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Würzburg liegt in Trümmern. Die Menschen hausen in den seltsamsten Unterkünften. Manchmal findet einer, wenn er morgens aufwacht, was er am dringendsten braucht: eine Hose, ein Paar Schuhe, eine warme Decke. Als Spender zeichnen DIE JÜNGER JESU. Wer sind die "Vollstrecker der Gerechtigkeit", und welche Ziele verfolgen sie? Ein halbes Jahrhundert nachdem sich die "Räuberbande" von ihren romantischen Freiheitsidealen verabschiedet hat, beginnt für Würzburg ein neues Kapitel. Die elf Jungen, die als Jünger Jesu tatkräftig für eine gerechte Verteilung irdischer Güter sorgen, unterscheiden sich durch ihr praktisches Handeln von den abenteuerlichen Rachegelüsten ihrer Großväter. Sie werden dabei mit Kräften konfrontiert, die Vergangenes wiederbeleben wollen, und sei es mit Gewalt und Mord. Leonhard Frank gelingt ein authentisches Bild vom konfliktreichen Leben im amerikanisch besetzten Nachkriegsdeutschland.
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Seitenzahl: 277
Leonhard Frank
Die Jünger Jesu
Roman
Inhaltsübersicht
Kapitel I
Kapitel II
Kapitel III
Kapitel IV
Kapitel V
Kapitel VI
Kapitel VII
Kapitel VIII
Kapitel IX
Kapitel X
Kapitel XI
Kapitel XII
Kapitel XIII
Kapitel XIV
Kapitel XV
Kapitel XVI
Kapitel XVII
Informationen zum Buch
Über Leonhard Frank
Impressum
Wem dieses Buch gefallen hat, der liest auch gerne …
Zuerst 1949 veröffentlicht
Würzburg am Main, die Stadt des Weines und der Fische, der Kirchen, gotisch und barock, wo jedes zweite Haus ein unersetzliches Kunstdenkmal war, wurde nach dreizehnhundertjährigem Bestehen in fünfundzwanzig Minuten durch Brandbomben zerstört. Den folgenden Morgen floß der Main, in dem sich die schönste Stadt des Landes gespiegelt hatte, langsam und gelassen durch Schutt und Asche, hinaus in die Zeit.
Johanna ging den Fluß entlang. Hinter ihr waren nur noch Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit, vor ihr stand das junge Grün der Weidenbüsche in der Sonne, schimmernd und im Safte strotzend, als wäre nichts geschehen. Die Landschaft war nicht zerstört. Über dem ganzen Tal schien ein Seidenteppich zu liegen – grün in grün geknüpfte Rebhügel, Wald und Obstbaumfelder und das bogenreiche blaue Band, an dessen Ufer Würzburg gewesen war, das jetzt eine zerhackte Ruine ist, ein Denkmal der Naziherrschaft.
Johannas Mutter war schon lange tot. Ihr Vater, der Zeichenlehrer am städtischen Gymnasium und ein Nazi gewesen war, hatte sich aus Angst vor der unaufhaltsam vorrückenden amerikanischen Armee am Fensterkreuz des Zeichensaales rechtzeitig aufgehängt und einen Brief hinterlassen, in dem er seine unpatriotische Tochter zum letztenmal verfluchte. Johanna war einundzwanzig und allein.
Sie hatte braunes Haar, hellbraune Augen, von leuchtenden Sternchen besetzt um die Pupillen herum, und ein schmales weißes Gesicht, das auch in der brennenden Julisonne weiß blieb. Der Mund war wie von Albrecht Dürer genau und einfach gezeichnet. Sie sah aus, als wäre sie von der Natur dazu bestimmt, den nach Jahrmillionen und zahllosen Experimenten schließlich erreichten Grad körperlicher Anmut weiterzugeben an kommende Generationen.
Das letzte Jahr, seit dem Ende des Krieges, war sie wie alle armen Leute von früh bis abends damit beschäftigt gewesen, das nötige Stück Brot zu bekommen. Geld hatte sie nicht, und Arbeit für eine Sekretärin gab es nicht – es gab keine Schreibmaschinen mehr in einer Stadt, die es nicht mehr gab, und die amerikanische Militärbehörde hatte es abgelehnt, eine Sekretärin zu beschäftigen, deren Vater ein Nazi gewesen war.
Sie hätte den Verfluchungsbrief des Vaters vorlegen können. Alles würde dann vielleicht ein bißchen leichter gewesen sein. Sie hatte es unterlassen, aus Takt und Eigensinn des Herzens. So war sie.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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