Die Hand am Revolver: 5 Western Romane: Western Roman Sammelband - Alfred Bekker - E-Book

Die Hand am Revolver: 5 Western Romane: Western Roman Sammelband E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Titel: Pete Hackett: McQuade und der Desperado Pete Hackett: Marshal Logan und die blutige Rückkehr Pete Hackett: Marshal Logans Wettlauf gegen die Zeit Alfred Bekker: Gilmore der Einsame Charles Alden Seltzer: Wenn Harlan den Colt zieht Ein Mann gegen alle - der einsame Kampf des Revolvermanns Gilmore. Knochenhart und dramatisch gestaltet sich dieser Kampf für Gilmore, aber er weiß, wofür er ihn kämpft.

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Alfred Bekker, Pete Hackett, Charles Alden Seltzer

Die Hand am Revolver: 5 Western Romane: Western Roman Sammelband

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Inhaltsverzeichnis

Die Hand am Revolver: 5 Western Romane: Western Roman Sammelband

Copyright

McQuade und der Desperado

Marshal Logan und die blutige Heimkehr

Marshal Logans Wettlauf gegen die Zeit

GILMORE DER EINSAME

Wenn Harlan den Colt zieht

Die Hand am Revolver: 5 Western Romane: Western Roman Sammelband

Alfred Bekker, Pete Hackett, Charles Alden Seltzer

Dieser Band enthält folgende Titel:

Pete Hackett: McQuade und der Desperado

Pete Hackett: Marshal Logan und die blutige Rückkehr

Pete Hackett: Marshal Logans Wettlauf gegen die Zeit

Alfred Bekker: Gilmore der Einsame

Charles Alden Seltzer: Wenn Harlan den Colt zieht

Ein Mann gegen alle - der einsame Kampf des Revolvermanns Gilmore. Knochenhart und dramatisch gestaltet sich dieser Kampf für Gilmore, aber er weiß, wofür er ihn kämpft.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author / COVER A.PANADERO

© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

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McQuade und der Desperado

Western von Pete Hackett

Der Kopfgeldjäger

Pete Hackett Western - Deutschlands größte E-Book-Western-Reihe mit Pete Hackett's Stand-Alone-Western sowie den Pete Hackett Serien "Der Kopfgeldjäger", "Weg des Unheils", "Chiricahua" und "U.S. Marshal Bill Logan".

Über den Autor

Unter dem Pseudonym Pete Hackett verbirgt sich der Schriftsteller Peter Haberl. Er schreibt Romane über die Pionierzeit des amerikanischen Westens, denen eine archaische Kraft innewohnt - eisenhart und bleihaltig. Seit langem ist es nicht mehr gelungen, diese Epoche in ihrer epischen Breite so mitreißend und authentisch darzustellen.

Mit einer Gesamtauflage von über zwei Millionen Exemplaren ist Pete Hackett (alias Peter Haberl) einer der erfolgreichsten lebenden Western-Autoren. Für den Bastei-Verlag schrieb er unter dem Pseudonym William Scott die Serie "Texas-Marshal" und zahlreiche andere Romane.

Hackett ist auch Verfasser der neuen Serie "Der Kopfgeldjäger". Sie erscheint exklusiv als E-book bei CassiopeiaPress.

Ein CassiopeiaPress E-Book

© by Author

© der Digitalausgabe 2014 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

www.AlfredBekker.de

[email protected]

McQuade zügelte den Falben und beobachtete die Menschenrotte, die sich auf der Main Street von Continental vor dem Büro des Deputy Sheriffs eingefunden hatte. Auf dem Vorbau stand ein Mann, seine Hände umklammerten das Geländer, an seiner linken Brustseite funkelte matt der Sechszack. Er schrie etwas in die Menge, wildes Stimmendurcheinander erhob sich und erstickte alle anderen Geräusche, dann bahnten sich einige Männer einen Weg durch die Menge und rannten in verschiedene Richtungen davon. Der Deputy wirbelte herum und eilte in das Office.

Die Menschen – Männer, Frauen, Junge und Alte -, diskutierten und gestikulierten. McQuade fragte sich, was sie wohl auf die Straße getrieben hatte. Es war höllisch heiß, die Stadt lag unter einem flirrenden Hitzeschleier, die Sonne stand wie eine zerschmelzende Scheibe hoch im Zenit, und normalerweise hielten die Menschen zu dieser Tageszeit Siesta. Der Grund, der sie aus ihren kühlen Behausungen getrieben hatte, musste gravierend sein.

Der Kopfgeldjäger trieb den Falben mit einem Schenkeldruck an. Gray Wolf, der sich auf die Hinterläufe niedergelassen hatte, erhob sich, dehnte seinen muskulösen Körper, gähnte und trottete dann dem Pferd hinterher. Die Hufe rissen kleine Staubfahnen in die heiße Luft. Das Tier ging mit hängendem Kopf. Pferd und Reiter waren verstaubt und verschwitzt, im hohlwangigen Gesicht des Texaners wucherte ein tagealter Bart, seine Augen waren entzündet, zwischen seinen Zähnen knirschte der Staub.

Zwei ältere Männer kamen ihm entgegen. Er hielt den Falben an, stemmte beide Arme auf das Sattelhorn und sagte mit verstaubter Stimme: „Was ist los, Gentlemen? Die Stimmung hier scheint mir ziemlich aufgerüttelt zu sein.“

Die beiden Männer waren stehen geblieben, sie musterten den Kopfgeldjäger sekundenlang und schienen ihn einzuschätzen, dann ließ einer seine Stimme erklingen, indem er hervorstieß: „John Hudson hat den Vormann Big Jim Browers umgelegt. Jetzt ist er auf der Flucht, und Matt Gregor hat soeben die Männer der Bürgerwehr aufgefordert, ihre Pferde zu satteln, sich zu bewaffnen und mit ihm auf die Jagd zu gehen.“

McQuade fuhr sich mit der Zungenspitze über die trockenen, rissigen Lippen, dann fragte er: „Auf die Jagd nach diesem John Hudson, wie?“

Die beiden Männer nickten.

„Warum hat Hudson den Vormann erschossen?“, kam McQuades nächste Frage.

„Hudson betreibt eine kleine Ranch, sein Land grenzt an das Big Jims. Am 1. Juli sollte Hudson an die Bank einen Kredit zurückzahlen, was er allerdings nicht konnte. Big Jim kaufte von der Bank die Schuldverschreibung und setzte Hudson ein Ultimatum zum 15. Juli, bis zu dem er zusammen mit seiner Familie das Land verlassen sollte. Der 15. ist heute. Heute Früh ritt Hank Buster mit einigen Leuten zur Hudson Ranch, um sich davon zu überzeugen, dass John Hudson und sein Anhang verschwunden seien. Hudson weigerte sich, das Land zu verlassen, es kam zu einem Wortwechsel, und dann feuerte John Hudson sein Gewehr ab. Es gibt ein halbes Dutzend Zeugen des Mordes. Wenn sie Hudson schnappen, wird man ihn wohl hängen.“

„Dieser John Hudson hat Familie?“, fragte McQuade. Die Sache erregte sein Interesse.

„Ja, Frau und Kind. Peggy ist um die dreißig, der kleine Ronny ist sechs. Hudson hat die beiden mit ins Unglück gerissen. Es war ziemlich verantwortungslos von ihm …“

Der Sprecher brach ab.

„Danke“, murmelte McQuade und tippte mit dem Zeigefinger seiner Rechten an die Hutkrempe, dann trieb er den Falben an. Gray Wolf folgte.

Einige Männer führten ihre Pferde zwischen den Häusern hervor. Sie hatten sich Revolver umgeschnallt und in den Scabbards steckten Gewehre. Sie blickten grimmig und entschlossen drein.

Der Kopfgeldjäger ritt zum Mietstall, saß beim Hoftor ab, führte den Falben am Kopfgeschirr über den Wagen- und Abstellhof und wenig später über die Lichtgrenze unter dem Stalltor. Ein bärtiger Oldtimer war gerade dabei, einen langen Nagel in einen der Tragebalken zu schlagen. Er wandte sich dem Ankömmling zu, starrte sekundenlang misstrauisch auf den großen, grauen Wolfshund, dann krächzte er: „Ich hab von einem Hombre gehört, der ruhelos durchs Land zieht auf der Jagd nach irgendwelchen Banditen und den ein grauer Hund begleitet. Bist du der Bursche?“

„Mein Name ist McQuade. Ja, ich jage steckbrieflich gesuchte Verbrecher. Also bin ich sicherlich der Hombre, von dem du gehört hast, Oldman.“

Der Stallmann kratzte sich hinter dem Ohr. Sein Mund stand halb offen und McQuade konnte erkennen, dass sein Gebiss nur noch aus ein paar braunen, abgebrochenen Zahnstummeln bestand. Sein Gesicht war faltig und erinnerte an die Rinde einer alten Linde, die kleinen Augen wiesen einen listigen Ausdruck auf. „Dann bist du ja zur richtigen Zeit nach Continental gekommen, Hombre. Vor einer Viertelstunde brachte ein Bote Big Jims die Nachricht in die Stadt, dass John Hudson den Vormann der J.B.-Ranch umgenietet hat. Und nun hat Matt Gregor ein Aufgebot zusammengestellt, das Hudson einfangen soll. Hast du die Menschen auf der Straße gesehen, McQuade? Für sie alle ist John Hudson ein verdammter Mörder. Gregor und seine Leute werden ihn jagen, bis ihm die Zunge zum Hals heraus hängt. Und wenn sie ihn haben, werden sie ihn an Big Jim ausliefern. Was das heißt, brauche ich dir nicht zu sagen, McQuade.“

Zuletzt hatte die Stimme des Stallmannes geradezu bitter geklungen. Es war dem Kopfgeldjäger nicht verborgen geblieben.

