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Die Armee des Lichts 3 (499) von Michael Klein Das Imperium scheint unterzugehen, und die kleine Armee des Lichts steht vor unlösbaren Problemen. Doch es gibt Hilfe von unerwarteter Seite, denn schon seit Milliarden von Jahren wurden bislang unbekannte Hilfsmittel installiert, die allerdings erst einmal gefunden und aktiviert werden müssen. Hier zeigt sich, dass die Armee des Lichts über unerwartet viel Stärke verfügt.
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Seitenzahl: 755
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Wenn der Schattenstern erwacht: Die Armee des Lichts 3
Copyright
Interlude: Fäden
Kapitel 1: Die Zitadelle der Unendlichkeit
Kapitel 2: Der neue Kaiser
Kapitel 3: Die Beherrscher der Zitadelle
Kapitel 4: Der Orden der Geretteten
Kapitel 5: Reise in die Vergangenheit
Kapitel 6: Das Lichtkommando
Kapitel 7: Myras Rückkehr
Kapitel 8: Die Welt der Sterbenden Sonne
Kapitel 9: Das Ende des Generals
Kapitel 10: Der Schattenstern erwacht
Die Armee des Lichts 3
von Michael Klein
Das Imperium scheint unterzugehen, und die kleine Armee des Lichts steht vor unlösbaren Problemen. Doch es gibt Hilfe von unerwarteter Seite, denn schon seit Milliarden von Jahren wurden bislang unbekannte Hilfsmittel installiert, die allerdings erst einmal gefunden und aktiviert werden müssen. Hier zeigt sich, dass die Armee des Lichts über unerwartet viel Stärke verfügt.
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Alfred Bekker
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Alles rund um Belletristik!
Der Kosmos ist der Raum, in dem Geschichten spielen – alle Geschichten, die jemals erzählt oder erdacht werden. Er ist endlos in seiner Ausdehnung, denn die Zahl der Geschichten, die erzählt wurden, erzählt werden oder noch zu erzählen sind, ist unendlich.
Die Zeit ist ein Seil, das sich durch den Kosmos zieht – ein Seil voller Knoten, an denen andere Seile hängen, von denen wiederum Seile ausgehen. Manche Seile enden im Nichts, andere werden noch geflochten, und wieder andere bilden einen Kreis, da ihr Ende an ihren Anfang geknotet ist. Im Ganzen erfüllt die Zeit die Endlosigkeit des Kosmos wie ein Netz.
Jedes Seil besteht aus Fasern, die ineinander gedreht das Seil erschaffen, und jede einzelne Faser wurde aus unzähligen Fäden zusammengesetzt, und auch sie sind zum Teil verknotet, zum Teil abbrechend, zum Teil ein Kreis. Fäden laufen zusammen, Fäden gehen auseinander.
Und wo immer ein Knoten einen neuen Abschnitt eines Seiles einleitet, treffen sich eine Vielzahl von Fäden – doch nicht alle gehen in den neuen Seilabschnitt ein.
*
Ein Knoten, ein Faden:
Jede Epoche der galaktischen Geschichte hat ihre Helden und ihre Schurken.
Als sich in unserem Universum das sechste Äon seinem Ende neigte und, ungehört von den meisten Lebewesen, die Frage gestellt wurde, ob das siebte Zeitalter unter der Herrschaft des Lichtes oder der Dunkelheit stehen würde, war einer der Schurken ein alter, weiser Mann, der sein Licht gemeinsam mit seinem Gedächtnis verloren hatte und tief in die ewige Nacht gesunken war. Und in die Leere seiner Erinnerungen flutete mit jedem Schlag seines verkümmernden Herzens mehr der Hass auf alles Leben, die Furcht vor dem eigenen Untergang und der schmerzhafte Ehrgeiz, alles – auch die Wirklichkeit selbst – zu unterwerfen.
Liebe, Güte, Freundschaft kannte er nicht mehr; er wurde vorangetrieben von dem brennenden Bestreben, zu gewinnen – und schon der Gedanke an eine Niederlage schien sein Innerstes zu zerreißen.
„Nie mehr!“, waren seine Gedanken. „Nie mehr verlieren!“
Dabei wusste er nicht einmal, wann er schon einmal verloren hatte. Was man ihm gesagt hatte, war, dass er einst ein völlig anderes Leben geführt hatte – ein Leben im krassen Gegensatz zu dem jetzigen. Also folgerte er, dass er – wenn er ein erstes Leben hinter sich gelassen hatte – bereits zum zweiten Mal lebte. Und so nannte er sich General des Zweiten Lebens. Doch worin dieses erste Leben bestanden hatte, wusste er nicht, wollte er nicht wissen. Er lebte nun ausschließlich für den Sieg, und man hatte ihm einen Sieg in Aussicht gestellt.
Das galaktische Imperium – er würde es zerstören, und nichts würde ihn aufhalten können. Er würde sich am Leid der Darniederliegenden weiden, er würde auf ihren Verlust hinabschauen und ihre Trauer genießen. Sie waren nicht zum Sieg geschaffen – der Sieg war seine Bestimmung. Und wenn er Erfolg haben würde, woran kein Zweifel bestand, würde man ihm eine noch größere Flotte schenken, und er würde weitere Kriege führen, weitere Siegesgefühle in seinen Adern spüren.
Er war der General des Zweiten Lebens, und das Zweite Leben war der Sieg.
Einen ersten Sieg hatte er bereits an sich gerissen: Der Obelisk der Macht, das Zentrum des feindlichen Imperiums, war gefallen. Und sein Plan war aufgegangen – die Mischung aus militärischer Stärke und Infiltration hatte zum Erfolg geführt. Über Jahre hinweg war dieser Schachzug vorbereitet worden, waren Spione in die Galaxis eingeschleust worden, hatten Zwietracht gesät, Versprechungen an den richtigen Stellen vorgebracht, Unzufriedenheit mit dem Imperium erzeugt.
Dann der erste Angriff – ein weiterer glorreicher Sieg für ihn. Wie konnten andere Stimmen in den eigenen Reihen behaupten, dieser Angriff wäre eine Niederlage gewesen? War der Obelisk nicht gefallen unter dem Ansturm seiner Truppen? Dass seiner Position und seinen Erfolgen Neid und Missgunst entgegengebracht wurden, war klar – dies war die Erklärung für die böswilligen Behauptungen, der Kampf wäre zu Gunsten des Imperiums ausgegangen. Er hatte den Obelisken doch in die Knie gezwungen, und dass daran ein Verräter auf imperialer Seite Schuld gewesen sei, war schlichtweg gelogen – eine infame Lüge, um ihn, den General des Zweiten Lebens, zu stürzen.
