Mittendrin im Alter statt allein (MIASA) - Michael Klein - E-Book

Mittendrin im Alter statt allein (MIASA) E-Book

Michael Klein

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Beschreibung

Das Gruppenprogramm richtet sich an Fachkräfte und Ehrenamtliche, die in der Altenhilfe, psychologischen Beratungsdiensten und benachbarten Bereichen tätig sind und mit Menschen über 65 Jahren arbeiten, die unter Einsamkeit oder sozialer Isolation leiden. Ziele des Kleingruppenprogramms sind die niedrigschwellige und ökonomische Förderung sozialer Teilhabe, die Vorbeugung und Reduktion von Einsamkeit im höheren Lebensalter und die Steigerung des Wohlbefindens. Basierend auf etablierten verhaltenstherapeutischen und achtsamkeitsbasierten Methoden führt das Buch durch 10 modularisierte, ca. 90-minütige Treffen, die interaktiv die Bereiche Selbstfürsorge, Aufbau von Aktivitäten, Umgang mit belastenden Gedanken sowie soziale Kontakte und Teilhabe behandeln. In Diskussionen und Übungen lernen die Teilnehmenden, wie sie wieder Kontakte und Aktivitäten aufnehmen, wie sie belastende Denkmuster erkennen bzw. verändern und wie sie gut auf sich selbst achten können. Trotz klarer Anleitungen bleibt genügend Spielraum, die Treffen und Übungen variabel auf die Bedürfnisse der heterogenen Zielgruppe der über 65-Jährigen abzustimmen. Arbeitsmaterialien und Präsentationsfolien tragen zusätzlich zur Praxisnähe des Handbuchs bei.

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Michael Klein

Vera Kölligan

Saskia Dauter

Katharina Zorn

Karsten Keller

Mittendrin im Alter statt allein (MIASA)

Ein Gruppenprogramm zur Einsamkeitsreduktion und Förderung der sozialen Teilhabe älterer Menschen

Prof. Dr. Michael Klein, geb. 1954. Mehr als 15 Jahre Tätigkeit als leitender Psychologe in Fachkliniken für Suchtkranke (Alkohol- und Drogenabhängige). Seit 1994 Professor für Klinische Psychologie sowie Sucht- und Präventionsforschung an der Katholischen Hochschule NRW, Abteilung Köln. Leiter des dortigen Deutschen Instituts für Sucht- und Präventionsforschung (DISuP) und des Master-Studiengangs Suchthilfe/Suchttherapie.

Vera Kölligan, M. Sc., geb. 1988. 2009-2017 Studium der Psychologie und Transcultural Studies in Köln, Heidelberg und Kyoto. Seit 2018 wissenschaftliche Mitarbeiterin am DISuP. Arbeitsschwerpunkte: Gerontopsychologie, transkulturelle Psychologie.

Saskia Dauter, B. Sc., geb. 1990. 2009–2019 Studium der Psychologie und Sozialen Arbeit in Internationaler Perspektive in Maastricht und Köln. Von 2015 bis 2018 wissenschaftliche Hilfskraft am DISuP. Arbeitsschwerpunkte: Gerontopsychologie, Datenanalyse.

Katharina Zorn, M. Sc., geb. 1987. 2009–2015 Studium der Psychologie in Wien, Halle und Bonn. Tätigkeiten auf geronto- und allgemeinpsychiatrischen Stationen sowie am DISuP. Psychologische Psychotherapeutin mit verhaltenstherapeutischem Schwerpunkt in Köln.

Dipl.-Psych. Karsten Keller, geb. 1961. 1983–1992 Studium der Psychologie in Köln. Von 2011 bis 2018 wissenschaftlicher Mitarbeiter am DISuP. Arbeitsschwerpunkte: Forschungsmethoden und statistische Verfahren, Gesundheitsförderung, Medienforschung, Entwicklungspsychologie.

Das Forschungsprojekt MIASA wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Förderlinie SILQUA-FH des Programms „Forschung an Fachhochschulen“ gefördert. Förderkennzeichen: 03FH004SX5.

Copyright-Hinweis:

Das E-Book einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar.

Der Nutzer verpflichtet sich, die Urheberrechte anzuerkennen und einzuhalten.

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Merkelstraße 3

37085 Göttingen

Deutschland

Tel. +49 551 999 50 0

Fax +49 551 999 50 111

[email protected]

www.hogrefe.de

Umschlagabbildung: © iStock.com by Getty Images / Katarzyna Bialasiewicz

Satz: ARThür Grafik-Design & Kunst, Weimar

Format: EPUB

1. Auflage 2020

© 2020 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

(E-Book-ISBN [PDF] 978-3-8409-3025-6; E-Book-ISBN [EPUB] 978-3-8444-3025-7)

ISBN 978-3-8017-3025-3

https://doi.org/10.1026/03025-000

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Anmerkung:

Sofern der Printausgabe eine CD-ROM beigefügt ist, sind die Materialien/Arbeitsblätter, die sich darauf befinden, bereits Bestandteil dieses E-Books.

Zitierfähigkeit: Dieses EPUB beinhaltet Seitenzahlen zwischen senkrechten Strichen (Beispiel: |1|), die den Seitenzahlen der gedruckten Ausgabe und des E-Books im PDF-Format entsprechen.

