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Von dem Augenblick an, als der Richter die hohen Gefängnisstrafen über Gregory Hemlingson und seine Komplizen verhängte, begann der ehemalige Major seinen Fluchtplan zu schmieden...
John Boland zeigt auch hier wieder seine Meisterschaft als Autor spannender und mit typisch britisch-trockenem Humor gewürzter Kriminal-Romane!
Der Roman Die Herren Einbrecher brechen aus des britischen Schriftstellers John Boland (* 5. Februar 1913; † 9. November 1976) erschien erstmals im Jahr 1961; die deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1963. Der Roman ist die Fortsetzung von Die Herren Einbrecher geben sich die Ehre (ebenfalls im Apex-Verlag erhältlich).
Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe des Romans in seiner Reihe APEX CRIME.
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Veröffentlichungsjahr: 2022
JOHN BOLAND
Die Herren Einbrecher brechen aus
Roman
Apex Crime, Band 279
Apex-Verlag
Inhaltsverzeichnis
Das Buch
DIE HERREN EINBRECHER BRECHEN AUS
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Kapitel
Sechstes Kapitel
Siebtes Kapitel
Achtes Kapitel
Neuntes Kapitel
Zehntes Kapitel
Elftes Kapitel
Zwölftes Kapitel
Von dem Augenblick an, als der Richter die hohen Gefängnisstrafen über Gregory Hemlingson und seine Komplizen verhängte, begann der ehemalige Major seinen Fluchtplan zu schmieden...
John Boland zeigt auch hier wieder seine Meisterschaft als Autor spannender und mit typisch britisch-trockenem Humor gewürzter Kriminal-Romane!
Der Roman Die Herren Einbrecher brechen aus des britischen Schriftstellers John Boland (* 5. Februar 1913; † 9. November 1976) erschien erstmals im Jahr 1961; die deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1963. Der Roman ist die Fortsetzung von Die Herren Einbrecher geben sich die Ehre (ebenfalls im Apex-Verlag erhältlich).
Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe des Romans in seiner Reihe APEX CRIME.
»Gregory Naismith Hemlingson - Sie sind des schweren Verbrechens eines bewaffneten Bankraubs für schuldig befunden worden. Auch wenn man als mildernden Umstand berücksichtigen kann, dass bei dem Überfall von Schusswaffen kein Gebrauch gemacht wurde und das geraubte Geld in voller Höhe den rechtmäßigen Besitzern zurückerstattet werden konnte, hält das Gericht eine Gefängnisstrafe von zwölf Jahren für angemessen.«
Zwölf Jahre!
Der ehemalige Major deutete eine leichte Verbeugung an und stand dann wieder in strammer Haltung mit den Händen an der Hosennaht da, während seine neben ihm vor der Anklagebank stehenden Komplicen ihr Strafmaß zudiktiert bekamen.
Der kleine, ausgedörrte Richter redete weiter und sprach davon, dass die anderen Strafen nicht so hoch ausfielen wie bei Hemlingson, da dieser der Bandenchef gewesen sei und sich den ganzen Plan ausgedacht habe.
Aber Hemlingson achtete nicht auf die Worte. Jetzt, da das Urteil gesprochen war, spürte er ein Gefühl der Erleichterung. Er konnte endlich anfangen, sich mit der Zukunft zu beschäftigen und, sobald man ihn ins Gefängnis gebracht hatte, seine nächste Operation planen: die Flucht. Denn Soldaten, die in feindliche Hände gerieten, erkannten ihre Gefangennahme auch nie als endgültig an. Es war ihre Pflicht, bei der ersten sich bietenden Gelegenheit zu fliehen.
Hinter der Barriere herrschte ungemütliche Enge. Die Anklagebank war nicht so gebaut, dass sie acht Angeklagten zugleich bequem Platz bot. Hemlingson musterte seine Gefährten mit einem kurzen, beifälligen Blick. Sie nahmen das Urteil in so tadelloser militärischer Haltung hin, als wären sie nur zum Morgenappell angetreten, um sich den Tagesbefehl anzuhören.