Er würde die bösen Stimmen einfach ignorieren, denn er wusste selbst am besten, wie genial er war, und dass er zum Sieg bestimmt, zum Siegen geschaffen war. Und wenn er mitbekam, dass er angeblich versagt habe und man nun einen Inquisitor zu ihm schicken würde, so lachte er innerlich und griff äußerlich hart durch: Ein solcher Lügner, der die Moral der Truppen untergrub, durfte nicht länger leben.
Denn der Sieg war nahe, und Fehler waren tödlich, sie würden zur Niederlage führen.
Und Niederlagen waren nicht akzeptabel.
Niederlagen waren schlecht.
Niederlagen waren nicht sein Schicksal.
*
Der gleiche Knoten, ein anderer Faden:
Der General des Zweiten Lebens hatte versagt.
Man hatte ihm eine große Zahl an Schiffen zur Verfügung gestellt und ihn mit allen nur erdenklichen Machtmitteln ausgestattet, und dennoch hatte er versagt – kläglich. Offensichtlich war der Mann nicht dazu bestimmt zu siegen. Es war ein Fehler gewesen, dem blinden Hass in seinem Innern zu vertrauen, und der Kosmische Prinz entschloss sich, keinem zornigen Mann mehr zu vertrauen.
Leider war Zeit kein Fluss, den er nach Belieben umleiten konnte.
Die Niederlage des Generals war ärgerlich und hatte Zeit gekostet. Wäre der Gegner beim ersten Angriff gefallen, hätte er seine Reise in die Zielgalaxis ohne Hast und ohne Druck hinter sich bringen und den Schattenstern erobern können – so musste er trotz der eigenen Überlegenheit mit Widerstand rechnen. Noch schlimmer: Der Schattenstern würde bereits in den Händen des Verräters sein, wenn er die Galaxis erreichte.
Zorn und Wut waren Gefühle, die er zwar kannte, aber nicht benutzte – sie schwächten ihn nur. Auch den General des Zweiten Lebens hatten sie geschwächt, und diese Schwäche hatte zur Niederlage geführt.
Auch Trauer war ihm unbekannt, dennoch bedauerte er, dass er noch so weit weg war von der Galaxis, die den Schattenstern und den Verräter verbarg. Es würde noch eine gewisse Zeit dauern, bis er ankommen und selbst in das Geschehen eingreifen konnte. So lange musste er sich mit Handlangern, Boten und eben dem gescheiterten General begnügen müssen. Doch gerade letzterer war unhaltbar geworden, insofern war es – trotz des entstehenden Vakuums in der Vorhut, die bereits in der Zielgalaxis operierte – richtig gewesen, einen Inquisitor loszuschicken, der den General entmachtete. Zwar konnte er im Notfall auf diesen Teil der Flotte verzichten, doch erschienen ihm Verschwendung und Verschleiß dieser Art schlicht und ergreifend unnötig. Immerhin war das Leben ein Faktor, der sicherlich im Plan seines Meisters einen hohen Stellenwert besaß – wenngleich er diesen Plan nicht kannte: Nur die drei Brüder wussten, was ihr Meister vorhatte, denn er selbst war mit einem anderen Auftrag betraut worden – er sollte den Verräter fangen und bestrafen. Und damit er sich nur diesem Ziel widmete, hatte er freiwillig auf das Wissen über den Plan des Meisters verzichtet. Erst wenn seine Aufgabe erfüllt war, würde er es zurückerhalten. Und seine Aufgabe stand kurz ihrer Erfüllung.
Der Verräter und der Schattenstern waren in dieser Galaxis, die er erreichen würde – bald. Leider nur bald.
Eigentlich hatte er diese Galaxis schon einmal besucht, vor etlichen Jahren. Er hatte sie komplett auseinandergenommen auf der Suche nach dem Verräter, ohne fündig geworden zu sein. Er hatte in jedem System gesucht, war unerbittlich gegen jeden Widerstand vorgegangen, auch wenn das bedeutete, wertvolles Leben zu vernichten. Es war ihm egal gewesen, denn damals war seine Suche noch jung, war er noch jung. Mit der Reife hatte sich sein Bewusstsein gewandelt, und er bevorzugte nun Maßnahmen, die das Leben schützten – sofern dies möglich war. Letztendlich musste sich alles dem hohen Ziel unterordnen.
Damals hatte er eine zerstörte Galaxis zurückgelassen, fest daran glaubend, hier nichts finden zu können. Doch er war einer List zum Opfer gefallen – der Verräter war hier gewesen, und er hatte den Schattenstern hier versteckt. Das war ihm klar geworden, als er Äonen später einen Ruf vernommen hatte, ein untrügliches Signal – der Todesschrei des Schattensterns. Damals hatte er geglaubt, dass ihre Mission gescheitert sei, dass der Schattenstern – der Schlüssel, den der Meister so dringend brauchte – vernichtet sei. Doch er hatte sich geirrt, und als ihm das klar wurde, hatte er sich für den Bruchteil einer Ewigkeit kindischer Freude hingegeben.
Der Schattenstern war nicht vernichtet sondern hatte sich selbst aus dem Todeskampf befreit, indem er einen Teil von sich selbst abgespalten hatte.
Und als dem Prinzen dies klar geworden war, verließ er augenblicklich den momentanen Ort seines Aufenthalts, beorderte die nächstgelegenen Kontingente seiner gewaltigen Flotte als Vorhut in die Zielgalaxis und machte sich selbst auf den Weg.
Sein Weg hatte Jahrtausende gedauert, aber nun war sein Ziel nahe: Er würde den Verräter finden und besiegen, und er würde den Schattenstern erobern. Und niemand würde ihn stoppen, denn er gehörte zu den mächtigsten Wesen dieses Universums.
Doch zunächst musste im Interesse der Gesamtstrategie der General verschwinden. Sein Inquisitor würde dafür sorgen, und er würde auch so lange in seinem Namen die Vorhut kommandieren, bis er selbst eintreffen würde. Die Verzögerung war bedauerlich, aber kein Untergang.
Der Meister wartete.
*
Der gleiche Knoten, ein dritter Faden:
Aus Totem war Lebendiges geworden, und aus Nebel hatte sich Form gebildet. Aus der Bedeutungslosigkeit war Existenz geworden, und aus Nichts formten sich Gedanken und Bewusstsein.