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Vorwort

Teil 1: Theoretischer Hintergrund

1 Einsamkeit und soziale Isolation bei älteren Menschen

1.1 Definition Einsamkeit und soziale Isolation

1.2 Vorkommen über die Lebensspanne

1.3 Transiente und chronische Einsamkeit

1.4 Psychische und physische Gesundheitsfolgen

1.5 Wirkmechanismen – Einsamkeit und Stress

1.6 Einsamkeit und psychische Störungen – ein Teufelskreis

1.7 Bestehende Programme zur Einsamkeitsreduktion im Alter

2 Die Gruppenintervention MIASA

2.1 Ziele und Module

2.2 Zielgruppe

2.3 Praktische Aspekte der Durchführung

2.3.1 Gruppengröße

2.3.2 Gruppenraum

2.3.3 Frequenz und Dauer

2.3.4 Aufbau der Treffen

2.3.5 Anforderungen an die Gruppenleitung (GL)

2.3.6 Kosten und benötigtes Material

2.3.7 Methodik – Vom ersten Treffen bis zum Alltagstransfer

3 Wissenschaftliche Begleitung und Evaluation

3.1 Praxisnahe Forschung

3.2 Akquise der Teilnehmenden (TN)

3.3 Stichprobe

3.4 Forschungsmethodik

3.5 Ergebnisse

3.6 Diskussion und Ausblick

Teil 2: Das Gruppenprogramm

1 Treffen 1

Hinweise für die Gruppenleitung (GL)   

1.1 Einstieg 

1.2 Vorstellungsrunde 

1.3 Skalierung im Raum 

1.4 Erwartungsaustausch 

1.5 Gruppenregeln (bei Bedarf) 

1.6 (ggf.) Mit den Händen schauen 

1.7 Das gefällt mir 

1.8 Progressive Muskelentspannung 

1.9 Blitzlicht 

2 Treffen 2

Hinweise für die Gruppenleitung (GL)   

2.1 Reflexion 

2.2 Das gefällt mir 

2.3 (ggf.) Mit den Händen schauen 

2.4 Genussmomente 

2.5 Genussmomente im Alltag 

2.6 Body-Scan oder Sitzen spüren 

2.7 Blitzlicht 

3 Treffen 3

Hinweise für die Gruppenleitung (GL)   

3.1 Reflexion 

3.2 Verhalten, Gedanken und Gefühle (1) 

3.3 Vorlieben klären 

3.4 Mein Wohlfühltag 

3.5 Planung von Aktivitäten (1) 

3.6 Ruhebild erstellen 

3.7 Blitzlicht 

4 Treffen 4

Hinweise für die Gruppenleitung (GL)   

4.1 Reflexion 

4.2 Hat’s geklappt? 

4.3 Hindernisse und Lösungen 

4.4 Planung von Aktivitäten (2) 

4.5 Entspannungs- oder Achtsamkeitsübung 

4.6 Blitzlicht 

5 Treffen 5

Hinweise für die Gruppenleitung (GL)   

5.1 Reflexion 

5.2 Verhalten, Gedanken und Gefühle (2) 

5.3 Giftsätze 

5.4 Umgang mit belastenden Gedanken 

5.5 Balsamsätze – Positives über mich 

5.6 Entspannungs- oder Achtsamkeitsübung 

5.7 Blitzlicht 

6 Treffen 6

Hinweise für die Gruppenleitung (GL)   

6.1 Reflexion 

6.2 Blickwechsel 

6.3 Wahr oder nicht wahr? 

6.4 Optimistisch durchs Leben 

6.5 Signaltechnik 

6.6 Entspannungs- oder Achtsamkeitsübung 

6.7 Blitzlicht 

7 Treffen 7

Hinweise für die Gruppenleitung (GL)   

7.1 Reflexion 

7.2 Verhalten, Gedanken und Gefühle (3) 

7.3 Welche Kontakte wünsche ich mir? 

7.4 (ggf.) In unserem Viertel 

7.5 Wohlfühlzeit mit anderen 

7.6 Entspannungs- oder Achtsamkeitsübung 

7.7 Blitzlicht 

8 Treffen 8

Hinweise für die Gruppenleitung (GL)   

8.1 Reflexion 

8.2 Selbsteinschätzung 

8.3 Kontaktaufnahme, -pflege und Selbstbehauptung 

8.4 Umgang mit Annahmen, Sorgen und Ängsten 

8.5 Barrieren überwinden 

8.6 Entspannungs- oder Achtsamkeitsübung 

8.7 Blitzlicht 

9 Treffen 9

Hinweise für die Gruppenleitung (GL)   

9.1 Reflexion 

9.2 Gelingende Kommunikation 

9.3 Entstehung von Missverständnissen 

9.4 Kommunikationsförderer 

9.5 Was nehme ich aus der Gruppe mit? 

9.6 Entspannungs- oder Achtsamkeitsübung 

9.7 Blitzlicht 

10 Treffen 10

10.1 Reflexion 

10.2 Der innere Navigator 

10.3 Erinnerungshilfen

10.3.1 Helferstein 

10.3.2 Butter bei die Fische 

10.4 Unsere Gruppe 

10.5 Entspannungs- oder Achtsamkeitsübung 

10.6 Blitzlicht 

Literatur

Anhang

A-0 Protokoll für Entspannungsübungen

A-1 Progressive Muskelentspannung

A-2 Body-Scan

A-3 Sitzen spüren

A-4 Progressive Muskelentspannung mit Ruhebild

Überblick über die Arbeitsmaterialien auf der CD-ROM

Materialien auf CD-ROM

|9|Abkürzungsverzeichnis

AB

Arbeitsblatt

D

Diskussion

GL

Gruppenleitung

HG

Hintergrundinformation für die Gruppenleitung

I

Information für die Teilnehmenden

PMR

Progressive Muskelentspannung (Progressive Muskelrelaxation)

TN

Teilnehmende

Ü

Übung

V

Vortrag der Gruppenleitung

|10|Vorwort

Im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projektes „Mittendrin im Alter statt allein“ (MIASA) wurde von Oktober 2015 bis November 2018 am Deutschen Institut für Sucht- und Präventionsforschung (DISuP) der Katholischen Hochschule NRW ein Kleingruppenprogramm entwickelt, erprobt und evaluiert, welches sich mit der Prävention und Reduktion von Einsamkeit und sozialer Isolation bei älteren Menschen befasst.

