ins Gedächtnis zurückrufen, dass er eine andere liebte, dass er sie, die kleine, unbedeutende Schneiderin, nur auf diese Reise mitgenommen hatte, weil seine Freundin ihn im letzten Moment versetzt hatte und sein Onkel dies nicht merken durfte.
„So, Kindchen, jetzt noch das dazu passende Armband, dann bist du für den heutigen Ball gerüstet.“ Und ohne auf ihren Widerspruch einzugehen, nahm er ein schmales, genau zur Kette passendes Armband von der Theke, nickte der Verkäuferin zu und legte dann kommentarlos eine Kreditkarte auf den Tresen.
Julia ahnte nicht, was er zahlen musste, doch dass es ein kleines Vermögen sein musste, war ihr schon bewusst.
„Ich... ich weiß einfach nicht, was ich sagen, wie ich mich bedanken soll“, flüsterte sie, als sie das Geschäft verließen. „Sie dürfen nicht so viel Geld für mich ausgeben. Sie ahnen ja nicht...“ Tränen schimmerten in ihren Augen. „Ich bin es gar nicht wert, dass Sie so nett zu mir sind, Herr Wahlen.“
Ein verstecktes Lächeln glitt über das Gesicht des alten Mannes. „Du bist es ganz bestimmt wert, Kindchen. Aber wenn du mir irgendwann was über dich erzählen willst, höre ich dir gern zu. Nur nicht jetzt. Es ist einfach nicht der richtige Zeitpunkt für Geständnisse. Du musst dich umziehen und noch ein bisschen schöner machen, und ich...“ Er zwinkerte ihr zu, „ich schmeiße mich jetzt in meinen Smoking. Heute Abend werden wir das schönste Paar auf dem Schiff sein. Und ich bitte mir aus, dass der erste Tanz mir gehört!“
Holger hielt den Atem an, als Julia aus der Tür ihres Zimmers kam. Sie trug das Modellkleid, das für Veronique Höhler angefertigt worden war, und es stand ihr hervorragend. Das intensive Blau unterstrich ihre Blondheit, hob das Veilchenblau ihrer Augen noch mehr hervor.
„Wunderschön.“ Sein Blick umfing ihre zierliche Gestalt, und am Leuchten seiner Augen erkannte Julia, dass sie ihm gefiel.
„Danke. Veronique hat wirklich einen exzellenten Geschmack.“ Julia bemühte sich um Sachlichkeit. „Hoffentlich ist sie nicht sauer, weil ich das Kleid schon mal getragen habe.“ Sie wollte an Holger vorbei gehen, doch er hielt sie am Arm fest.
„Vergiss doch endlich Veronique.“ Seine Stimme klang ein wenig rau, was seine Erregung verriet. „Ich denke auch nicht mehr an sie.“ Sanft zwang er sie dazu, ihn anzusehen.
Julia biss sich auf die Lippen. „Hör auf damit, Holger“, sagte sie leise. „Ich hab keineswegs vergessen, warum ich hier bin.“ Sie machte sich mit einem Ruck von ihm los und ging zur Tür. „Und ehrlich gesagt bin ich froh, wenn die Reise zu Ende ist. Es tut mir unendlich leid, dass ich deinen Onkel so brutal belügen muss. Er ist ein so liebenswerter Mensch.“
„Und so großzügig, nicht wahr?“ In seinem verletzten Stolz wurde Holger ungerecht. „Die Kette ist doch von ihm, oder?“
Julia tastete zum Hals. „Ja. Er hat sie heute gekauft. Und das Armband auch.“ Sie hob den Arm ein wenig höher. „Aber keine Sorge, ich werde die Schmuckstücke nicht behalten.“ Damit hastete sie aus der Suite, und Holger hatte Mühe, ihr zu folgen. Erst kurz vor der Tür des Speisesaals holte er sie ein.
„So hab ich es nicht gemeint, Julia. Bitte...“ Er ging dicht neben ihr. „Der Schmuck interessiert mich nicht. Du aber...“
„Da ist dein Onkel.“ Ohne auf ihn zu warten eilte Julia auf den alten Herrn zu, der schon an seinem Platz saß und sich erhob, als sie auf ihn zu kam.
„Kindchen, du siehst wunderschön aus.“ Er küsste sie ungeniert auf beide Wangen, dabei sah er zu Holger hin, dessen Gesicht verkniffen wirkte.
Erst im Lauf des Abends lockerte sich die Stimmung, und Julia entspannte sich vollständig, als die Musik im großen Saal zum Tanz aufspielte und Wunnibald sie zum ersten Walzer bat. Von da an ließ sie kaum einen Tanz aus. Außer zwei Offizieren, die sehr fesch aussahen in ihren weißen Galauniformen, forderten sie noch drei andere Herren zum Tanz auf. Vor allem der blonde Schwede ließ es sich nicht nehmen, sie immer wieder aufzufordern oder einen erfrischenden Drink mit ihr an der Bar zu nehmen.
„Du solltest aufpassen, sonst schnappt dir der blonde Typ dir deine Freundin noch vor der Nase weg.“ Wunnibald Wahlen sah amüsiert zu seinem Neffen hin, dem man die Eifersucht deutlich vom Gesicht ablesen konnte.
„Unsinn“, winkte er ab, doch seine Miene sprach Bände.
Beim nächsten Tanz war er es, der Julia wieder zur Tanzfläche führte, und die bis kurz vor Mitternacht bekam kein anderer Mann mehr die Gelegenheit mit ihr zu tanzen.
„Puh, jetzt brauch ich aber mal eine Pause“, lachte Julia und ließ sich lächelnd neben Wunnibald nieder.
„Dann geht doch mal an Deck.“ Der alte Herr sah auf seine Uhr. „In einer Stunde laufen wir New York an, vielleicht könnt ihr die Silhouette der Stadt schon sehen.“
Zögernd sah Julia zu Holger hin, dem einer der Kellner gerade ein neues Glas Wein eingeschenkt hatte. „Ich würde ganz gern mal an die Luft gehen“, sagte sie.
„O.k, dann komm ich mit.“ Er gab sich gleichgültig, doch insgeheim war er froh, endlich mal mit ihr allein sein zu können.
Es war eine sternklare Nacht, und außer ihnen befanden sich noch etliche Passagiere an Deck. Aber das kümmerte sie nicht. Sie fanden einen Platz am Heck, und Julia beugte sich ein wenig vor, um besser hinüber zum Land sehen zu können, wo ein paar vereinzelte Lichter die Großstadt erahnen ließen.