So erinnerte sich der Inquisitor seiner Geburt. Es war ein Punkt im Ablauf der Zeit gewesen, als er aus dem Nichtsein zum Sein transferiert worden war, und sein Jubelruf über den Beginn seines Lebens hallte noch immer in seinen Gedanken nach.
Doch ein Leben hat zwei Komponenten, und die bloße Existenz reicht nicht aus: Leben braucht einen Sinn. Und so war zu seinem Sein ein Wollen hinzugekommen, und dieses Wollen war die Erfüllung jenes Auftrags, für den er geschaffen worden war.
„Der General des Zweiten Lebens hat versagt!“, lauteten die Worte des Prinzen, der ihn geformt hatte. „Er muss von seinen Pflichten entbunden und aus dem Universum genommen werden!“
„Ich verstehe!“, hatte der Inquisitor geantwortet.
Dann war er aufgebrochen, schneller als jedes Schiff der Armada des Prinzen. Sein Ziel hatte er stets vor Augen, und es würde nicht lange dauern, bis er es erreicht hatte.
Dort würde er den Verlierer entfernen und selbst das Kommando übernehmen, bis sein Erschaffer eintreffen würde.
Und dann würde er vergehen, denn der Sinn seines Lebens endete an diesem Punkt der Geschichte. Traurig darüber war er nicht – was war ein Leben ohne Sinn?
*
Gleicher Knoten, vierter Faden:
„Der Kontakt ist geknüpft! Was vor langer Zeit geplant wurde, muss nun Wirklichkeit werden! Beginnt mit der Produktion der Äonalen Raumer!“
*
Gleicher Knoten, Faden Fünf:
„Die Weichen sind gestellt! Was vor langer Zeit geplant wurde, muss nun Wirklichkeit werden! Schattenstern, erwache!“
*
Es gab noch weitere Fäden, endlos viele Fäden.
Sechs dieser Fäden waren auf eine kaum begreifliche Weise ineinander verwoben, ohne selbst zu wissen, worin diese Verbindung bestand und wer den Webstuhl bedient hatte.
*
Gleicher Knoten, Faden Null:
Und der Schattenstern erwachte aus seinem ewigen Schlaf. Und dieses erzählten die Sternenkrieger:
Am Anfang waren Licht und Dunkelheit.
Doch wo Licht ist, kann keine Dunkelheit sein, und wo Dunkelheit ist, kann kein Licht sein.
So kam es zum ersten Krieg der Schöpfung, und als Licht und Dunkelheit erkannten, welche Gräuel sie verursacht hatten, schämten sie sich und beschlossen, in Zukunft den Frieden zu wahren. So gab das Licht seine Helligkeit, und aus dem übrigen wurden die Sonne und die Sterne, die seither das Nichts des Weltalls erhellten. Die Dunkelheit gab ihre Schwärze, und aus dem übrigen wurden die Planeten mit dem Samen, die das Leben wachen ließen.
Das Licht jedoch und die Dunkelheit verbanden sich zu dem Schattenstern, der in sich die Macht des Lichtes und die Macht der Dunkelheit vereinte.
Das alles geschah im Ersten Äon – vor 14 Milliarden Jahren unserer Zeit.
„Das ist noch mal gut gegangen!“, seufzte Elexi’ael und ließ sich seufzend auf einen der Notsessel neben sich fallen, die in der Kommandozentrale des Raumschiffes Schwert des Lichts standen. Während des Kampfes und der Flucht hatte er – teils aus Erschöpfung, teils aus Spannung – kein einziges Wort gesagt. Hinter ihm lag, noch immer ohnmächtig, die Kaiserin des galaktischen Imperiums, Cya von Aternia. Es war ihrem Einsatz zu verdanken, dass sie selbst und Elexi’ael nicht wie vermutlich das Gros der Obelisken-Bevölkerung dem Verrat der Rebellen zum Opfer gefallen waren. Und anschließend hatte Mercurion als Pilot des silbernen Raumschiffs ein weiteres Wunder vollbracht, als er sie durch das immer enger werdende Netz von Feindschiffen manövriert hatte, bis sie schließlich mit Überlichtgeschwindigkeit endlich in die Sicherheit des endlosen Weltalls geflohen waren.
„Was ist gut gegangen?“, wollte A’eron, der noch immer hinter den Waffenkontrollen stand, wissen, und seine Stimme klang aggressiv. „Es ist alles schief gegangen, was nur schief gehen konnte! Wir sind am Ende, mein Freund!“
„Wir leben noch!“, erwiderte Lex’ ebenso scharf. „Und damit haben wir eine Chance!“
„Eine Chance!“, meinte der Hochenergie-Ingenieur beinahe verächtlich. „Unser Leben ist das einzige, was uns noch bleibt! Das Imperium ist verloren, und Du weißt es!“
„Ich weiß, dass wir im Moment nicht gut dastehen! Aber ich weiß auch, dass wir die Pflicht haben, alles daran zu setzen, das Imperium wieder zu befreien!“
Nun lachte A’eron kurz und völlig humorlos, ehe er sagte: „Und die Armada, die in unsere Galaxis eingefallen ist, und die unser galaktisches Imperium nahezu im Sturm niedergewalzt hat?“
Zentaya, entgegen ihrer sonst so zurückhaltenden Art, meldete sich zu Wort: „Ich habe Informationen über die Armada bei meiner Untersuchung des havarierten Schiffes der Jäger der Sterbenden Sonne sammeln können und dabei herausgefunden, dass die feindliche Armada keineswegs nur aus der Flotte besteht, die im Augenblick in der Galaxis ist – eine viel, viel größere Ansammlung von Raumschiffen ist noch auf dem Weg zu uns!“
„Das heißt, wir sind schon gegen die Vorhut unseres Feindes vergeblich vorgegangen!“, nahm A’eron Zentayas Erklärung und den Faden wieder auf. Er wandte sich mit ruhiger Stimme der Hohepriesterin zu, weil er nicht zu Unrecht vermutete, dass sie über die fehlende Wirkung ihrer im Grunde genommen ungeheuerlichen Worte erstaunt war. „Wir … das heißt, einige Würdenträger des Imperiums hatten schon lange den Verdacht, dass die Anzahl der Schiffe, die gegen uns agierte, nur die Spitze des Eisbergs einer viel größeren Armada war, sozusagen die Vorhut! Bestimmte Messergebnisse der Tiefraum-Fernsensoren lassen auf ein gewaltiges Etwas schließen, was sich auf uns zu bewegt. Kurz vor dem Fall des Obelisken habe ich mir die Daten wieder angesehen: Es kann sich ohne weiteres um eine Raumflotte handeln!“
„Immerhin haben die Planetenmacher versprochen, uns zu helfen!“, mischte sich auch nun wieder Lex’ ein.