„Hudson sollte die Ranch räumen“, murmelte McQuade versonnen. Seine Stimme hob sich ein wenig, als er weiter sprach. „Sicher, für die Menschen in dieser Stadt ist John Hudson wohl ein Mörder. Für dich etwa nicht, Oldman?“

Der Stallbursche lachte klirrend auf. „Sie haben Hudson hereingelegt. Er hat den Kredit, den ihm die Bank gewährte, auf den letzten Cent zurückgezahlt. Es handelte sich um achthundert Dollar. Am 1. Juli forderte Hawkins zweitausend Dollar von Hudson. Als ihn Hudson fragte, ob er übergeschnappt sei, präsentierte ihm der Bankier einen Kreditvertrag über zweitausendachthundert Dollar. Er hat – so John Hudson -, nachträglich eine zwei vor die achthundert gesetzt. Und weil Big Jim Brower schon lange auf das Land Hudsons scharf ist, weil es da ausreichend Wasser gibt, hat er, als Hudson die zweitausend Bucks nicht aufbringen konnte, die Schuldverschreibung unverzüglich aufgekauft.“

„Aus welchem Grund sollte der Bankier John Hudson auf derart üble Art und Weise über den Tisch ziehen?“, fragte McQuade.

„Die Stadt lebt im Schatten Big Jims“, antwortete der Stallbursche. „Jeder in Continental tanzt nach seiner Pfeife, auch der Bankier. Wenn Big Jim sein Kapital aus der Bank nimmt, kann Nelson Hawkins zusperren. Die beiden stecken unter einer Decke. Big Jim hat Hudson mit Hilfe der Bank fertig gemacht. Kein Wunder, dass Hudson durchdrehte, als heute Morgen Hank Buster mit einigen Reitern bei ihm aufkreuzte, um ihn von der Ranch zu jagen.“

„Wenn die Geschichte so stimmt, wie du sie mir eben erzählt hast, Oldman, dann ist es eine höllisch üble Sache. Woher weißt du so gut Bescheid? Big Jim oder der Bankier haben dich doch sicher nicht ins Vertrauen gezogen.“

„Es ist die Geschichte, wie sie mir John Hudson erzählt hat. Ich kenne John, und ich weiß, dass er ein grundehrlicher Bursche ist. Darum glaube ich ihm jedes Wort. Big Jim geht über Leichen, wenn es gilt, seinen Willen durchzusetzen. Und Nelson Hawkins ist ein dreckige Ratte, die die Luft nicht wert ist, die sie atmet.“

McQuade griff in die Tasche seines zerschlissenen braunen Staubmantels und zog ein zusammengelegtes Blatt Papier hervor, faltete es auseinander und hielt es dem Stallmann hin. Es handelte sich um einen vergilbten Steckbrief. „Ist dieser Bursche nach Continental gekommen?“, erkundigte er sich.

Der Oldtimer starrte einige Zeit auf das Konterfei des Mannes, hinter dem McQuade her war, dann schüttelte er den Kopf. „Nein. Er wäre mir gewiss aufgefallen, wenn er in der Stadt aufgetaucht wäre.“

*

Eine Stunde später durchritt McQuade den Santa Cruz River etwa drei Meilen nördlich von Continental. Vor ihm dehnte sich das Green Valley mit saftigem Gras und grünen Sträuchern, in der Ferne, eingehüllt vom grauen Dunst, buckelten die Felsen und Hügel der Sierrita Mountains. In der Natur herrschte Stille. Nicht ein Windhauch war zu spüren, kein Vogel zwitscherte, die Hitze war regelrecht lähmend.

Der Kopfgeldjäger ritt über eine Bodenwelle und sah durch die wabernde Luft die Gebäude der Hudson Ranch. Es handelte sich um ein kleines Haupthaus mit flachem Dach und einem niedrigen Anbau, das neben der Tür lediglich ein Fenster in der Vorderfront aufwies, darüber hinaus gab es einen Stall, eine Scheune, zwei Schuppen und einen Corral, in dem sechs Pferde weideten.

McQuade ritt zwischen die Gebäude und parierte vor dem Wohnhaus den Falben. Der Staub im Hof war von vielen Hufen aufgewühlt.

„Was wollen Sie?“

Es war eine Frauenstimme. Sie trieb aus dem unverglasten Fenster, dessen Laden geöffnet war.

McQuade, der im Begriff war, vom Pferd zu steigen, hielt inne und antwortete: „Mein Name ist McQuade. Ich würde gerne mit Ihnen sprechen, Mrs Hudson. Ich kam zufällig nach Continental, als der Deputy ein Aufgebot mobilisierte, um Ihren Mann zu jagen …“

„Matt Gregor und seine Bluthunde waren vor zehn Minuten hier!“, rief die Frau. „Was geht es Sie an, McQuade? Falls Sie für Big Jim arbeiten …“

„Der Stallmann in der Stadt hat mir eine Geschichte von Lug und Trug erzählt, Ma’am“, unterbrach der Texaner die Frau. „Wenn sie stimmt, dann braucht Ihr Mann Hilfe.“

„Und Sie können ihm diese Hilfe bieten?“, kam es geradezu sarkastisch. „Sie sehen nicht aus wie ein Samariter, McQuade. Auf den ersten Blick muss man Sie für einen Satteltramp halten.“

„Bitte, Ma’am, erzählen Sie mir Ihre Geschichte.“

„Aus welchem Grund wollen Sie sich hier einmischen?“

„Ich hasse Ungerechtigkeit.“

„Ich denke, Old Duffy hat Ihnen unsere Geschichte erzählt.“

„Ich möchte sie gerne aus dem Mund eines unmittelbar Beteiligten hören“, versetzte McQuade. „Und keine Sorge, Ma’am. Ich arbeite nicht für Big Jim. Ich kenne ihn gar nicht. Die Jagd nach einem skrupellosen Banditen hat mich in diese Gegend verschlagen.“

Die Frau zögerte. Schließlich fragte sie: „Sind Sie ein Sheriff oder Marshal?“

„Nein. Um Verbrecher zu jagen brauche ich keinen Stern.“

„Sie jagen die Banditen also des Geldes wegen“, konstatierte Peggy Hudson.

„Ich jage sie, weil sie rauben, vergewaltigen und töten“, erklärte McQuade mit klarer, präziser Stimme. „Meine Eltern und meine kleine Schwester wurden Opfer solcher Kerle. Oftmals versagt das Gesetz. Jemand muss diesen Schuften aber das Handwerk legen.“

Wieder zögerte die Frau eine ganze Weile, schließlich aber rief sie: „Na schön, McQuade. Wie es scheint, vertraut Ihnen Old Duffy. Er kennt die Menschen. Kommen Sie herein. Für den Fall, dass Sie dennoch ein falsches Spiel spielen, will ich Sie darauf hinweisen, dass ich keine Ahnung habe, wohin mein Mann geflohen ist. Sie würden also nur Ihre Zeit vergeuden.“

McQuade schwang sich vom Pferd, führte das Tier zum Hitchrack und schlang den langen Zügel um den Querholm. „Go on, Partner.“ Während er diese drei Wort aussprach, zog er die Henry Rifle aus dem Sattelschuh, dann stakste er – gefolgt von Gray Wolf -, auf sattelsteifen Beinen ins Haus. In dem Raum, den er betrat, war es düster. Es handelte sich um die Küche. Die Frau stand neben dem kleinen Fenster, durch das gleißendes Sonnenlicht fiel und ein gelbes Viereck auf den Boden malte. In der Lichtbahn tanzten winzige Staubpartikel. Ein kleiner Junge befand sich bei der Frau und umklammerte mit beiden Armen ihre Beine. Mit den ängstlichen Augen eines waidwunden Rehs starrte er den großen, hageren Mann im braunen, knöchellangen Staubmantel an.

McQuade lüftete etwas den schwarzen, flachkronigen Stetson. „Keine Sorge, Ma’am. Ich spiele nicht falsch.“

„Selbst wenn“, kam es verbitterte von Peggy Hudson, und der herbe Zug um ihren Mund war nicht zu übersehen. „Es würde keine Rolle mehr spielen. Für meinen Mann, meinen Sohn und mich gibt es keine Zukunft. Das einzige, was Sie uns noch nehmen können, ist das Leben. Aber was hätten Sie davon?“

McQuade verspürte Mitleid mit der verhärmten Frau, die zehn Jahre älter wirkte als sie tatsächlich war, und dem kleinen Jungen. Und er schwor sich, nicht eher zu ruhen, bis er die Wahrheit in dieser Angelegenheit herausgefunden hatte.

*

McQuade ritt auf der Spur des Aufgebots aus Continental. Sie führte nach Südwesten. Nach kurzer Zeit schon wurde das Land karg, und je weiter sich der Kopfgeldjäger vom Santa Cruz River entfernte, desto unwirtlicher wurde die Umgebung. Der Graswuchs war spärlich, meistens war es nur noch ungenießbares Büschelgras, das gedieh, die dichtbelaubten Sträucher wurden von stacheligen Comas und Ocotillos abgelöst, und bald war nur noch Kreosot zu sehen – so weit das Auge reichte.

Die Pferde hatten mit ihren Beinen den Staub von den niedrigen Sträuchern gewischt und so war es einfach, der Fährte des Pulks zu folgen. Die Sonne wanderte unaufhaltsam nach Westen. Auch der Kresosotbewuchs endete und das Terrain bestand nur noch aus Felsen, Geröll und Staub.

McQuade nahm in der Ferne eine Staubwolke wahr. Sie verschwand aus seinem Blickfeld, weil er zwischen die Felsen ritt, und als er das Ende einer Schlucht erreichte, sah er den Reiterpulk über die Ebene auf sich zu ziehen.

Es war das Aufgebot aus Continental. Als die Reiter aufeinander trafen, zerrten sie die Pferde in den Stand, stechende Augen musterten aufmerksam den Texaner, einer rief staubheiser: „Den Hombre und seinen Hund habe ich in der Stadt gesehen.“

Deputy Sheriff Matt Gregor legte beide Hände übereinander auf das Sattelhorn, beugte sich etwas im Sattel nach vorn, die dünne Schicht aus Staub und Schweiß in seinem Gesicht zersprang, als er die Lippen bewegte und sagte: „Ist es Zufall, dass Sie auf unserer Fährte reiten, Mister, oder haben Sie einen Grund.“

„Mein Name ist McQuade …“

„Richtig!“, rief einer. „McQuade der Kopfgeldjäger!“

In den Augen des Deputy Sheriffs blitzte es auf. „Für Hudson gibt es noch keine Fangprämie, McQuade“, stieß er hervor und er ließ es sich anmerken, dass er von dem Job, den der Texaner ausübte, nicht viel hielt. Seine Augen blickten kühl und abweisend. „Oder hat Big Jim Brower ein Kopfgeld ausgesetzt?“

Erwartungsvoll und fragend starrte er McQuade an.