„Pass auf.“ Holger hielt sie zurück. Für einen kurzen Moment lag sie an seiner Brust, sie spürte das Klopfen seines Herzens und schloss kurz die Augen. Träumte sie es oder küsste er ihr Haar?
„Mir ist kalt.“ Sie machte sich von ihm los. „Wir sollten zurück zu deinem Onkel gehen.“
„Hier, nimm meine Jacke.“ Schon zog er die Smokingjacke aus und legte sie ihr um die Schultern. „Das New York-Panorama willst du doch nicht versäumen, oder?“
„Wir laufen doch erst am Morgen dort ein.“
„Stimmt. Aber die Fahrt verlangsamt sich jetzt immer mehr, so dass wir alles genießen können.“ Während er sprach, legte er den Arm fester um ihre Schultern und zog sie an sich. „Julia, ich...“
„Nicht.“ Sie wollte sich aus seinem Griff befreien, doch er hielt sie nur noch fester.
„Sei nicht so kratzbürstig“, lächelte er, bevor er sie zärtlich küsste.
Julia hielt still, sie erwiderte seinen Kuss nicht, obwohl alles in ihr danach drängte, sich fester in seine Arme zu schmiegen.
„Ich mag dich“, flüsterte Holger dicht an ihren Lippen. „Verflixt, ich weiß nicht, wie es passiert ist, aber ich mag dich sehr, sehr gern, Julia.“ Auf das Geständnis folgte ein weiterer Kuss, und diesmal erwiderte ihn Julia zunächst sehr zögernd, doch dann öffneten sich ihre Lippen wie von allein, und sie erwiderte Holgers Zärtlichkeiten voller Leidenschaft.
In der Ferne glitzerten die Leuchtreklamen der Millionenstadt New York mit den Sternen am Nachthimmel um die Wette, und aus dem Schiffsinnern klangen Sinatra-Melodien.
„Dein Onkel wartet sicher.“ Verlegen löste sich Julia aus Holgers Armen. „Ich geh wieder rein.“
„Aber...“
„Bitte, vergiss die letzten Minuten. Ich kenne meinen Platz im Leben - und meinen Job hier.“ Damit ließ sie ihn stehen.
Am nächsten Morgen stand sie extrem früh auf, die Nacht hatte sie beinahe schlaflos verbracht und auf alle Geräusche aus dem Nebenzimmer gelauscht. Als sie die Kabine verließ, um sich im Pool die Flausen aus dem Kopf zu schwimmen, schlief Holger tief und fest, wie sie sah.
Den Pool hatte sie an diesem Morgen ganz für sich, die meisten Passagiere erholten sich nach der langen Ballnacht. In der Ferne kam die Silhouette New Yorks immer näher, und nachdem sie eine Viertelstunde geschwommen war, genoss Julia an der Reling den Blick auf Big Apple.
Beim Frühstück dann erwartete sie eine Überraschung.
„Ich hab mir etwas überlegt.“ Wunnibald trank mit Todesverachtung den Tee, der ihm regelmäßig serviert wurde. Als angeblich Herzkranker sollte er ja wenig Kaffee genießen.
„Und das wäre?“ Lächelnd sah ihn Julia an.
„Wir fliegen nach Niagara. Die großen Wasserfälle würde ich zu gern noch einmal sehen.“
„Und New York? Was ist damit?“ Stirnrunzelnd sah ihn Holger an.
„Die Stadt läuft uns nicht weg. Zumindest ihr zwei könnt sie noch oft besuchen. Ich war bestimmt ein Dutzend Mal da, aber in Niagara nur einmal - mit deiner Tante.“ Wehmut schwang in seiner Stimme mit, doch rasch fing er sich wieder. „Wir unterbrechen einfach für drei, vier Tage und steigen dann irgendwo an der Kanadischen Ostküste wieder an Bord. Am besten in Quebec, dann kann Ju... ich meine Veronique sich die Stadt ansehen.“
„Na gut.“Holger runzelte die Stirn. Dann aber meinte er: „Wenn du es so möchtest... ich arrangiere alles.“ Er war sich nicht sicher, ob er den Versprecher des Onkels wirklich gehört hatte. Forschend sah er den alten Herrn an, doch der schien mit seinen Gedanken noch in der Vergangenheit zu weilen.
„Danke, mein Junge. Damit tut ihr mir einen echten Gefallen.“
Julia war zwar ein wenig traurig, weil sie unter diesen Umständen keinen Eindruck von New York bekam, doch sie hätte es nie eingestanden. Schließlich war ihr das Glück des alten Herrn wichtiger als die eigenen Wünsche.
So kam es, dass sie, nachdem sie das eindrucksvolle Einlaufen in den Hafen von New York genossen hatten, mit dem Taxi zum Flughafen fuhren, wo schon ein Privatjet wartete, der sie nach Niagara bringen sollte.
Im luxuriösen Hotel Niagara on the Falls waren schon Zimmer für sie reserviert, und Wunnibald Wahlen zog sich erst einmal zum Ausruhen zurück.
„Seht euch nur schon um“, meinte er. „Ich muss mich ein bisschen hinlegen.“
„Es geht Ihnen doch hoffentlich gut?“ Besorgt sah Julia den alten Herrn an.
„Aber ja doch, Kindchen. Ich bin nur keine Dreißig mehr.“ Liebevoll lächelte er sie an. „Geht nur und schaut euch schon mal die Fälle an. Wir sehen uns am Nachmittag wieder.“
Als sie allein waren, sah Julia Holger wütend an. „Warum hast du wieder eine Suite gebucht? Hier wären doch Einzelzimmer angebracht gewesen. Dein Onkel hätte es sicher nicht bemerkt.“
„Das finde ich ganz und gar nicht.“ Ungeachtet der vielen Touristen, die sich in der Hotelhalle befanden, zog er sie an sich. „Ich bin sehr, sehr gern in deiner Nähe.“
Julia presste die Lippen zusammen. Zu gern hätte sie ihm geglaubt, doch ihre Vernunft riet ihr zur Vorsicht.
„Ich bin kein Spielzeug“, stieß sie bitter hervor. „Also hör mit dem Theater auf, wenn wir allein sind.“
„Theater?“ Holger hielt sie noch fester umklammert. „Das gestern an Deck, das war kein Theater. Julia...“ Er zögerte sekundenlang, dann gestand er: „Ich hab mich in dich verliebt, Julia. Ehrlich verliebt.“
„Aber...“
„Kein Aber mehr.“ Er zog sie mit sich zu den Aufzügen. Und dann, in ihrer geräumigen Suite, von der aus man einen herrlichen Blick auf die Wasserfälle hatte, nahm er sie wieder in die Arme. Und seine Küsse ließen Julias Bedenken rasch zunichte werden. Sie spürte die Kraft seines Körpers und war kurz davor, die Fassung zu verlieren und ihm zu gestehen, dass sie sich vollständig und ganz unvernünftig in ihn verliebt hatte.