Stirnrunzelnd fixierte A’eron seinen Freund. „Du kannst doch nicht allen Ernstes auf ein Wunder dieser Art hoffen! Herrje, denk doch einmal realistisch!“
„Aber ich bin Idealist!“
Mit diesen Worten endete die Diskussion, die kurz davor war, zu einem echten Zerwürfnis auszuufern. Was geschehen wäre, wenn die beiden noch länger gestritten hätten, konnte niemand sagen, denn in diesem Moment erwachte die Kaiserin, und die anderen Mitglieder der Armee des Lichts und die beiden übrigen Geretteten – General Lutan von Zenit und Szeszechun, wandten sich ihr zu.
A’erons Blick sprach Bände. „Das ist also die letzte Streitmacht, die gegen die Rebellen vorgehen will!“, schien er zu sagen, und selbst der sonst so optimistische Elexi’ael konnte einen schwachen Schleier der Verzweiflung nicht vertreiben.
„Wo sind wir?“, wollte Cya, die nahtlos an ihr souveränes Verhalten vor dem Schwächeanfall anknüpfte, wissen.
„Im freien Raum, Überlichtgeschwindigkeit!“, erwiderte Elexi’ael knapp und deutete auf die durchsichtige Frontscheibe im vorderen Bereich der Zentrale, die schnelle Sternfäden und leuchtende Nebel zeigte; die Projektionsflächen waren deaktiviert worden. „Ohne Ziel!“
„Das muss sich ändern!“, sagte Cya von Aternia sofort, während sie beiläufig und dennoch mit großer Sorgfalt und Vorsicht die beiden blauen, hauchzarten Flügel auf ihrem Rücken streichelte, um zu überprüfen, ob nicht außer dem Durchschuss, der sie und Lex’ beinahe das Leben gekostet hätte, weitere Verletzungen aufgetreten waren. „Wir brauchen ein Ziel, sonst ist jede Gegenwehr sinnlos!“
„Wir brauchen kein Ziel, wir brauchen ein Wunder!“, meinte A’eron zynisch, doch sein Beitrag wurde ignoriert.
„Eine Basis ist es, was wir brauchen!“, fuhr Cya fort, und in ihrer Stimme lag alle Souveränität, alle Ernsthaftigkeit und alle Tatkraft, die nötig waren, um die Zweifel und die Furcht aus den Herzen der übrigen zu vertreiben.
„Was ist mit der Kathedrale der Ewigkeit?“, fragte Zentaya, die Hohepriesterin des Imperiums, die das von ihr vorgeschlagene Gebäude auf dem Planeten Horizont bewohnte.
„Vermutlich ist auch die schon in den Händen der Feinde!“, meinte Elexi’ael und warf einen Blick auf Cya, als erwarte er ihre Bestätigung.
„Das denke ich auch!“, meinte diese und erwiderte für den Bruchteil eines Augenblicks den Blick Elexi’aels. „Weitere Vorschläge?“
„Wie sollte diese Basis denn aussehen?“, fragte Sara, das junge Mädchen von der Erde, das mehr oder weniger stolpernd in das unglaublichste Abenteuer ihres bisherigen Lebens geraten war.
„Sie sollte gut zu verteidigen, am besten dem Feind unbekannt und dennoch für uns leicht zu erreichen sein!“, präzisierte Cya. „Und sie sollte keine unschuldigen Zivilpersonen in den Kampf involvieren!“
Nun trat das Reptilwesen Szeszechun vor und sagte ernst: „Gibt es in diesem Krieg noch unschuldige Zivilpersonen? Ist es nicht so, dass man entweder auf unserer Seite steht oder gegen uns ist?“
„Ich werde nicht zulassen, dass dieser Kampf unsere moralischen Werte aushebelt!“, sagte die Kaiserin streng, und ihre Augen leuchteten.
„Der Feind wird weniger Bedenken haben!“, wandte Szeszechun ein.
„Und daher werden wir siegen!“, erklärte Cya im Brustton der Überzeugung.
Elexi’ael kam urplötzlich und sprunghaft wieder auf das alte Thema zu sprechen. „Ich bin nicht davon überzeugt, dass wir uns eine feste Basis suchen sollten!“, meinte er nachdenklich. „Vielleicht ist es im Augenblick besser, mobil zu bleiben und unsere Beweglichkeit dazu zu benutzen, dem Feind Nadelstiche zu versetzen!“
„Dafür sind wir zu schwach!“, sagte Szeszechun sofort. „Ein Moskito kann einen Humanoiden zwar ärgern und ihm lästig sein, aber er kann ihn nie töten!“
„Tsetsefliegen!“, rief Sara aus, und alle Köpfe drehten sich zu ihr. Sie beeilte sich fortzufahren und erklärte: „Auf der Erde gibt es Tsetsefliegen! Die übertragen die sogenannte Schlafkrankheit! Wer von ihnen gestochen wird, schläft ein und wacht nicht mehr auf! Glaube ich auf jeden Fall!“
Noch immer erfolgte keine Reaktion, daher ergänzte sie mit vor Aufregung glänzenden Augen: „Es bringt nichts, wenn wir den Feind einfach nur stechen, das stimmt. Aber vielleicht können wir mit nur einem einzigen Stich so etwas wie ein Gift einspritzen, das unseren Gegner lähmt oder sogar vernichtet!“
Einige Augenblicke lang herrschte Schweigen.
„Was könnte ein solches Gift sein?“, fragte Cya dann in die Runde. „General Lutan, haben Sie eine Idee?“
Der Angesprochene reagierte, als hätte man ihn aus einem tiefen Schlaf gerissen; er schreckte auf, blickte einen Augenblick lang verwirrt in der Zentrale herum und meinte dann entschuldigend: „Verzeihung, aber ich war mit den Gedanken abwesend! Ich befürchte, die Anstrengungen der letzten Zeit fordern jetzt ihren Tribut!“
Cya war Mensch genug, um die Entschuldigung zu akzeptieren und ausreichend verständnisvoll, um es dabei zu belassen. So nickte sie kurz und blickte erwartungsvoll in die Gruppe auf der Brücke des Raumschiffs.
„Was ist mit dem Schattenstern?“, schlug Zentaya in das Schweigen hinein vor.
