Die Inseltöchter - Der letzte Sommer - Karen Swan - E-Book

Die Inseltöchter - Der letzte Sommer E-Book

Karen Swan

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Beschreibung

Eine Insel voller Geheimnisse, eine außergewöhnliche Frau, eine unwiderstehliche Liebe

Sommer 1930: Effie liebt ihre Heimat St. Kilda über alles. Auf der abgelegenen schottischen Insel mit ihren schroffen Felsen und unzähligen Seevögeln hat sie ihr ganzes bisheriges Leben verbracht. Als der Earl of Dumfries und sein Sohn Lord Sholto St. Kilda besuchen, soll Effie den beiden die Schönheit der Insel zeigen. Doch der junge Lord hat nur Augen für Effie, und der Abschied fällt ihm ebenso schwer wie ihr. Kurz darauf erfahren die Bewohner St. Kildas, dass sie aufs Festland übersiedeln müssen. Für Effie ist die Vorstellung, ihre geliebte Heimat zu verlassen, ein Albtraum. Doch es ist zugleich ihre einzige Chance, Lord Sholto wiederzusehen ...

Auftakt der großen neuen Serie der SPIEGEL-Bestsellerautorin, basiert auf wahren historischen Ereignissen.

»Der beste historische Liebesroman des Jahres.« Independent

»Lebendig erzählt und wunderbar atmosphärisch. Ein wahrer Genuss!« Heat Magazine

»Eine vielversprechende neue Serie. Diese großartige Geschichte und ihre unkonventionelle Heldin werden viele Herzen erobern.« Publishers Weekly

»Die aufregendste, bezauberndste und bewegendste Geschichte über verbotene Liebe, die ich jemals gelesen habe.« Cathy Bramley

»Eine hinreißende Liebesgeschichte im wilden Schottland der 1930er-Jahre. Perfekt für alle, die vom Sommer träumen.« Rachel Hore

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Seitenzahl: 637

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Buch

Sommer 1930: Effie liebt ihre Heimat St. Kilda über alles. Auf der abgelegenen schottischen Insel mit ihren schroffen Felsen und unzähligen Seevögeln hat sie ihr ganzes bisheriges Leben verbracht. Als der Earl of Dumfries und sein Sohn Lord Sholto St. Kilda besuchen, soll Effie den beiden die Schönheit der Insel zeigen. Doch der junge Lord hat nur Augen für Effie, und der Abschied fällt ihm ebenso schwer wie ihr. Kurz darauf erfahren die Bewohner St. Kildas, dass sie aufs Festland übersiedeln müssen. Für Effie ist die Vorstellung, ihre geliebte Heimat zu verlassen, ein Albtraum. Doch es ist zugleich ihre einzige Chance, Lord Sholto wiederzusehen …

Weitere Informationen zu Karen Swan sowie zu lieferbaren Titeln der Autorin finden Sie am Ende des Buches.

Karen Swan

Der letzte Sommer

Die Inseltöchter

Roman

Aus dem Englischen von Anne Fröhlich

Die englische Originalausgabe erschien 2022 unter dem Titel »The Last Summer« bei Macmillan, an imprint of PanMacmillan, London.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Deutsche Erstveröffentlichung April 2024

Copyright © 2022 by Karen Swan

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2024

by Wilhelm Goldmann Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Covergestaltung: UNO Werbeagentur, München

Covermotive: gettyimages / Scott Robertson; © FinePic®, München

Redaktion: Ann-Catherine Geuder

LS · Herstellung: ik

Satz und E-Book-Konvertierung: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-641-30448-5V001

www.goldmann-verlag.de

Für Laura Tinkl, die jetzt Teil unserer Geschichte ist

Karte

Prolog

21. Juni 1930Glen Bay, St. Kilda

Drei junge Frauen saßen im Schneidersitz im Gras, die tief stehende Sonne warf bereits lange Schatten. Träge Schafe, die auf den Hängen weideten, suchten an niedrigen Steinmauern Schutz, zuckten mit ihren kurzen Schwänzen gegen die Fliegen an und warteten auf eine frische Brise. Es war der längste Tag des Sommers, der Himmel schien den Atem anzuhalten, eine trockene Hitze hing über allem wie ein Schleier. Die Frauen arbeiteten im Gleichtakt, während sie Vögel rupften. Weiße Daunen sprenkelten die Wiese wie Gänseblümchen.

Flora hielt inne und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. »Das hier werde ich nicht vermissen.«

»Natürlich nicht. Du wirst dich nicht mal daran erinnern«, sagte Effie mit einem spöttischen Seitenblick. »Du wirst in deinem mehrstöckigen Haus wohnen und das Leben einer feinen Dame führen, wirst einen Lippenstift besitzen und ein Radio und kaum glauben können, dass du jemals Sturmvögel rupfen musstest.«

Flora setzte sich aufrecht hin; die Vorstellung gefiel ihr. »Ihr müsst mich unbedingt besuchen. James sagt, es gibt für jede von euch ein eigenes Schlafzimmer, ihr bekommt neue Kleider, und wir gehen ins Theater und in Restaurants …«

Mhairi runzelte die Stirn. »Echte Restaurants?«

Effie lachte. »Echte Restaurants! Dort servieren sie einem Geflügel, das andere gerupft und zubereitet haben.«

»Oh … das muss schön sein.«

»James sagt, in Glasgow kann man einen Monat lang jeden Abend ausgehen, ohne zweimal am selben Ort zu essen.« Flora warf ihr langes dunkles Haar zurück.

Effie zuckte mit den Schultern. »Was ich zu essen kriege, ist mir egal, solange ich satt werde.«

Mhairi hatte aufgehört zu arbeiten und die Hände in den Schoß gelegt. Als die anderen irritiert aufblickten, sahen sie, dass sie mit den Tränen kämpfte.

»Schscht, Mhairi«, sagte Flora schnell. »Alles wird gut.«

»Wie kannst du das behaupten? Bei mir ist es anders als bei dir. Wenn wir erst mal dort sind, bekommst du alles, was du dir je gewünscht hast. Aber ich werde alles verlieren! Und niemand kann etwas dagegen tun.«

»Du weißt nie, was passiert. Irgendwann wird sich auf ruhigem Meer eine Welle erheben. Alles ist möglich, Mhairi.« Flora strich ihrer Freundin über das flammend rote Haar, dann griff sie nach ihrer Hand. »Du musst einfach daran glauben, dass du an einem anderen Ort glücklich wirst.«

Mhairi zog ihre Hand weg. »Das sagst du immer, aber … es ist einfach zu viel verlangt!« In ihren grauen Augen loderte es. Sie hatte ein offenes und sanftes Wesen, aber jetzt brach sich ihr Ärger Bahn.

»Ich weiß. Und ich wäre an deiner Stelle auch aufgebracht. Ich wäre verrückt vor Kummer«, stimmte Flora ihr teilnahmsvoll zu. »Aber du bist ein besserer Mensch als ich. Du bist durch und durch gut. Ich bin es nicht mal an der Oberfläche.«

»So schlimm ist es nun auch wieder nicht.« Effie verdrehte die Augen.

»Nicht? Ich verliere ja schon die Beherrschung, wenn mir der Wind die Haare durcheinanderbringt. Ich fluche, wenn ich mir an der Kirchenbank das Knie stoße. Wenn das hier nicht wäre« – sie legte die Hände an ihr schönes Gesicht –, »dann hätte man mich schon vor Jahren über die Klippen gestoßen.«

Einen Moment herrschte Schweigen, dann breitete sich auf Floras Gesicht ein schelmisches Grinsen aus.

Mhairi musste gegen ihren Willen kichern. »Das hätte man nicht«, sagte sie tadelnd und tätschelte liebevoll Floras Knie. »Du hast jede Menge gute Eigenschaften.«

»Ich bin ein hübsches Ungeheuer«, erklärte Flora und sah nicht im Geringsten bekümmert aus. »Und Effie ist eine flachsblonde Wilde …«

»He!«, protestierte Effie, die lange Hosen trug, um ihre Knie und Schienbeine zu verbergen, die vom vielen Klettern auf den Felsen völlig verschorft waren.

»Du bist die Beste von uns, Mhairi. Es ist ausgeschlossen, dass das nicht irgendwann belohnt wird«, sagte Flora mit der ihr typischen Bestimmtheit. »Auch wenn du jetzt noch nicht daran glauben kannst. Du musst einfach darauf vertrauen.«

Mhairi schüttelte traurig den Kopf. Mit ihrer leidenschaftlichen Art konnte Flora die anderen normalerweise von allem überzeugen – dass der Himmel grün war und das Meer schwarz –, aber Mhairi hatte nicht das Bedürfnis, sich eine ungewisse Zukunft auszumalen, wenn sie doch bereits alles hatte, was sie sich wünschte. Wenn sie nur hierbleiben könnten … Aber die Entscheidung war gefallen, und sie konnten es nicht ändern – keine von ihnen.

»Und das Gleiche gilt für dich.«

Effie zuckte zusammen und hielt den Atem an, als Flora ihren eindringlichen Blick auf sie richtete. Sie schloss die Augen und wünschte sich, ihre Freundin hätte recht. Aber wenn es für sie selbst noch irgendwie gut ausgehen sollte, musste sie mehr tun, als nur ein Schiff zu besteigen. Nicht weil ihr neues Leben noch in so ferner Zukunft lag und an einem unbekannten Ort. Nein, der Grund war ein anderer: eine unaussprechliche, ja undenkbare Bedrohung. Das Gefühl von Unheil hing über ihr wie ein Damoklesschwert, egal was sie tat, ob sie nun Torf stach oder Beete hackte. Es war wie ein Schatten, der sie bis in ihre Träume verfolgte.