Stattdessen schob sie ihn von sich. „Nicht... bitte.“ Tränen schimmerten in ihren Augen. „Ich bin kein Spielzeug, Holger.“
„Das bist du auch nicht. Julia, glaub mir, ich begehre dich mehr als jede andere Frau zuvor. Vergiss Veronique. Vergiss, warum du uns begleitet hast. Denk nur an mich. An uns. An jetzt und hier.“ Jedes zweite Wort begleitete er mit einem Kuss, dabei streichelte er Julias Rücken, er spielte mit ihrem Haar und verschloss ihr den Mund, als sie noch einmal widersprechen wollte.
Mit der Zärtlichkeit erwachte die Leidenschaft. Vorsichtig, noch ein wenig zögernd streichelte Holger über Julias Brüste, und beglückt spürte er, dass sich ihre Brustwarzen verhärtet hatten unter seinen Berührungen.
„Komm.“ Seine Stimme klang heiser vor Erregung, als er sie aufs Bett zog. Behutsam schob er seine Hand unter ihr leichte Bluse, und als er spürte, dass sie sich nicht länger wehrte, bat er: „Zieh dich aus, Sternchen.“
Es war das erste Mal, dass er einen Kosenamen für eine Frau benutzte, und er war darüber mindestens so überrascht wie Julia, die seinem Wunsch mit zitternden Händen nachkam.
„Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich mir das gewünscht habe in den letzten Tagen“, murmelte Holger, der sich ebenfalls ausgezogen hatte und jetzt zärtlich jeden Zentimeter von Julias Körper mit kleinen Küssen bedeckte, ehe er ihre Lippen wieder mit einem langen Kuss verschloss. Sein Zunge eroberte ihre Mundhöhle, spielte behutsam mit ihrer Zunge, während er nicht aufhörte, sie an den empfindlichsten Stellen mit seinen Händen zu erregen.
Julia spürte die Erregung mit heißen Wogen in sich aufsteigen, unterdrückt stöhnte sie auf, während sie seinen festen Rücken streichelte.
Als er ihren Mund freigab, bat sie leise: „Komm zu mir, bitte. Ich halte es nicht mehr aus.“
Doch noch zögerte er die Vereinigung hinaus, küsste erst noch einmal hingebungsvoll die kleinen festen Brüste, während sich sein hartes Glied fest und verheißungsvoll an ihren Unterleib presste.
Julia biss sich auf die Lippen, um das lustvolle Stöhnen, das in ihrer Kehle aufstieg, zu unterdrücken.
Und dann, endlich, drang er langsam und behutsam in sie ein. Julia schloss die Augen und genoss seine intime Nähe. Zärtlich streichelte sie seinen Nacken, dann glitten ihre Hände tiefer, so, als versuche sie, ihn noch tiefer in sich aufzunehmen. Instinktiv bestimmte sie den Rhythmus mit, in dem sie sich bewegten.
Als Holger immer wieder ihren Namen murmelte, öffnete sie die Augen und sah hinein in sein strahlendes Augenpaar. „Du bist wunderschön“, flüsterte er, während er immer wieder in sie hineintauchte, immer wieder und wieder, bis sie glaubte, gleich zerspringen zu müssen. Laut schrie sie seinen Namen, und da, endlich kam er ebenso zur Explosion wie sie.
Die heißen Wellen des Höhepunktes trugen sie gleichzeitig davon, und Julia schmiegte den Kopf an Holgers heiße Brust. Sie spürte seinen harten Herzschlag und genoss es, ihn noch immer in sich zu fühlen.
Langsam, fast widerwillig zog sich der Mann schließlich aus ihr heraus, doch er blieb halb auf ihr liegen und barg sein Gesicht zwischen ihren kleinen festen Brüsten.
„Glücklich?“ Liebevoll sah er sie an.
„Sehr glücklich.“ Mit einer fast scheuen Geste strich sie ihm eine Haarsträhne aus Stirn. „Ich kann es im Grunde noch gar nicht fassen, dass du... dass wir...“ Ein wenig hilflos brach sie ab.
Sein dunkles, warmes Lachen war wie ein Streicheln. „Ich auch nicht“, erwiderte er und nahm sie fest in die Arme. „Aber es ist wundervoll.“
„Und - dein Onkel? Was wird er sagen? Und was ist mit Veronique?“
„Veronique...“ Er machte eine kleine Pause. „Sie muss die Tatsache, dass ich mich in dich verliebt habe, akzeptieren. Und ich bin mir sicher, dass sie kein Drama draus machen wird, wenn ich mich von ihr trenne. Sie hat schließlich ihre Karriere.“ Ein wenig Bitterkeit schwang in seiner Stimme mit.
„Aber ihr wolltet heiraten!“
Eine Weile blieb es still. Julia lag, den Kopf an Holgers Brust geschmiegt, neben ihm und wartete gespannt auf seine Antwort.
„Das ist vorbei. Es war ein Irrtum.“ Behutsam schob er sie von sich, richtete sich auf und sah Julia an. Innig und offen war sein Blick, und als er mit dem Zeigefinger zärtlich die Konturen ihrer Lippen nachzeichnete, stieg erneut heißes Verlangen in ihr auf. „Ich liebe dich, Julia. Ich liebe, liebe, liebe dich!“
Sie kam nicht mehr zu einer Antwort, denn er verschloss ihr den Mund mit einem langen Kuss.
Die immer noch hoch stehende Sonne blendete, und Julia schob sich die Sonnenbrille, mit der sie ihre Haare zurückgehalten hatte, auf die Nase.
„Puh, ist das heiß!“
Holger lachte. „Warte nur, wenn wir gleich auf der Maid of the Mist sind, hast du reichlich Abkühlung.“
„Kommt dein Onkel auch mit?“
„Nein, er will sich noch ausruhen.“ Für einen kurzen Moment verdunkelte sich Holgers Miene. „Ich mach mir ein wenig Sorgen um ihn. Heute wirkt er besonders schlapp.“
„Dann solltest du dich um ihn kümmern. Die Fahrt mit dem Boot können wir verschieben.“
„Auf keinen Fall! Das ist ein ganz tolles Erlebnis. Und ich bin sicher, dass Onkel Wunnibald nicht will, dass ich bei ihm sitze und ihn beobachte. Er möchte noch ein bisschen ruhen, damit er abends, wenn wir die Lichtshow ansehen wollen, fit ist.“
Julia widersprach nicht. Sie war gespannt auf den Bootsausflug, der sie ganz dicht an den 58 Meter hohen Horseshoe-Fall bringen würde. Die kanadische Seite der Wasserfälle war wesentlich imposanter als die amerikanische, und viele Touristen pendelten von den USA über die lange Brücke hinüber auf die kanadische Seite, da man von hier aus den allerbesten Blick hatte.