A’eron betrachtete die Hohepriesterin einen Moment lang verwirrt, dann meinte er: „Sollten wir uns wirklich an diesem mysteriösen Gebilde orientieren? Wir wissen nicht einmal, was er ist!“
„Aber Myra sprach davon, dass er so etwas wie ein mächtiges Instrumentarium ist!“, erwiderte Elexi’ael.
„Wieso sollte er deswegen eine Waffe sein?“, entgegnete A’eron. „Erinnere Dich: Sie sprach auch davon, dass das Netz ein mächtiges Instrumentarium sein wird, und als wir dachten, es könne eine Waffe gegen den Feind sein, lagen wir total daneben!“
„Das erinnert mich daran, dass Myra uns mit ihrer Netzbotschaft den Auftrag gegeben hat, in der Vergangenheit die Vierte Komponente zu verbergen!“, meinte Elexi’ael, ohne auf A’erons Einwand einzugehen. „Das ist jetzt wohl auch eine Mission, die erst einmal geringe Priorität hat, obwohl ihr Erfüllen sicherlich wichtig wäre!“
„Jedenfalls gebe ich A’eron bezüglich der Frage, ob wir mit dem Schattenstern eine Waffe erhalten, Recht!“, griff Cya das vorherige Thema noch einmal auf und stimmte dem Hochenergie-Ingenieur damit zu. „Wir wissen nicht, was der Schattenstern wirklich ist! Wir kennen nur die geheimnisvollen Phrasen von Myra!“
„Der Schattenstern ist ein Produkt von Licht und Dunkelheit!“, sagte Mercurion, der im Augenblick als Pilot des Schiffes fungierte, jedoch nicht viel zu tun hatte, ernst von seiner Station auf dem erhöhten Mittelpodest aus.
„Semantisch gesehen auf jeden Fall!“, nickte A’eron. „Ein Schatten ist die von Materie erzeugte Abwesenheit von Licht, also Dunkelheit!“
„Nein, ich meinte im realen Sinne!“, fuhr Mercurion fort.
Stille senkte sich über die Zentrale der Schwert des Lichts, und alle Anwesenden blickten fragend und verwirrt zu dem ehemaligen Händler und Schmuggler. Dieser hatte bereits seit dem ersten Erwähnen des Schattensterns überlegt, wo er diesen Begriff schon einmal gehört hatte, doch erst jetzt nach gelungener Flucht war es ihm wieder eingefallen.
„Es gibt auf dem Planeten Ewêlk ein Volk, die Suwaelker!“, erklärte er mit leichtem Unbehagen über die zentrierte Aufmerksamkeit, die ihm galt. „Ich habe einige Geschäfte dort erledigt, und dabei habe ich von einer Legende gehört, die den Schattenstern betrifft!“
„Nämlich?“, fragte Lex’ sofort.
„Die Legende erzählt von einem sprechenden Stein, den ein Krieger der Sterne vor Milliarden von Jahren in einer Höhle deponiert hat, und der noch existieren muss! Dieser Stein erzählt die Geschichte des Schattensterns. Nachdem das Universum entstanden war, gab es nur Licht und Dunkelheit, und die beiden Urzustände bekriegten sich. Und als sie sich nahezu ausgelöscht hatten, erkannten sie ihren Fehler, und so schufen sie gemeinsam ein Objekt aus Licht und Dunkelheit – den Schattenstern. Er soll das Gleichgewicht zwischen beiden Extremen wahren, doch damit er nicht in falsche Hände fällt, wurde er von den Kriegern der Sterne versteckt!“
„Wo liegt dieser Planet?“, fragte Elexi’ael sofort, nachdem Mercurion geendet hatte. „Vielleicht erhalten wir dort die Hinweise, die uns fehlen!“
„Der Planet ist für uns unerreichbar!“, sagte Cya augenblicklich. „Er gehört zum Ophiax-Reich, und das ist schon vor dem ersten Angriff des Feindes desertiert! Wenn wir uns dort blicken lassen, können wir genauso gut zurück nach Zenit fliegen!“
„Wann soll dieser Sternenkrieger da gewesen sein? Vor Milliarden von Jahren?“, fragte A’eron.
„Die Legende spricht von einer Reinen Zeit!“, erwiderte Mercurion.
„Ziemlich vage!“, meinte A’eron. „Also nehmt es mir bitte nicht übel, aber ihr wisst, dass ich von diesen Legenden und Sagen nicht überzeugt bin! Und wenn wir schon nahezu im Alleingang das galaktische Imperium rekonstruieren wollen, sollten wir mit etwas mehr angreifen als mit einer Gute-Nacht-Geschichte!“
Mercurion, durch das Erzählen eben dieser Gute-Nacht-Geschichte deutlich gelöster im Bund der Armee des Lichts, nickte sofort. „Ich stimme A’eron von Telerion zu! Es ist und bleibt eine Sage!“
„Außerdem ist sie im Augenblick sowieso eine Sackgasse!“, beendete Cya das Gespräch.
„Okay, dann lassen wir den Schattenstern außer Acht! Aber was ist mit seinem Fragment?“, schlug Elexi’ael vor. „Mit Myra?“
„Wir wissen nicht, wo Myra ist! Sie hat den Obelisken verlassen, ohne zu sagen, wohin!“, entgegnete Zentaya und blickte den Leiter des Psyonten-Kommandos mit einem Blick an, der sich fast für ihren Widerspruch entschuldigen zu schien. „Und sie hat uns dazu noch diesen Auftrag gegeben, die Vierte Komponente zu verstecken – in der Vergangenheit! Und dahin kommen wir so schnell nicht!“
Nun war Lex’ mit seiner Geduld am Ende, und von plötzlichem Ärger überflutet, rief er laut aus: „Wir können uns doch nicht immer nur einreden, dass wir nicht weiterkommen! Dies nützt uns nichts, das nützt uns nicht! Okay, dann müssen wir aufgeben, wenn nichts etwas nützt!“
„Ruhig!“, sagte Cya sofort, als hätte sie diesen Ausbruch erwartet. „Niemand redet hier von aufgeben! Allerdings sollten wir uns eingestehen, dass wir im Augenblick einfach in der totalen Defensive sind, und erst, wenn wir das erkannt und wirklich akzeptiert haben, können wir anfangen, Gegenmaßnahmen zu planen!“
Lex’ warf der Kaiserin einen Blick zu, in dem alle Verzweiflung, alle Trauer und alle Sehnsucht, die er fühlte, zu liegen schien, und sie, die seinem Blick standhielt, spendete mit dem Glanz ihrer Augen allen Trost und alle Zuversicht, die sie geben konnte. Schließlich seufzte der Psyont leise und nickte kaum merklich.