»Du wirst dort frei sein«, sagte Flora voller Inbrunst.

Effie schluckte und nickte – sie wollte es so gerne glauben. Eine Weile sprach keine von ihnen. Irgendwie schien es immer noch unmöglich, hier auf dieser abgelegenen Insel mit dem Bösen in Berührung zu kommen. Doch in diesem Frühjahr hatte sich alles geändert.

»Es ist noch eine Weile hin, aber du solltest vorbereitet sein, für alle Fälle«, sagte Flora. »Man muss seine Köder ausgraben, bevor die Flut kommt.«

»Ich weiß.« Effie hatte nach und nach zusammengetragen, was sie brauchte, wobei sie darauf geachtet hatte, die kleinen Diebstähle nicht zu dicht aufeinanderfolgen zu lassen, damit es nicht auffiel, wenn ein Stück Seil oder ein verrostetes Messer aus einem Boot verschwanden. Noch eine einzige Sache fehlte ihr, aber sie wusste, dass sie die auf der Insel nicht bekommen würde. »Und ich habe es bald geschafft, wenn Captain McGregor mir hilft.«

»Wann legt er ab?«, fragte Mhairi beklommen.

Effie blickte zur sinkenden Sonne, um die Uhrzeit abzuschätzen. Sie stand schon unterhalb der Mullach-Bi-Klippen; etwa drei Stunden würde es wohl noch hell sein. Aber bei einem Fußweg von zwei Stunden auf die andere Seite der Insel …

»Bald. Ich sollte mich auf den Weg machen.« Sie wollte aufstehen, aber Flora ergriff ihre Hand.

»Warte!«

Sie saßen in ihrem kleinen Kreis und hielten sich an den Händen. Das Tosen des Meeres und das Tschilpen der Zaunkönige um sie herum fügten sich zu einer Symphonie.

»Ich weiß, es ist nicht leicht«, sagte Flora. »Für euch beide ist es besonders schwer. Bald gehen wir von hier fort, und alles wird anders sein, als wir es kennen. Manches besser, anderes schlechter. Aber ich weiß auch, dass wir eines Tages auf diesen Moment zurückblicken werden – auf uns drei, wie wir im Gras sitzen, mit Federn in den Haaren und toten Vögeln auf den Knien –, und etwas davon wird immer noch da sein.«

»Was?« Mhairi blinzelte.

»Wir. Das hier.« Flora drückte ihre Hände fester. »Wir werden immer St.-Kilda-Mädchen sein, wohin es uns auch verschlägt. Ma sagt immer, dass etwas kein Geheimnis mehr ist, wenn drei Menschen davon wissen, aber in unserem Fall täuscht sie sich. Was wir drei tun, wird niemand außer uns je erfahren.« Sie legte sich einen Finger an die Lippen. »Wir sind Schwestern. Ja?«

Mhairi nickte und Effie, die einen merkwürdigen Kloß im Hals hatte, ebenfalls. Sie war nicht der sentimentale Typ, aber das alles drohte ihr unter die Haut zu gehen. Sie stand auf, die Schultern hochgezogen, ihr schmaler Körper spröde und zerbrechlich wie ein Zweig. »Ich komme wieder, sobald ich kann.«

Als sie sich umdrehte und auf den Bergkamm zuging, konnte sie die besorgten Blicke ihrer Freundinnen spüren. Sie wollte bei ihnen bleiben. So tun, als wären sie immer noch kleine Mädchen, und als wäre das Leben, wenn auch nicht leicht, so doch wenigstens gerecht. Aber diese Zeiten waren vorbei, und sie wusste, sie musste der Zukunft ins Auge sehen. Flora hatte recht – sie hatte immer recht: Jetzt war der Moment, den Köder auszugraben. Bevor die Flut kam.

Vorher

1. Kapitel

Ein Monat zuvor – 13. Mai 1930

Am Strand bellten die Hunde. Die alten Frauen waren vor ihre Haustüren getreten und blickten stirnrunzelnd auf die Bucht hinunter. Es herrschte Ebbe, schon den ganzen Tag wehte ein heftiger Wind, der das Meer aufwühlte, und die Vögel kreisten aufgeregt über den Wellen.

Effie blieb auf dem Melkstein sitzen und füllte gelassen den Eimer, die Wange an Ionas Bauch. Sie wusste, dass es noch mindestens zwanzig Minuten dauern würde, bis ein Schiff um die Landzunge kam, auch wenn es bei diesem Wind heute etwas schneller gehen mochte. Poppit, ihre Collie-Hündin – braun mit einem weißen Fleck über dem Auge –, saß neben ihr, die Ohren aufgestellt, und blickte zum Wasser hinunter, in Erwartung der noch weit entfernten Eindringlinge. Sie wich nicht von Effies Seite.

Von ihrem erhöhten Standpunkt aus konnte Effie die Dorfbewohner umherlaufen sehen. Das Melkgehege lag auf einem Drittel des Weges zum Gipfel, und sie genoss jedes Mal die Aussicht. Es war ein Dienstag, also Waschtag, und die jüngeren Frauen standen mit gerafften Röcken in den Bächen und unterhielten sich, während sie ihre Wäsche schrubbten. Wären Besucher auf die Insel gekommen, hätten die Frauen ihre Laken nicht an den Leinen flattern lassen, aber in dieser Woche wurden keine Touristenschiffe erwartet. Wenn ein Fischkutter eintraf, machte das nichts aus – die meisten der Kapitäne waren Freunde.

Aufgrund der Lage in einem Talkessel konnte man das Kommen und Gehen jedes Dorfbewohners von beinahe jedem Punkt aus beobachten. Die Hänge stiegen zu drei Seiten erst sanft an, führten dann weiter oben zu hohen Felsen, die auf der anderen Seite zur tosenden See hin steil abfielen. Nur auf der südöstlichen Seite flachten sie zu einem Kiesstrand ab, geformt wie der Schnabel einer Milchkanne. Das war die einzige Stelle, an der man auf der Insel anlegen konnte. Die See war rau, aber glücklicherweise grenzte die Insel Dùn – nicht viel mehr als ein Stück karger Fels in Form eines Fingers – beinahe an die Küste von Hirta, der einzigen bewohnten Insel des Archipels St. Kilda. Die kleine Nachbarinsel bildete einen natürlichen Wellenbrecher, sodass die Village Bay im grauen Gewässer des nördlichen Atlantiks einen sicheren Hafen bildete. Während besonders heftiger Stürme hatten hier schon bis zu zwanzig Schiffe Zuflucht gesucht.

Kutterfischer, Walfänger und Matrosen – alle, die in der Village Bay Schutz fanden – schwärmten von dem hübschen Anblick des einladenden Dörfchens, das sich in das Oval der Bucht schmiegte, mit rauchenden Schornsteinen und flackernden Öllampen. Die grauen Cottages, dazwischen vereinzelte traditionelle Blackhouses, die seit den 1860er-Jahren zunehmend verfielen, standen Seite an Seite an der Ostseite der Bucht, entlang einem Deich aus massiven Steinen. Wenn man von den Bergkämmen hinunterblickte, sahen sie aus wie eine Reihe von Zähnen. Riesenzähne, hatte Effies Mutter immer gesagt.

Durch seine Lage war das Dorf vor dem Wind geschützt, der über die Hänge pfiff und so stark war, dass er Felsbrocken lockern und Dächer von den Häusern reißen konnte (jedenfalls bevor der Landlord, Sir John MacLeod of MacLeod, sie mit Stahlbändern hatte befestigen lassen).

Es gab nur eine einzige Straße, einen breiten, grasbewachsenen Weg, der zwischen den Cottages und einer breiten, niedrigen Mauer entlangführte, hinter der Anbauflächen lagen. Die Dorfstraße war das Herzstück des Insellebens. Hier versammelte man sich an schönen Tagen im Windschatten der Häuser, um die Sonne zu genießen. Die alten Frauen saßen mit Strickzeug oder am Spinnrad vor ihren Türen, Kinder rannten an der Mauer entlang, gelegentlich stieg eine Kuh darüber. Jeden Morgen trafen sich die Männer vor der Nummer fünf oder sechs zum »Parlament«, um ihre täglichen Absprachen zu treffen oder Aufgaben zu verteilen, und nach dem Abendessen schlenderte man hier entlang, um die »Abendnachrichten« zu erfahren.

Zu jedem Cottage gehörte auf der anderen Seite der Dorfstraße ein schmales, von Mauern eingefasstes Grundstück, das bis hinunter zum Strand reichte. Hier bauten die Dorfbewohner in traditionellen Lazybeds ihre Kartoffeln an, hängten Wäsche auf und ließen ihre wenigen Nutztiere überwintern. Während der Sommermonate wurden die Kühe hinter dem Deich gehalten, während die vielen Schafe in der Glen Bay auf der anderen Seite der Insel weideten. Von der Village Bay durch einen hohen Bergkamm, den Am Blaid, getrennt, fielen die Felswände auf der anderen Seite steil in eine enge Bucht ab. Auf der Nordseite waren die Wellen unerbittlich, und dort drüben gab es keinen nennenswerten Strand. Auch wenn die Dorfbewohner für Notfälle ein Ruderboot bereithielten, war das An- und Ablegen dort nur in den seltenen Fällen möglich, wenn der Wind sich drehte und das Meer vorübergehend still dalag.

