1,99 €
Ein Schiff mit Siedlern landet auf dem Mond Dyanion, der einen riesigen Fasplaneten umkreist. Die Familien hoffen, dort eine neue Heimat zu finden. Die vorangegangenen Ubntersuchungen hatten keine höheren Lebensformen auf Dyanion nachweisen können und der Aufbau eines provisorischen Camps und erste Ausflüge in die Umgebung verlaufen friedlich. Doch als die Kinder der Siedler allein auf Erkundungstour gehen, kommt es zur Katastrophe. Und schließlich sind die Kinder völlig auf sich allein gestellt, als es zum entscheidenden Kampf um die Zukunft einer menschlichen Zivilisation auf Dyanion kommt. Die Kinder von Dyanion ist ein SF-Roman, der für jugenliche wie erwachsene Leser gleichermaßen geeignet ist. Autor Michael Klein versteht es meisterhaft, Leser aller Altersgruppen anzusprechen und ihnen eine phantastische Welt vor dem inneren Auge zu erschaffen.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Amazing SF – Band 11
Michael Klein – Die Kinder von Dyanion
1. eBook-Auflage – Mai 2014
© vss-verlag Hermann Schladt
Titelbild: Armin Bappert unter Verwendung eines Fotos von http://www.freepik.com/
Lektorat: Hermann Schladt
Michael Klein
Die Kinder von Dyanion
Voller Ehrfurcht blickte Wylurian auf das kaiserliche Siegel unter dem Pachtabkommen – ein innerer, fast magischer Glanz schien von ihm auszugehen. Der verschnörkelte Schriftzug, in dem deutlich der Name der Kaiserin Cya von Aternia zu erkennen war, zierte das Ende des Holodokuments, das Wylurians Vater vor Beginn der Reise ausgehändigt worden war. In ihm war vertraglich zugesichert, dass der Mond Dyanion mit allen natürlichen Ressourcen der Neusiedlergruppe zur Verfügung gestellt wurde.
„Pass auf, dass Du es nicht zerstörst!“ meinte Elgar, Wylurians Vater, mit einem gutmütigen Lächeln.
Der Junge im Alter von 10 Standardjahren blickte zu dem Erwachsenen nach oben; mit seinen großen, grünen Augen betrachtete er seinen Vater liebevoll, und mit der gleichen Liebe schaute auch Elgar Faleskon auf sein einziges Kind hinab. Nicht zum ersten Mal wurde sich der Pionier darüber bewusst, wie sehr Wylurian Atra, seiner verstorbenen Mutter, ähnlich sah: Er hatte das gleiche zarte Gesicht und die gleichen, dichten Haare von rotblonder Farbe, und im Blick seiner Augen lag der gleiche positive, beinahe naive Optimismus wie bei Atra.
Seufzend kniete sich Elgar, von plötzlicher Sehnsucht übermannt, neben seinen Sohn.
„Ich bin doch vorsichtig!“ meinte dieser und lachte. „Das hat doch die Kaiserin unterschrieben!“
Nun lachte auch Elgar. Er wusste, dass Wylurian die Kaiserin des galaktischen Imperiums, die junge Cya von Aternia, vergötterte – vermutlich war sein Sohn unbewusst sogar ein bisschen in sie verliebt. Allein deshalb, weil sie es gewesen war, die seinem Vater den Mond Dyanion zugesprochen hatte, war der Zehnjährige von der Neubesiedelung einer unbewohnten Welt begeistert gewesen. Für Elgar hingegen war die Pionierleistung etwas anderes – eine Flucht vor den düsteren Schatten der Vergangenheit, allen voran natürlich Atra und ihrem Tod durch den Unfall im Kraftwerk.
„Sie sieht schön aus!“ hörte er plötzlich seinen Sohn sagen. Erneut wandelte sich der Schmerz in Elgars Blick in ein liebevolles Lächeln, doch dann bemerkte er, dass Wylurian diesmal keineswegs Kaiserin Cya meinte, sondern seinen Blick auf das Holographische Energiefeld gerichtet hatte, das den Mond Dyanion zeigte.