„Unser Ziel heißt im Augenblick schlicht und ergreifend Weiterflug!“, sagte sie dann laut. „Folgendes werden wir tun: Immer zwei Personen werden gleichzeitig Wache halten – ein Pilot und jemand, der die Umgebung nach Feindeinheiten absucht und den Funk abhört! Die übrigen werden sich in ihren Kabinen hinlegen! Wir haben alle eine anstrengende Zeit hinter uns, und wenn wir etwas erreichen wollen, müssen wir bei Kräften sein! Ich werde zusammen mit A’eron die erste Wache übernehmen!“
Einige Sekunden vergingen, ehe eine Starre von den Angesprochen fiel, und innerhalb weniger Momente setzten sich Mercurion, Elexi’ael, Zentaya, Sara, Szeszechun und General Lutan in Bewegung und gingen auf den Schacht zu, dessen Lift sie in den Rumpf der Schwert des Lichts befördern würde, wo die Wohnräume für die Besatzung untergebracht waren. Stille kehrte in der Kommandozentrale ein.
„Ich glaube, Lex’ fühlt sich verraten!“, meinte A’eron, nachdem die übrigen Anwesenden die Kommandozentrale verlassen und sich in ihre Quartiere begeben hatten.
„Ja, so sehe ich das auch!“, nickte Cya, die sich zu einem Sanitätsschrank begeben und mit dessen Inhalt ihre Wunde am Flügel behandelt hatte. „Vom Universum im Stich gelassen!“
„Was können wir tun?“
„Nichts! Er wird es schaffen, wieder einen klaren Kopf zu bekommen!“
Die Kaiserin setzte sich an das Kontrollpult der Kommunikation und checkte die Anzeigen.
„Es ist nicht angenehm, den besten Freund so ohne Hoffnung zu sehen!“, fuhr A’eron mit kalter Stimme fort. „Ich meine, dass ein Pessimist wie ich … aber …“
„Ohne Hoffnung?“ Cyas Kopf ruckte nach oben, und sie blickte einige Momente lang erstaunt zu A’eron. „Lex’ ist derjenige von uns mit der meisten Hoffnung!“
Auch der Hochenergie-Ingenieur wirkte verwundert. „Er klang vorhin ziemlich hoffnungslos!“
Nun ließ Cya ein glockenhelles Lachen hören. „Lex’ ist so voller Hoffnung, dass er es nicht ertragen kann, die Wirklichkeit so zu sehen, wie sie zu sein scheint! Du weißt doch, wie idealistisch er ist und wie sehr er an das Gute glaubt! Nur fällt es sogar ihm im Moment schwer, das Gute zu sehen, auf das er seine Hoffnungen projizieren kann!“
A’eron erwiderte nichts, sondern dachte nach. So bemerkte er nicht, wie ein leichter Schatten über Cyas Gesicht fiel. Erst als sie weitersprach, erkannte er für einen kurzen Moment, wie sich die Kaiserin, eben noch souverän, wirklich fühlte.
„Es ist eigentlich Lex’ Hoffnung, die mir die Kraft gibt, aufrecht stehen zu bleiben!“
„Aber Du …“
„Ich weiß – ich bin diejenige, die Mut verschenkt und Zuversicht verteilt! Aber glaube mir – ich erzeugte diese Hoffnung nicht! Ich nehme sie von Elexi’ael und gebe sie dann weiter!“
Einen Augenblick lang schwieg sie, und ihr Blick schien sich in der Endlosigkeit zu verlieren.
„Deshalb liebe ich ihn auch!“
*
Die nächste Wache wurde schließlich von drei Personen gehalten – Mercurion setzte sich wieder an das Pilotenkontrollpult, während Elexi’ael die Überwachung der Umgebung und des Funkverkehrs übernahm. Neben ihm saß darüber hinaus Sara, die erfahren sollte, wie man die entsprechenden Techniken bediente – als ehemalige Bewohnerin der Erde war sie selbstverständlich nicht mit der Funktionsweise eines Raumschiffs vertraut.
„Geht es Dir eigentlich besser?“, wollte Lex’ wissen, ehe er begann, ihr die einzelnen Kontrollelemente zu erklären.
„Ja, es ist okay!“, antwortete die junge Frau mit den kastanienbraunen Haaren und den grünblauen Augen. „Ich glaube, das war vorhin einfach nur alles ein bisschen viel auf einmal – erst der Angriff auf den Obelisken, dann die Flucht!“
Sara hatte kurz vor dem Start der Schwert des Lichts ein Schwächeanfall erlitten, den sie allerdings schnell wieder überwunden hatte.
„Wenn Du Dich nicht wohl fühlst, sag einfach Bescheid, dann kannst Du Dich wieder hinlegen!“
„In Ordnung!“
Dann erklärte ihr der Leiter des Psyonten-Kommandos die Funktionsweise und Steuerung des Kommunikationspultes, so dass Sara wenig später selbst die öffentlichen und imperialen Funkbereiche überwachte.
„Woran erkenne ich, ob ein Beitrag wichtig ist?“, wollte sie wissen.
„Instinkt!“, erwiderte Elexi’ael lächelnd. „Und keine Angst – der Bordcomputer zeichnet ohnehin alles auf. Das heißt, uns entgeht nichts endgültig!“
„Hm!“, nickte Sara. „Hier kommt etwas, was interessant sein könnte!“
Sie bewegte ihre Finger über einige Kontrollen, worauf sich ein dreidimensionales Holo eines Roboters über ihrem Pult aufbaute, der mit monotoner Stimme sprach.