Iona hörte auf zu kauen und trat gereizt von einem Bein aufs andere. Gelassen streckte Effie die Hand nach dem Ampfer aus, den sie auf dem Weg herauf gesammelt hatte, und warf ihr noch ein paar Blätter hin. Die Kuh seufzte zufrieden, und Effie fuhr mit dem Melken fort.

Ein paar Minuten später war der Eimer beinahe voll, und Effie setzte sich auf und tätschelte Ionas Flanke. »Gutes Mädchen«, murmelte sie, erhob sich vom Melkstein und blickte den Hang hinab. Wie sie es vorhergesehen hatte, bog gerade der Bug eines Segelschiffs um das Kap von Dùn.

Sie beobachtete, wie das Schiff ruhig in die Bucht glitt, der Anker geworfen und die Segel eingeholt wurden. Doch kein Fischkutter. Die Frauen würden sich ärgern. Dieses Schiff mit seinen drei dünnen Masten und dem gebogenen Rumpf war ein feines Exemplar, eins, das man eher in den azurblauen Gewässern Frankreichs als an den Äußeren Hebriden erwartet hätte.

»Freund oder Feind?«, schallte es durch die Bucht.

Die Crew war von hier aus nur als kleine schwarze Punkte zu erkennen, aber man konnte sehen, dass die Einheimischen bereits das Dingi fertig machten; die Männer würden kräftig gegen die Wellen anrudern müssen, die an den Strand rollten. Die Passagiere auf der Jacht hatten sich einen ungünstigen Tag zum Segeln ausgesucht. Auf dem offenen Meer musste das Schiff herumgeworfen worden sein wie eine Nussschale, und das Anlegen war kein Kinderspiel, auch wenn Dùn sie vor dem Schlimmsten bewahrte. Der Südostwind ließ das Wasser in der sonst so geschützten Bucht schäumen und brodeln wie in einem Hexenkessel, und es war nicht garantiert, dass die Leute an Land gelangten.

Nur eins stand fest: Auch wenn die Männer es schafften, die Passagiere von Bord zu holen, würde keiner von ihnen trocken bleiben, und das wussten die Dorfbewohner. Aus den Schornsteinen stiegen bereits kleine Rauchwolken auf, Menschen eilten zwischen den Cottages hin und her, nahmen ihre Wäsche ab, zogen sich Schuhe an, schoben ihre Spinnräder so in Position, dass die Besucher sie sehen konnten.

Die Versorgung von Touristen war inzwischen zu einer recht profitablen Nebenbeschäftigung geworden. Auf Hirta selbst, wo es keinen einzigen Laden gab, hatte man zwar keine Verwendung für Geld, aber man konnte einen der Kapitäne darum bitten, beim nächsten Besuch Leckereien mitzubringen. Und wenn der Verwalter kam, um die Mieten einzutreiben, konnte man mithilfe des Geldes eine Extrazahlung leisten. Man konnte sich auch, wie in Floras Fall, einen knallroten Lippenstift besorgen lassen – so einen, wie ihn einmal eine Touristin in Stöckelschuhen benutzt hatte –, auch wenn das reine Verschwendung war, wenn man wie Flora während des Sommers zwölfhundert Schafe drüben in der Glen Bay hüten musste.

Keiner der Dorfbewohner verstand genau, warum die ganze Welt ein solches Interesse an ihnen hatte, aber Ian MacKinnon, der Postmeister und Mhairis Vater, hatte gehört, dass auf St. Kilda gestempelte Postkarten inzwischen ungemein beliebt, wenn nicht gar wertvoll waren. Ihre Lebensweise, so hieß es, sei vom Rest der Welt längst überholt worden. Die Industrialisierung führte dazu, dass sich die Gesellschaft schneller veränderte als je zuvor in den vergangenen Jahrhunderten, und die Leute auf der Insel wurden zu lebenden Reliquien, Kuriositäten aus einer anderen Epoche. Manche Leute mochten sie bemitleiden, aber das war den Bewohnern von St. Kilda völlig egal. Sie hatten gelernt, das Spiel zu ihrem Vorteil zu nutzen – und Effie war darin die Meisterin.

Sie nahm den Milcheimer und begann, den Hang hinabzusteigen, ohne die schwarzen Punkte aus den Augen zu lassen, die sich von dem einen schwankenden Schiff zum anderen bewegten. Wenn die Passagiere erst wieder trocken waren und sich von dem Seegang erholt hatten, musste man ihnen etwas bieten, das wusste sie. Und genau das hatte sie vor.

»Wo machen sie ihre Vorführung?«, fragte ihr Vater mürrisch. Während Effie Rahm zu Butter schlug, stand er am Fenster und blickte hinaus, die Pfeife locker zwischen den Lippen.

»Am Sgeir nan Sgarbh, denke ich«, antwortete Effie, schloss das Butterfass und trat zu ihm. »Dort ist es windgeschützt.«

»Oben am Felsen, aye, aber ob sie unten auf dem Wasser mit dem Dingi zurechtkommen?«

»Archie MacQueen hat starke Arme«, murmelte sie.

»Nur die Beine halten nicht mit«, ergänzte ihr Vater.

»Stimmt, die nicht.« Sie sah drei Männer die Straße entlanggehen. Einen erkannte sie an seinem Gang – Frank Mathieson, den Verwalter, Vertreter ihres Landlords und eigentlicher Herrscher über die Insel –, aber die anderen waren Fremde. Sie trugen gut geschnittene dunkelbraune Anzüge und Hüte, bei einem der beiden war blondes Haar darunter zu erkennen und ein gebräunter Nacken. Effie beschwor ihn, sich umzudrehen, damit sie das Gesicht sehen könnte, das zu diesem Haar und der eleganten Gestalt gehörte, aber jetzt gingen die drei um eine Biegung und verschwanden aus ihrer Sicht.

Die Gruppe, die an Land gekommen war, war enttäuschend klein – ein privater Besuch, hatte Ian MacKinnon erklärt. Das bedeutete, die Trinkgelder würden dürftig ausfallen. Wenn die Frauen ihre Wäsche hereinholen mussten, wollten sie das nicht umsonst getan haben – aber nur zwei Gäste konnten sie dafür kaum entschädigen.

Den Kapitän hatte man im Cottage von Onkel Hamish untergebracht, die beiden anderen Männer wohnten im Verwalterhaus, denn das war das größte der Insel. Effie beneidete sie nicht um Mathieson als Gastgeber.

»Ich bringe das noch schnell ins Kühle«, sagte sie, nahm das Butterfass und ging hinaus, Poppit im Gefolge. Weiter unten drückten die Besucher gerade der verrückten Annie ein paar Pennys in die Hand, weil sie beim Wolle-Kardieren von der Jagd auf Papageientaucher erzählte oder von der traditionellen Hochzeitszeremonie, bei der das Brautpaar seinen Bund durch den Sprung über einen Besenstiel besiegelte. Annie sprach gut Englisch, anders als die anderen Dorfältesten – was aber nicht bedeutete, dass diese nicht ebenfalls kommunizieren konnten. Effie musste grinsen, als sie sah, wie Ma Peg ein Spiel daraus machte, sich vor der Kamera zu verstecken – als gehörte das Erschrecken über neue Technologien nicht längst der Vergangenheit an. Weitere Münzen wechselten den Besitzer.

Sie ging um das Cottage herum und ein kurzes Stück den Hang hinauf bis zum An-Lag-Plateau, wo die Schafhürden lagen, in die man die Tiere bei schlechtem Wetter trieb. Dahinter ragte majestätisch der Conachair auf, der höchste Berg der Insel. Er sah aus wie ein Trittbrett zum Himmel. Manchmal war er das auch, denn schon vielen waren seine schroffen Abhänge zum Verhängnis geworden. Durch den sanften Anstieg auf der Dorfseite in Sicherheit gewiegt, war man nicht auf die steilen Felsen vorbereitet, die auf der anderen Seite fast fünfhundert Meter steil zum Meer hin abfielen.

Die saftigen Weiden waren von Butterblumen und Grasnelken gesprenkelt, und Effie spürte den federnden Untergrund unter ihren Füßen, während sie an unzähligen identischen Hütten aus grob geschichteten Steinen vorbeiging. Schließlich erreichte sie den Cleit, in dem sie und ihr Vater Butter und Sahne lagerten. Sie bückte sich, um hineinzuschlüpfen und ihr Butterfass darin abzustellen. Obwohl es über tausendvierhundert dieser buckligen Bauten auf der Insel gab, kannte sie alle Cleits, die seit über dreihundert Jahren ihrer Familie gehörten. Jeder einzelne war für Lagerung bestimmter Waren vorgesehen. In diesem hier, unterhalb des An Lag, bewahrten sie Milchprodukte auf, in anderen Vogelfedern, Sturmvogelöl, Pökelfleisch oder Torf. Einige Cleits standen zwar leer, aber auch sie hatten ihre Funktion – als Notfalllager, zum Schutz vor Regen und Wind oder als Schlupfwinkel für Liebespaare.

Während sie den Hang wieder hinunterging und dabei geschickt über die Felsbrocken sprang, die aus dem Gras ragten, sah sie über die Dächer hinweg, dass sich die Dorfbewohner am Strand versammelten, um das Spektakel für die Besucher vorzubereiten.

»Kommst du mit, Effie?«, rief Lorna MacDonald, die gerade aus der Hütte des Postmeisters kam, wo sie manchmal arbeitete. Im Gehen richtete sie sich das goldbraune Haar.