Hemlingson konnte ein Grinsen nur schwer unterdrücken, als der ehemalige Leutnant Portill verurteilt wurde. Portill war der jüngste von ihnen, gut aussehend und scheinbar unschuldig. Er machte den Eindruck, als hätten ihn böse Elemente auf die schiefe Bahn verführt. Sein harmloses Aussehen brachte ihm die geringste Strafe von allen ein: sechs Jahre Gefängnis.
Nach der Urteilsverkündung wurden die Strafgefangenen in die Wartezellen zurückgeführt, und Hemlingson sah seine Gefährten erst in der »Schwarzen Maria« wieder - dem Transportwagen, der sie ins Gefängnis bringen sollte. Die anderen sieben waren schon im Wagen, als Hemlingson einstieg. Sie blickten ihn schweigend an, bis sein ehemaliger Stellvertreter und Adjutant William Rangerhope mit einem Lächeln voll philosophischer Resignation sagte:
»Das erste Mal, dass ich im Kittchen sitze. Hätte nie gedacht, dass ich einmal Kriegsgefangener werden könnte.«
»Ich auch nicht, Bill«, antwortete Hemlingson. »Ich auch nicht.«
Die anderen sahen einander an und musterten dann Hemlingson noch forschender. Irgendetwas im Tonfall seiner Stimme hatte die Männer stutzig gemacht.
»Hast du schon Pläne?«, fragte Peter Vollandier, der ehemalige Nachrichtenoffizier und Fachmann für Elektronik.
»Noch keinen völlig durchentwickelten Plan, Vollandier«, antwortete Hemlingson. »Nennen wir es lieber eine Idee - eine vage Grundidee.«
Tatsächlich hatte er noch keinen Schimmer von einer Idee, aber es wäre taktisch unklug gewesen, der Truppe Unsicherheit in der Führungsspitze zu verraten. Außerdem war er davon überzeugt, dass er im Lauf der Zeit auch einen brauchbaren Fluchtplan entwickeln könnte. Und Zeit hatten sie ja nun mehr als genug.
Während der Transportwagen über Kopfsteinpflaster rumpelte, betrachtete Hemlingson die Gesichter der Männer auf der Bank gegenüber. Sie sahen ihn immer noch erwartungsvoll an. Wahrscheinlich war es besser, wenn er jetzt eine kleine Ansprache hielt.
»Also, Gentlemen«, sagte er ruhig, »ich glaube nicht, dass wir in naher Zukunft allzu oft Gelegenheit zu einer ungestörten Unterhaltung haben werden. Deshalb möchte ich jetzt schnell einige Dinge zur Sprache bringen. Als erstes möchte ich zu unserer augenblicklichen bedauerlichen Lage bemerken, dass bekanntlich kein Krieg verlorengeht, nur weil eine Schlacht nicht gewonnen wurde. Im Übrigen möchte ich Sie daran erinnern, dass es unsere Pflicht ist, einander zu helfen.«
Nach diesen markigen Worten zog es Hemlingson vor, in bedeutungsvolles Schweigen zu versinken. Erstens einmal, weil ihm nichts weiter einfiel. Und zweitens, weil man ja nie wissen konnte, ob nicht irgendwo im Wagen ein Mikrofon verborgen war und das Gespräch vorn in der Fahrerkabine abgehört wurde.
Rangerhope schien ohnehin begriffen zu haben, was Hemlingson andeuten wollte.
»Ich habe verstanden, Greg«, sagte er mit vielsagendem Blinzeln und wandte sich den anderen zu.