„… haben die als Jäger der Sterbenden Sonne bekannten Kollaborateure mit ihren Schiffen den Planeten Horizont angegriffen und besetzt. Demnach befindet sich die Kathedrale der Ewigkeit unter der Kontrolle des Feindes. Bislang ist es nicht gelungen festzustellen, was mit dem Orakel oder der Hohepriesterin Zentaya von Dosk geschehen ist. Es halten sich die Gerüchte, dass die Hohepriesterin vor dem Angriff der Jäger der Sterbenden Sonne den Planeten verlassen und sich zur Kaiserin begeben hat. Allerdings kann dies aufgrund des Chaos auf Zenit und im Imperium nicht bestätigt werden!“
Die Nachricht endete, und Sara blickte Elexi’ael fragend an. Dieser nickte: „Ja, das war interessant und wichtig!“
„Was wollen die Jäger der Sterbenden Sonne auf Horizont?“
„Vermutlich ist es nur einer von vielen Zügen des Feindes! Nachdem Zenit als politisches Zentrum gefallen ist, will man nun auch demonstrieren, dass man das religiöse Zentrum des Imperiums unterworfen hat!“
„Glaubst Du, dass wir jetzt endlich erfahren werden, wer hinter diesem Angriff steckt, und wer oder was dieser Orden der Geretteten ist?“
„Abwarten! Wir sollten ohnehin einmal überlegen, was wir eigentlich wissen und was wir nicht wissen!“ Er erhob sich von seinem Sessel und ging einige Schritte über die Brücke, ehe er sich herumdrehte und zurückkam. „Wie hat das alles eigentlich angefangen?“
Sara musste nicht lange überlegen. „Also für mich begann die Sache damit, dass A’eron plötzlich nachts in meinem Schlafzimmer auftauchte!“
„Richtig! Er reiste per Netzteleportation und strandete dann auf Deiner Welt! Inzwischen wissen wir, dass Du der dortige Netzanker bist!“
„Und wir wissen von Myra, dass das Netz und der Schattenstern verbunden und eine Art Einheit sind, ebenso wie Myra, die sich einst von dem Schattenstern abspaltete! Und dieser Schattenstern soll in Kürze erwachen!“
„Soweit, so gut! Die Galaxis wird außerdem von einer großen Armada bedroht, beziehungsweise ist schon allein von ihrer Vorhut überrannt worden! Zusätzlich rebellieren einige Gruppen im Imperium selbst! Der Verdacht liegt nahe, dass diese entweder die außergalaktischen Aggressoren sozusagen ausnützen, oder dass sie sogar mit diesen in Verbindung stehen!“
„Was hat es denn mit dieser Riesenflotte auf sich, von der Zentaya und A’eron gesprochen haben?“
„Zentaya hat wohl was erfahren während ihrer Untersuchung des abgestürzten Jägerraumschiffes – ich denke, sie wird uns später was dazu erzählen! Und A’eron hat Recht, wenn er sagt, dass die Tiefraum-Fernsensoren ein gewaltiges, bisher unerklärliches Gebilde ausmachen konnten – allerdings ging diese Information in der Brisanz anderer Meldungen über die bereits anwesende Raumflotte unter! Immerhin musst Du wissen, dass es noch mehrere Jahre dauern würde, bis das unbekannte Raumobjekt unsere Galaxis erreicht!“
„Aber es könnte der Hauptteil der feindlichen Flotte sein?“
„Zumindest spricht nichts dagegen! Das wiederum würde diesem Konflikt eine neue Dimension geben, allein schon auf rein quantitativer Ebene!“
„Auch Myra sieht offenbar diese Auseinandersetzung als Bestandteil eines viel größeren Konflikts! Und in diesem Konflikt sollen wir als Armee des Lichts eine wichtige Rolle spielen!“
„Genauso ist es!“, nickte Elexi’ael. „Hoffen wir, dass die Zukunft uns einige Antworten bringen wird!“
*
Seit der Flucht der Armee des Lichts waren zwölf Stunden vergangen.
„Ich habe mir ein paar Gedanken gemacht, wie wir vorgehen könnten!“, sagte Cya, gleich nachdem sie die Kommandozentrale betreten hatte. „Kernziel der Operationen muss nach dem Finden einer Basis sein, den Obelisken wieder unter unsere Kontrolle zu bekommen!“
„Aber der Obelisk ist im Augenblick beschädigt! Wir würden ihn doch sofort wieder verlieren bei den vielen inneren und äußeren Widersachern!“, entgegnete Elexi’ael.
„Du hast Recht, der Obelisk ist im Augenblick sehr beschädigt! Aber dieses Problem haben im Moment nicht wir, sondern – im Gegenteil – der Feind! Er wird demnach alles daransetzen, den Schaden wieder zu reparieren! Und genau das kommt uns in zweierlei Hinsicht entgegen!“
Inzwischen hatten sich auch die übrigen Anwesenden wieder eingefunden, benachrichtigt durch ein entsprechendes Signal, welches Cya von ihrem Quartier aus an alle gesendet hatte.
„Erstens: Vermutlich hat die Reparatur des Obelisken für unseren Feind oberste Priorität! Dadurch wird er nicht alle Kräfte in unsere Verfolgung investieren können! Ich denke, dass es auch noch verschiedene andere Widerstandsgruppen in der Galaxis gibt!“
„Ist es denn möglich, dass wir uns einer solchen Widerstandsgruppe anschließen?“, wollte Sara wissen.
„Theoretisch ja, praktisch ist es schwieriger! Wir müssten sie erst finden, und wenn wir das können, kann es der Feind auch!“
„Was hältst Du für den zweiten Vorteil bezüglich der Beschädigung des Obelisken?“, fragte Zentaya, wieder das alte Thema aufgreifend.
„Der Obelisk ist im Augenblick vollkommen angreifbar, und zwar von zwei Seiten!“, fuhr Cya mit ihren Ausführungen fort. „Die obeliskeninterne Abwehr ist momentan auf einem Minimum, teils wegen der Zerstörung, teils wegen der Versiegelung, die ich vor unserer Flucht vorgenommen habe …“
„Aber Du denkst selbst, dass der Feind entsprechende Vorkehrungen in Form großer Flottenkontingente bei Zenit getroffen haben wird!“, wandte Lex’ ein.
„… und teils wegen der extremen Notwendigkeit von Arbeitern zwecks Reparatur!“, beendete Cya ihren Satz, ohne auf Elexi’aels Einwand einzugehen. „Es besteht vielleicht die Möglichkeit, dass wir hier einen Zugang finden!“
„Du willst Dich einschleusen?“, fragte Lex’ staunend.