Poppit sprang vor Effie her, als sie auf Lorna zuging. »Aye«, antwortete sie und grinste, »man weiß ja nie, vielleicht springen ein paar Pennys für mich heraus.«

»Und noch mehr.« Lorna zwinkerte ihr zu.

»Was meinst du damit?«

»Er sieht gut aus, der Jüngere. Ein Lächeln von ihm ist auch nicht zu verachten.« Lorna lachte, und ihre braunen Augen funkelten fröhlich.

Effie zuckte mit den Schultern. »Ich habe ihn nur von hinten gesehen.«

»Das ist auch schon nicht schlecht, finde ich.«

Effie schmunzelte. Es erstaunte sie immer wieder, dass Lorna hier im Ort die alte Jungfer war – schon dreiunddreißig Jahre und immer noch unverheiratet –, denn sie war ständig am Schäkern. Leider blieben die männlichen Besucher nie lange, und die Junggesellen im Dorf hatten kein Interesse an einer Frau, die klüger war als sie und außerdem älter und bald nicht mehr im gebärfähigen Alter.

»Was sind das überhaupt für Leute?«

»Reiche«, erwiderte Lorna gleichmütig. »Dem Schiff nach zu urteilen.«

Mit solchen Dingen kannte Lorna sich aus. Sie kam nicht von St. Kilda, sondern hatte sich als gelernte Krankenschwester dazu entschlossen, hier zu leben.

»Gut.« Effie seufzte, als sie sah, dass die Männer mit ihren Seilen sich schon auf den Weg machten. Die Hunde liefen im Rudel vorneweg. »Dann versuche ich, ein paar Pennys von ihnen zu bekommen, und überlasse dir dafür das Lächeln dieses jungen Mannes. Was sagst du dazu?«

»Abgemacht!«

Lorna zwinkerte ihr noch einmal zu, und Effie ging ins Cottage, um ihr Seil zu holen. Es war aus rauem Pferdehaar und lag geschmeidig in ihrer Hand. Ihr Vater saß in seinem Sessel am Ofen – er konnte nicht lange stehen – und stopfte sich eine Pfeife.

»Also, ich gehe jetzt.«

Er sah sie an. Seine Augen wirkten wässrig, die Augäpfel vom Alter gelblich, aber sein Blick verriet noch immer den starken Mann, der in dem gebrechlichen Körper steckte. Er nickte nur, sentimentale Abschiede waren nicht seine Sache. »Halt dich fest, Lass.«

»Aye.« Sie wusste, dass dies die letzten Worte gewesen waren, die er zu ihrem Bruder gesagt hatte. Kurz schien es ihr, als wollte er noch etwas hinzufügen, als wäre da noch Energie für weitere Worte in ihm. Aber der Moment verstrich, ohne dass er etwas sagte, und so nickte sie ihm nur noch einmal zu und ging hinaus.

Einige der Männer stiegen bereits die Hänge hinauf, Seile über den Schultern. Wie Effie es vorhergesehen hatte, gingen sie in Richtung der Klippen im Osten. Ein paar Felsen, die dort aus dem Wasser ragten, boten genug Schutz vor den heranrollenden Wellen, sodass das festgemachte Dingi während der Vorführung relativ sicher war.

Sie rannte und holte die anderen ein, die sich über die Besucher unterhielten.

»… Freunde des Landlords«, sagte David MacQueen, Floras ältester Bruder, gerade. »Wir sollten unsere Sache also möglichst gut machen.«

»Schade, dass der Wind so stark ist, sonst hätten wir weiter hinaus auf die Spitze gehen können«, sagte ihr Cousin Euan.

»Wenn ihnen speiübel ist, gibt es auch kein Trinkgeld«, antwortete Ian MacKinnon.

»Aber hier sind die Klippen niedriger.«

»Es wird schon reichen. Für Leute wie sie ist jede Klippe hoch.«

Effie ging jetzt neben Mhairis älteren Brüdern her, Angus und Finlay.

»Was machst du denn hier?«, fragte Angus in seinem üblichen spöttischen Tonfall.

»Das Gleiche wie du«, antwortete sie gelassen, ein wenig außer Atem.

»Wir gehen nicht auf Vogeljagd. Das wird nur eine Vorführung.«

»Aye, deshalb bekommt man auch Trinkgeld.«

»Strick ihnen lieber Socken!«

»Du weißt, dass ich dafür nur einen Bruchteil von dem kriege, was ich hier bekommen kann, und wir haben ausgemacht, dass ich mitmachen darf, wenn ihr alle auf den Klippen seid.«

»Du bist eine Nervensäge, Effie Gillies«, stöhnte Finlay.

»Du auch«, gab sie zurück.

Die anderen verdrehten die Augen, aber das kümmerte Effie nicht. Die Freunde ihres Bruders und Brüder ihrer Freundinnen neckten sie schon ihr ganzes Leben lang, und sie wusste sich zu wehren. Als Kinder hatten sie zusammen in den Cleits Verstecken gespielt, hatten zusammen im Schulhaus neben der Kirche lesen gelernt und einander während der Predigten des Pfarrers gegen das Schienbein getreten.

Aber Effie musste sich eingestehen, dass sich die Dinge änderten. Oder sich bereits geändert hatten. Jetzt herrschte eine unterschwellige Spannung, die vorher nicht da gewesen war. Der Tod ihres Bruders hatte sie alle tief getroffen. Außerdem sahen die anderen nicht mehr nur Johns kleine Schwester in ihr. Manchmal bemerkte sie Blicke, die neu waren, ganz anders als früher, und das machte sie nervös. Finlay schien ihr mit den Augen zu folgen, wohin sie auch ging, und Angus hatte eines Abends beim Torfstechen versucht, sie zu küssen. Bis heute verzieh er ihr nicht, dass sie gelacht hatte.

Für Besucher, die beim Gehen die Aussicht genießen wollten, war es bis zu den Sgeir-nan-Sgarbh-Klippen ein Fußmarsch von vierzig, fünfzig Minuten, sie aber schafften es in weniger als dreißig und hatten sich bereits über die Felsspitzen verteilt und ihre Seile ausgerollt, als das Dingi auftauchte. Vögel kreischten und flatterten um sie herum, Federn wirbelten durch die Luft. Das Boot sah von hier oben aus, als wäre es nicht größer als einer der Vögel. Effie blickte hinunter und suchte die Wand nach einer Route ab, überlegte, wo sie ihren Pflock am besten einschlagen konnte.

Schließlich wickelte sie ihr Seil um den Pflock und zog daran, um Festigkeit und Spannung zu prüfen. Zufrieden mit dem leichten Vibrieren, band sie es um ihre Taille, so wie es auf St. Kilda üblich war.

Noch einmal sah sie hinunter. Cousin Euan hatte recht; so hoch war es hier wirklich nicht. Zweihundert Meter? Etwa halb so hoch wie der Conachair. Eine Seillänge wäre vielleicht ein Drittel der Strecke nach unten. Aber heute waren sie nur zum Vergnügen hier. Keine Vögel jagen, keine Eier einsammeln, keine verlorenen Schafe retten. Einfach nur Spaß haben.

»Du siehst ein bisschen blass aus, Effie«, sagte Angus gedehnt. »Sicher, dass du das schaffst?«

Sie warf ihm einen verächtlichen Blick zu. Angus bildete sich ein, der schnellste Kletterer auf der Insel zu sein. Letztes Jahr hatte er das Old Trial gewonnen, ein Kletterrennen zwischen den jungen Männern, die demonstrieren wollten, dass sie würdig waren, eine Ehefrau – und zukünftige Kinder – zu versorgen. Falls er ihr irgendetwas beweisen wollte, konnte er sich die Mühe wirklich sparen. Effie war sich sicher, dass sie ihn bei dem Rennen geschlagen hätte (und alle anderen auch), wäre es ihr nur erlaubt gewesen, daran teilzunehmen. Aber als Mädchen …

»Eigentlich habe ich gerade überlegt, wie schnell ich da wohl runterkomme«, sagte sie.

Ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. »Du denkst, du schaffst das schnell?«

»Schneller als du.« Sie strich sich das helle Haar aus dem Gesicht und schlang es im Nacken zu einem Knoten. Dass die Haare ihr während des Kletterns ins Gesicht wehten und die Sicht raubten, war das Letzte, was sie brauchen konnte.

»Ha! Große Klappe, aber nichts in der Hose, Effie Gillies.«

Jetzt war es an ihr zu grinsen. »Da magst du recht haben. In meiner Hose ist wirklich nicht viel drin.«

Angus MacKinnon mochte der schnellste Mann auf der Insel sein, aber er war sicher nicht der Klügste. Demonstrativ zog sie die knielange Hose ein Stück hoch, die einmal John gehört hatte. Dass sie das einzige zum Klettern zweckmäßige Kleidungsstück war, das sie besaß, war nicht der einzige Grund, warum sie sie trug.

Finlay wurde rot vor Wut. »Achte nicht auf sie«, sagte er. »Sie will dich nur provozieren. Jeder weiß, dass du der Schnellste bist, Bruder. Zeig unseren reichen Gästen, was du draufhast. Das hier ist eine Vorführung, kein Wettlauf.«

Effie zuckte mit den Schultern, als wäre ihr das gleichgültig, aber sie alle wussten, dass der Fehdehandschuh geworfen war. Sie – ein Mädchen! – forderte Angus heraus, und der Wettstreit konnte hier ausgetragen werden. Warum nicht? Die Gelegenheit war so gut wie jede andere. Sie sah, wie er die Felswand hinunterblickte, während die anderen ein letztes Mal ihre Seile überprüften und ihre Positionen am Rand der Klippe einnahmen.