Einige Sekunden lang blickten Vater und Sohn schweigend die Welt an, die ihre neue Heimat werden sollte.
„Ja!“ sagte Elgar dann. „Sie ist bezaubernd schön!“
„Wann werden wir landen?“ wollte Wylurian wissen.
„Schon bald! Kapitän Coghna trifft die letzten Vorbereitungen zur Landung!“
„Kann ich zusehen?“
„Nein!“ Elgar schüttelte den Kopf. „Der Kapitän hat gesagt, dass er keine Zuschauer in der Kommandozentrale der Zahamira haben möchte, wenn das Landemanöver beginnt. Deshalb sind wir ja auch hier im Beobachtungsraum!“
Vater und Sohn Faleskon waren alleine in der Lounge – alle anderen Kolonisten, 52 an der Zahl neben der kleinen Besatzung der Zahamira, beschäftigten sich mit den eigenen Vorbereitungen der kurz bevorstehenden Vereinahmung der neuen Welt. Elgar und Wylurian, obgleich die eigentlichen Anführer der Pioniere, hatten so wenig Gepäck dabei gehabt, dass nicht viel zu organisieren war.
Wylurian war enttäuscht von der Absage seines Vaters; dieser spürte dessen Enttäuschung und beeilte sich, ihn auf andere Gedanken zu bringen.
„Hast Du eigentlich schon gehört, wo wir landen werden?“ fragte er seinen Sohn.
„Nein!“ Wylurian schüttelte den Kopf.
„Genau hier!“ erklärte Elgar. Er erhob sich und trat an das Hologramm des Planeten heran; mit einigen Hand- und Fingerbewegungen vergrößerte er eine Stelle südlich des Äquators auf einem der acht Kontinente, der von der Form annähernd einem Kreuz entsprach. Eine Gebirgskette zog sich von West nach Ost, nördlich davon in Richtung des geplanten Landeplatzes erhob sich ein von üppigem Grasland bewachsenes Hochplateau, das am Nordkap steil in den Ozean abfiel. Einige einsame Berge wuchsen aus der Ebene heraus in den Himmel, von denen drei eine Art gleichseitiges Dreiecke bildeten – in das Zentrum dieser imaginären Figur wies nun Elgars Finger. Ein Fluss wand sich hier durch das Grasland und vereinigte sich mit einem weiteren Wasserlauf, so dass sie in Form eines großen Stroms dem Meer entgegen flossen.
„Hier haben wir alles, was wir für den Anfang brauchen!“ erläuterte Elgar. „Süßwasser bekommen wir aus dem Fluss, die Grasflächen können als Acker- oder Weidefläche genutzt werden, und auf den Bergen stellen wir Sensorphalanxen auf!“
Auch Wylurian hatte sich erhoben und war neugierig zu seinem Vater und dem Hologramm von Dyanion getreten; mit strahlenden Augen betrachtete er die Landestelle. Er öffnete den Mund, um weitere Fragen zu stellen, als die tiefe Stimme von Kapitän Coghna aus Akkustikfeldern drang.
„Hier sprich der Kapitän!“ hörte Wylurian, ebenso wie die übrigen 51 Kolonisten. „Wir werden nun das Landemanöver einleiten. Sobald das Bodensignal ertönt, sind die Schleusen geöffnet. Bitte halten Sie sich dann an den Besiedelungsplan!“
Elgar warf Wylurian einen fragenden Blick zu.
„Erinnerst Du Dich an den Besiedelungsplan?“ wollte er von seinem Sohn wissen.