»Ihr habt alle gehört, was der Major gesprochen hat, nicht wahr? Wir müssen einander helfen. Falls jemand von euch eine Idee hat, wie wir uns die Langeweile des Gefängnislebens angenehm verkürzen können, dann soll er diese Idee den anderen zugänglich machen. Ist es so, Greg?«
»Jawohl.«
Von da an schwiegen die Männer, aber auf ihren Gesichtern lag jetzt ein hoffnungsvollerer Schimmer, und das blieb auch so, als der Wagen schließlich auf dem Kopfsteinpflaster des von hohen Mauern umgebenen Gefängnishofes zum Stehen kam und die rückwärtige Tür aufgeschlossen wurde.
Abgesehen von der Untersuchungshaft war Hemlingson noch nie zuvor in einem Gefängnis gewesen. Sein erster Eindruck war, dass diese düsteren Räumlichkeiten überraschend gut geheizt wurden. Irgendwie hatte er in einem Gefängnis frostige Kühle erwartet, doch dem war nicht so. Unangenehm fand er allerdings den Geruch, der hier vorherrschte und die Luft überall zu durchtränken schien. Es war ein Gemisch von Karbol, wässeriger Kohlsuppe und Abortgerüchen - nicht gerade angenehm.
Die acht Männer wurden in der Empfangsabteilung durchsucht und registriert und in drei verschiedene Zellen gebracht. Hemlingson hatte Portill und Wanray als Zellengenossen. Als sich die Zellentür hinter ihnen geschlossen hatte, hielt Hemlingson musternd Umschau und drückte prüfend auf die Matratze seiner Schlafpritsche.
»Ah - großartig! Schlaraffia!«
Wanray warf ihm einen mürrischen Blick zu.
»Ich finde das gar nicht so lustig.«
»Nein?« Portill zupfte an dem Kittel der Anstaltskleidung, den man ihm verpasst hatte. »Erinnere mich daran, dass ich morgen früh meinen Schneider anrufe, Greg. Diese Jacke muss unbedingt geändert werden.«
Die Beengtheit und die Demütigungen des Gefängnislebens waren zwar unangenehm, aber Hemlingson ließ das mit fatalistischem Gleichmut über sich ergehen. Sein Hauptaugenmerk richtete er in diesem ersten Stadium der Haft auf die ihn umgebenden Örtlichkeiten und den Dienstbetrieb.
Schon ziemlich bald wurde ihm klar, dass das Problem einer erfolgreichen Flucht aus dem Gefängnis im Grunde genommen schwerer zu lösen war, als wenn es darum ging, eine Bank in London um eine Million Pfund in gebrauchten Geldscheinen zu erleichtern. Er sprach mit Portill darüber.
»Das Problem ist nicht so sehr: wie kommen wir hinaus, sondern: wie bleiben wir draußen.«
»Dazu gehört Kapital«, ergänzte Portill. »Viel mehr als wir haben.«
Das war tatsächlich der springende Punkt. Die Liga der Gentlemen besaß im Augenblick bedauerlicherweise nur ein Vermögen von etwa zweihundert Pfund, und dieses Vermögen war nicht einmal greifbar.
Am dritten Tage geschah dann etwas, was eine gemeinsame Aktion der Liga der Gentlemen für alle Zeiten auszuschließen schien. Hemlingson wurde überraschend in ein anderes Gefängnis nach Essex verlegt.
Am nächsten Morgen wurde er dem Empfangskomitee vorgeführt, und da Hemlingson immerhin ein sehr wichtiger Gefangener war, hatte sich das Komitee vollzählig eingefunden.
Major Harry Trew, der Gefängnisdirektor, diskutierte mit den anderen über Hemlingson, bevor dieser hereingeführt wurde. Trew war davon. überzeugt, einen Mann, auch ohne ihn je gesehen zu haben, schnell und genau einschätzen zu können, wenn ihm nur die entsprechenden Personalpapiere Vorlagen. Oftmals kam er dabei zu anderen Ergebnissen als jeder normale Mensch, der solche Personalakten studieren würde. Aber wenn er sein Urteil einmal gefällt hatte, konnte Trew viel Zeit und Mühe darauf verwenden, die tatsächlichen Gegebenheiten mit seiner Meinung zusammenzuzwingen.