Stützend auf kognitiv-verhaltenstherapeutischen und achtsamkeitsbasierten Techniken werden die Themen Selbstfürsorge, Aktivitäten (wieder-)entdecken und planen, Umgang mit belastenden Gedanken sowie soziale Kompetenzen und Teilhabe in zehn modularisierten Gruppentreffen à circa 90 Minuten behandelt. Ergänzend finden sich Achtsamkeits- und Entspannungsübungen in jedem Treffen. Ziele des Multikomponenten-Programms sind niedrigschwellig und ökonomisch soziale Teilhabe zu fördern sowie Einsamkeit im höheren Lebensalter vorzubeugen und zu reduzieren, um über diesen Angelpunkt damit verbundenes Stresserleben und psychische Belastungen zu senken.

Nach der Teilnahme an einem jährlich an der Katholischen Hochschule NRW stattfindenden zweitägigen Weiterbildungsangebot können Fachkräfte und Ehrenamtliche die Zertifizierung zur Durchführung des Programms erlangen.

Das Programm wurde bereits erfolgreich an zwei Kölner Standorten durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, dass es von den Teilnehmenden (TN) gut angenommen wird und für die Gruppenleitung (GL) praktikabel und ökonomisch durchführbar ist. Außerdem führt es kurz- und längerfristig zu einem Rückgang von Einsamkeitsgefühlen und psychischen Belastungen sowie einem Anstieg der sozialen Integration.

Das Handbuch gliedert sich in drei Bereiche:

die Einleitung mit theoretischem Hintergrund und methodischer Einführung, in der u. a. Aspekte des Aufbaus, der Ziele, der Zielgruppe und der Programmdurchführung erläutert und die Evaluationsergebnisse dargestellt werden,

den Hauptteil mit den zehn Treffen, ihren jeweiligen Zielen und Methodik und

den Anhang mit einer Auswahl an Entspannungs- und Achtsamkeitsübungen.

|11|Wir wünschen allen Durchführenden viel Erfolg und vor allem Spaß mit „Mittendrin im Alter statt allein – MIASA“!

Ihr MIASA-Team

Köln, Januar 2020

Danksagung

Das Handbuch wurde in Zusammenarbeit mit Seniorinnen und Senioren im Rahmen des Forschungsprojektes MIASA entwickelt und erprobt. Mit jeder Programmdurchführung wurde es auf der Basis der neu gemachten Erfahrungen weiterentwickelt.

Unser besonderer Dank gilt allen Gruppenteilnehmerinnen und -teilnehmern für das uns entgegengebrachte Vertrauen sowie den Praxispartnerinnen und -partnern (der Kölner Seniorengemeinschaft für Sport und Freizeit e. V., der PariSozial gGmbH als Träges des SeniorenNetzwerks Höhenberg und dem Verein zur Förderung paritätischer Altenhilfe und Gemeinwesenarbeit in Köln Höhenberg e. V.) für die konstruktive Zusammenarbeit.

|13|Teil 1: Theoretischer Hintergrund

|15|1 Einsamkeit und soziale Isolation bei älteren Menschen

Die Menschen in unserer Gesellschaft leben heutzutage im Durchschnitt immer länger. Dem Statistischen Bundesamt (2015) zufolge wird der Anteil der über 65-Jährigen von 21 % im Jahr 2013 auf 32 bis 33 % im Jahr 2060 steigen. Dieser demografische Wandel bringt Herausforderungen mit – neben körperlichen Erkrankungen gerät das psychische Wohlbefinden älterer Menschen zunehmend in den Fokus von Wissenschaft und Praxis.

1.1 Definition Einsamkeit und soziale Isolation

Nicht jeder, der viel allein ist, fühlt sich einsam, und nicht jeder, der sich einsam fühlt, hat wenige Sozialkontakte. Vielleicht kennen Sie selbst Personen, die nur ein Minimum an Sozialkontakten pflegen, gerne allein sind und sich wohl dabei fühlen oder andere, die stets von vielen Menschen umgeben sind, sich aber trotzdem einsam fühlen.

Es wird daher zwischen Einsamkeit und sozialer Isolation unterschieden. Einsamkeit ist die wahrgenommene Diskrepanz zwischen der gewünschten und der tatsächlichen Qualität der sozialen Beziehungen (Peplau & Perlman, 1982), sie ist ein subjektiver emotionaler Zustand. Soziale Isolation hingegen beschreibt ein kleines soziales Netzwerk, das sich z. B. darüber definiert, dass jemand allein lebt und nur unregelmäßig andere Menschen trifft, unabhängig von der subjektiven Bewertung dessen. Erst mit dem Gefühl, keine Kontrolle über die Häufigkeit und Qualität der sozialen Kontakte zu haben, entsteht Einsamkeit (Newall et al., 2009).

1.2 Vorkommen über die Lebensspanne

Die meisten Menschen kennen das Gefühl der Einsamkeit von dem einen oder anderen Punkt in ihrem Leben. Qualter et al. (2015) fassen in ihrem Überblicksartikel zusammen, dass zwischen 20 und 71 % der Teenager und jungen Erwach|16|senen, zwischen 11 und 30 % der Personen mittleren Alters und zwischen 40 und 50 % der über 80-Jährigen „manchmal“ bis „oft“ unter Einsamkeit leiden.