„Ein Vogel hat mir eine Geschichte gezwitschert, die vollkommen anders lautet als die Geschichte, die Nelson Hawkins und Big Jim Brower in die Welt gesetzt haben“, knurrte der Kopfgeldjäger. „Wie es scheint, wurde John Hudson Opfer einer niederträchtigen Intrige. So etwas geht mir gegen den Strich, Deputy. Und da ich, wie es scheint, die Spur des Mannes verloren habe, auf dessen Fährte ich ritt, will ich der Sache mit John Hudson auf den Grund gehen.“

„Es geht Sie nichts an!“, blaffte Matt Gregor. „Also halten Sie sich gefälligst raus.“

„Es geht mich immer etwas an, wenn ein Mann unschuldig gejagt wird“, versetzte McQuade lakonisch.

„Er hat Hank Buster erschossen.“

„War es Mord oder Notwehr?“

„Die Reiter, die Buster begleiteten, sagten übereinstimmend aus, dass er Buster ohne jede Vorwarnung vom Pferd geschossen hat.“

„Natürlich sagen sie das“, kam es sarkastisch von dem Kopfgeldjäger. „Aber stimmt es auch?“

Der Deputy winkte ab. „Wir haben Hudson in den Bergen gestellt. Sein Pferd lahmte. Er ist uns zu Fuß entkommen, indem er eine Rinne empor kletterte, die steil nach oben führt. Für unsere Pferde war es unmöglich, ihm da hinauf zu folgen. Von oben aus hätte er sich gegen eine ganze Armee verteidigen können. Darum haben wir uns entschlossen, umzukehren. Aber ich glaube, wir haben ihn verwundet. Auf dem Boden waren einige Blutstropfen. Ohne Pferd und verwundet dürfte er nicht weit kommen.“

„Er hat auch kein Wasser“, mischte sich ein anderer der Reiter ein. „Also wird er versuchen, ins Green Valley zurückzukehren, um sich ein Pferd zu beschaffen.“

„Ihr habt das Tier, das er geritten hat, nicht bei euch“, konstatierte McQuade.

„Es war am Ende, darum habe ich es erschossen“, antwortete der Deputy.

„Ich habe mit Peggy Hudson gesprochen“, wechselte McQuade das Thema.

Zwischen den Brauen des Gesetzeshüters bildeten sich zwei senkrechte Falten. „Sie und ihr Sohn sind verdammt arm dran“, murmelte er dann. „Big Jim wird die beiden von der Ranch jagen. John Hudson kann nicht mehr für sie sorgen. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis an jedem Sheriff’s Office im Territorium sein Steckbrief hängt. Und am Ende seines Weges steht entweder der Strick oder ein Stück heißes Blei.“

„Ja, so ist es“, presste McQuade bitter hervor. „Viele Hunde sind des Hasen Tod.“

Er ritt weiter. Als er sich einmal umschaute, war vom Aufgebot nichts mehr zu sehen. Nur noch der aufgewirbelte Staub markierte den Weg der Reiter.

McQuade schaute nach dem Stand der Sonne. Sie befand sich schon ziemlich weit im Westen. In zwei Stunden würde die Dunkelheit kommen. Der Kopfgeldjäger ließ seinen Blick schweifen. Und er sah die kleinen schwarzen Tupfer vor dem ungetrübten Blau des Firmaments, die weite Kreise zogen. Es waren Aasgeier, die das tote Pferd entdeckt hatten. Sie würden ihm, McQuade, den Weg weisen.

Das tote Tier lag in einer Schlucht. Der Sattel war dem Pferd abgenommen worden. Der Kopfgeldjäger konnte sich nicht daran erinnern, dass einer der Reiter aus Continental den Sattel mit sich geführt hätte. Also musste John Hudson zurückgekehrt sein, um ihn sich zu holen.

Einige Geier hatten sich bereits bei dem Kadaver niedergelassen und ihr schauerliches Mahl begonnen. Krächzend und mit den Fittichen schlagend stritten sie sich um den einen oder anderen blutigen Happen. Von dem Reiter und dem Hund ließen sie sich nicht stören.

McQuade entdeckte einen Riss in der Felswand, saß ab und ging hin. Zwischen den eng zusammenstehenden Felsen führte ein mit Geröll übersäter Pfad steil nach oben. Auf diesem Weg musste John Hudson seinen Häschern entkommen sein. Und plötzlich sah der Kopfgeldjäger auch die dunkle Verfärbung auf einem Stein, die sich bei näherem Hinsehen als Blutfleck entpuppte.

McQuade versuchte sich in die Lage John Hudsons zu versetzen. Er hatte kein Reittier, war ohne Wasser, und bis zum Santa Cruz River, an dem die Hudson Ranch lag, waren es gut und gerne zehn Meilen. Er – McQuade – würde an Stelle Hudsons versuchen, sich zu seiner Ranch durchzuschlagen, um sich ein Pferd zu beschaffen und mit Wasser für die weitere Flucht zu versorgen.

Der Texaner stieg wieder auf sein Pferd, zerrte es herum und ritt den Weg zurück, den er gekommen war. Er kam keine zwei Meilen weit, als ein metallisches Knacken sein Gehör erreichte, und als er begriff, erklang auch schon eine klirrende Stimme: „Dich schickt der Himmel, Hombre. Heb die Flossen in die Höhe und komm nicht auf dumme Gedanken. Es würde mir nichts ausmachen, dir ein Stück Blei in die Figur zu knallen.“

Der Sprecher war, während er sprach, etwa zehn Fuß über McQuade hinter einem Felsen hervorgetreten, das Gewehr hielt er an der Hüfte im Anschlag, sein Blick war zwingend und von ihm ging eine tödliche Bedrohung aus.

McQuade hatte den Falben pariert. Gray Wolfs Nackenfell war gesträubt, die Lefzen hatten sich ein wenig über den gefährlichen Fang gehoben, aus der Kehle des Wolfshundes stieg ein drohendes Knurren.

„Du bist John Hudson, nicht wahr?“, fragte McQuade und seine Stimme hatte einen ruhigen Klang. In Wirklichkeit fühlte er sich ganz und gar nicht wohl in seiner Haut, denn das kleine Mündungsloch starrte ihn an und der Mann, der das Gewehr hielt, war ein Verfemter und gewiss ausgesprochen unberechenbar.

„Ich kenne dich nicht“, stieß Hudson hervor.

„Ich kam zufällig nach Continental, als das Aufgebot aufbrach. Der Stallmann hat mir deine Geschichte erzählt. Es stinkt zum Himmel. Ich bin zu deiner Ranch geritten und habe mit deiner Frau gesprochen. Sie hat das, was ich von dem Stallmann erfuhr, bestätigt. Ich denke, man spielt dir übel mit, Hudson.“

Misstrauen glitzerte in den Augen des Verfemten. „Was interessiert es dich, Hombre?“

„Ich hasse Ungerechtigkeit. Außerdem hatte ich gerade nichts anderes zu tun …“

„Ich weiß nicht, wer du bist“, rief John Hudson. „Und es interessiert mich auch nicht. Zieh vorsichtig den Revolver aus dem Holster und wirf ihn fort, dann das Gewehr, und dann steig vom Gaul.“

„Du willst mir das Pferd wegnehmen?“

„Richtig. Ich könnte dich auch aus dem Sattel schießen. Aber ich habe keinen Grund, dich zu töten. Das Stück Blei hebe ich mir für einen anderen auf.“

„Was hast du vor, Hudson?“, fragte McQuade grollend.

„Ich werde die Hurensöhne zur Rechenschaft ziehen, die drauf und dran sind, meine Existenz und die Existenz meiner Familie zu zerstören.“

„Du sprichst von Hawkins, dem Bankier, und von Big Jim, wie?“

„Ich werde dir nicht Rede und Antwort stehen, Hombre“, knurrte Hudson ungeduldig. „Also wirf deine Waffen weg, steig ab und verschwinde. Vergiss nicht, deinen Hund mitzunehmen. Ich warne dich! Meine Situation lässt es nicht zu, dass ich zuvorkommend und freundlich mit dir umgehe. Ich zähle jetzt bis drei. Eins …“

„Du solltest das Gesetz nicht in die Hände nehmen, Hudson“, warnte McQuade. „Wende dich an den County Sheriff und …“

„Zwei! – Was habe ich schon zu verlieren? Es gibt fünf Aussagen, die belegen, dass ich Hank Buster ohne jede Vorwarnung vom Pferd geknallt habe.“

„Du bist verwundet, Hudson.“

„Ein harmloser Streifschuss am Oberarm. Ich habe ihn verbunden. Er wird mich nicht umbringen.“

McQuade erkannte, dass er es mit der Entschlossenheit eines Mannes zu tun hatte, die durch nichts zu erschüttern war. Und er kam zu dem Schluss, dass es besser war, nichts herauszufordern. Mit zwei Fingern zog er den Revolver und schleuderte ihn fort, die Henrygun folgte, dann ließ sich der Kopfgeldjäger vom Pferd gleiten.

„Gehen wir, Partner!“

Er wandte John Hudson den Rücken zu und schritt langsam davon. Gray Wolf folgte ihm nur widerwillig. Immer wieder schaute sich das Tier um und knurrte bedrohlich.

*

Hufgetrappel verriet McQuade, dass John Hudson auf seinem Pferd fortgeritten war. Der Texaner murmelte eine bittere Verwünschung und kehrte zu dem Platz zurück, an dem ihm der Desperado aufgelauert hatte. Sein Revolver und sein Gewehr lagen noch dort, wo sie gelandet waren. Er rammte den Colt ins Holster und legte sich das Gewehr auf die Schulter. Mit der Linken hielt er es am Schaft fest.

Dann marschierte der Kopfgeldjäger los. Er überlegte, wohin er sich wenden sollte. Nach Continental war es ein ganzes Stück weiter als bis zur Hudson Ranch. Also fasste er den Entschluss, sich zu der Ranch durchzuschlagen.