„Natürlich!“ nickte dieser eifrig – immerhin war es sein Vater gewesen, der diesen Plan gemeinsam mit drei anderen Kolonisten über mehrere Wochen hin ausgearbeitet hatte. „Es geht los mit der Errichtung der acht Hauptlager, dann kommen die prosavorischen Wohncontainer!“
„Das Wort heißt provisorisch!“ lachte Elgar. „Aber abgesehen davon stimmt es. Und was machst Du während dieser ersten Phase?“
„Ich halte mich an den Betreuungsroboter im Kinderbereich!“
„So ist es! ich will nicht, dass Dir was passiert!“
„Darf ich Dich noch was fragen?“
„Natürlich!“ Elgar schaute zu seinem Sohn hinab, der ihn mit großen Augen anblickte. „Was willst Du wissen?“
„Warum müssen wir Kinder in den Kinderbereich, damit uns nichts passiert? Kann den Erwachsenen nicht auch was passieren?“
Wieder stahl sich das teils amüsierte, teils liebevolle Lächeln in Elgars Gesicht. „Natürlich kann uns auch was passieren!“ meinte er schließlich. „Aber wir sind lange nicht so wertvoll wie Kinder!“
„Und warum nicht?“
„Weil wir der neuen Welt nur eine Form geben können – Infrastruktur, Versorgungseinrichtungen, Sicherheitssysteme. Aber was Ihr Kinder dem Planeten hinzufügen könnt, ist Millionen Mal wichtiger – nämlich ein Stück Seele!“
*
Hariel Arilien sah Wolkenfetzen am Fenster des landenden Raumschiffes vorbeirasen, und zu ihrem unendlichen Bedauern war dies der einzige Blick, den das Mädchen von ihrer zukünftigen neuen Heimat geboten bekam: Durch die Luke konnte man die Planetenoberfläche nicht sehen.
Ihre Zwillingsschwester Maruniel war auch nicht zufrieden mit ihrer Aussicht; doch im Gegensatz zu der stilleren, 8 Minuten älteren Hariel machte sie ihrem Ärger lautstark Luft.
„Wir hätten in die Beobachtungslounge gehen sollen!“ maulte sie und strich sich wütend die Nervsträhne hinter ihr Ohr, jene silberne Locke in ihrem ansonsten violetten Haar, die sich immer aus jeder Verankerung riss und ihr ins Gesicht fiel. Auch Hariel hatte diese Strähne, und wie Maruniel führte sie einen hoffnungslosen Kampf gegen sie.
„Wir sollen doch in unserem Quartier bleiben während der Landung!“ wies Hariel ihre Schwester leise zurecht. „Das steht doch im Besiedelungsplan!“
Maruniel fuhr herum; ihre grünen Augen blitzten. „Der Besiedelungsplan interessiert mich überhaupt nicht! Wir landen gleich zum ersten Mal auf unserer neuen Heimatwelt, und da habe ich ja wohl das Recht, einen Blick darauf zu werfen!“
Und noch ehe Hariel etwas dazu sagen konnte, war die Zwölfährige von dem Seitenfenster ihrer Kabine weggesprungen und in Richtung Tür gelaufen.
Die ruhigere Zwillingsschwester seufzte – so war es immer: Maruniel setzte sich beim Versuch, alles nach ihrem eigenen Willen zu formen, über jede Regel und Vorschrift hinweg, und es lag an Hariel, größeren Schaden von ihr fernzuhalten. Leider waren ihre Eltern Luco und Cam-Lyn Arilien ebenfalls außerhalb ihrer Reisekabine, da sie beide als Techniker in den funktionalen Ablauf der Schiffsführung involviert waren. Zweifelsfrei wäre Maruniel bei ihrer Anwesenheit nicht durch die Hologrammtür und auf den Flur gesprungen, wie sie es nun mit einem rebellischen Aufschrei tat. Stöhnend (und im Bewusstsein, dass der jetzige Ablauf sich nicht von den unzähligen Situationen gleichen Anlasses zuvor unterschied) folgte ihr Hariel mit eiligen Schritten.
Einige Meter außerhalb der Kabine in Richtung der vorderen Beobachtungslounge hatte sie ihre aufmüpfigere Zwillingsschwester eingeholt.
„Lass es doch und komm zurück! Du weißt genau, dass Du ansonsten nur Ärger bekommst!“
„Das ist mir egal!“ widersprach die jüngere Schwester trotzig. „Wir sind ja schließlich keine Kinder mehr, sondern können unsere eigenen Entscheidungen treffen!“
„Aber doch nicht gegen die bestehenden Regeln!“