Ältere Menschen sind spezifischen Risikosituationen ausgesetzt, die zum Erleben von Einsamkeit beitragen können und typisch für das Entstehen von Einsamkeit in dieser Altersgruppe sind. Individuelle und soziokulturell geformte Erwartungen beeinflussen das Erleben von Einsamkeit genauso wie diese alterstypischen Risikofaktoren.

Altersunterschiede sind zusammenfassend durch (1) eine unterschiedliche Verteilung von Risikofaktoren, (2) den Einfluss bestimmter Risikofaktoren in verschiedenen Lebensabschnitten sowie (3) der Wahrnehmung soziokultureller Normen mitbestimmt (Luhmann & Hawkley, 2016).

Im Alter häufen sich Risikofaktoren wie beispielsweise der Verlust einer nahestehenden Person, Mobilitätseinschränkungen, der herausfordernde Übergang von einer Erwerbstätigkeit in die Rente oder damit einhergehende finanzielle Einbußen.

Darüber hinaus können Wohnentfernungen zu Verwandten durch eine ggf. eingeschränkte Mobilität weniger leicht überwunden werden. Auch der Familienstand spielt für das Einsamkeitsempfinden im Alter eine größere Rolle als bei jüngeren Menschen. Allein lebende ältere Menschen erleben eher Einsamkeit als allein lebende jüngere Menschen (Victor & Yang, 2012). Wenn eine Partnerschaft besteht, aber beide Partner erkrankt sind oder eine erkrankte Person allein lebt, existiert ein besonders hohes Risiko, Einsamkeit zu erleben (Dykstra, van Tilburg & de Jong Gierveld, 2005; Sundström, Fransson, Malmberg & Davey, 2009).

Schließlich hängt unser Einsamkeitsempfinden auch von den empfundenen soziokulturellen Normen ab. Unser Lebensalter beeinflusst, mit welcher Gruppe an Personen wir unsere soziale Eingebundenheit vergleichen. Eine 15-Jährige, die zwei Freundinnen hat, kann sich sehr einsam fühlen, während eine 80-Jährige mit zwei Freundinnen sehr zufrieden mit dem Ausmaß ihrer sozialen Kontakte sein kann (Luhmann & Hawkley, 2016).

Frauen im höheren Lebensalter sind dabei häufiger von Einsamkeit betroffen als Männer (46 % vs. 25 %; Generali Zukunftsfond, 2014), u. a., weil sie eher von Altersarmut und Verwitwung betroffen sind.

Nichtsdestotrotz muss die verallgemeinerte Auffassung, dass Einsamkeitsgefühle im höheren Alter zwangsläufig zunehmen, vorsichtig interpretiert werden. Die österreichische Hochaltrigenstudie (ÖPIA, 2015) zeigt z. B., dass das Risiko, im Alter an Einsamkeit zu leiden, für Frauen, Alleinlebende oder Personen mit niedrigem sozioökonomischem Status und Gesundheitszustand zunimmt. Auch Böger, Wetzel und Huxhold (2017) fassen die Daten von zwei Jahrzehnten des Deutschen Alterssurveys so zusammen, dass vor allem Armut und ein niedriger Bildungsstand |17|zu dem Gefühl, gesellschaftlich ausgeschlossen zu sein, und damit zur Einsamkeit beitragen. Somit entsteht Einsamkeit im Alter oft in Interaktion mit den unter (1) bis (3) genannten Aspekten.

1.3 Transiente und chronische Einsamkeit

Auf Basis der Dauer wird zwischen transienter Einsamkeit, die von kurzer Dauer ist, und chronischer Einsamkeit, die über mehrere Monate oder Jahre anhält, unterschieden (de Jong-Gierveld & Raadschelders, 1982).

Bei älteren Erwachsenen kommt es öfter zu Formen der chronischen Einsamkeit, bei der nicht von einem eigenständigen baldigen Rückgang ausgegangen werden kann (Dykstra et al., 2005). Laut Qualter et al. (2015) leiden 15 bis 25 % der älteren Erwachsenen unter chronischer Einsamkeit. Sie tragen damit ein besonders hohes Risiko für einsamkeitsbedingte physische und psychische Gesundheitsfolgen.

1.4 Psychische und physische Gesundheitsfolgen

Die Auswirkungen von Einsamkeit und sozialer Isolation auf die psychische und physische Gesundheit sind gravierend und mit denen von mangelnder physischer Aktivität, Übergewicht oder Substanzmissbrauch vergleichbar (Holt-Lunstadt, Smith & Layton, 2010; Holt-Lunstadt, Smith, Baker, Harris & Stephenson, 2015). Seit einer der ersten wegweisenden Reviews von House, Landis und Umberson (1988) erschien, ist die wissenschaftliche Evidenz zu den gesundheitlichen Auswirkungen von Einsamkeit und sozialer Isolation exponentiell gestiegen (für einen Überblick siehe Holt-Lunstadt, 2018). Inzwischen wird Einsamkeit als gesellschaftliches Problem gesehen, was sogar dazu führte, dass die britische Regierung 2018 mit Mrs. Tracey Crouch ein Ministerium für Einsamkeitsprobleme schuf.