»Also dieser Hemlingson.« Aus seinen leicht hervorquellenden Augen musterte Trew die anderen Männer am Tisch. »Ehemaliger Offizier - hat sich immer gut geführt - ist nur einmal gestrauchelt. Bis dann jetzt die Sache passiert ist.« Trew räusperte sich gewichtig. »Immerhin - ich halte ihn für den Typ, der nicht noch einmal auf die schiefe Bahn gerät.«
Walter Grace, der Fürsorgebeamte, war der einzige, der zu widersprechen wagte.
»Ich weiß nicht, Sir. Bewaffneter Raubüberfall auf eine Bank...«
»Ist doch keiner verletzt worden, nicht wahr? Und das Geld hat man auch wieder herbeigeschafft.« Trew warf dem Fürsorgebeamten einen missbilligenden Blick zu und sah den Hauptaufseher Percy Neale an. »Was meinen Sie?«
Neale war ein grauhaariger Mann, der seine Jahre in der Militärpolizei abgedient hatte, bevor er Gefängnisbeamter geworden war. Er wusste, wie man mit Vorgesetzten umzugehen hatte, wenn man ungestört und ruhig seinen Dienst tun wollte.
»Sie haben recht, Sir. Hemlingson und seine Komplicen sind die typischen Gesetzesbrecher aus einer gegebenen Gelegenheit heraus.«
»So ist es.« Trew nickte zufrieden.
Der Fürsorgebeamte wusste, dass er jetzt auch etwas Verbindliches sagen musste, wenn er nicht sich und allen anderen einen unangenehmen Tag verursachen wollte.
»Wir können ihn bestimmt gut gebrauchen, Sir«, sagte er. »Er kann einen günstigen Einfluss auf die anderen ausüben.«
»Ganz recht.« Es war die Lieblingsidee des Gefängnisdirektors, dass sogar der schlimmste Verbrecher geläutert werden konnte, wenn man ihn nur gut behandelte und ihm die Hilfe geistig überlegener Menschen angedeihen ließ. »Tatsächlich haben sich meine Gedanken auch in dieser Richtung bewegt«, fuhr er mit pomphafter Gewichtigkeit fort. »Neale, was halten Sie davon, wenn wir Hemlingson mit Meddlar Zusammenlegen?«
Kurzes Schweigen folgte. Antony Meddlar war im Augenblick der gefährlichste Kriminelle in Wringlow. Gewalttätige Raubüberfälle waren seine Spezialität, und er neigte zu unberechenbaren Jähzorn-Anfällen. Aus diesem Grunde hatte man ihn bisher in Einzelhaft gehalten, obwohl das Gefängnis überfüllt war.
»Eine gute Idee, Sir«, antwortete Neale pflichtschuldig. »Es ist zumindest einen Versuch wert.«
Diesmal widersprach der Gefängnisgeistliche, Ehrwürden Gregory Pattimore Timmins.
»Mit Meddlar zusammen? Meinen Sie wirklich, dass das gut geht, Sir?«
Meddlar war einer von Timmins' Misserfolgen. Der Mann hatte sich dem Gefängnisgeistlichen gegenüber äußerst boshaft und respektlos benommen und damit
das Gefühlsleben des zartbesaiteten Mr. Timmins empfindlich gestört. Wenn Timmins an all das dachte, was Meddlar zu ihm gesagt hatte, errötete er jetzt noch.
»Ist bei Meddlar wirklich noch etwas zu bessern?«
»Man darf nie die Hoffnung auf geben, Ehrwürden.«
Hemlingson wurde hereingeführt, und der ihn begleitende Wärter rief mit heiserer Kasernenhof stimme:
»Eins-vier-fünf-sieben-sieben vorgeführt, Sir.«
Der Direktor blätterte in den vor ihm liegenden Akten und schaute dann auf.