Die hochhackigen Reitstiefel behinderten ihn beim Gehen. Schon nach zwei Meilen begannen seine Füße zu brennen. Gray Wolf trabte neben seinem Herrn her. Er ging mit gesenktem Kopf und hielt die Nase dicht über dem Boden. Schweiß rann über McQuades Gesicht und hinterließ helle Spuren in der dünnen Schicht aus Staub, die auf seiner Haut lag. Seine Augen entzündeten sich, zwischen seinen Zähnen knirschte der Staub. Schwärme von kleinen Stechmücken umkreisten ihn. Der Schatten den seine Gestalt voraus warf, wurde länger und länger. Bald war jeder Schritt eine Anstrengung, eine Überwindung, die den ganzen Willen des harten Mannes erforderte. Er biss die Zähne zusammen und setzte mechanisch einen Fuß vor den anderen.

Die Sonne versank hinter den zerklüfteten Bergen im Westen. Rötlicher Schein legte sich auf das Land. Die Dämmerung näherte sich dem Kopfgeldjäger von vorne. Die Sonne brannte zwar nicht mehr auf ihn hernieder, aber es war nach wie vor heiß wie in der Hölle.

McQuade rastete nicht. Er wusste, dass eine Pause das Schlimmste wäre, das er sich antun konnte. Sich danach zum Weitermarschieren aufzuraffen und die Qualen, die der anschließende Marsch mit sich bringen würde, wären eine einzige Tortur.

Der Atem des Texaners ging rasselnd. Durst stellte sich ein. Sein Speichel war mit Staub vermischt und er musste von Zeit zu Zeit ausspucken. Seine Lippen wurden trocken und rissig. Das Schlucken bereitete ihm Mühe.

Dann kam die Dunkelheit. Der rötliche Schein des Sonnenuntergangs war verblasst. Eine Fledermaus zog mit schnellem Flügelschlag durch die beginnende Nacht. Erste Sterne blinkten am Himmel. Das Brennen seiner Füße war für McQuade fast nicht mehr erträglich und er begann John Hudson zu verfluchen. Eine Art von Hass stieg in ihm auf. Und er schwor, es dem Burschen heimzuzahlen.

Der Kopfgeldjäger war völlig am Ende, als er nach Mitternacht die Hudson Ranch erreichte. Die Ranch lag in vollkommener Finsternis. McQuade taumelte zum Fluss, warf sich auf den Bauch und trank durstig. Auch Gray Wolf löschte seinen Durst. Dann wusch sich der Texaner Staub und Schweiß aus dem Gesicht, schließlich riss er sich die Stiefel von den Füßen und hielt die wund gelaufenen Füße ins kühle Wasser. Es war eine Wohltat.

Und während er seine Füße kühlte, drehte er sich eine Zigarette und rauchte. Irgendwo in der Ferne erschallte der Jagdruf eines Nachtfalken. Ein gespenstischer Laut wie aus einer anderen Welt … Das Zirpen der Zikaden erfüllte die Nacht. Gray Wolf hatte sich neben dem Kopfgeldjäger ausgestreckt und atmete hechelnd. Der lange Marsch durch Hitze und Staub war auch an dem Wolfshund nicht spurlos vorübergegangen.

Der Zorn auf John Hudson begann sich in McQuade zu legen. Der Kopfgeldjäger sagte sich, dass die Verzweiflung den Rancher so hatte handeln lassen. Bis vor ein paar Tagen war seine Welt noch völlig in Ordnung gewesen, und nun wurde er als Mörder gejagt. Dass dieser Mann um sich biss wie ein in die Enge getriebenes Raubtier war ihm nicht zu verdenken.

McQuade schnippte den Zigarettenstummel ins Wasser und erhob sich. Auf nassen Socken, von denen nur noch Fetzen übrig waren, stakste er zur Ranch. Seine Stiefel trug er in der linken Hand. Schließlich pochte er mit der Faust gegen die Haustür. Dumpf hallten die Schläge nach innen. Es dauerte nicht lange, dann wurde der Fensterladen aufgestoßen, und in das Quietschen der Angeln hinein fragte eine Frauenstimme: „Wer ist da?“

„McQuade. Öffnen Sie, Ma’am.“

Ein Laut der Überraschung war zu hören, dann sagte die Frau: „John war hier. Er erzählte mir von dem Mann mit dem Wolfshund, dem er das Pferd weggenommen hat. Ich versuchte ihm klarzumachen, dass Sie ihm gefolgt sind, um ihm zu helfen. Doch John meinte, dass er keine Hilfe benötige. Er erklärte, dass er wisse, was zu tun sei. Dann ist er weggeritten. Ich habe Angst, McQuade. Irgendwann werden sie mir meinen Mann tot vor die Tür legen. Er ist so voll Hass, und Worten oder Ratschlägen ist er überhaupt nicht zugänglich.“

Drin knirschte ein Riegel, dann wurde die Tür aufgezogen. McQuade konnte die Frau in der Finsternis, die in der Küche herrschte, nur schemenhaft wahrnehmen. Nachdem er aber eingetreten war, zündete sie die Laterne an und Lichtschein kroch auseinander. Er ließ die Linien in den Gesichtern der Frau und des Kopfgeldjägers dunkel wirken und spiegelte sich in ihren Augen wider. Gray Wolf legte sich unter dem Tisch auf den Fußboden.

„Er will Big Jim Brower und Nelson Hawkins zur Rechenschaft ziehen“, gab McQuade zu verstehen, nachdem er sich am Tisch auf einen Stuhl niedergelassen hatte.

Peggy Hudson starrte ihn entsetzt an. Ihre Lippen bebten, ihre Nasenflügel vibrierten leicht. „Großer Gott“, entrang es sich ihr schließlich.

„Von Ihnen weiß ich, Ma’am, dass Ihr Mann auf den Vormann Big Jims schoss, nachdem der auf ihn feuerte. Er hat Hank Buster also in Notwehr getötet. Wenn er aber Jim Brower oder den Bankier erschießt, dann ist das vorsätzlicher Mord. Und für Ihren Mann gibt es keine Rettung mehr.“

Peggy Hudson hatte sich ebenfalls niedergelassen. Jetzt schlug sie beide Hände vor das Gesicht und begann bitterlich zu weinen. Ihre Schultern zuckten wie im Krampf, und wieder verspürte McQuade Mitgefühl. Ihm war klar, dass Peggy Hudson durch die Hölle ging.

Plötzlich nahm sie die Hände vom Gesicht, richtete den nach vorne gekrümmten Oberkörper auf, ließ die Hände sinken, schniefte und sagte mit gepresster Stimme: „John wird sie beide töten, denn sie haben unsere Existenz zerstört. Ich glaube, es ist ihm egal, was aus ihm wird. Er will nur noch die beiden Männer bestrafen, die das Unglück verschuldet haben, das über unsere Familie hereingebrochen ist.“

„Ich will morgen zu Jim Brower reiten und ihn warnen“, murmelte McQuade. „Auch den Bankier werde ich auf die Gefahr hinweisen, die von Ihrem Mann ausgeht, Ma’am. Ich hoffe nur, dass ich die beiden noch rechtzeitig warnen kann.“

„Es wird zu spät sein“, murmelte Peggy Hudson mit lahmer Stimme, in der keine Hoffnung lag, und ihr leerer Blick war auf einen unbestimmten Punkt an der Wand gerichtet.

*

McQuade nahm sich eines der Pferde aus dem Corral, legte dem Tier einen brüchigen Sattel auf, den er im Stall fand, zäumte es und ritt dann nach Continental. Der Morgendunst war Vorbote eines heißen Tages. Vögel zwitscherten. Als der Kopfgeldjäger die Stadt erreichte, nistete zwischen den Häusern noch die Morgendämmerung.

Die Main Street war voller Menschen. Stimmendurcheinander erhob sich. McQuade ahnte Schlimmes. Er sprach ein paar Männer an, die zusammenstanden. „John Hudson war in der Stadt, nicht wahr?“

„So ist es“, antwortete einer der Bürger nickend. „Und er hat Nelson Hawkins einen höllischen Besuch abgestattet. Jetzt ist der Bankier tot. John Hudson hat sich in eine blutrünstige Bestie verwandelt. Mir scheint, er ist nicht mehr Herr seiner Sinne.“

McQuade ritt weiter zum Sheriff’s Office. Als er beim Holm absaß, rief ein Mann: „Hol mich dieser oder jener! Der Hombre reitet ein Pferd mit dem Hudson Brand. Hast du gestern nicht auf einem Falben gesessen, Mister?“

Deputy Sheriff Matt Gregor war auf den Vorbau getreten und hatte die letzten Worte des Mannes mitgekriegt. Seine Brauen schoben sich zusammen, fragend starrte er McQuade an. Der Kopfgeldjäger berichtete mit knappen Worten. Der Deputy unterbrach ihn nicht, und auch die Umstehenden schwiegen.

„Es ist davon auszugehen, dass Hudson nun um die Brower Ranch herumschleicht wie der Fuchs um den Hühnerstall, um auch Big Jim eine Kugel zu servieren“, stieß der Deputy hervor, als der Texaner geendet hatte. „Ich habe zwar heute in aller Frühe sofort einen Boten zu ihm geschickt, aber gegen ein Stück Blei aus dem Hinterhalt ist der Ranchboss auch nicht gefeit.“

McQuade war zu spät gekommen. Er verspürte einen galligen Geschmack in der Mundhöhle. John Hudson war zum Mörder geworden. Nun gab es nichts mehr, was ihn retten konnte.

„Wir werden noch einmal die Gegend nach Hudson durchkämmen“, hörte er den Deputy sagen. „Reiten Sie mit uns, McQuade?

Der Kopfgeldjäger schüttelte den Kopf. „Nein.“ Mit einem Schenkeldruck trieb er das Pferd an und ritt zum Mietstall. Old Duffy, der Stallbursche, fixierte McQuade fragend. Es war, als wollte er mit seinem Blick in dessen Kopf eindringen und seine geheimsten Gedanken ergründen.