Effie blickte nach vorn, die Hände bereits am Seil, abwartend, hoffnungsvoll …

»Los jetzt!«, schrie Archie MacQueen. Floras Vater war zwar selbst ein erfahrener Felskletterer, aber inzwischen überließ er solche Darbietungen den Jüngeren; sein Bein war beinahe lahm, und auch sein Griff war nicht mehr so fest wie früher einmal. Außerdem blieb immer einer oben, für den Fall, dass jemand hochgezogen werden musste.

Das war das Stichwort, zu zeigen, was sie konnten, ihre Heldentaten unter Beweis zu stellen, für die die Einwohner von St. Kilda auf der ganzen Welt berühmt waren: auf den Felsen beinahe tanzen und springen zu können. Ohne zu zögern, lehnte sich Effie zurück und trat über die Kante. Sie spürte das Kribbeln im Bauch, als das Seil sich straffte und sie frei in der Luft hing. Sie stieß sich ab, schwang hin und her wie ein Pendel, darauf gefasst, mit den nackten Füßen gleich rauen Stein zu berühren, die Gesetze der Schwerkraft herauszufordern und über die Felsnadeln zu springen. Ein Besucher hatte einmal gesagt, das Schauspiel erinnere ihn an Spinnen, die an einer Wand hinunterglitten. Effie liebte das Geräusch der gespannten Seile – ein triumphierendes Sirren –, wenn sie und die Männer sich von einer Seite zur anderen schwangen.

»Also: Wer ist als Erster auf dem Boot?«

Angus, der neben ihr an seinem Seil hing, sah sie herausfordernd an. Effie musste grinsen: das Rennen auf dem Boot enden zu lassen, statt auf festem Boden, obwohl doch keiner von ihnen schwimmen konnte …

»Aye. Keine Sorge, ich warte unten auf dich.«

Angus kniff angesichts dieser Beleidigung wütend die Augen zusammen, aber da war Effie schon weg. Ihr Fuß fand einen kleinen Vorsprung, sie stellte sich darauf und suchte mit dem anderen Fuß bereits nach dem nächsten Ort. Auf St. Kilda kletterte man nie in Schuhen, sondern immer barfuß. Die Felswände waren unerbittlich und gaben kaum je mehr als einen oder zwei Zentimeter Raum für Halt, da war nichts besser als die bloße Haut. Schuhe und Stiefel – die Kennzeichen der Zivilisation – hatten an einer Granitwand nichts zu suchen.

Sie überließ die Männer ihren waghalsigen Spielchen: Sie stießen sich mit den Füßen von der Felswand ab, klammerten sich an winzigen Vorsprüngen fest, zogen sich wie Eidechsen daran hoch und ließen sich dann wieder hinuntergleiten. Andere krabbelten seitwärts wie Krebse über die Felsen.

Effie konzentrierte sich darauf, hinunterzukommen, die Armmuskeln angespannt. Zwischen ihren Beinen hindurch konnte sie das Boot weit unter sich sehen. Sie hatte keine Muskelberge zur Hilfe, aber die brauchte sie auch nicht. Sie war drahtig und leicht, beinahe mager, aber das bedeutete nicht, dass sie schwach war. Je weniger Körpermasse, desto weniger Gewicht. Sie wurde nicht so schnell müde. Sie war flinker, beweglicher …

Aus dem Augenwinkel nahm sie wahr, dass sie noch immer vor Angus lag, wenn auch nur knapp. Er hatte seine Muskelkraft und Körpergröße und die Schwerkraft auf seiner Seite.

Schon bald ging ihr das Seil aus. Sie balancierte für einen Moment auf einem schmalen Felsvorsprung und wickelte es von ihrem Oberkörper.

»Was machst du da?«, rief Ian MacKinnon in scharfem Ton zu ihr herunter, als sie anfing, frei zu klettern.

»Gewinnen! Keine Sorge. Es war Angus’ Idee.«

Ohne Seil zu klettern fühlte sich immer ganz anders an, und sie wusste, dass es leichtsinnig war. Aber die damit verbundene Intensität der Sinne – der geschärfte Blick und die Konzentration, das Adrenalin, das ihr neue Kraft gab – führte dazu, dass sie sich wieder an die Augen und das Lächeln ihrer Mutter erinnern konnte, an das Lachen ihres Bruders. Wenn das eigene Leben am seidenen Faden hing, hatte sie irgendwie das Gefühl, als könnte sie die Toten erreichen.

Immer weiter kletterte sie nach unten, behände und präzise, bis das Rauschen der Wellen in ihr Bewusstsein drang. Sie spürte die weiße, kalte Gischt des Meeres, die ihre bloßen Waden besprühte, aber Kälte und Nässe machten ihr nichts aus. Es ging nur darum zu gewinnen. Sie musste einfach die Gewissheit haben – und vor allem Angus sollte das erfahren –, dass sie die Schnellste und Beste war.

Sie sah das dunkle Meer unheilvoll nah. Keine zehn Meter mehr bis zur Wasseroberfläche, wo die Felsen steil in die Tiefen des Ozeans abfielen. Während sie immer weiter hinunterkletterte, wurde ihr klar, dass es nur eine Stelle gab, an der sie sich hinstellen und umdrehen konnte, eine schmale Kante knapp zwei Meter über der Wasseroberfläche, nicht breiter als eine Hand.

Ein Gefühl der Angst durchzuckte sie. Das hier war Wahnsinn! Wenn ihr Vater hörte, wie fahrlässig sie mit ihrem Leben umging … Oder war das gerade der Punkt? Vielleicht wollte sie genau das. Der Tod hatte ihrem Vater schon so viele Male das Herz gebrochen, und sie war die Einzige, die ihm noch geblieben war. Deshalb konnte – oder wollte – er sie nicht lieben, denn es war möglich, dass er auch sie noch verlor. Wenn sie jetzt ausrutschte und in die Wellen stürzte … würde er dann weinen? Würde er um sie trauern wie um die anderen? Auf der anderen Seite, wenn sie gewann – wäre er dann stolz auf sie? Würde er dann erkennen, dass sie ihm genug sein konnte?

Zum Nachdenken blieb keine Zeit. Jetzt ging es nur noch nach Instinkt. Ihre Füße fanden Halt, und sie klammerte sich mit weit ausgebreiteten Armen am Felsen fest, die Finger in die raue Oberfläche gekrallt, die Wange an den kalten, feuchten Granit gepresst. Sie atmete schnell, gönnte ihren brennenden Muskeln eine kleine Pause. Aber sie wusste, dass sie es noch nicht geschafft hatte.

Sie blickte nach oben. Angus war nicht viel mehr als einen Meter über ihr. Was ihm an Behändigkeit fehlte, machte er mit Muskelkraft wett. In ein paar Sekunden … Sie schaute vorsichtig über ihre Schulter und sah ganz in der Nähe das Dingi, das an einem Felsen festgemacht war. Ihr Onkel Hamish, der das Boot führte, blickte stirnrunzelnd zu ihr hoch, beobachtete sie genau – so wie Poppit vorhin, als sie nach dem Schiff Ausschau gehalten hatte. Er schien zu verstehen, was Effie vorhatte; dass sie sich gleich in das Boot werfen würde, auf irgendeine Weise. Falls er beunruhigt war, ließ er dennoch kein Zögern erkennen. Nicht vor den Gästen. Schnell zog er am Seil, um das kleine Boot so nahe wie möglich an die Felswand zu bringen, auch wenn er dabei riskierte, dass die Wellen es dagegen schleuderten, wenn es zu nahe herankam.

Eine unruhige Bewegung auf dem Boot verriet die Nervosität der Passagiere, als ihnen klar wurde, was Effie vorhatte. Sie wusste, sie würde die nächste Welle abwarten und dann springen müssen. Sie klammerte sich an die Wand und machte sich auf den richtigen Moment gefasst … als Angus neben ihr auftauchte.

Eine sprudelnde Welle schäumte über sie hinweg, und die plötzliche Kälte ließ sie nach Luft schnappen. Sie waren nun beide klatschnass, aber Effie achtete nicht darauf. Als sie spürte, dass sich die Welle zurückzog, drehte sie sich um und sprang aufs Geratewohl. Alles oder nichts!

Einen atemberaubenden, endlosen Augenblick lang fühlte sie sich, als könnte sie fliegen, genau wie die Vögel, die um sie herumflatterten oder am Himmel kreisten. Dann gewann die Schwerkraft die Oberhand, und sie landete – halb im Dingi, halb im Wasser. Sie spürte einen harten Stoß an der Brust, aber sie bekam den Bug zu fassen und klammerte sich mit beiden Armen daran fest, während das Boot wild hin und her schaukelte. Wasser schwappte über die Seiten, aber es war für die raue See gemacht, deshalb richtete es sich schnell wieder auf. Effie lachte siegessicher, als ihr Onkel Hamish sie hastig am Hosenbund packte und mit einem Ruck ins Boot zog wie einen gefangenen Lachs.

»Wusste nicht, dass du ’n Wettlauf draus machst«, sagte er mit einem strengen, missbilligenden Blick.

Das war das Äußerste, was er vor den Touristen sagen konnte, aber Effie wusste, dass er ihrem Vater davon erzählen würde. Ärger war zu erwarten, aber das war es wert. Sie hatte Angus MacKinnon geschlagen! Den schnellsten Kletterer der Insel. Jetzt konnte er nicht mehr behaupten, dass er ihr überlegen war.