Eine robuste Ergebnislage spricht dafür, dass Einsamkeit und soziale Isolation mit erhöhter Mortalität und Morbidität in allen Altersstufen einhergehen. Dazu gehören kurzfristig u. a. ein Anstieg depressiver Symptome, Ängste und Impulsivität sowie langfristig kardiovaskuläre Erkrankungen mit Todesfolge, viele psychische Störungen (Depressionen, Schlafstörungen, Angststörungen, Störungen des Selbstwertes) sowie frühzeitiger kognitiver Abbau und demenzielle Erkrankungen (für einen Überblick siehe Cacioppo, Capitanio & Cacioppo, 2014; Hawkley & Cacioppo, 2010; Holt-Lunstadt et al., 2015). Andersherum fördert soziale Integration das psychische und physische Wohlbefinden und hat sogar einen Einfluss auf die |18|Lebenserwartung von Menschen (Ellwardt, van Tilburg, Aartsen, Wittek & Steverink, 2015; Holt-Lunstadt et al., 2015).

Direkte Vergleiche der schädlichen Folgen von Einsamkeit und sozialer Isolation sind nur schwer möglich, da selten beide Konstrukte in einem Studiendesign parallel untersucht werden (Holt-Lunstad et al., 2015). Allerdings deuten viele Studien darauf hin, dass es sich um zwei unabhängig voneinander existierende Konstrukte handelt (Coyle & Dugan, 2012, Perissinotto & Covinsky, 2014) – das heißt z. B. eine alleinige Erhöhung der Anzahl sozialer Kontakte reduziert nicht zwangsläufig Einsamkeitsgefühle. So sprechen sich eine Reihe von Autoren in Überblicksartikeln gegen eine alleinige Erhöhung von Kontaktmöglichkeiten als wirksame Strategie zur Einsamkeitsreduktion im Alter aus (Cacioppo, Grippo, London, Goossens & Cacioppo, 2015; Masi, Chen, Hawkley & Cacioppo, 2011; Qualter et al., 2015), da beim Vorkommen von chronischer Einsamkeit gedankliche Muster oder persönliche Eigenheiten, die die Kontaktaufnahme erschweren, in besonderem Maße eine Rolle spielen (Masi et al., 2011).

1.5 Wirkmechanismen – Einsamkeit und Stress

Auch wenn die zugrundeliegenden Mechanismen der gesundheitlichen Auswirkungen noch nicht vollends entschlüsselt sind, werden vor allem zwei Erklärungen herangezogen, um die positiven Gesundheitseffekte von sozialen Netzwerken zu untermauern (Ellwardt et al., 2015). Zum einen helfen wahrgenommene emotionale und instrumentelle Unterstützung bei der Bewältigung stressiger Lebensereignisse und haben somit einen indirekten Effekt auf die Gesundheit. Zum anderen haben gelingende soziale Beziehungen, die mit einem Zusammengehörigkeitsgefühl einhergehen und Identifizierungsmöglichkeiten bieten, einen direkten positiven Effekt auf physiologische Parameter wie das Stressachsen- und das Immunsystem.

Die Arbeitsgruppe um den US-amerikanischen Neurowissenschaftler und Psychologen John Cacioppo hat insbesondere den Punkt der psychophysiologischen Effekte in den vergangenen zwei Jahrzehnten weiter ausgebaut und auf die schädlichen Effekte von Einsamkeit und sozialer Isolation erweitert. Grundlage ihrer Überlegungen ist ein evolutionspsychologischer Ansatz: Menschen sind soziale Wesen. Teil einer Gruppe zu sein, erhöht die Überlebenswahrscheinlichkeit durch eine Reihe von Faktoren: sei es durch einen besseren Schutz vor Angreifern und den Naturgewalten oder einen verbesserten Zugang zu Ressourcen wie Wasser, Nahrung und Unterkunft. Dies wird besonders im Säuglingsalter deutlich, wo ein Neugeborenes ohne Fürsorge und Pflege von anderen in nahezu allen Lebensbereichen nicht lange überleben könnte, gilt aber auch für das ganze restliche Leben (für eine Zusammenfassung siehe Holt-Lunstadt, 2018). Nach |19|Cacioppo, Cacioppo und Boomsma (2014) sind Einsamkeitsgefühle mit Warnsignalen des Körpers wie Hunger oder Durst gleichzusetzen, deren Ziele möglichst zeitnahe Verhaltensänderungen sind. So wie Hunger oder Durst dazu motivieren, etwas zu essen oder trinken, kann Einsamkeit mit seinen direkten negativen Folgen ein kraftvoller Motor zur (Wieder-)Aufnahme oder Vertiefung sozialer Kontakte sein. So aktiviert Einsamkeitserleben neuronale, neuroendokrinologische und behaviorale Mechanismen, zu denen u. a. eine erhöhte Vigilanz für negative soziale Stimuli, eine gesteigerte Ängstlichkeit, sozialer Rückzug und depressive Stimmung zählen (vgl. Cacioppo, Cacioppo, Capitanio & Cole, 2015).

Obwohl diese Konsequenzen bei ausreichend vorhandenen Bewältigungsstrategien zunächst funktional sind, bergen sie langfristig das Risiko erhöhter Morbidität und Mortalität. Cacioppo, Cacioppo, Capitanio und Cole (2015) fassen in einem Überblicksartikel zur Neuroendokrinologie sozialer Isolation zusammen, dass die Befunde aus einer Vielzahl an tierexperimentellen und menschlichen Langzeitstudien darauf hinweisen, dass chronische Einsamkeit eine Aktivitätssteigerung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HHNA) fördert. Die HHNA ist Teil eines komplexen, sich i. d. R. selbst regulierenden Regelkreises, an dessen Ende in der Nebennierenrinde die Ausschüttung des Glukokortikoids Cortisol angeregt wird. Kurzfristig wirkt Cortisol entzündungshemmend und das Immunsystem aktivierend. Bei chronischem Stress gerät das sich selbst regulierende System jedoch aus dem Gleichgewicht. Soziale Bedrohungssituationen im Allgemeinen und Einsamkeit im Besonderen werden mit Glukokortikoid-Resistenz und damit einhergehender entzündungsfördernder Genexpression in Verbindung gebracht, die zu einem substanziellen Teil zu den negativen Gesundheitsfolgen von Einsamkeit beitragen (Cacioppo, Cacioppo, Capitanio & Cole, 2015).