So wie alle Touristen zogen sich auch Julia und Holger die dünnen Regenumhänge über, die sie vor dem heftigen Sprühregen, der stets in der Luft hing, schützen sollten.
Es war ein faszinierendes Schauspiel, das sich ihnen bot, je näher sie den tobenden Wassermassen kamen. Ein nie endendes Rauschen hing in der Luft, Wasser spritzte immerzu auf sie herab, und Julia schmiegte sich fester in Holgers Armen, als das Boot auf dem unruhigen Wasser zu tanzen begann.
Aber sie genoss die Fahrt mit der Jungfrau des Nebels - so wie alle Mitfahrenden, die immerzu Fotos von den Wassermassen machten, die tosend in die Tiefe stürzten.
„Und - was sagst du?“ Holger schrie es ihr ins Ohr, es war nicht möglich, sich in normaler Lautstärke zu unterhalten, zu gewaltig war das Dröhnen des Wasserfalls.
„Überwältigend!“ Julia sah strahlend zu ihm auf. „Ich bin total begeistert!“
Still für sich dachte sie, dass es beinahe unwirklich war, was sie seit Tagen erlebte. Und hin und wieder hatte sie Angst, aus diesem Traum zu erwachen...
„Nun, Kindchen, hattest du einen schönen Tag?“
„Es war fantastisch!“ Julia sah ihn strahlend an. „Sie haben etwas versäumt.“
„Ach was. So ein Trip ist nichts mehr für mich. Aber auf die Lichtshow freu ich mich.“ Er winkte dem Kellner, der in diskretem Abstand darauf wartete, die Bestellung aufnehmen zu können. „Champagner bitte“, orderte er.
Überrascht sah Holger den alten Herrn an. „Was ist los, Onkel Wunnibald? Gibt’s was zu feiern?“
„Das solltest du besser wissen als ich, mein Junge. Du wolltest dich doch auf der Reise ganz offiziell verloben, oder nicht?“
„Ja, aber...“ Holger biss sich auf die Lippen. „Ich muss dir etwas gestehen, Onkel Wunnibald.“
„Nein, nicht.“ Julia legte ihm kurz die Hand auf den Arm. „Bitte, Holger, nicht jetzt.“ Tränen schimmerten in ihren Augen, und sie wagte es nicht, den alten Herrn anzusehen.
In dessen Augen stand ein kleines, schalkhaftes Lächeln. „Nichts da“, erklärt er rigoros. „Jetzt wird sich verlobt!“ Er zog eine kleine Schachtel aus der Jackentasche. „Ich hab mir erlaubt, einen Ring für dich zu besorgen, Junge.“ Vorsichtig schob er das kleine blaue Kästchen über den Tisch.
„Aber Onkel Wunnibald... das geht doch nicht!“ Holger schüttelte ablehnend den Kopf. „Den Ring für Veronique besorge ich schon selbst.“
„Ach ja?“ Wunnibald legte die Hand über das Kästchen. „Wenn du meinst, dass du das tun musst - meinetwegen. Aber Julia bekommt diesen Ring. Ich habe ich vor vielen Jahren deiner Tante angesteckt, und ich möchte, dass deine Zukünftige ihn trägt.“ Lächelnd sah er von Julia zu seinem Neffen, der ihn fassungslos ansah. „Ja denkst du denn wirklich, ich sei blind oder gar senil?“
„Herr Wahlen, ich... ich muss Ihnen etwas erklären.“ Julia biss sich auf die Lippen. „Ich bin schuld an alledem. Ich habe...“
„Du hast meinen Neffen sehr glücklich gemacht.“ Wunnibald nahm ihre Hand und hielt sie fest. „Glücklicher, als es die richtige Veronique je gekonnt hätte.“
„Du weißt...?“
„Sicher. Schon nach wenigen Stunden war mir klar, dass Julia dieser Veronique zwar ähnelt, aber das sind reine Äußerlichkeiten. Zum Glück.“ Er sah lächelnd von einem zum anderen. „Und jetzt küsst euch endlich. Und dann steck ihr den Ring an! Das ist ein Befehl, mein Lieber!“
„Dem ich zu gern folge.“ Lachend stand Holger auf, doch im nächsten Moment kniete er sich vor Julias Stuhl auf den Boden.“ Willst du mich heiraten, Julia? Ich wäre der glücklichste Mann der Welt!“
„Steh auf, um Himmels Willen!“ Verlegen sah sich Julia um. Einige der anderen Gäste im Restaurant waren auf die Szene aufmerksam geworden und unterbrachen ihr Essen. Auch der Kellner, der mit dem Champagner gerade zurückgekommen war, blieb abwartend stehen.
„Erst wenn du ja gesagt hast!“
Eine, zwei Sekunde lang zögerte Julia noch, dann flüsterte sie: „Ja, ich will dich heiraten. Zu gern will ich das!“
Holger stand auf und umarmte sie, während in der Nähe Beifall aufbrandete.
Wunnibald winkte dem Kellner. „Dann gießen Sie mal ein!“ Er wirkte sehr zufrieden und trank sein Glas in einem Zug leer. „Das ist der schönste Tag seit langem!“ Er griff nach Julias Hand und küsste sie mit altväterlicher Grandezza. „Willkommen in meiner Familie, mein Kind.“
„Ich...ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.“
„Freuen sollst du dich. So wie ich mich freue.“ Er sah Holger an. „Und jetzt gib ihr endlich den Ring!“
Holger tat, was er verlangte. Der schmale Weißgoldreif war mit kleinen Brillanten besetzt, doch in der Mitte glänzte ein großer Stein, der mindestens zwei Karat besaß.
„Ich liebe dich“, sagte er leise dabei. Und fügte hinzu: „Aber den nächsten Ring bekommst du von mir, versprochen.“
„Ich brauche aber keinen Schmuck, um glücklich zu sein“, sagte Julia.
„Aber ich will dich verwöhnen.“ Holgers Blick drückte unverhohlen seine Leidenschaft aus.
„Das kannst du später tun.“ Wunnibald grinste. „Jetzt trinkt und genießt den Blick auf die Wasserfälle.“ Er wies zum Fenster, hinter dem die spektakuläre Lichtshow begann, die für einen Moment die Emotionen, die in ihnen aufgekommen waren, verdrängte.