„Ich konnte nichts tun“, murmelte McQuade. „Hudson hat mir das Pferd weggenommen und ich musste zehn Meilen marschieren.“ Während er sprach, kraulte er Gray Wolf zwischen den Ohren. Der Wolfshund drängte sich gegen seinen Herrn und fiepte leise. „Und nun hat er ein Verbrechen begangen, für das es keine Entschuldigung gibt. Wenn er geschnappt wird, ist ihm der Galgen sicher.“

Old Duffy zog scharf die Luft durch die Nase ein, dann stieß er hervor: „John scheint vollkommen durchgedreht zu sein. Denkt er denn nicht an seine Familie? Ist ihm nicht klar, dass er sie ins Unglück stürzt? Man wird sie von der Ranch jagen, Peggy und der Junge werden arm sein wie Kirchenmäuse, sie werden nicht mal ein Dach über dem Kopf haben.“

„Es sei denn, die Sache mit dem Schuldschein kann geklärt werden“, gab McQuade zu bedenken. „Wenn sich herausstellt, dass der Darlehensvertrag gefälscht wurde, dann ist Peggy Hudson aus dem Schneider.“

„Mag sein“, grollte der Stallmann. „Big Jim kann ihr dann nichts anhaben. Aber wie soll sie ohne John die Ranch bewirtschaften? Es ist ein kleiner Betrieb, der gerade mal das Überleben der Familie sicherte. Einen Cowboy kann sich Peggy nicht leisten.“

„Sie kann den Besitz verkaufen“, versetzte McQuade. „Dann hat sie Kapital, um irgendwo mit ihrem kleinen Sohn ein neues Leben zu beginnen.“

„Das wird kein allzu großer Trost für sie sein“, murmelte Duffy bedrückt. „Im Hintergrund wird immer die Tatsache stehen, dass John Hudson sein Leben weggeworfen hat. Sie wird es eines Tages dem kleinen Ronny klar machen müssen. Von diesem Dämon ihrer unseligen Vergangenheit wird sie sich niemals befreien können - niemals. Und auch der Junge wird wohl sein Leben lang darunter leiden.“

„Nach dem Mord an dem Bankier werden sowohl der Deputy als auch Big Jim ein Kesseltreiben auf John Hudson veranstalten“, knurrte McQuade.

„Ja, und am Ende wird er tot sein“, stieß Duffy hervor. „Ich mache mir Sorgen wegen Peggy und des Jungen. Die Volksseele kocht nach dem Mord an Hawkins. Ich schließe nicht aus, dass sich einige Zeitgenossen zusammenrotten, um zur Hudson Ranch zu ziehen und dort für Furore zu sorgen. Einige haben heute Morgen schon gebrüllt, dass man dieses Rattennest ausräuchern müsste. Und die Aggressionen schaukeln sich immer mehr hoch. In Continental gärt und brodelt es wie in einem Vulkan. Es ist sicher nur eine Frage der Zeit, bis der Hass und die Vergeltungssucht zum Ausbruch kommen.“

McQuade überließ dem Stallmann das Pferd und ging zum Hotel. Seine Füße brannten immer noch wie Feuer, und jeder Schritt war eine Qual. Er sah, wie ein Rudel Reiter die Stadt verließ. Der Kopfgeldjäger mietete ein Zimmer und zog als erstes die Stiefel aus. Als er erneut Hufschläge hörte, ging er zum Fenster. Es waren ein halbes Dutzend Reiter, die vor dem Sheriff’s Office anhielten. Da sie gekleidet waren wie Cowboys, vermutete der Kopfgeldjäger, dass es sich um Reiter Big Jim Browers handelte.

Zwei von ihnen begaben sich ins Office. Die anderen saßen zwar auch ab, blieben aber auf der Straße, drehten sich Zigaretten und rauchten.

Hatte John Hudson der Brower Ranch einen Besuch abgestattet?

Diese Frage beschäftigte den Texaner und ließ keinen anderen Gedanken zu. Ahnungen bemächtigten sich seiner - Ahnungen, an deren Ende etwas Dunkles, etwas Unheilvolles stand. Er quälte sich wieder in seine Stiefel und verließ – begleitet von Gray Wolf – das Hotel. Wenig später näherte er sich den vier Cowboys, die auf ihn aufmerksam geworden waren und ihn unverhohlen taxierten.

„Mein Name ist McQuade“, stellte er sich vor. „Ich hatte gestern Abend eine nicht gerade freundliche Begegnung mit John Hudson. Er hat mir das Pferd gestohlen. Und er hat angekündigt, dass er den Leuten, die ihm übel mitgespielt haben, eine blutige Rechnung präsentieren möchte. Die Rede ist von Jim Brower und Nelson Hawkins, dem Bankier.“

„Ich hörte von einem Mann namens McQuade, der zusammen mit einem großen grauen Hund den Banditen im Territorium das Fürchten lernt“, rief einer der Cowboys. „Bist du dieser Hombre?“

McQuade nickte. „Hudson hat Hawkins erschossen. Ich nehme an, dass er nach dem Mord zur Brower Ranch geritten ist.“

„Deine Annahme ist richtig, McQuade. Er legte sich auf die Lauer, und als der Boss heute Morgen aus der Haustür trat, servierte er ihm eine Kugel.“

McQuade kniff die Lippen zusammen. Seine düstere Ahnung war zur Gewissheit geworden.

Der Weidereiter sprach weiter: „Aber der Boss hatte verdammtes Glück. Er bekam die Kugel nur in die Schulter, und Hudsons zweiter Schuss verfehlte ihn.“

„Was wurde aus Hudson?“, wollte McQuade wissen.

„Der hat das Weite gesucht. Ein Dutzend unserer Leute aber haben sich auf seine Fährte gesetzt. Sie werden ihn jagen, bis sie ihn vor ihren Mündungen haben. Und dann …“

Der Mann brach ab. McQuade konnte sich den Rest denken.

Vor dem Office hatten sich in der Zwischenzeit viele Bürger eingefunden, und weitere näherten sich von allen Seiten. Die Geschehnisse hatten die Stadt aufgeschreckt und jeder wartete wohl nur auf die nächste Hiobsbotschaft. Gemurmel und Geraune erhob sich.

Deputy Sheriff Matt Gregor und die beiden Brower-Reiter verließen das Office und stellten sich an das Vorbaugeländer. Gregor ließ seine Stimme erklingen, indem er rief: „Hudson hat versucht, Big Jim zu töten. Eine Crew der Brower Ranch jagt ihn bereits. Eine weitere Mannschaft aus Continental ist losgeritten, um Hudson das blutige Handwerk zu legen. Ich habe mich entschlossen, ebenfalls noch einmal mit einem Aufgebot hinauszureiten und zu versuchen, den verdammten Mörder zu stellen. Bewaffnet euch, Männer, und kommt mit euren Pferden in einer halben Stunde zum Office. Nehmt Wasser und genügend Proviant mit, denn es kann eine längere Jagd werden.“

Einige Männer lösten sich aus der Menschenrotte und eilten in verschiedene Richtungen davon.

Matt Gregor schwang auf dem Absatz herum und kehrte in sein Büro zurück. Einer der Cowboys auf dem Vorbau sagte laut: „Wir reiten mit dem Deputy. Und wir werden nicht eher ruhen, als bis wir Hudson kalt gestellt haben.“

McQuade holte sein Gewehr und die Satteltaschen aus dem Hotelzimmer, ließ sich von Old Duffy das Pferd mit dem Hudson-Brand satteln und zäumen und verließ Continental. Die Worte des Stallmannes von heute Morgen dröhnten durch seinen Kopf: Ich mache mir Sorgen wegen Peggy und des Jungen. Die Volksseele kocht nach dem Mord an Hawkins. Ich schließe nicht aus, dass sich einige Zeitgenossen zusammenrotten, um zur Hudson Ranch zu ziehen und dort für Furore zu sorgen …

Die Sorge um die Frau und den Jungen peitschten den Kopfgeldjäger vorwärts. Es gab Menschen, die in ihrer blinden Wut vor nichts und niemand halt machten. Diese Sorte gab es gewiss auch in Continental und auf der Brower Ranch.

McQuade schonte das Pferd nicht.

*

McQuades Sorge war nicht unbegründet. Schon von Weitem nahm er den brenzligen Geruch wahr, den ihm der schrale Wind entgegen trug. Und schließlich stand er vor dem, was von den Gebäuden der Hudson Ranch noch übrig geblieben war; rauchende und glühende, kreuz und quer liegende Balken und Bretter, aus denen der gemauerte Kamin des Ranchhauses herausragte wie ein mahnend erhobener Zeigefinger.

Hier und dort flackerte das Feuer noch. Rauch stieg zum Himmel und zerfaserte, Asche trieb über den Hof. Das Bild sprang dem Kopfgeldjäger mit geradezu schmerzhafter Schärfe in die Augen. Er ließ den Blick in die Runde gleiten. Der Corral war leer. Von Peggy Hudson und dem Jungen war nichts zu sehen.

Eine unsichtbare Hand schien McQuade zu würgen. Und beim Gedanken daran, dass die Frau und der Junge unter dem Haufen Brandschutt begraben sein könnten, rann ihm ein eisiger Schauer den Rücken hinunter.

Das Pferd unter dem Kopfgeldjäger trat unruhig auf der Stelle und schnaubte nervös. Gray Wolf stand reglos da und schnupperte in den Wind.

Dem eisigen Wind seiner Gedanken ausgesetzt ritt McQuade zurück. Als Täter kam das Aufgebot aus Continental in Frage, das weggeritten war, kurz nachdem er am Morgen in der Stadt anlangte und vom Mietstall zum Hotel ging. Es konnten aber auch die Reiter von der Brower Ranch gewesen sein. Oder …

Der Gedanke elektrisierte den Kopfgeldjäger geradezu.

Hatte John Hudson seine Frau und den Jungen abgeholt, um mit ihnen das Land zu verlassen? Wenn es so war, schloss McQuade nicht aus, dass er selbst seine Ranch niederbrannte, damit Big Jim Brower keinen Nutzen aus den Gebäuden ziehen konnte.

Eine Reihe von Fragen stürmten auf McQuade ein – Fragen, auf die er keine Antwort fand.

Als ein Reiter sein Pferd aus dem Ufergebüsch trieb zog McQuade blitzschnell den Revolver, gleichzeitig zügelte er das Pferd. Klickend bewegte sich die Trommel um eine Kammer weiter, als er mit dem Daumen den Hahn spannte.

Gray Wolfs Nackenhaare hatten sich aufgestellt, sein Schweif stand fast kerzengerade in die Höhe, er zeigte den Respekt einflößenden Fang und knurrte gefährlich.