»Es war Angus’ Idee«, keuchte sie, während sie sich auf die Knie hochrappelte, sich umblickte und sah, dass Angus sich immer noch an die Felskante klammerte. Seit ihrem sieghaften Sprung stand er wie erstarrt an derselben Stelle und wurde mit jeder Welle nasser. Er musste entweder ebenfalls springen oder wieder hinaufklettern.

Jetzt schnaubte er wütend und zeigte mit dem gereckten Daumen an, dass er sich für Letzteres entschieden hatte. Er hatte verloren. Wozu sollte er mit ihnen auf dem Boot zurückfahren? Effie würde nur mit ihrem Sieg angeben.

Onkel Hamish nickte, er verstand sehr gut, was gerade zwischen ihnen vorgefallen war. Die Männer sahen einander an, mit einem Blick, der Effie ausschloss, aber was kümmerte sie das? Zufrieden setzte sie sich auf die Bank, löste ihr Haarband und wrang ihre langen Haare aus. Meerwasser tropfte auf den Boden des Dingis.

»Herr im Himmel!«, ertönte eine Stimme. »Das ist ein Mädchen?«

Sie drehte sich um, damit sie die Besucher endlich richtig sehen konnte. In all ihrem Eifer, Angus zu besiegen, hatte sie ganz vergessen, wen sie hier eigentlich hatte beeindrucken wollen. Die drei Männer, die an der Hinterseite des Bootes saßen, starrten sie mit großen Augen an: Frank Mathieson, der Verwalter, und die beiden Besucher, die sie vorhin von hinten gesehen hatte.

»Nun ja, in einem Rock kann ich nicht klettern, Sir«, sagte sie grinsend, während sie sich so gut es ging die Hosenbeine auswrang.

»Es war nicht nur Ihre Kleidung, die mich getäuscht hat«, kam es von dem älteren Mann. »Auch das Tempo! Ich habe noch nie ein solches Schauspiel gesehen. Sie sind diesen Felsen hinuntergeklettert wie ein Eichhörnchen einen Baumstamm!« Der Mann war stämmig und hatte einen dunklen, leicht grau melierten Schnurrbart. Seine Brille spiegelte, sodass die Augen nicht gut zu erkennen waren, aber er wirkte sowohl freundlich als auch sehr beeindruckt.

»Ist es üblich, dass hier auch Frauen klettern?«, wandte er sich an ihren Skipper.

»Nur diese hier«, antwortete Onkel Hamish in resigniertem Tonfall, während er das Boot vom Felsen losmachte und anfing zu rudern. »Das ist meine Nichte, Euphemia Gillies.«

»Effie ist die Tochter von Robert Gillies. Die beiden wohnen in Nummer neun«, fügte der Verwalter hinzu, als wäre diese Information irgendwie notwendig. »Wie geht es Ihnen, Effie?«

»Aye, gut, Sir, danke der Nachfrage.«

»Sie werden immer kühner, wie ich sehe.«

»Wenn Sie mit kühner schneller meinen …«

Er lachte. »Erlauben Sie mir, Ihnen den Grafen von Dumfries und seinen Sohn Lord Sholto vorzustellen«, sagte er. »Bestimmt wissen Sie, dass die beiden gute Freunde von Lord MacLeod sind.«

»Ah«, sagte sie höflich, obwohl ihr nichts dergleichen bekannt war. Was für Freunde ihr Landlord hatte, interessierte sie nicht, auch wenn die Information Lornas Vermutung bestätigte, dass die Besucher reich waren.

»Die beiden waren zu Besuch bei Seiner Lordschaft in Dunvegan und hörten davon, dass ich eine Reise hierher plante …«

»Ich wollte schon immer einmal hierherkommen«, unterbrach ihn der Graf fröhlich. »Wissen Sie, ich beobachte leidenschaftlich gern Vögel, und Sir John war so freundlich, mein Angebot anzunehmen, Mr Mathieson hierherzubringen. Zwei Fliegen mit einer Klappe, Sie wissen schon.«

»Aye.« Effie spürte, dass Lord Sholto, der jüngere Mann, sie aufmerksam ansah, aber solange er nichts sagte, hatte sie keinen Grund, einen Blick auf ihn zu werfen. »Dann bleiben Sie eine Weile hier?«

Der Verwalter holte tief Luft. »Nun, es hängt einiges davon ab, wie das Wetter …«

»Mindestens eine Woche«, sagte Lord Sholto plötzlich, und ein verwirrendes Lächeln belebte seine Züge, als ihre Blicke sich trafen.

»Eine Woche?« Effie lächelte zurück. Endlich konnte sie sein Gesicht betrachten, seine blauen Augen und seine goldblonden Haare. Und was sie sah, gefiel ihr.

»Miss Gillies.«

Sie drehte sich um und sah den Verwalter, der am Strand hinter ihr hergeeilt war. Onkel Hamish machte das Boot fest, und die beiden vornehmen Gäste waren vom Pfarrer in Beschlag genommen worden, sobald sie einen Fuß an Land gesetzt hatten.

»Mr Mathieson.« Sie versuchte, ihre Ungeduld zu verbergen, aber ihre Tweedhosen waren völlig durchnässt, und sie wollte so schnell wie möglich nach Hause, um sich umzuziehen. Auf der Fahrt um das Kap herum waren sie wegen des Gegenwinds nur langsam vorwärtsgekommen, und sie zitterte vor Kälte.

Er blieb stehen, etwas unterhalb von ihr auf dem abschüssigen Weg, sodass sie ihn leicht überragte. Er war stämmig und nicht groß, aber auch nicht besonders klein. Die Tatsache, dass er so wenig auffiel, schien ihm entgegenzukommen; schon oft hatte ein Inselbewohner etwas gesagt, was er nicht hätte sagen sollen, ohne zu merken, dass der Verwalter in Hörweite gewesen war. Die Beziehung zwischen ihm und den Einwohnern von St. Kilda war recht angespannt, denn als Lieferant von Vorräten jeden Frühling und gleichzeitig Eintreiber der Mieten jeden Herbst war der Verwalter teils willkommen und teils gefürchtet. Wenn es ihm passte, lächelte er und war freundlich, aber man konnte nie ganz vergessen, dass die Macht, die er über sie alle hatte, beinahe absolut war. Kaum jemand – abgesehen von der verrückten Annie – wollte sich mit ihm anlegen. Er trug feinere Kleidung als die Männer aus dem Dorf und benahm sich wie sein vornehmer Dienstherr, aber seine geröteten, narbigen Wangen und die muskulösen Unterarme verrieten, dass er in erster Linie ein Kämpfer war.

»Nun, das war eine beeindruckende Vorstellung«, sagte er.

Effie war sich nicht sicher, ob das ein Kompliment sein sollte. »So war es gedacht«, sagte sie vage. »Es hat Ihnen also gefallen.«

Ein plötzlicher Windstoß fuhr ihr in das nasse Haar, und sie musste beide Hände benutzen, um es zurückzubinden. Der Himmel wurde bedrohlich dunkel.

»In der Tat.« Mathieson schwieg eine Weile, eine Gewohnheit, die sie im Laufe der Jahre häufig an ihm beobachtet hatte. Danach folgte immer ein Einwand. »Allerdings bezweifle ich, dass es nötig ist, diesen waghalsigen Spielchen noch etwas Neues hinzuzufügen.«

Es dauerte einen Moment, bis sie verstand, was er meinte. »Dass es ein Mädchen ist, das klettert, meinen Sie?«

Er zuckte mit den Schultern. »Ich verstehe, dass Ihre Verpflichtungen Ihrem Vater gegenüber es mit sich bringen, dass Sie regelmäßig Männerarbeit verrichten müssen, aber wenn es darum geht, bei Besuchern einen guten Eindruck zu machen …«

»Aber es scheint ihnen gefallen zu haben.«

»Nun, sie sind natürlich höflich, aber in der restlichen Welt sind viele Dinge etwas anders, dort spielen Anstand und Schicklichkeit eine wichtige Rolle. Es ist nicht Ihr Fehler, ich weiß, Sie kennen es nicht anders – wie sollten Sie auch? Aber Frauen, die über Felsen kraxeln wie Affen …« Er verzog das Gesicht. »Es ist wichtig, daran zu denken, was für einen Eindruck Sie auf die Besucher machen und wie diese später über Sie und Ihre Nachbarn reden werden. Ich bin mir sicher, dass Sie Sir John keine Schande machen wollen, nicht wahr?«

Sie hatte Sir John noch nie gesehen. »Natürlich nicht.«

»Also gut. Dann sind wir uns einig, dass es keine Anwandlungen von Eitelkeit am Seil mehr geben wird. Wir müssen dafür sorgen, dass sich unsere Gäste nicht unwohl fühlen bei dem, was sie hier erleben. Man zeigt sich von seiner besten Seite, nicht wahr?«

Sie starrte ihn an, zitternd vor Kälte und Wut.

»Aye, Sir.«

Er blickte über ihre Schulter hinweg die Straße entlang. »Wie geht es eigentlich Ihrem Vater? Ist sein Bein immer noch lahm?«

Sie kniff die Augen zusammen. »Das wird immer so bleiben.«

»Weshalb er sich umso glücklicher schätzen kann, Sie zu haben.« Er schien ihre Anspannung nicht zu bemerken. »Aber bitte sagen Sie ihm, ich komme später vorbei, um die Mietrückstände zu besprechen.«

»Rückstände?«, fragte sie alarmiert.