»Ihr Name ist Hemlingson?«
»Jawohl, Sir.«
Trew war angenehm überrascht. Der Mann vor dem Schreibtisch benahm sich respektvoll, ohne dass man ihn erst darauf hinweisen musste.
»Also, Hemlingson«, sagte er jovial, »Sie werden das Leben hier in Wringlow sehr unterschiedlich von dem finden, was Sie bisher gekannt haben. Aber was Sie daraus machen, ist Ihre Sache. Wir wollen Ihnen helfen, sich zu rehabilitieren. Arbeiten Sie mit uns Hand in Hand, und wir werden alles tun, um Ihnen zu helfen. Aber wenn Sie das nicht tun, trifft die Schuld Sie ganz allein.«
Hemlingson achtete nicht allzu genau auf die salbungsvollen Worte. Er musterte verstohlen seine Umgebung und registrierte Fenster und Türen. All diese Einzelheiten mochten einmal von Nutzen sein, wenn es galt, den Fluchtplan in die Tat umzusetzen.
Als Trew seine Rede beendet hatte, bedankte sich Hemlingson mit Worten von so demütiger Bescheidenheit, dass er sich damit die Sympathie des Gefängnisdirektors vollends eroberte.
Danach wurde Hemlingson in den Ostflügel des Hauptgebäudes geführt. Das Zellenhaus war fünfstöckig mit den üblichen Laufgängen vor den Zellen. Der breite Mittelschacht war in jedem Stockwerk mit einem Drahtnetz überspannt, um Selbstmordversuche oder Unglücksfälle unmöglich zu machen.
»Sie kommen dort oben hin«, erklärte der Wärter im Vorbeigehen. »Etage D«.
Nachdem er Bettzeug gefasst hatte, wurde Hemlingson zur Zelle D 57 geführt, und als die Tür sich kurze Zeit später hinter ihm schloss, sah er sich von einem Mann aus der oberen der beiden Kojen gemustert, die fast die ganze linke Hälfte der schmalen Zelle einnahmen.
»Guten Morgen«, sagte Hemlingson höflich.
Der Mann mit dem zernarbten Gesicht grinste plötzlich und zeigte dabei seine tadellosen Zähne.
»Verflucht und zugenäht! Armer Knabe!«
»Wie bitte?«
»Sie haben dich den Wölfen vorgeworfen, Kumpel! Haben dich mit dem großen, bösen Wolf persönlich zusammengesperrt.« Er streckte eine große Hand aus. »Siebenunddreißig-fünf-fünfzehn. Aber mein Name ist Meddlar, Tony Meddlar.«
»Ich heiße Hemlingson, Gregory Hemlingson.«
»Verflucht und zugenäht! Der Major!«
Meddlar ergriff wieder Hemlingsons Hand und schüttelte sie diesmal noch kräftiger.
»Es ist mir ein Vergnügen und eine Ehre, Major! Du meine Güte, wer hätte das gedacht.« Er schüttelte in glücklicher Verwunderung den Kopf. »Der Alte muss jetzt eine ganz und gar weiche Birne bekommen haben, dich mit mir zusammenzusperren, Major! Junge, ist das eine Sache! Tony Meddlar und der Major! Ich sage dir: in zwei Wochen leiten wir den ganzen Stall hier. Aber richtig!«
Hemlingson sah ihn verwirrt an.