1.6 Einsamkeit und psychische Störungen – ein Teufelskreis

Einerseits können somit physische und psychische Störungen als Folge von Einsamkeit auftreten, andererseits können sie Einsamkeit verstärken oder aufrechterhalten. Circa ein Viertel der über 65-Jährigen leidet unter einer psychischen Störung irgendeiner Art, dies entspricht dem Vorkommen im mittleren Lebensalter (Saß, Wurm & Ziese, 2009). Von demenziellen Erkrankungen abgesehen, erkranken ältere Menschen durchschnittlich also nicht häufiger an psychischen Störungen. Allerdings besteht ein bedeutsamer Zusammenhang zwischen psychischen Störungen wie Depressionen, körperlichen Einschränkungen und dem Verlust von sozialen Kontakten sowie damit einhergehender sozialer Isolation und Einsamkeit (Cacioppo, Hughes, Waite, Hawkley & Thisted, 2006; Greenglass, Fiksenbaum & Eaton, 2006; Davison, Hautzinger & Neale, 2016; Meltzer et al., 2013). |20|So kann ein Teufelskreis aus Einsamkeit/sozialer Isolation und psychischen Störungen entstehen, bei dem Einsamkeit sowohl ein Vorläufer als auch eine Folge von psychischen Störungen sein kann.

1.7 Bestehende Programme zur Einsamkeitsreduktion im Alter

Cacioppo, Grippo, London, Goossens und Cacioppo (2015) fassen bestehende Interventionen zur Einsamkeitsreduktion in drei Gruppen zusammen:

Interventionen, die über ein intuitives Vorgehen einer Einzelperson Unterstützung in spezifischen Lebensbereichen anbieten (z. B. durch gemeinsames Einkaufen oder Spazierengehen),

Interventionen, die die Anzahl sozialer Kontakte erhöhen (z. B. durch Gärtnern oder Singen in einer Gruppe oder Förderung der Mobilität durch Sportangebote) und

Interventionen, die soziale Fertigkeiten trainieren (z. B. mittels Psychoedukation und Rollenspielen).

Im Ergebnisbericht des GKV-Bündnisses für Gesundheit zur Bestandsaufnahme von Interventionen zur Gesundheitsförderung und Prävention bei älteren Menschen (Stellmacher & Wolter, 2018) zeigt sich, dass die Prävention von psychischen Störungen in bestehenden Programmen kaum eine Rolle spielt. Ebenso verfolgt keine der insgesamt 59 für den deutschsprachigen Raum gefundenen Interventionen einen verhaltenstherapeutischen Ansatz, obwohl bestehende Angebote zur Reduktion von sozialer Isolation und Einsamkeit im Alter ein breites Spektrum an Strategien nutzen, die sich an Einzelpersonen, Gruppen oder ganze Stadtteile richten (für einen Überblick siehe Poscia et al., 2018 <international> oder Stellmacher & Wolter, 2018 <Deutschland>). International wurden in den letzten Jahren jedoch erste Studien veröffentlicht, die vielversprechende kognitiv-behaviorale Interventionsansätze beinhalten (Cohen-Mansfield, Hazan, Lerman, Shalom, Birkenfeld & Cohen, 2018; Coll-Planas, del Valle Gómez, Bonilla, Masat, Puig & Monteserin, 2017; Pynnönen, Törmäkangas, Rantanen, Tiikkainen & Kallinen, 2018; Theeke, Mallow, Moore, McBurney, Rellick & VanGilder, 2016)

Zusammenfassend betrachtet liegt im Alter eine Reihe an spezifischen Risikofaktoren, die zu Einsamkeit und sozialem Rückzug beitragen. Diese führen dazu, dass ältere Menschen häufiger von chronischer Einsamkeit betroffen sind. Die dadurch entstehenden Gesundheitsfolgen sind vielfach bestätigt und entstehen u. a. über eine durch Einsamkeit/soziale Isolation ausgelöste Stressreaktion des psychophysiologischen Systems. Zusätzlich können sich Einsamkeit/soziale Isolation und psychische Störungen wie in einem Teufelskreis selbst verstärken. Bestehende Interventionen nutzten bisher nur selten das vorhandene theoretische Wissen bei der Konzeptentwicklung.

|21|2 Die Gruppenintervention MIASA

Im Projekt MIASA wurde ein innovatives Vorgehen gewählt, das neben Achtsamkeits- und Entspannungsübungen auf etablierten verhaltenstherapeutischen und neueren kognitiven und achtsamkeitsbasierten Ansätzen aufbaut. Aus den dargestellten theoretischen Hintergründen folgt, dass bei einer zielgruppengerechten, an den spezifischen Bedürfnissen, Risikofaktoren, aber auch Ressourcen von älteren Menschen ausgerichteten Intervention von positiven Effekten auf die physische und psychische Gesundheit ausgegangen werden kann.