Nach dem Essen, das hervorragend gewesen war, verkündete Wunnibald: „Und jetzt geh ich ins Casino.“
Besorgt sah ihn Holger an. „Sollen wir mitkommen?“
„Auf keinen Fall! Ihr würdet mich nur beim Gewinnen stören.“
„Ist so ein Abend am Roulette-Tisch nicht zu aufregend?“, wagte Julia einzuwenden. „Denken Sie an Ihr Herz.“
„Das ist absolut in Ordnung.“ Wunnibald legte den Arm um ihre Schultern. „Glaub mir, Kindchen, ich bin in bester Verfassung. Ich musste meinem Neffen, der sich so gar nicht entschließen konnte zu heiraten, nur ein wenig die Pistole auf die Brust setzen.“
Holger blieb mitten im Restaurant stehen. „Dann bist du nicht krank? Dann war alles nur gespielt?“
„Nicht alles.“ Wunnibald zuckte leicht mit den Schultern. „Ich hab ein paar Probleme mit zu hohen Cholesterinwerten. Und auch die Arthrose in den alten Gelenken lässt sich nicht leugnen. Ansonsten...“ Wieder ein leises Lachen, „ansonsten gedenke ich noch eure ersten Kinder zu wiegen.“
„Du bist unmöglich, Onkel Wunnibald!“
„Ich hab dir zu deinem Glück verholfen, mein Junge.“ Rüstig schritt er zum Ausgang des Restaurants. „So, jetzt macht euch einen schönen Abend. Und wenn ich noch einmal höre, dass du mich siezt, Julia, werde ich böse.“
Spontan küsste ihn Julia auf die Wange. „Das darf ich natürlich nicht riskieren, Onkel Wunnibald.“
„Bist ein kluges Mädchen. Das hab ich gleich gewusst! Und jetzt lasst mich allein!“
„Er ist unmöglich!“ Holger sah dem alten Herrn nach. „Aber ich bin ihm dankbar.“
„Ich auch.“ Julia schmiegte den Kopf an seine Schulter. „Was unternehmen wir jetzt?“
„Wir machen noch einen kleinen Bummel am Wasserfall entlang. Hast du Lust?“
Sie nickte. Der Abend war mild und der Himmel voller Sterne. Noch immer waren die Wasserfälle beleuchtet, die Millionen Tropfen, die die Gischt aufspritzen ließ, glitzerten wie Diamanten in der Luft.
„Ich fühle mich immer noch wie im Märchen.“ Julia blieb stehen, stützte die Arme auf die Brüstung und sah hinüber zum tosenden Wasser.
„Aber es ist Wirklichkeit.“ Holger umarmte sie von hinten, schmiegte das Gesicht in ihr Haar. „Wundervolle Wirklichkeit.“ Verliebt knabberte er an ihrem Ohrläppchen. „Aber wenn du Zweifel hast... ich weiß ein Mittel, um dich davon zu überzeugen, dass das alles hier Wahrheit ist.“
„Und wie willst du das machen?“ Lachend bog sich Julia zurück. „Da bin ich gespannt.“
„Ach wirklich? Du bist ein Biest, wenn du so unschuldig tust.“
„Aber ich bin...“
„Zum Glück absolut nicht unschuldig“, fiel er ihr ins Wort, bevor er sie küsste.
Julia spürte seine Erregung, die sofort auf sie übersprang.
„Wir sollten ins Hotel zurück gehen“, murmelte sie dicht an seinem Mund.
„Unbedingt.“ Er griff nach ihrer Hand, und übermütig liefen sie los.
ENDE
"Mei, da kommt ja eine ganze Gruppe von Bergtouristen!", stieß Maria Hinzberg, die bereits etwas in die Jahre gekommene Wirtin des HINZBERGER HOFS aus. Sie stand am Fenster und blickte hinaus, direkt auf das imposante Panorama der schneebedeckten Berggipfel.
Ihre junge Gehilfin Claudia trat hinzu und warf ebenfalls einen Blick hinaus.
Das junge Madl machte eilig seine Frisur zurecht.
Maria Hinzberg bemerkte dies mit einem Lächeln - und das, obwohl ihr im Moment eigentlich gar nicht zum Lächeln zu Mute war. Mit Schrecken dachte sie daran, dass all die hungrigen Bergtouristen versorgt werden wollten, die auf den HINZBERGER HOF zusteuerten.
"Das wird der Rieder-Markus mit seiner Gruppe sein", sagte Maria. "Kein anderer Bergführer in der Gegend hat so viel Zulauf wie der Markus..." Und während sie dies sagte, blickte die Wirtin auf das junge, fesche Madl an ihrer Seite. Mit sanftem Tonfall fügte sie dann hinzu: "...und wie's scheint, gilt das net allein für Bergtouristen..."
Claudias himmelblaue Augen sahen verträumt in Richtung der Ankömmlinge. Jetzt rissen die Worte der Wirtin sie aus ihren Gedanken. "Geh, Tante Maria, was red'st denn da!" stieß sie hervor.
"Vielleicht kannst deinen Eltern etwas vormachen, Claudia - mir aber net!", erwiderte die Wirtin wohlwollend. "Meinst, ich hätte net bemerkt, wie du den Rieder-Markus angesehen hast?"
"Ja, ist er denn net auch ein fescher Bursche, der junge Rieder?", fragte Claudia zurück.
Die Wirtin nickte. "Freilich ist er das! Und wenn ich selbst das passende Alter hätte..." Maria Hinzberg seufzte.
"Der Markus erinnert mich immer an meinen verstorbenen Franzl." Einen Augenblick lang wirkte die Wirtin etwas in sich gekehrt.
Ihre Gedanken schienen zurück in die Vergangenheit zu wandern. Dann ging ein Ruck durch Maria Hinzberg. Sie atmete tief durch. "Mei, wie soll ich das nur schaffen!" Nicht, dass die Wirtin etwas dagegen hatte, wenn der HINZBERGER HOF gut frequentiert wurde, aber gerade heute hatte sie Claudia den Rest des Tages frei gegeben.
Und das Madl hatte sich den freien Abend mehr als redlich verdient. Schon seit Wochen war sie kaum noch aus der Gaststätte herausgekommen. Im Moment war Hochsaison und Vertretungen waren schwer zu bekommen.
Außerdem spürte Maria Hinzberg in letzter Zeit mehr als deutlich, dass sie nicht mehr ganz so leistungsfähig war wie in früheren Jahren. Wenn sie den HINZBERGER HOF auch immer noch gerne und voller Elan führte, so ermüdete sie doch schneller und hatte eher das Gefühl, dass die Dinge ihr über den Kopf wuchsen.