»Wenn ich mich recht erinnere, fehlten letztes Jahr dreizehn Ellen Tweedstoff. Ihr Onkel hat die Lücke zum Teil ausgeglichen, aber Sie lagen außerdem mit neun Gallonen Öl und sieben Säcken schwarzen Federn zurück.«

»Dieses Jahr wird es hinkommen. Wir waren nur im Rückstand, weil ich mir den Fuß verknackst hatte und zehn Tage nicht laufen konnte. Es war einfach Pech, dass es gerade passiert ist, als wir auf die Vogeljagd mussten.«

Der Verwalter sah nicht überzeugt aus. »Wir werden seinen Anteil neu verhandeln müssen. Sie erinnern sich bestimmt daran, dass ich so freundlich war, die Haferflocken-Rationen nach dem Unfall Ihres Bruders nicht zu reduzieren, sodass Sie nun seit nahezu vier Jahren mehr als Ihren Anteil …«

Effie sah ihn jetzt voller Angst an. Was er sagte, stimmte zwar, aber das, was sie hatten, reichte dennoch kaum. Die letzten Winter waren hart gewesen, sie hatten kaum Erträge gehabt und nur von ein paar Kartoffeln gelebt und von Haferflocken, die vom Frost beinahe schwarz waren.

»Ich war sowohl großzügig als auch geduldig, aber es ist nicht fair, von anderen zu verlangen, Ihre Defizite auszugleichen. Unfälle gibt es immer, Miss Gillies. Man kann nicht erwarten, das ganze Jahr über wohlauf zu sein.«

»Aber ich bin es. Und das bleibe ich auch«, versicherte sie eilig. Der Verwalter wusste es noch nicht, aber ihr Vater und sie hatten im Laufe dieses Jahres vier Schafe verloren, deshalb waren sie schon jetzt mit der Wolle im Rückstand. Ihr Vater hatte mit Donald McKinnon ausgemacht, hundert zusätzliche Sturmvögel dagegen einzutauschen. Ausnahmsweise waren Effies Kletterkünste willkommen, weil beide Männer ihr einen Fang zutrauten, der über das Übliche hinausging.

»Miss Gillies, ich muss Sie nicht daran erinnern, dass Sie als Mädchen Männerarbeit erledigen. Sie haben deutlich schlechtere Möglichkeiten.«

»Aber ich bin jetzt achtzehn, und im letzten Jahr bin ich gewachsen. Ich kann alles, was die anderen können, und das werde ich Ihnen beweisen, Sir.«

Der Verwalter sah sie scharf an. »Sie bekommen mehr, als Ihnen zusteht, und liefern weniger, als es Ihre Pflicht ist. Ich muss gerecht sein, Miss Gillies. Warum sollte ich weitere Ausnahmen für Sie machen? Wenn die anderen erfahren …«

»Aber das werden sie nicht. Ich sorge dafür, dass wir im September quitt sind.«

»Sie wollen also, dass ich dieses Geheimnis bewahre?«

»Geheimnis …?« Hinter ihm sah sie den Pfarrer und die beiden vornehmen Besucher herankommen, auf dem Weg zurück ins Dorf. Der Geistliche ließ sich über die Reparaturarbeiten im Pfarrhaus aus, als sie an ihnen vorbeigingen. Lord Sholto warf ihnen einen Blick zu, und Effie ertappte sich dabei, dass sie ihn automatisch anlächelte.

»Vor Ihren Nachbarn? Und Ihrem Vater?«

Sie sah den Verwalter verwirrt an, der sie aufmerksam beobachtete. »Nein, bitte sagen Sie meinem Vater nichts. Ich will nicht, dass er sich Sorgen macht. Ich kann die Quote dieses Jahr erfüllen, ich weiß, dass ich das schaffe.«

Er schüttelte missbilligend den Kopf. »Ich weiß nicht, warum ich mich von Ihnen beeinflussen lasse, Miss Gillies …«

Tat er das? Sie runzelte die Stirn.

»Ein Danke allein macht nicht satt, nicht wahr?« Er seufzte. »Dennoch habe ich Verständnis für Ihre Zwangslage, und außerdem habe ich einen Auftrag und glaube daran, dass man in der Stunde der Not einen Freund braucht.«

Effie biss sich auf die Unterlippe, um nicht laut herauszuplatzen. Wie bitte? Auf der ganzen Insel gab es keinen einzigen Menschen, der den Verwalter als Freund bezeichnet hätte. Er kaufte ihre Federn für einen Schilling pro Kilo und verkaufte sie für das Dreifache, und die Lebensmittel, die er ihnen brachte – Haferflocken, Mehl, Zucker, Tee und Tabak – kosteten dreimal so viel, wie er dafür bezahlt hatte. War es da ein Wunder, dass die Dorfbewohner versuchten, ihn zu meiden und stattdessen von den Touristen Geld einzunehmen, das sie selbst ausgeben konnten?

»Wo wir gerade davon reden: Ich habe Ihnen wieder etwas mitgebracht.«

»Zum Lernen?« Sie war seit vier Jahren mit der Schule fertig, aber das schien er immer zu vergessen.

»Ich habe es an der üblichen Stelle deponiert. Nur … seien Sie bitte diskret. Ich kann diese Gefälligkeiten nicht jedem erweisen.«

Gefälligkeiten? Geheimnisse? »Aber …«

»Guten Tag, Miss Gillies«, sagte er in seinem typischen brüsken Ton und sah zu den drei Männern, die sich langsam entfernten. »Ich muss weiter. Unsere Gäste werden nach den … Aufregungen des Nachmittags eine Erfrischung brauchen. Denken Sie an das, worüber wir gesprochen haben. Hoffen wir, dass der erste Eindruck nicht hängen bleibt.«

2. Kapitel

Der nächste Tag war klar und hell, das Sonnenlicht glitzerte auf braunen Pfützen, und ein frischer Wind trieb die Wolken vor sich her. Nach Effies Bad im Meer hatte es erst zu nieseln begonnen, dann war der Regen heruntergeprasselt wie silberne Messerspitzen und hatte die Dorfbewohner in ihre Cottages verbannt. Die Besucher hatten beim Pfarrer und beim Verwalter festgesessen. Wie erwartet, hatte Effie sich für ihre »Angeberei« eine Abreibung von ihrem Vater eingefangen; Onkel Hamish war schneller als gewöhnlich vorbeigekommen, um ihn über die Ereignisse des Nachmittags zu informieren. Dabei schien der wesentliche Punkt Angus MacKinnons Demütigung zu sein – und nicht etwa die Tatsache, dass Effie ihr Leben riskiert hatte.

Jetzt fühlte sich alles frisch und sauber an, und Effie sah ausgeschlafen dem neuen Tag entgegen. Ihre Klettereskapaden bewirkten immer, dass sie sofort in einen Tiefschlaf fiel, kaum dass sie sich hingelegt hatte. Aber sie war heute mit einem Kribbeln im Magen aufgewacht, das sie sich nicht recht erklären konnte. Ihr ganzer Körper fühlte sich an, als stünde er unter Strom.

Zielstrebig wie immer erledigte sie ihre morgendlichen Pflichten – holte eine Platte Torf für das Feuer aus dem Cleit, schöpfte Wasser aus dem Bach, kochte Haferflocken für das Frühstück und molk die Kuh –, behielt aber aus dem Augenwinkel die Umgebung im Auge. Immer wieder wanderte ihr Blick zu der prächtigen Segeljacht, die majestätisch auf dem spiegelnden Wasser lag.

Würden ihre Besitzer wirklich eine Woche bleiben? Die meisten Besucher hielten es nicht länger als drei Tage aus; es fiel ihnen schwer, sich an das einfache Leben anzupassen, auch wenn es ihnen bei ihrer Ankunft noch so bezaubernd erschien. Zumal zu dieser Zeit im Jahr immer so viel zu tun war im Dorf. Bald schon würde der Sturmvogelfang beginnen, denn es war bereits der zweite Mittwoch im Mai, und die Klippen und die Felsnadeln waren weiß von Seevögeln, die kamen, um hier ihre Nester zu bauen und zu brüten. Die Männer (und Effie) konnten jederzeit – vielleicht sogar heute – damit beginnen, Tausende von Sturmvögeln zu fangen und zu töten, damit die Frauen sie rupfen und die Federn eingelagert werden konnten. Anschließend würde das Fleisch gepökelt werden, um es für den Winter haltbar zu machen, und dann würde man es in die Cleits bringen. Die Tage würden lang und hart werden, für Vergnügungen blieb keine Zeit.

Die Männer hatten sich für ihre tägliche Besprechung bereits auf der Straße versammelt, als Effie mit Poppit den Berg hinaufstieg. Aus der Ferne sahen sie alle gleich aus in ihren braunen Hosen und Westen, mit hochgekrempelten Hemdsärmeln, Leinenhüten auf den Köpfen und barfuß. Effie, die dieselbe Art von Kleidung trug – von dem Leinenhut abgesehen –, hielt sich am Rand, in der Nähe von Mad Annie, die vor ihrem Cottage am Spinnrad saß. Die Männer diskutierten darüber, ob sie sich zuerst um die Kartoffelernte kümmern, mit dem Sturmvogelfang beginnen oder zur Nachbarinsel Boreray rudern sollten, um dort die Schafe zu scheren. Effie blickte aufs Meer hinaus. Das Wasser in der Bucht war spiegelglatt.

»Wir sollten die Zeit nutzen, so lange es noch geht«, sagte Norman Ferguson entschlossen. »Ihr habt den Wind gestern erlebt. Jetzt herrscht ein paar Tage Flaute, dann kommt der nächste Frühlingssturm. Wenn wir zu lange warten, beginnt bei den Schafen die Mauser, und …«

»Aye, aber denkt an den letzten Winter«, hielt Donald McKinnon dagegen. »Ich finde, wir sollten die Ernte jetzt einbringen, solange die Erde noch warm ist. Wir gewinnen Zeit, wenn wir früh anfangen …«

»Und was ist mit den Vögeln? Stac Lee ist voll von ihnen«, sagte Angus, der mit seinen Seilen hinaufwollte.