Die Gruppe der über 65-Jährigen, die unter Einsamkeit leiden, stellt dabei keine homogene Gruppe dar. Eine Altersspanne von den „jungen Alten“ bis zu den Hochaltrigen, verschiedene gesundheitliche, sozioökonomische und kulturelle Voraussetzungen, eine variierende Anbindung an weitere Hilfestrukturen sowie Vertrautheit mit psychosozialen Gruppenangeboten führen zu einer Bandbreite an Wünschen und Erwartungen der TN. Das Programm MIASA bietet, trotz der Manualisierung, genügend Spielräume für eine dynamische Anpassung von Übungen und Abläufen, sodass das Programm je nach Gruppenzusammenstellung flexibel angepasst werden kann.

Nach einem Überblick über die Ziele und Module der Intervention folgt eine Beschreibung der Zielgruppe und eine Darstellung der Evaluationsergebnisse.

2.1 Ziele und Module

Ziele des Multikomponenten-Programms MIASA sind, niedrigschwellig und ökonomisch soziale Teilhabe zu fördern sowie Einsamkeit im höheren Lebensalter vorzubeugen und zu reduzieren, um über diesen Angelpunkt damit verbundenes Stresserleben und psychische Belastungen zu senken. Dazu werden, gestützt auf kognitiv-verhaltenstherapeutische und achtsamkeitsbasierte Techniken, die Themen Selbstfürsorge, Aktivitäten (wieder-)entdecken und planen, Umgang mit belastenden Gedanken sowie soziale Kompetenzen und Teilhabe behandelt (Modulübersicht vgl. Tabelle 1). Das Programm findet in zehn modularisierten Gruppentreffen von jeweils 90 Minuten Dauer statt.

|22|Tabelle 1: Modulübersicht

Treffen

Schwerpunkte

Inhalt

1–2

Kennenlernen und Selbstfürsorge

Aufmerksamkeitslenkung auf positive Reize, Genussübungen

Achtsamkeitstraining

3–4

Ressourcenorientierter Aktivitätsaufbau (Verhaltensaktivierung)

Individuell angenehme Aktivitäten (wieder-)entdecken und (re-)aktivieren

Verbindliche Planung, Umsetzung und Protokollierung von Aktivitäten

5–6

Kognitive Umstrukturierung dysfunktionaler Gedanken

Psychoedukation über und Identifizierung von belastenden Denkmustern und Einstellungen (bzgl. sozialer Kontakte, Kontrollüberzeugungen oder Selbstwert)

Umgang mit belastenden Gedanken

7–10

Förderung sozialer Kompetenzen und sozialer Teilhabe

Erkennen von eigenen Bedürfnissen und Hindernissen bei der Aufnahme zwischenmenschlicher Kontakte

Ideensammlung zur Partizipation am sozialen Leben, gemeinsame Planung/Umsetzung/Protokollierung

Übungen zur Verbesserung sozialkommunikativer Fähigkeiten (Umgang mit Missverständnissen)

Nur selten finden sich in diesem Handbuch reine Informationsvermittlungen. Vielmehr konzentrieren sich die einzelnen Gruppentreffen auf Übungen, auf die Reflexion des eigenen Verhaltens, auf überschaubare Vorsätze und immer wieder auf Anregungen durch Gleichgesinnte, indem der Austausch in der Gruppe in den Mittelpunkt gerückt wird.

Das Programm beginnt mit dem Kennenlernen der TN untereinander und Übungen, welche die Achtsamkeit und Aufmerksamkeitslenkung auf positive Reize fördern. Studien legen aufgrund der Abgrenzung zu klassischen „Therapien“ eine hohe Akzeptanz und Anwendbarkeit von achtsamkeitsbasierten Interventionsbestandteilen für ältere Menschen nahe. Entscheidend für den Erfolg von Programmen ist die zielgruppengerechte Anpassung von etablierten Elementen wie dem Body-Scan, z. B. durch eine Verkürzung der Übungseinheiten und der empfohlenen Sitzhaltung (vgl. Geiger et al., 2015). Belegte positive Effekte von Achtsamkeitsübungen bei älteren Menschen umfassen u. a. eine Steigerung der kognitiven Leistungsfähigkeit und Lebensqualität oder eine Reduktion depressiver Sympto|23|matik (Ernst et al., 2008; Gallegos, Hoerger, Talbot, Moynihan & Duberstein, 2013) und Ängstlichkeit (Lenze et al., 2014). Erste Ergebnisse zu einem Einfluss auf Einsamkeit liegen ebenfalls vor: Creswell et al. (2012) konnten in einer randomisierten kontrollierten Studie nachweisen, dass regelmäßige Achtsamkeitsübungen Einsamkeit und psychophysiologische Entzündungsindikatoren in einer Stichprobe von 40 älteren Erwachsenen reduzierten. Achtsamkeits- und Entspannungsübungen sind nach einer Einführung in diesem Modul fester Bestandteil eines jeden Treffens.

Eine grundlegende Methode der Verhaltenstherapie ist die Verhaltensaktivierung. Sie kommt im Projekt MIASA schwerpunktmäßig im dritten und vierten Treffen zur Anwendung. Durch eine schrittweise Umstrukturierung von Tagesabläufen, der Aufnahme (sozialer) Aktivitäten, die in der Vergangenheit Freude bereiteten, der Entdeckung neuer Tätigkeiten, der (Re-)Aktivierung von Freundschaften und/oder dem Kennenlernen neuer Menschen verfolgt das Programm eine Erhöhung der Rate positiver Verstärker im Alltag. Nach Pettigrew und Roberts (2008) spielt bei der Reduktion von Einsamkeit auch die Fähigkeit, mit sich allein Zeit verbringen und genießen zu können, eine tragende Rolle. Daher können die TN in diesen Modulen wählen, ob sie Aktivitäten für sich oder mit anderen Menschen aufnehmen möchten. Eine Fokussierung auf den Kontakt zu anderen Menschen findet ab dem siebten Treffen statt. Die Wirksamkeit der Verhaltensaktivierung ist insbesondere für Depressionen vielfach bestätigt (z. B. Dimidjian et al., 2006; Porter, Spates & Smitham, 2004; Richards et al., 2016). Dies gilt auch für ältere Menschen in verschiedenen Settings (ambulante oder stationäre Patientinnen bzw. Patienten, Bewohnerinnen bzw. Bewohner von Seniorenheimen) als alleinige Maßnahme oder Teil eines Multikomponenten-Programms (Orgeta, Brede & Livingstone, 2017). Durch die Reduktion von Stressoren im Alltag ist sie der instrumentellen Stresskompetenz zuzurechnen. Mit den Vor- und Nachbesprechungen sowie der theoretischen Einbettung im Programm MIASA (vgl. Stundenverlaufspläne) steigert sie die Selbstwirksamkeit und Fähigkeit zum Selbstmanagement der TN.