"Keine Sorge", sagte Claudia. "Ich bleibe hier - und zusammen werden wir ja wohl mit den Bergtouristen fertig werden!"
"Ist das dein Ernst, Madl?"
"Ja, freilich." Über Claudias Gesicht glitt ein Lächeln.
"Oder glaubst vielleicht, dass ich dich im Stich lassen tät, wenn's eng wird?"
Maria war sehr erleichtert, hatte aber auch schlechtes Gewissen ihrer Nichte gegenüber.
"Mei, du hast bei mir schon so viel Extra-Stunden gemacht, dass..."
"Ist schon gut, Tante Maria. Ich hätte heute Abend sowieso nix besonderes vor..." Sie sah in Richtung der Bergtouristen-Gruppe, die sich in der Zwischenzeit ein ganzes Stück genähert hatte.
Ihr Blick suchte den Rieder-Markus.
Und tatsächlich!
Sie fand ihn ganz am Anfang der Gruppe. Auf diese Entfernung war er bereits deutlich zu erkennen.
Keine Viertelstunde mehr und sie sind hier!, ging es dem Madl durch den Kopf. Ihr Herz klopfte wie wild.
"Ohne dich wüsst ich gar net, was ich machen sollte", bekannte indessen die Wirtin. "Ich glaub, hier würd' buchstäblich alles drunter und drüber gehen!"
Das war keineswegs übertrieben.
Selbst die Buchhaltung hatte Claudia zuletzt schon übernommen und endlich Ordnung in die Finanzen des HINZBERGER HOFS gebracht. Das war auch dringend nötig gewesen, denn das Rechnen war nicht unbedingt die Stärke der Wirtin.
"Gelernt ist halt gelernt", meinte die Claudia etwas geistesabwesend. Schließlich war sie mit ihren Gedanken bei dem feschen Markus.
"Ja", gestand Maria zu, "es hat sich schon gelohnt, dass dein Vater dich auf die Hotelfachschule geschickt hat! Mir ist das leider nie vergönnt gewesen - und so habe ich mir alles selbst beibringen müssen. Vor allem nach dem Tod vom Franzl war das net einfach..."
"Geh, Tante Maria, jetzt lass uns net davon zu reden anfangen", sagte Claudia. "Lass uns lieber alles zurechtmachen, bis die Bergtouristen hier sind. Du weißt ja... Dann muss immer alles auf einmal passieren - und wer vorher stundenlang im Schweiße seines Angesichts auf einen Gipfel hinaufgekraxelt ist, der wird auch net mehr so ganz die rechte Geduld aufbringen!"
Claudia wandte sich in Richtung Küche herum.
Aber Maria Hinzberg hielt ihre Nichte beim Arm.
"Warte einen Moment", forderte sie.
Claudia blieb stehen und blickte ihre Tante etwas verwundert an. "Tante Maria, die Zeit rennt uns davon! Du hast selbst immer gesagt, dass..."
"Hör mir einen Augenblick zu!", schnitt ihr die Hinzbergerin etwas schroffer das Wort ab, als sie es eigentlch beabsichtigt hatte. Ihr Gesicht wurde ernst und Claudia begriff sogleich, dass Tante Maria ihr etwas wirklich wichtiges zu sagen hatte. "Niemand lebt ewig", sagte die Wirtin dann. "Das ist eine Binsenweisheit und mir wird es da net anders ergehen, als allen anderen."
"Tante Maria, bist net doch noch etwas zu jung, um dir derart trübe Gedanken zu machen?"
"Es sind keine trüben Gedanken", korrigierte die Wirtin.
"Jetzt net mehr. Denn zum Herrn Jesus gehen müssen wir alle mal - aber es hat mir lange keine Ruhe gelassen, dass mein Haus net bestellt war. Und das habe ich letzte Woche geändert. Du weißt, als ich einen Nachmittag in die Stadt, zum Notar war..."
"Ja, ich erinnere mich", nickte Claudia.
"Ich habe an jenem Nachmittag meine letzten Angelegenheiten geregelt. Du weißt, dass dem Franzl und mir leider keine Kinder vergönnt waren. Also möchte ich, dass du den HINZBERGER HOF dereinst weiterführst."
"Ich?", fragte Claudia etwas überrascht. Sie hatte nie darüber nachgedacht.
Sie war froh gewesen, nach dem Ende der Hotelfachschule, gleich eine gute Anstellung gefunden zu haben. Und das noch in der Nähe des elterlichen Hofs - und nicht irgendwo in der Stadt. Denn in den Jahren, in denen sie das Hotelfach gelernt hatte, hatte sie auch festgestellt, wie wichtig ihr die vertraute Umgebung der Bergwelt war.
"Ja , du!", bekräftigte Maria Hinzberg. "Ich weiß, dass das Wirtshaus, das der Franzl und ich so viele Jahre lang durch gute und weniger gute Zeiten geführt haben, bei dir in den besten Händen wäre."
Das Madl atmete tief durch.
"Mei, ich weiß wirklich net, was ich dazu sagen soll", bekannte Claudia.
"Sag bloß net, dass du das Erbe ausschlagen würdest! Dann wüsst' ich nämlich net, was ich tun soll." Die Wirtin machte eine kurze Pause, ehe sie dann fortfuhr: "Es wäre nämlich auch der größte Wunsch vom Franzl gewesen, dass es für den HINZBERGER HOF eine Zukunft gibt. Du würdest den HOF doch weiterführen, gell?"
Claudia nickte.
"Natürlich!", versprach sie. "Aber eigentlich gehe ich davon aus, dass wir noch viele Jahre zusammen den HINZBERGER HOF betreiben..."
Die Wirtin lächelte mild.
"Wenn ich eine Tochter gehabt hätte - dann hätte sie so sein sollen wie du, Claudia!", meinte sie dann mit belegter Stimme.
Wenig später traf die Touristengruppe ein und machten sich an den rustikalen Holztischen der zünftig eingerichteten Gastwirtschaft breit. Sie waren guter Laune, wenn auch von der anstrengenden Bergtour etwas erschöpft.
"Grüß dich, Claudia!", sagte der junge Bergführer Markus Rieder freundlich an das Madl gewandt.
"Servus, Markus", flüsterte sie.
"Ich denk, die Leut werden recht hungrig sein!", vermutete der Bergführer. "Und ich bin's auch..."
Ihrer beider Blicke begegneten sich.