»Da bleiben uns noch ein paar Tage. Die Vögel sind dieses Jahr eine Woche später gekommen«, antwortete Norman herablassend. »Aber wenn wir jetzt nach Boreray fahren und Schafe scheren, kann der Verwalter die Wolle gleich mitnehmen, und wir haben mehr Platz für die Federn. Sonst ist das Lager zum Bersten gefüllt, wenn er das nächste Mal kommt.«

Effies Vater lachte spöttisch. »Holt die Wolle ruhig jetzt, aye, aber glaubt nicht, dass euch die im September noch angerechnet wird. Die Hälfte davon geht praktischerweise verloren oder wird vergessen.«

Auf seine deutlichen Worte folgte Schweigen. Sich während seiner Abwesenheit über den Verwalter lustig zumachen war eine Sache, aber wenn er auf der Insel war, sah es anders aus. Manche drehten die Köpfe, um zu sehen, ob sie nicht jemand belauscht hatte oder der stumme Schatten des Verwalters hinter ihnen stand.

»Dann schreibt man es eben auf, sodass wir einen Beweis haben«, sagte Norman ruhig.

»Weil wir so gut lesen und schreiben können?«

Norman errötete. »Lorna MacDonald kann das machen.«

Onkel Hamish räusperte sich. Als einer der älteren Männer, der noch immer mit den Angelegenheiten der Insel befasst war, fungierte er oft als nicht gewählter Anführer. »Wir stimmen ab. Wer ist für die Kartoffeln?«

Zwei Männer hoben die Hand – Donald McKinnon und der alte Finlay Ferguson. Der alte Fin war schon über achtzig, und Beete beackern war eine der Aufgaben, an denen er noch teilhaben konnte.

»Schafe scheren.«

Zwölf Hände wurden in die Luft gestreckt, auch die von Effie.

»Dann also Boreray.« Onkel Hamish blickte zu ihr hinüber. »Effie, du weißt genau, dass du nicht mitkommst.«

»Aber …«

»Kein Aber.«

»Aber das Wasser ist spiegelglatt! Man könnte darüber laufen!«

»Ah, guten Morgen!«

Alle drehten sich um, als der herzliche Gruß ertönte. Der Pfarrer kam auf sie zu, seine Gäste und der Verwalter hinter ihm. Hatten sie alle zusammen gefrühstückt? Effie spürte wieder das seltsame Gefühl im Magen, als sie den jungen Lord sah. Wenn es in der letzten Nacht nicht so heftig geregnet hätte, hätte er vielleicht einen Abendspaziergang durch das Dorf gemacht. Dann hätten sie miteinander reden können. Ein ganzer kostbarer Abend war bereits verstrichen.

»Ich hoffe, wir sind noch nicht zu spät für die Morgenversammlung?«, fragte der Pfarrer mit ungewohnter Heiterkeit. Normalerweise war Reverend John Lyon voller Groll darüber, dass man ihn an diesen abgelegenen Ort entsandt hatte. Er war erst drei Monate Pfarrer gewesen, als er erfahren hatte, dass er ans andere Ende der Welt segeln musste. Während des ersten Jahres hatte er mit allem Schwierigkeiten gehabt: dem anhaltenden Wind, der erbarmungslosen Sonne, dem Brausen des Meeres, den Schreien der Vögel, der armseligen Kost. Die Inselbewohner saßen jeden Abend in der Kirche und betrachteten ihn voller Spott, Mitleid und Verwirrung, wenn er sich erschöpft, hungrig und verzweifelt durch seine Predigten stammelte.

Nach und nach aber, nach dem Motto »anpassen oder untergehen«, hatte er so etwas wie Geschmack an gebratenem Papageientaucher entwickelt und erkannt, dass er in einer Gemeinde von nur sechsunddreißig Menschen, in der jeder auf seine spirituelle Führung angewiesen war, eine gewisse Macht besaß. Sein religiöser Eifer nahm zu, und seine Warnungen vor der Verdammnis und sein unaufhörlicher Kampf gegen die Sünde ließen die Dorfbewohner nach dem Gottesdienst immer öfter stirnrunzelnd zurück. Auf der Straße nahmen sie ihre Hüte ab, wenn sie ihn grüßten. Und wenn jemand die Insel besuchte, dann war der Pfarrer derjenige, der sich um die Gäste kümmerte. Er war immer am glücklichsten, wenn Leute vom Festland kamen, die Lebensmittel und Nachrichten aus der großen weiten Welt mitbrachten. Die Dorfbewohner beobachteten dann belustigt, wie er mehr St. Kildaer war als die Einheimischen.

»Ich fürchte, das sind Sie, Reverend«, sagte Onkel Hamish. »Wir haben gerade entschieden, das ruhige Meer zu nutzen und nach Boreray rüberzufahren.«

»Boreray?«, fragte Graf Dumfries und trat einen Schritt vor. »Ist das die große Insel da drüben?« Er zeigte nach rechts.

»Aye, Sir.« Onkel Hamish nickte. »Dort halten wir unsere Schafe. Sie müssen geschoren werden, bevor sie mausern.«

»Ihre Schafe mausern?«

»Ja. Es ist eine sehr alte Rasse, Sir. Wir scheren sie und nehmen die Wolle mit. Die wird dann kardiert und zu Tweedstoff gewebt als Pacht für den Landlord.«

»Das nenne ich Heimindustrie! Nun, darf ich mich Ihnen anschließen? Mein Sohn und ich brennen darauf, das Leben auf den Hebriden kennenzulernen.«

Effie sah, wie die Männer einander Blicke zuwarfen.

»Sie sind uns willkommen, Sir, aber Sie sollten wissen, dass immer ein hohes Risiko besteht, dass das Wetter umschlägt und wir da drüben festsitzen. Wenn das passiert, kann es leicht eine Woche oder zehn Tage dauern, bis wir zurückkehren können. Und da drüben gibt es keine der häuslichen Annehmlichkeiten, die wir hier haben.«

Beide Besucher lachten – bis sie merkten, dass der Mann es mit den häuslichen Annehmlichkeiten vollkommen ernst meinte. Der Graf räusperte sich. »Durchaus. Ja, ich verstehe. Wie lang planen Sie, dort zu bleiben?«

Lord Sholto und Effie sahen einander an. Sie konnte Belustigung in seinem Blick erkennen, auch wenn er äußerlich vollkommen ruhig blieb. Er trug einen hellbraunen Anzug und, wie auch sein Vater, keine Krawatte.

»Drei oder vier Tage wahrscheinlich. Es ist nicht sehr komfortabel, wenn wir alle im Stalker’s House übernachten. Dreizehn Personen.«

»Vierzehn!«, meldete sich Effie.

»Vierzehn, aye«, bestätigte Onkel Hamish, warf ihr aber erneut einen strengen Blick zu.

Aber das war ihr egal. Sie hatte ihn überrumpelt und sich ihren Platz gesichert. Effie strahlte zufrieden.

»Das klingt … ziemlich eng.«

»Es ist sehr einfach dort, Herr Graf«, bemerkte der Verwalter mit grimmigem Gesicht. »Ein ehemaliger Keller. Eine Höhle. Nicht mehr als ein Graben mit Steinwänden, wirklich.«

Falls er versucht hatte, ihn abzuschrecken …

»Du meine Güte! Wie schade, dass wir Sie nicht begleiten können, das würde ich nur allzu gerne sehen«, rief der Graf.

»Das können Sie, Sir. Wir haben auch etwas in der Art hier auf Hirta. Das Fairy House ist nicht weit weg. Ich bin mir sicher, wir finden jemanden, der es Ihnen zeigt.« Onkel Hamish sah Effie an. »Effie, du könntest dich nützlich machen und die Herren nach Tigh Na Banaghaisgich führen.«

Sie sah ihn an, die Wangen vor Empörung gerötet. »Aber ich fahre nach Boreray!«

»Ich habe dir doch gesagt, dass du das nicht tust.«

»Nein. Du hast gerade gesagt, dass vierzehn Personen hinfahren.«

»Ja, der Verwalter kommt mit. Das macht vierzehn.«

Der Verwalter wirkte genauso erstaunt über diese plötzliche Einladung zu dem Ausflug wie Effie über ihren Ausschluss davon.

»Ich bin mir sicher, Sie möchten sich für den Landlord ein Bild machen, was die Anzahl der Schafe und ihren Zustand angeht?«, fragte ihn Onkel Hamish.

Einen Moment lang herrschte Schweigen. »In der Tat«, antwortete der Verwalter schließlich.

»Aber ihr habt alle zugestimmt, dass ich das Recht habe, unseren Anteil zu verdienen«, protestierte Effie und bahnte sich einen Weg nach vorne, obwohl die anderen sie nicht beachteten.

»Effie«, sagte Finlay MacKinnon warnend und versuchte, sie zurückzuhalten, so wie er es immer tat, wenn sie auf eine Gefahr zusteuerte, die nur er erkannte.

»Nur auf Hirta. Das weißt du.« Onkel Hamish blickte in eine andere Richtung und beendete die Diskussion. »Dann sind wir uns also einig. Sagt den Frauen, dass sie Vorräte zusammenpacken sollen. In einer Stunde geht es los.«