Ein weiterer wichtiger Baustein des Programms sind kognitive Techniken, also die Veränderung belastender Denkmuster. Sie werden im vierten und fünften Treffen des Programms intensiv behandelt. In einer Metaanalyse von Masi et al. (2011) haben sie sich als besonders wirksame Methode zur Einsamkeitsreduktion herauskristallisiert. Nach dem Einsamkeitsmodell von Hawkley und Cacioppo (2010) geht Einsamkeit mit erlebter Unsicherheit und Bedrohung einher. Diese führen zu einer Aufmerksamkeitsverschiebung auf angstauslösende Reize. Einsame Personen bewerten sich, ihre Umwelt und andere Personen negativer und erwarten und erinnern eher negative Interaktionen. Negative Interaktionserwartungen können bei anderen Menschen wiederum unbeabsichtigt Reaktionen hervorrufen, die genau diese Erwartungen bestätigen. So kann eine sich selbst erfüllende Prophezeiung in Gang gesetzt werden, die von Gefühlen des Misstrauens, der Angst, des |24|Stresses und einem geringen Selbstwert begleitet wird. Indem nun im Rahmen der Verhaltensaktivierung und mittels Elementen der kognitiven Umstrukturierung bestehende Verhaltensmuster des Rückzugs durchbrochen und gedankliche Muster, die eine Kontaktaufnahme erschweren oder zu Kontaktabbrüchen führen, hinterfragt und getestet werden sowie eine Verschiebung der Aufmerksamkeit auf positive Reize gefördert wird, kann auch chronische Einsamkeit reduziert werden.

Während im Rahmen der Verhaltensaktivierung sowohl Aktivitäten, die allein als auch mit anderen durchführbar sind, gefördert werden, widmen sich die Treffen 7 bis 10 gezielt dem Kontakt zu anderen Menschen. Hier besteht Raum, die eigenen Wünsche hinsichtlich sozialer Kontakte zu reflektieren, Wissenslücken über Angebote vor Ort zu schließen und an dem Beispiel „Umgang mit Missverständnissen“ sozialkommunikative Fertigkeiten zu üben. Diese Treffen greifen das bisher Gelernte auf und beziehen es konkret auf soziale Situationen und die individuellen Schwierigkeiten der TN.

Durch Hausaufgaben nach jedem Treffen, Rückbezüge und Verweise zwischen den Treffen sowie die sitzungsübergreifenden Achtsamkeits- und Entspannungsübungen wird das erlernte Wissen gefestigt und der Alltagstransfer gefördert. Die Ausführungen zu den Modulen sind als Schwerpunktsetzungen zu verstehen. Das Programm vereint instrumentelles, kognitives und palliativ-regeneratives Stressmanagement in einem innovativen Ansatz zur Reduktion von Einsamkeit und sozialer Isolation. Indem im Rahmen der Verhaltensaktivierung und mittels Elementen der kognitiven Umstrukturierung bestehende Verhaltensmuster des Rückzugs durchbrochen und gedankliche Muster, die eine Kontaktaufnahme erschweren oder zu Kontaktabbrüchen führen, hinterfragt und getestet werden sowie eine Verschiebung der Aufmerksamkeit auf positive Reize gefördert wird, kann auch chronische Einsamkeit reduziert werden.

2.2 Zielgruppe

Das Programm richtet sich an Personen ab einem Alter von 65 Jahren, die unter Einsamkeit oder sozialer Isolation leiden, aber noch selbstständig am gesellschaftlichen Leben – wie auch an üblichen Angeboten für Seniorinnen und Senioren – teilhaben können, dies aber aus individuell verschiedenen Gründen nicht tun.

Weitere Voraussetzungen für die Teilnahme beinhalten:

Kenntnisse der deutschen Sprache, um die Anweisungen und Arbeitsmaterialien verstehen zu können,

ausreichende Mobilität, um ohne Begleitperson an den circa 90-minütigen Gruppensitzungen teilzunehmen,

|25|adäquate, dem Alter angemessene kognitive Leistungsfähigkeit; demenzielle Entwicklungen oder andere auffallende Einschränkungen der geistigen Leistungsfähigkeit sollten vor Gruppenteilnahme weitestgehend ausgeschlossen sein und schließlich

angemessene psychische Belastbarkeit. Da das Programm ausschließlich als Gruppenprogramm konzipiert und keine engmaschige Einzelbetreuung der TN vorgesehen ist, ist die GL dazu angehalten, Personen, die unter akut behandlungsbedürftigen psychischen Störungen wie schwerer Depression, akuter Suizidalität oder einem akuten psychotischen Schub leiden, auszuschließen und an eine angemessene psychiatrische oder psychotherapeutische Betreuung weiterzuvermitteln.