Claudia wurde es dabei ganz warm ums Herz. Wie er mich ansieht!, dachte Claudia. Sympathisch waren sie sich immer schon gewesen. Und Claudia hoffte nun, dass Markus vielleicht sogar mehr als nur Sympathie empfand.
Bis über beide Ohren hast dich verliebt!, sagte eine Stimme in ihrem Inneren. Net einmal einen einzigen klaren Gedanken kannst noch fassen, wenn diese Augen dich so ansehen!
Der Markus sah an Claudia hinunter und meinte dann anerkennend. "Gut steht dir das neue Dirndl!"
"Mei, dass du das bemerkt hast!"
"Das ist mir sofort aufgefallen."
Einer der Touristen rief jetzt ungeduldig nach der Bedienung.
Es fiel Claudia schwer, sich von Markus loszureißen. Aber spätestens der zweite, noch ungeduldigere Ruf holte sie aus der Traumwelt ihrer Verliebtheit in die Wirklichkeit zurück.
"Ich komm ja schon!", rief das Madl an den Gast gewandt zurück. Dann sah sie Markus an. "Tut mir leid, aber du siehst ja, was hier los ist!"
"Freilich..."
Claudia hatte bereits einen Schritt gemacht, da hielt Markus sie am Arm. "Warte einen Moment noch!", forderte er.
"Ich möchte dich noch etwas fragen..."
"Später!", antwortete Claudia und schenkte dem jungen Mann ein bezauberndes Lächeln.
In den nächsten anderthalb Stunden kam Claudia kaum zum Durchatmen. Die Bergtouristen hatten einen wahren Bärenhunger und plünderten die Vorräte des HINZBERGER HOFS regelrecht aus.
Immer wieder bestellten sie aufs Neue und die Bierkrüge fanden auf den rustikalen Tischen kaum noch Platz.
Die Laune unter den Gästen war gut. Und die meisten von ihnen schienen selbst die Anstrengungen der Bergtour nach kurzer Zeit vergessen zu haben. Jedenfalls konnte man ihnen keinerlei Müdigkeit anmerken.
Nach und nach verließen sie dann das Lokal. Vor dem Haus hatten sie ihre Wagen geparkt. Von hier aus fuhren sie dann hinab in das noch einige Kilometer weiter unten im Tal gelegene Dorf Bergeich. Dort hatten die meisten von ihnen Fremdenzimmer gemietet.
Im HINZBERGER HOF selbst gab es nur einige wenige zu vermietende Zimmer. Und die verfügten nicht gerade über den größten Komfort.
Aber wer bei Maria Hinzberg übernachtete, der tat dies ohnehin nicht deshalb, weil er den Sercvice eines Vier Sterne Hotels erwartete, sondern um der traumhaften Landschaft willen. Morgens wurde man von den Strahlen der Sonne geweckt, die hinter den imposanten Berggipfeln hervorschauten. Das Schauspiel der Sonnenauf- und untergänge war einzigartig und mit nichts anderem zu vergleichen. Ein Farbenspiel der Natur, dass einen selbst dann beeindrucken konnte, wenn man in der Gegend aufgewachsen war und diesen Anblick jeden Tag hatte genießen können.
Schließlich befanden sich nur noch wenige Gäste in der Gastwirtschaft.
"Ich glaube, jetzt komme ich wohl allein zurecht", meinte Maria Hinzberg an ihre Nichte gewandt. "Aber der Abend ist jetzt ohnehin so gut wie vorbei..."
Das Madl zuckte die Achseln.
"Ja mei, das ist net so schlimm", erwiderte Claudia leichthin. "Ich hatte ohnehin nix Wichtiges vor..."
Die Wirtin seufzte hörbar.
"Ich wüsste wirklich net, was ich ohne dich tun sollte...
wenn man dich braucht, ist immer auf dich Verlass." Sie musterte das Madl einige Augenblicke lang und fügte dann noch hinzu: "Ich glaub schon, dass du eine gute Wirtin abgeben würdest!"
"Geh, Tante Maria!"
"Lass nur! Ich denke, dass ich in dem Punkt Recht habe! Bis morgen, Claudia!"
Claudia nickte. "Bis morgen, Tante Maria."
Während sich das Madl in Richtung Tür wandte, blickte sie noch einmal kurz durch den Schankraum. Vom Rieder-Markus hatte sie schon eine ganze Weile nichts mehr gesehen. Aber schließlich konnte sie auch nicht von ihm erwarten, dass er bis in den späten Abend hinein im Wirtshaus saß, nur um auf sie zu warten.
Der junge Mann hatte sie etwas fragen wollen, erinnerte sich Claudia. Seitdem hatte das Madl die ganze Zeit darüber nachgegrübelt, worum es da wohl gehen mochte.
Sicher nur irgendeine Belanglosigkeit, überlegte Claudia.
Und du machst dir jetzt Hoffnungen darauf, dass es sich um etwas wirklich Wichtiges handelt...
Andererseits waren da die Komplimnte, die er ihr gemacht hatte.
Alles nur Süßholzraspelei! Mach dir keine übertriebenen Hoffnungen!, hörte Claudia die skeptische Stimme in ihrem Inneren.
Sie trat hinaus ins Freie.
Die letzten Sonnenstrahlen schienen gerade noch über die Berggipfel hinweg. Das Farbenspiel, das dabei entstand, nahm sie für einige Momente gefangen. Die ansonsten schneeweißen Berghänge schimmerten jetzt in den verschiedensten Rottönen.
Nur für einige Augenblicke würde dieses einzigartige Schauspiel zu sehen sein.
Einige wenige Fahrzeuge standen noch auf dem kleinen Vorplatz, der dem HINZBERGER HOF als Parkmöglichkeit diente.
Darunter auch ein Geländewagen, den Claudia nur zu gut kannte.
Es war der Wagen des Rieders.
Markus lehnte gegen den Wagen und blickte auf die Berge hinaus. Ganz versunken war er und genoss den Anblick dieses gewaltigen Panoramas.
Mei, so ist er doch noch hier!, ging es Claudia durch den Kopf. Doch net etwa meinetwegen?
Ihr Herz machte einen Satz.
Sie trat an den jungen Mann heran.
Obwohl ihre Schritte kaum einen Laut auf dem Boden verursachten, bemerkte er sie und drehte sich zu ihr um.
"Na, ist der schlimmste Ansturm vorbei?", erkundigte sich Markus lächelnd.
Claudia nickte.
"Mei, manchmal ist es halt besonders schlimm. Dann fällt so viel Arbeit zur selben Zeit an, dass es fast unmöglich ist, alles zu bewältigen..."