»Ich - ich dachte, du bist schon ziemlich lange hier? Der Wärter...«
»Gefängnisaufseher, nicht Wärter. Man nennt sie nicht Wärter, verstehst du. Das hören sie nicht gern.« Er lachte. »Übrigens stimmt es: Ich sitze schon zwei Jahre hier.«
»Und trotzdem weißt du über mich Bescheid?«
»Wir sind hier nicht am Ende der Welt, Major. Und selbst wenn es so wäre, wüsste ich, was draußen vorgeht. Ich habe meine Kontakte.«
Meddlar zeigte dem Neuling, wie man das Bett ordnungsgemäß machte, und während sie noch damit beschäftigt waren, schrillte draußen eine Glocke. Die Türen wurden aufgeschlossen, und jemand brüllte Befehle.
»Bis später, Major«, sagte Meddlar beim Hinausgehen. »Lauf inzwischen nicht weg.«
In wenigen Tagen hatte Hemlingson sich in seiner neuen Umgebung eingelebt. Inzwischen wusste er auch, dass Rangerhope und Vollandier ebenfalls nach Wringlow gebracht worden waren. Aber ihre Zellen lagen in einem anderen Flügel, und er bekam sie zuerst nicht zu Gesicht. Nach Gesprächen mit weiteren Gefängnisbeamten wurde Hemlingson Arbeit im Magazin zugewiesen. Er kam dabei mit anderen Gefangenen in Berührung und machte die gleiche erfreuliche Erfahrung wie mit seinem Zellengeführten Meddlar. Die Mitgefangenen behandelten ihn mit Hochachtung. Für sie war er einer von den Kapitalen - von den Männern, die zu den Spitzenkönnern ihres Berufs gehörten und nur auf ganz große Beute ausgingen.
Es war eine amüsante Feststellung für Hemlingson, dass die Klassenunterschiede in einem Gefängnis viel starrer und schroffer waren als irgendwo sonst in einer Gesellschaft. Da er selbst eine Bande von bewaffneten Männern geleitet und mit ihnen einen fast geglückten, großen Bankraub durchgeführt hatte, galt er hier offensichtlich als Mitglied der Verbrecheraristokratie.
Das erwies sich als nützlich für Hemlingson, da ihm viele lästige kleine Arbeiten von Mitgefangenen abgenommen wurden, die sich bei ihm einschmeicheln wollten. Auf diese Weise konnte er auch mühelos mit Rangerhope und Vollandier in Nachrichtenverbindung treten, und kurze Zeit später kam es zu der ersten direkten Begegnung.
Da die Gefängnisbibliothek zumeist aus altmodischen und zerlesenen Reisebüchern und langweiligen Gesellschaftsromanen bestand, hatte Hemlingson sie am Anfang wenig benutzt. Erst als er hörte, dass Rangerhope dort arbeitete, ging er wieder hin. Er wartete, bis Rangerhope zwei andere Gefangene mit Büchern versorgt hatte, und trat dann an den Schalter. Während Rangerhope ihm Bücher vorlegte und er darin blätterte, führten sie eine Unterhaltung im Flüsterton.
»Schon etwas organisiert?«, fragte Hemlingson.
»Noch nicht.«
»Was ist mit den anderen? Hast du etwas gehört?«
»Nein.« Rangerhope drückte den Datumstempel auf eine Leihkarte und murmelte dabei: »Kümmere dich nicht um die anderen, mein Alter. Was ist mit uns?«
Hemlingson zögerte. Sollte er ehrlich sein? Bisher bestand sein ganzer Fluchtplan nur aus einer nebulösen Idee.
»Ich habe einen prächtigen Zellengenossen«, sagte er ablenkend.
»Dann möchte ich gern tauschen. Meiner schnarcht.«
»Meiner ist ehrgeizig.«
Ein Wärter kam in Sicht, und Hemlingson wollte gehen. Im letzten Moment fiel ihm ein, dass es unauffälliger wirken würde, wenn er ein Buch mitnahm. Er legte Rangerhope eines von den Büchern wahllos zum Stempeln vor.
»Das nehme ich.«
Rangerhope musste unwillkürlich lächeln, als er den doppelsinnigen Titel las: Liebe zwischen Tulpen.