Es war John Hudson, und er hielt keine Waffe in der Hand. Zum Zeichen dafür, dass seine Absichten friedlicher Art waren, hob er die Rechte, dann trieb er den Falben an, den er McQuade gestohlen hatte und ritt ein Stück auf den Kopfgeldjäger zu. „Ich hatte keine Ahnung, dass du geritten bist, um mir zu helfen, McQuade“, erklärte er und seine Stimme hatte einen rauen Klang. „Peggy hat es mir berichtet, nachdem ich gestern Abend mit deinem Pferd auf der Ranch ankam.“

Hudson hatte angehalten und die Hände aufs Sattelhorn gelegt.

„Ruhig, Partner!“, gebot der Kopfgeldjäger und Gray Wolf hörte sofort zu knurren auf. „Ich habe dir ein paar heftig schmerzende offene Stellen an den Füßen zu verdanken, Hudson“, stieß McQuade dann hervor, entspannte den Colt und versenkte ihn im Holster. „Ich habe dich verflucht und mir geschworen, es dir heimzuzahlen.“

„Mein Problem ist im Moment ein anderes, McQuade“, knurrte John Hudson. „Big Jims Sattelfalken haben heute Früh der Ranch einen höllischen Besuch abgestattet. Sie haben Peggy und Ronny entführt und für mich eine Nachricht hinterlassen. Es ist ein Blatt Papier, das sie an einen Baum hefteten. Wenn ich mich bis heute Abend, wenn die Sonne untergeht, nicht freiwillig Big Jim stelle, dann werde ich meine Frau und den Jungen niemals mehr sehen.“

Zunächst einmal fiel McQuade ein tonnenschwerer Stein vom Herzen. Die Frau und der Junge lebten also. Es war eine gute Nachricht, und nahm einen immensen inneren Druck von dem Texaner. „Ich bin auch dafür, dass du dich stellst, Hudson“, verlieh McQuade seiner Überzeugung Ausdruck. „Allerdings nicht Big Jim Brower, sondern dem Gesetz. Matt Gregor wird sich dann auch um deine Frau und den Jungen kümmern. Man wird dich nach Tucson bringen und dort erhältst du einen fairen Prozess, der auch aufklären wird, dass dich Jim Brower und der Bankier um deine Land betrügen wollten.“

John Hudson lachte klirrend auf; ein giftiger Laut. „Wenn ich nach Continental gehe und mich stelle, bin ich so gut wie tot. Die Stadt gehorcht Big Jim, auch der Hilfssheriff. Richter Lynch würde Arbeit bekommen, McQuade. Mich von einer aufgebrachten Meute hängen zu lassen – danach steht mir der Sinn ganz und gar nicht.“

„Dann reite nach Tucson und stell dich dort dem County Sheriff“, schlug McQuade vor.

Hudson schüttelte den Kopf. „Bis Tucson sind es fünfzig Meilen. Wenn ich dort ankomme, hat Big Jim meiner Frau und dem Jungen möglicherweise schon die Hälse durchschneiden lassen.“

„Darum werde ich mich kümmern“, versprach der Kopfgeldjäger.

„Ich habe meine Angelegenheit immer schon selbst in die Hand genommen, McQuade, und ich bin auf diese Art und Weise immer gut gefahren. Darum werde ich diese Sache auch selbst erledigen. Okay, ich denke, wir haben genug geredet. Tauschen wir die Pferde, das heißt, ich gebe dir dein Eigentum zurück. Im Übrigen solltest du dich aus der Sache heraushalten.“

„Du hast den Plan, Brower umzulegen, also nicht aufgegeben, Hudson?“, kam es gedehnt von McQuade.

„Er hat den Tod verdient. Außerdem kann man mich nur einmal hängen. Ob sie mir nun für den Mord an Nelson Hawkins den Hals lang ziehen, oder für einen weiteren Mord an Big Jim – das spielt im Endeffekt keine Rolle.“

McQuade begriff, dass John Hudson mit seinem Leben abgeschlossen hatte. Er wollte nur noch Jim Brower zur Rechenschaft ziehen, und alles, was dann kam, interessierte ihn nicht.

Diese Haltung nötigte dem Texaner einerseits ein hohes Maß an Respekt ab, andererseits aber war es Dummheit, sein Leben auf solche Art wegzuwerfen und das Leben seiner Familie zu zerstören.

„Mindestens drei Aufgebote suchen nach dir“, murmelte McQuade.

„In diesem Land einen einzelnen Mann aufzustöbern ist fast unmöglich. Er kann in der Wildnis verschwinden wie ein Staubkorn in der Wüste. Ich befreie Peggy und Ronny aus Browers Gewalt, und Jim Brower besorge ich einen Freifahrtschein zum Satan.“

Nach dem letzten Wort schwang sich John Hudson von dem Falben. „Tauschen wir die Pferde, McQuade. Und dann …“

Der Kopfgeldjäger saß ab, und zwar auf Seite des Tieres, die John Hudson abgewandt war. Als er um das Tier herum kam, hielt er den Sechsschüsser in der Faust. „Wenn du dich nicht freiwillig stellst …“

Eine Verwünschung ausstoßend griff John Hudson zum Revolver. Während er zog, ließ er sich auf die Knie niederfallen. McQuade, der das Eisen bereits in der Hand hielt, ließ sich Zeit. Als der Desperado die Waffe in die Waagrechte brachte, drückte er ab. John Hudson wurde halb herumgerissen, ihm entrang sich ein gequälter Aufschrei, sein Revolver donnerte zwar, aber er hatte verrissen und die Kugel pfiff, ohne Schaden anzurichten, durch die Luft.

Hudson ließ die Waffe fallen und presste die Hand auf die zerschossene Schulter. Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor. Mit blutunterlaufenen Augen starrte er McQuade an, vor dessen Gesicht die Pulverdampfwolke zerflatterte. „Du dreckiger Hund!“, knirschte John Hudson. Sein Gesicht war schmerzverzerrt, unter seinem linken Auge zuckte ein Muskel, und er versuchte – vom Hass überwältigt -, noch einmal, nach dem am Boden liegenden Colt zu greifen.

„Partner!“

Das Wort fiel wie ein Säbelhieb, und Gray Wolf geriet in Aktion. Mit zwei kraftvollen Sätzen erreichte er John Hudson, dicht vor dessen Gesicht schlug der Achtung gebietende Fang des Wolfshundes zusammen, der heiße, unangenehm riechende Atem des Tieres schlug dem Desperado ins verzerrte Gesicht, und er erstarrte.

McQuade ging zu John Hudson, bückte sich und hob dessen Revolver auf, schleuderte ihn fort und gebot Gray Wolf, zurückzuweichen. Dann sagte er: „Von nun an bist du aus dem Rennen, Hudson, denn ich werde die Sache in die Hand nehmen. Ich werde dich nun verbinden und dann bringe ich dich nach Continental. Anschließend reite ich zu Big Jim Brower.“

„Wenn du mich nach Continental bringst, kannst du mir gleich eine Kugel in den Kopf schießen, McQuade“, presste Hudson hervor.

Der Kopfgeldjäger dachte kurz nach, dann nickte er und erwiderte: „Wahrscheinlich hast du recht. Sie sind dort nicht gut auf dich zu sprechen. Wir reiten nach Tucson.“

„Das bedeutet den Tod meiner Frau und meines Sohnes“, ächzte John Hudson. Verzweiflung sprach aus jedem Zug seines Gesichts. Der Blick, mit dem er McQuade ansah, beinhaltete fast etwas Flehendes. Es war, als wäre jeglicher Hass in John Hudson erloschen und der Sorge um Frau und Kind gewichen.

McQuade konnte sich nicht entscheiden. Schwer trug er an seiner Unschlüssigkeit. In seinen Zügen arbeitete es. Der erwartungsvolle Blick des Verwundeten hatte sich an ihm regelrecht verkrallt. Schließlich sagte er: „Ich darf das Leben deiner Frau und des Kindes nicht riskieren. Darum werde ich dich an einen sicheren Ort bringen und Gray Wolf wird aufpassen, dass du nicht die Fliege machst. Und dann will ich Jim Brower besuchen.“

„Ich glaube, ich hätte dir von Anfang an vertrauen sollen, McQuade“, murmelte John Hudson.

„Wenn du es nur einsiehst“, antwortete der Kopfgeldjäger, dann holte er Verbandszeug aus einer der Satteltaschen, die über den Rücken seines Falben hingen.

*

Die Luft schien zu kochen und das Atmen bereitete Mühe. Der Hof der Brower Ranch lag im prallen Sonnenlicht, im Staub glitzerten winzige Kristalle wie Diamantenstaub, die Fenster, die das Sonnenlicht reflektierten, gleißten.

McQuade ritt wieder den Falben. Als er vor dem Haupthaus anhielt, wurde ein Fenster hochgeschoben und eine raue Stimme rief: „Was willst du? Ich kenne dich nicht.“

Auch ein Fenster der Mannschaftsunterkunft bewegte sich nach oben und ein Gewehrlauf wurde sichtbar. Der Bursche, der die Waffe hielt, lud durch und das knackende Geräusch wehte an das Gehör McQuades.

Big Jim Brower hatte jeden Mann, der verfügbar war, losgeschickt, um John Hudson zu fangen. Lediglich seine Leibgarde hatte er zu seinem Schutz auf der Ranch zurückgehalten.