Markus zuckte die Achseln. "Die Gäste, die ich den HINZBERGER HOF habe verlassen sehen, machten mir allerdings dennoch allesamt einen recht zufriedenen Eindruck."
"Man tut eben, was man kann." Claudia strich sich eine Strähne aus dem Gesicht, die sich aus ihrer Frisur herausgestohlen hatte. Ein leichter Wind wehte jetzt kühl von den Berggipfeln herab. Von der Sonne war nun nichts weiter, als ein schwaches Schimmern zu sehen.
Markus sah das Madl an.
Ihrer beider Blicke verschmolzen für einen kurzen Moment miteinander.
"Du wolltest mich etwas fragen", begann schließlich Claudia zögernd. "Aber leider hab ich dich net so recht zu Wort kommen lassen. Ich hoffe, du nimmst mir das jetzt net übel..."
Markus lächelte.
Und ehe Claudia so richtig begriffen hatte, was geschah, nahm er sanft ihre Hand.
"Wie könnte ich dir irgend etwas übel nehmen, Claudia?"
Eine leichte Röte überzog Claudias Gesicht. "Na, wenn du etwas länger drüber nachdenkst, würde dir da bestimmt auch noch etwas einfallen", erwiderte sie dann schnell und etwas verlegen.
Noch immer hielt er ihre Hand und sie zog sie nicht weg.
"Mei, was ich dich eigentlich fragen wollt... in der nächsten Woche, da ist doch beim Kornhuber Dorftanz."
"Ja, freilich!"
"Vielleicht hättest du Lust, mit mir zusammen dorthin zu gehen!"
Claudia nickte heftig. "Gerne", flüsterte sie. Ihre Freude war unbeschreiblich. Sie war ganz erfüllt von einem unbändigen Glücksgefühl und glaubte fast, jeden Moment schier zerspringen zu müssen.
"Gut", nickte Markus Rieder. "Ich freue mich schon sehr."
"Ich mich auch", flüsterte Claudia.
Dann sahen sie sich einige Augenblicke lang schweigend an.
Schließlich sagte Claudia: "Es ist schon sehr spät."
Markus nickte. "Ja, ich muss morgen auch wieder in aller Herrgottsfrühe 'raus..."
"Gute Nacht, Markus", sagte das Madl dann nach einer kurzen Pause. Dann drückte sie dem jungen Bergführer blitzschnell einen Kuss auf die Wange, bevor sie sich von ihm entfernte.
Sie ging zu ihrem Wagen, winkte ihm noch einmal zu, während der junge Bursche noch etwas verdutzt dastand.
Claudia wunderte sich selbst über den Mut, den sie gehabt hatte. Aber sie dachte sich: Wenn er mich nun gar net leiden könnte, dann hätte er mich ja wohl kaum gebeten, mit ihm zum Dorftanz zu gehen!
Sie stieg in den Wagen, einen schon ziemlich angejahrten Zweitürer. Sie versuchte, den Motor zu starten, aber außer ein paar kläglichen Lauten war nichts zu hören.
Sie versuchte es erneut.
Dann ging gar nichts mehr.
Claudia stieg aus.
Markus war unterdessen hinzugetreten. "Mei, will der Wagen net wie du willst?", erkundigte er sich.
"Wie du siehst!", nickte das Madl. Claudia wohnte auf dem heimatlichen Sennreicher-Hof. Sie hatte dort ihr altes Zimmer wieder bezogen, nachdem sie die Hotelfachschule beendet hatte und in die Berge zurückgekehrt war. Aber bis zum Hof ihrer Eltern war es zu Fuß ziemlich weit. Ein Marsch von mindestens anderthalb Stunden hätte vor ihr gelegen - und das bei einsetzender Dunkelheit.
"Irgendwann hat es ja soweit kommen müssen", meinte Claudia seufzend. "Der Wagen ist auch net mehr das allerneueste Modell! Aber dass er mich gerade jetzt im Stich lassen muss..."
"Man soll die Hoffnung nie aufgeben", erwiderte Markus.
"Lass mich die Sache einmal anschauen."
"Nix dagegen. Aber ich fürchte, zaubern kannst auch du net!"
"Abwarten!", lächelte er. "Vielleicht ja doch..."
"Ha, ha!"
"Naja, ein ganz bisserl!"
Markus öffnete die Motorhaube, sah sich das Innenleben des altersschwachen Gefährts an und forderte Claudia dann auf, den Motor zu starten. Der Versuch endete ebenso kläglich wie zuvor.
Markus klappte die Motorhaube wieder zu.
Sein Gesichtsausdruck wirkte nicht gerade optimistisch.
Claudia lächelte kokett. "Na, was ist nun? Hat die Zauberkraft doch nix ausrichten können?"
"Mei, da hab ich wohl ein bisserl Schmarrn geredet. Der Anlasser ist hin. Da kann man im Moment nix machen..."
"Oh je!", seufzte Claudia. "Wahrscheinlich ist die Reparatur teurer als ein neuer Wagen!"
"Geh, Claudia! Ganz so schlimm wird schon net kommen, wenn man das Ersatzteil preisgünstig beschafft!"
Claudia zuckte die Achseln. "Ich versteh net viel davon!"
"Ich kann dir ja helfen! Du weißt ja, dass mein Bruder eine Reparaturwerkstatt hat." Der junge Bergführer deutete auf seinen Geländewagen. "Was meinst, soll ich dich jetzt net nach Hause bringen? Du wirst den ganzen Weg bis zu eurem Hof ja wohl net zu Fuß gehen wollen!"
Claudia lächelte. "Das Angebot nehme ich gerne an!", erklärte sie.
"Dann komm!"
Er nahm sie bei der Hand, und sie liefen zu dem Geländewagen hinüber.
Markus machte ihr die Tür auf.
Claudia raffte den langen Rock ihres Dirndel zusammen und setzte sich in den Wagen.
Für Claudias Geschmack ging die Fahrt viel zu schnell zu Ende. Der geländegängige Wagen des jungen Bergführers hatte mit den schmalen Straßen, die sich in Serpentinen hinauf zum Sennreicher Hof wanden, keinerlei Schwierigkeiten.
Der Mond stand als helles Oval am dunklen Nachthimmel. Die Straße war schlecht beleuchtet, aber Markus war in dieser Gegend aufgewachsen. Er kannte hier jeden Stein und jeden Strauch.
Schließlich tauchte der Sennreicher-Hof vor ihnen auf.
Das Haupthaus war beleuchtet. Die Nebengebäude und Heustadeln waren hingegen nur als dunkle Umrisse sichtbar.
Markus stoppte den Wagen.
"Nochmals vielen Dank", sagte Claudia.