McQuade nannte seinen Namen, dann rief er: „Ich war auf der Hudson Ranch und fand dort nur noch Brandschutthaufen, außerdem war da noch eine Nachricht an den Stamm eines Baumes geheftet. Sie war für John Hudson bestimmt.“

„Welche Rolle hast du in diesem Spiel übernommen, McQuade?“

„John Hudson befindet sich in meiner Gewalt. Er ist an einem sicheren Ort, und wenn ich hier einige Dinge geregelt habe, bringe ich ihn nach Tucson. Hierher bin ich gekommen, weil ich mit Jim Brower sprechen will. John Hudson hat ihm eine Kugel in die Schulter geschossen. Deshalb nehme ich an, dass er sich nicht an der Jagd auf Hudson beteiligt.“

„Ja, ich bin hier“, ließ sich eine andere Stimme im Ranchhaus vernehmen. „Ich wüsste aber nicht, was ich mit Ihnen zu besprechen hätte, McQuade.“

„Es geht um Peggy Hudson und ihren kleinen Sohn.“

„Liefern Sie mir John Hudson aus und ich lasse die beiden auf der Stelle laufen.“

„Vergessen Sie’s, Brower“, versetzte McQuade kalt. „Sie sind weder Richter noch Henker. Außerdem bin ich davon überzeugt, dass Sie im Verein mit Nelson Hawkins John Hudson betrogen haben. Der Bankier hat auf Ihre Veranlassung hin den Darlehensvertrag gefälscht, und da es kein zweites Exemplar gegeben hat, hatte Hudson auch nichts in Händen, um den Betrug zu beweisen.“

„Sie riskieren eine große Lippe, McQuade. Wenn ich den Befehl gebe, machen meine Leute den Zeigefinger krumm. Und dann fahren Sie mit einem Donnerknall in die Hölle.“

„Das dürfte Sie kaum weiterbringen, Brower. Ich habe den Weg zu Ihnen über Continental gemacht und dem Deputy Sheriff eine Nachricht hinterlassen. Den Wisch, den Ihre Brandstifter auf der Hudson Ranch an den Baum geheftet haben, habe ich dazu gelegt. Betrug, Menschenraub und gegebenenfalls Mord – glauben Sie denn im Ernst, Brower, dass sie das auf die Dauer derart unterdrücken und einer Anklage mit anschließender Verurteilung entgehen können?“

„Ich will John Hudson. Um ihn zu kriegen ist mir jedes Mittel recht.“

„Und ich will, dass Sie mir Peggy Hudson und Ronny ausliefern, Brower. Nehmen Sie Vernunft an. Hudson kann sich nicht stellen, weil er sich in meiner Gewalt befindet. Ich liefere ihn Ihnen nicht aus, denn das wäre, als würde ich mich an einem niederträchtigen Mord beteiligen. Wenn Sie der Frau und dem Jungen auch nur ein Haar krümmen, wird man in Continental nicht die Augen davor verschließen können. Und dann dürfte Ihr Stern höllisch schnell verglühen, Brower.“

Sekundenlang geschah gar nichts. Brower schwieg. McQuade fühlte sich alles andere als wohl in seiner Haut. Der Kerl in der Mannschaftsunterkunft zielte nach wie vor auf ihn.

Plötzlich aber erklang wieder die Stimme des Ranchers. Er rief: „Sie haben recht, McQuade. Es war eine schlechte Idee, Peggy und Ronny Hudson zu kidnappen, um John Hudson zu zwingen, sich zu stellen. Die beiden befinden sich auf der Ranch. Sie können Sie mitnehmen.“

„Das ist sehr vernünftig, Brower.“

Kurze Zeit verstrich, dann traten Peggy Hudson und der Junge durch die Haustür. Ihnen folgte ein mittelgroßer, hagerer Bursche, der mit beiden Händen ein Gewehr schräg vor der Brust hielt. Sein Gesicht war wie aus Granit gemeißelt. Hinter ihm verließ Big Jim Brower das Haus. Er trug den linken Arm in einer Schlinge. Der Rancher war achtundvierzig Jahre alt und seine Haare waren schon grau. Auch er war nur mittelgroß, wirkte aber untersetzt.

Beim Geländer blieben sie stehen.

„Sie sehen meinen guten Willen, McQuade“, erklärte Jim Brower und McQuade entging nicht das hinterhältige Funkeln in seinen Augen. „Als ich meine Leute zur Hudson Ranch schickte habe ich wohl ein wenig überreagiert. Ich hoffe, den Fehler auszumerzen, indem ich Mrs Hudson und ihren Sohn freilasse.“

„Sie werden den Schaden, den Ihre Leute angerichtet haben, ersetzen müssen, Brower.“

„Die Ranch ist vor einigen Tagen in meinen Besitz übergegangen. Es war also mein Eigentum, das meine Männer zerstört haben.“

Der Bursche, der das Gewehr hielt, grinste höhnisch.

„Es wird sich herausstellen, ob die Hudson Ranch tatsächlich Ihr Eigentum war, Brower. Ich werde Mrs Hudson und Ronny in die Stadt bringen. Dazu benötige ich einen Wagen. Einer Ihrer Reiter kann ihn im Mietstall abholen.“

„Carter!“, rief der Rancher.

„Ja, Boss!“, erklang es aus der Mannschaftsunterkunft.

„Spann ein Pferd vor den Buggy. Wir stellen ihn McQuade zur Verfügung.“

„In Ordnung.“

Zehn Minuten später fuhren der Kopfgeldjäger, Peggy Hudson und der sechsjährige Ronny mit dem Buggy von der Ranch. McQuade hatte den Falben an dem leichten Fuhrwerk festgebunden und führte die Zügel des Gespannpferdes. Er war sich sicher, dass Jim Brower falsch spielte. Die Bereitschaft, die Frau und den Jungen so mir nichts dir nichts freizulassen war nicht von ungefähr gekommen. Darum nahm er sich vor, auf der Hut zu sein. Als sie die Hälfte der Strecke nach Continental zurückgelegt hatten, hielt er an, sprang vom Wagen und lief einen Abhang hinauf. Vom Hügelrücken aus sah er zwei Reiter, die ihnen folgten. Es waren Jim Browers Kettenhunde. Sie sollten herausfinden, wo McQuade seinen Gefangenen festhielt.

McQuade war fest entschlossen, Big Jim Brower einen dicken Strich durch die Rechnung zu machen.

Im Laufschritt kehrte er zum Buggy zurück, übernahm wieder die Zügel und trieb das Pferd an.

*

Sehr schnell rotteten sich auf der Main Street die Menschen zusammen. Hauptsächlich waren es alte Männer, Frauen und Kinder. Wer mit einer Waffe umgehen und reiten konnte, war irgendwo in der Umgebung unterwegs auf der Jagd nach John Hudson.

„Was will die Frau eines Mörders in unserer Stadt?“, schrie eine Frau mit hysterisch klingender Stimme. „Wir wollen uns mit diesem Gesindel nicht abgeben.“

McQuade hielt den Buggy beim Hotel an, stieg aus, hob Ronny aus dem Fahrzeug und half dann Peggy Hudson beim Aussteigen. Der ängstliche Blick der verhärmten Frau glitt über die Menschenmenge hinweg, in ihren Mundwinkeln zuckte es.

„Wir sollten sie und den kleinen Bastard zum Teufel jagen!“, brüllte ein älterer Mann. „In Continental gibt es jedenfalls keinen Platz für die beiden.“

„Lasst die Frau und den Jungen in Ruhe!“, rief McQuade mit stählern klingender Stimme. Er hatte kein Verständnis für eine derartige Voreingenommenheit und Stimmungsmache.

„Wir jagen dich zusammen mit den beiden aus unserer Stadt hinaus, Menschenjäger!“, schrie jemand in der Menge. „Wir dulden den Anhang eines Mörders nicht in unserem Ort. Also verschwindet lieber freiwillig.“

„Jim Brower hat die Hudson Ranch niederbrennen lassen, und er hat Mrs Hudson sowie den Jungen entführt, um John Hudson zu zwingen, sich zu stellen.“ McQuade war auf den Vorbau des Hotels gestiegen. Jetzt ließ er seinen harten Blick über die Menschen hinweg gleiten. „Es ist zwar nichts bewiesen“, fuhr er mit lauter, präziser Stimme fort, „aber alles deutet darauf hin, dass Jim Brower versucht hat, im Einvernehmen mit Nelson Hawkins den Hudsons die Ranch am Santa Cruz River abzujagen. Hawkins hat den Betrag auf dem Darlehensvertrag gefälscht. Aus irgendeinem Grund, den ich nicht kenne, besaß John Hudson keine Ausfertigung des Vertrages.“

„Du solltest vorsichtig sein mit deinen Äußerungen, McQuade!“, rief jemand. „Derlei Unterstellungen und Verdächtigungen könnten Big Jim möglicherweise gar nicht gefallen.“

„Es ist aber so!“

Eine schwarz gekleidete Frau hatte die vier Worte gerufen. Sie war aus einer Seitenstraße gekommen und stand mitten auf der Main Street. Die Menschen wandten sich ihr zu. McQuades Blick hatte sich an ihr festgesaugt. Er ahnte, um wen es sich handelte, und ihm war klar, dass sie mit Ihrem Erscheinen und dem, was sie zu sagen hatte, eine gravierende Wende in der Angelegenheit einleiten würde.

Das Gemurmel und Geraune, das sich aus der Menge erhoben hatte, war verstummt.

„Es ist richtig“, rief die Frau. „Mein Mann wollte Big Jim Brower einen Gefallen erweisen und hat die Zahl achthundert auf dem Kreditvertrag in zweitausendachthundert abgeändert. Brower war schon lange auf das Land Hudsons scharf. Und als John Hudson wegen eines Darlehens bei meinem Mann nachfragte, kam das Big Jim ausgesprochen gelegen. Er und Nelson beschlossen, John Hudson in den Ruin zu treiben und zur Aufgabe zu veranlassen. Mein Mann ließ Hudson den Vertrag unterschreiben, ohne ihm jedoch ein Duplikat auszuhändigen. John Hudson vertraute meinem Mann und fragte erst gar nicht nach einer Ausfertigung. Das war sein Fehler. Nachdem er seine Schulden bis auf den letzten Cent abbezahlt hatte, präsentierte ihm mein Mann die offene Forderung über zweitausend Dollar. Und als Hudson nicht zahlte, trat Big Jim auf den Plan. Es war eine abgekartete Sache. Ich war eingeweiht, habe aber geschwiegen, weil ich nach mehr als dreißig Jahren Ehe meinem Mann nicht in den Rücken fallen wollte. Aber jetzt ist Nelson tot, und es gibt für mich keinen Grund, auf Big Jim Brower Rücksicht zu nehmen.“

„Ja, dein Mann ist tot, Kath, weil John Hudson ihn ermordet hat!“, rief ein Stadtbewohner mit kippender Stimme.

Sofort erhob sich wieder zustimmendes und drohendes Gemurmel.

Kath Hawkins hob die rechte Hand, und die verworrenen Geräusche verstummten. Sie rief: „John Hudson drang in unser Haus ein und forderte von meinem Mann eine schriftliche Aussage, die den Betrug aufklären sollte. Mein Mann bekundete eine entsprechende Bereitschaft, setzte sich an seinen Schreibtisch und griff in den Schub. Ich war Zeugin. John Hudson hielt zwar den Revolver in der Hand, aber wohl nur, um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen. Er war wohl ebenso wie ich davon überzeugt, dass mein Mann Papier und Federhalter aus dem Schub holen wollte. Als seine Hand aber zum Vorschein kam, hielt sie einen Derringer. John Hudson feuerte in Notwehr.“

„Dem Deputy hast du eine andere Geschichte erzählt!“, brüllte jemand.

„Der Tod meines Mannes ist mir sehr nahe gegangen“, antwortete Kath Hawkins. „Ich habe John Hudson gehasst dafür, dass er ihn getötet hat. Aber ich bin sehr schnell zur Besinnung gekommen. John Hudson wurde von Big Jim und meinem Mann auf das Übelste hereingelegt. Alles, was geschehen ist, ist von Brower und meinem Mann ausgegangen.“

Die Menschen schwiegen betreten. Der eine oder andere zog den Kopf zwischen die Schultern und schlich davon wie ein begossener Pudel.

Kath Hawkins ging auf die Menge zu, die ihr bereitwillig Platz machte. Als sie Peggy Hudson gegenüberstand, sagte sie: „Es tut mir leid, Peggy, und zwar von ganzem Herzen. Mein Fehler war, dass ich zugeschaut habe, ohne zu versuchen, auf meinen Mann einzuwirken. Ich möchte alles wieder gut machen. Darum möchte ich Sie bitten, mit ihrem Jungen bei mir zu wohnen, bis Ihre Ranch wieder aufgebaut ist.“

Fragend schaute Peggy Hudson den Kopfgeldjäger an.

McQuade nickte.

„Kommen Sie, Peggy“, sagte Kath Hawkins lächelnd. „Und machen Sie sich keine allzu großen Sorgen mehr. Wegen des Todes meines Mannes wird man John nicht verurteilen.“

„Gehen Sie mit Mrs Hawkins, Peggy“, murmelte McQuade. „Bei ihr sind Sie sicher gut aufgehoben.“

„Danke, McQuade“, murmelte Peggy Hudson. „Wir – wir stehen hoch in Ihrer Schuld. Ich habe keine Ahnung, wie wir es jemals gut machen können.“

Ein kantiges Lächeln brach sich Bahn in das hohlwangige, stoppelbärtige Gesicht des Texaner, er sagte: „Daran sollten Sie nicht einen einzigen Gedanken verschwenden, Peggy. Es genügt mir, geholfen zu haben, eine himmelschreiende Ungerechtigkeit aufzudecken und ein paar üble Dinge zu verhindern.“

Die beiden Frauen und der Junge gingen davon. McQuade band sein Pferd vom Buggy los und saß auf. An die Bürger gewandt, die noch immer anwesend waren, rief er: „Sicher ist es so, dass John Hudson auch den Vormann der Brower Ranch in Notwehr erschoss. Er wird sich also nur für den Schuss auf Jim Brower zu verantworten haben. Ich denke aber, dass er auf einen verständnisvollen Richter trifft und dass die Strafe nicht besonders hart ausfallen wird.“

McQuade trieb den Falben an und verließ die Stadt.

*

Der Kopfgeldjäger ritt auf das Weideland der Brower Ranch. In einer verlassenen Weidehütte hatte er John Hudson zurückgelassen. Gray Wolf bewachte den Desperado. Der kluge Wolfshund ließ nicht zu, dass Hudson auch nur einen Fuß vor die Hütte setzte. Über eine Waffe, um das Tier auszuschalten, verfügte er nicht. Vielleicht hatte er aber auch gar kein Interesse mehr, zu fliehen.

Als McQuade vor der Hütte anhielt und aus dem Sattel glitt, lief Gray Wolf heran, drängte sich gegen seine Beine und leckte seine Hand ab. John Hudson trat in die Tür. „Haben Sie etwas erreicht, McQuade?“

„Gehen Sie hinein, John!“, stieß der Kopfgeldjäger hervor. „Auf meiner Fährte kommen zwei Reiter Big Jims. Gehen Sie in die Hütte.“

John Hudson verschwand.

McQuade leinte sein Pferd an eine Stange des Corralgatters, zog das Gewehr aus dem Scabbard und lief, gefolgt von Gray Wolf, ebenfalls in die Hütte, zog die Tür hinter sich zu und stellte sich neben dem unverglasten Fenster an die Wand. „Deine Frau und Ronny sind in der Stadt, John. Mrs Hawkins hat die beiden in ihre Obhut genommen. Sie hat vor der versammelten Bürgerschaft gestanden, dass ihr Mann den Darlehensvertrag gefälscht hat, um Jim Brower einen Gefallen zu erweisen. Sie hat auch berichtet, was sich in der Nacht in Hawkins Haus abgespielt hat. Was den Tod des Bankiers anbetrifft wird man dir nichts am Zeug flicken können.“

„Ich werde verrückt“, murmelte John Hudson und griff sich mit der Linken an den Kopf. „Jetzt wissen also alle, dass mich Hawkins und Brower hereingelegt haben und – und …“

Die Stimme des Mannes brach. Geradezu ungläubig starrte er den Kopfgeldjäger an.

„So ist es. Allerdings sind da noch der tote Vormann und der Schuss auf Big Jim Brower. Wenn die Cowboys bei ihren Aussagen bleiben …“

„Buster zielte auf mich, und als ich ihm auf den Kopf zusagte, dass er sich als williges Werkzeug eines niederträchtigen Betrügers hergebe, wurde er wütend und feuerte auf mich. Ich habe mich zur Seite geworfen und zurückgeschossen. Ehe die Cowboys zum Denken gekommen sind und reagieren konnten, bin ich ins Haus geflohen. Das ist die Wahrheit, McQuade, so wahr mir Gott helfe.“

„So hat mir deine Frau die Geschichte auch erzählt“, gab der Texaner zu verstehen. „Ich denke, dass Jim Brower in der Stadt sein Ansehen zu hundert Prozent verloren hat. Auf ihn kommt ein Prozess wegen versuchten Betrugs und Menschenraubs zu. Schätzungsweise wird er für mehrere Jahre hinter Gitter wandern. Die Leute, die für ihn arbeiten, haben keine Veranlassung mehr, ihn zu decken, denn er wird sie nicht mehr bezahlen können. Die Cowboys, die dabei waren, als Buster starb, werden in deinem Prozess aussagen müssen. Ich bin guter Dinge, dass dann die Wahrheit ans Licht kommt.“

„Was nun?“, fragte John Hudson.

„Draußen lauern zwei Revolverschwinger Browers“, versetzte McQuade. „Ich weiß nicht, was sie für eine Order haben. Sollen sie dich einfach nur zum Schweigen bringen, oder haben sie den Auftrag, dich lebendig bei Jim Brower abzuliefern? Jedenfalls werde ich den beiden gehörig in die Suppe spucken.“

„Wir sollten uns einfach nicht aus der Hütte bewegen“, knurrte John Hudson. „Früher oder später werden sie die Geduld verlieren und kommen. Gibst du mir eine Waffe, McQuade?“

Der Kopfgeldjäger zog den Revolver und reichte ihn dem Desperado. „Wenn es geht, dann lassen wir sie am Leben. Es können wertvolle Zeugen gegen Jim Brower sein.“

„In Ordnung“, murmelte John Hudson und baute sich neben dem rückwärtigen Fenster der Hütte auf.

*

Die beiden Kerle ließen lange auf sich warten. Aber dann beschlossen sie, sich John Hudson zu holen. Davon, dass er sich in der Hütte befand, waren sie überzeugt.

Sie kamen zu Fuß. Jede Deckung ausnutzend, die sich ihnen bot, arbeiteten sie sich von zwei Seiten auf die Weidehütte zu. McQuade beobachtete einen der Kerle. Soeben lief er geduckt hinter einem Busch hervor, überquerte eine freie Fläche von etwa zehn Yards und verschwand hinter einem anderen Busch.

„Wie sieht es aus, John?“, fragte der Kopfgeldjäger leise über die Schulter.

„Der Dummkopf wird gleich auf Coltschussweite heran sein“, murmelte John Hudson. „Sein Name ist Josh Carter. Er war dabei, als Hank Buster starb.“

„Dann platziere deine Kugel gut“, mahnte McQuade. „Ich brauche dir ja nicht zu sagen, weshalb.“

Einige Sekunden verstrichen. Dann brüllte der Colt in John Hudsons Faust auf. Ein erschreckter und zugleich gequälter Aufschrei erklang. McQuade hob das Gewehr an die Schulter und nahm den Busch unter Feuer, hinter dem der andere der Brower-Reiter in Deckung gegangen war.

„Aufhören!“, brüllte der Bursche, nachdem der Kopfgeldjäger eine ganze Serie von Schüssen in das Zweigwerk gejagt hatte. „Hör auf zu schießen! Ich gebe auf.“

McQuade stellte das Feuer ein, der Bursche kam kreidebleich und mit erhobenen Händen hinter dem Strauchwerk hervor und näherte sich mit weichen Knien der Hütte.

John Hudson rannte ins Freie.

Auch McQuade trat durch die Tür. Er hielt das Gewehr an der Hüfte und bedrohte den Burschen, den er zur Aufgabe gezwungen hatte.

Hinter der Hütte dröhnten Schüsse. Dann brüllte John Hudson: „Die Waffe weg, Carter! Meine nächste Kugel kriegst du zwischen die Augen!“

Es war still. Der Mann, der sich McQuade näherte, hielt fünf Schritte vor dem Kopfgeldjäger an. Hinter der Hütte erklang leises Klirren von Sporen, dann humpelte ein Mann, der mit beiden Händen seinen Oberschenkel umklammerte, um die Ecke. Ihm folgte John Hudson, den Revolver McQuades in der linken Hand.

Josh Carter hinkte zu seinem Kameraden hin und setzte sich auf den Boden. Ein Stöhnen brach über seine zuckenden Lippen, in seinen Augen wütete der Schmerz.

„He, Carter, du warst dabei, als dein Vormann starb“, sagte McQuade. „Wie hat es sich zugetragen? Du solltest mir die Wahrheit sagen. Der eine oder andere deiner Kumpane hält vor Gericht sicher nicht stand und plaudert die Wahrheit aus. Und dann bist du wegen deiner Falschaussage dran. Du legst doch sicher keinen Wert darauf, hinter Gitter zu wandern.“

„Verdammt, ich …“

„Ich will keine Verwünschungen hören, Carter, sondern die Wahrheit. Also raus mit der Sprache!“