„Ich denke, dass es möglich ist! Natürlich wird der Feind gerade hier extrem vorsichtig sein, aber wir haben dennoch Chancen!“
„Und was willst Du im Obelisken unternehmen? Ich meine …“
„Ich habe mit meinem kaiserlichen Signum den Obelisken versiegelt; der Feind kann nicht auf alle Einrichtungen zugreifen. Gleichzeitig haben die obeliskeninternen Systeme erkannt, dass das politische Zentrum des Imperiums okkupiert ist. Wenn es mir gelingt, die Sicherheitseinrichtung zu reaktivieren, können bei entsprechendem Schutz von außen die Waffensysteme den Obelisken wenigstens intern zurückerobern!“
„Also schlägst Du vor, dass wir umkehren?“
„Das halte ich für ziemlich riskant!“, äußerte sich nun auch Mercurion. „Der Feind wird derartige Aktionen erwarten, nicht nur von uns, sondern generell von Widerständlern! Wenn unsere Gegner clever sind, wovon ich ausgehe, dann werden sie alle Reparaturen und Reparierende drei- oder mehrfach überprüfen!“
„Jetzt ist ohnehin noch nicht der Zeitpunkt für derartige Aktionen!“, präzisierte Cya ihren Plan. „Wie bereits erwähnt, ist der Obelisk im Moment gar nicht zu halten! Ich schlage vor, wir konzentrieren uns weiterhin auf die Suche nach einer Operationsbasis und geben unseren Gegnern Zeit und das Gefühl der Sicherheit, ehe wir zurückschlagen! Dann aber sehe ich in einem derartigen Kommandounternehmen tatsächlich die einzige Chance, die wir haben!“
Es gab einige Zustimmung, dann meinte Zentaya: „Aber wir haben noch immer keine Idee, wo wir eine solche Basis finden könnten!“
Sara hatte in diesem Augenblick einen Einfall, und so fragte sie A’eron: „Was ist eigentlich mit dem Netz und dem Netzraum?“
„Ich habe vorhin während meiner Wache ein paar Messungen durchgeführt!“, meinte dieser. „Es ist so, wie Myra angekündigt hat: Der Netzraum zieht sich zusammen. Energetisch betrachtet heißt dies, dass die Reichweite des Netzes rapide abnimmt und seine Energie kontinuierlich steigt!“
„Wohin wird das führen?“, wollte Cya wissen.
„Das kann ich nicht sagen! Es handelt sich um einen Effekt, der normalerweise in einer gewaltigen Explosion enden würde, aber ich gebe zu, dass bisher nichts, was mit dem Netz, Myra und dem Schattenstern zu tun hatte, in den Bereich des Normalen fällt! Aber eigentlich wollte ich euch noch etwas ganz anderes mitteilen!“
„Nämlich?“
„Bei meinen Messungen im Netz-Spektrum bin ich auf eine Art Anomalie gestoßen!“ Er machte eine Pause und dachte kurz nach. „Ich versuche, euch diese Anomalie mit einer Metapher zu beschreiben: Stellt euch vor, das Wasser eines Sees verdichtet sich in seinem Mittelpunkt. Dadurch würden ja nach innen gerichtete Bewegungen des Wassers stattfinden. Was ich jetzt ermessen konnte, ist so etwas wie ein Aufstauen und ein Brechen der entstehenden Wellen an einer Art Wellenbrecher!“
„Und was schließt Du daraus? Hat dieser Wellenbrecher Einfluss auf das Zusammenziehen des Netzes?
„Es ist ein Phänomen, das entweder zufällig oder gezielt in den Netzraum hineinragt! Ich glaube nicht, dass der eigentliche Prozess beeinträchtigt ist, aber das war auch nicht meine Idee! Ich bin vielmehr der Ansicht, dass jemand diesen Wellenbrecher nutzt, um Bewegungen im Netzraum und der Netzstruktur zu erfassen!“
Elexi’ael hatte sich inzwischen erhoben und hörte seinem Freund stirnrunzelnd und nachdenklich zu. „Wenn wir Myra glauben, dass das Netz im Grunde nur dem Zweck dient, irgendwann zusammengezogen zu werden und dadurch den Schattenstern erwachen zu lassen, heißt das doch, dass dieser Wellenbrecher ein Instrumentarium sein könnte, genau diesen Prozess zu ermitteln!“
„Nach dem Prinzip: Wenn die Wellen gebrochen werden, ist auch Bewegung da?“, paraphrasierte Cya.
„Ja, genau! Irgendjemand oder irgendetwas wollte wissen, wann der Schattenstern zu erwachen beginnt! Die Frage ist: Ist dieser jemand für oder gegen uns?“
Cya wandte sich an A’eron: „Ist es plausibel, dass diese Anomalie den Zweck, den Lex’ beschrieben hat, haben könnte?“
„Aus hochenergiephysikalischer Sicht spricht zumindest nichts dagegen! Allerdings kennst Du meine Meinung über kosmische Zusammenhänge!“
„Dann macht es auf jeden Fall Sinn, uns die Sache anzusehen!“ Sie hatte dies in die Runde gesagt, nun drehte sie sich erneut zu A’eron. „Und wenn nicht, ist es auch so ein lohnendes Phänomen!“
„Das stimmt in jedem Fall!“
„Dann werden wir es uns ansehen!“, beschloss die aus momentaner Sicht ehemalige Kaiserin des Imperiums. „A’eron, Du gibst Mercurion die notwendigen Koordinaten!“
„Die Anomalie befindet sich in dem Sternensystem um Carana! Wir brauchen etwa fünfundzwanzig Stunden bis dahin!“
„Ich setze den Kurs!“, bestätigte Mercurion und begab sich an seinen Platz. Einige Eingaben auf seinen Armaturen zwangen die Schwert des Lichts aus ihrer bisherigen Flugbahn und auf die von A’eron beschriebene Anomalie im Carana-System zu.
*
Sara saß wieder hinter ihren Kommunikationsarmaturen und überwachte den Funk; zahlreiche Meldungen über Gefechte kamen herein, wobei mehr und mehr deutlich wurde, dass die Rebellen die Überhand gewannen. Allerdings wusste Sara aus dem Geschichtsunterricht, dass erfolgreiche Kriegsführung in der Regel auch eine Manipulation der Medien beinhaltete, so dass nicht einmal sicher war, dass die einzelnen Geplänkel tatsächlich alle zugunsten der inneren Feinde des verlorenen Imperiums endeten; andererseits sprach eine solche Beeinflussung der Nachrichten erneut für ein weiteres Anheimfallen der imperialen Strukturen in die Hände des Gegners. Ebenfalls als gesichert gelten konnte nun die Zusammenarbeit des mysteriösen Ordens der Geretteten mit der nicht minder geheimnisvollen Flotte, deren Vorhut die militärische Komponente der Rebellion darstellte. Zwar gab es keinerlei offizielle Aussagen, doch ließen die übermittelten Berichte derartige Schlüsse zu; eindeutige und von oben abgesicherte Mitteilungen blieben darüber hinaus schon deswegen aus, weil bisher gänzlich unklar war, wer eigentlich hinter dem Umsturz in der Galaxis steckte – der Orden und dessen Oberhaupt wurde zwar gelegentlich genannt, doch fehlten personale Angaben. Das gleiche galt für die Vorhut der Aggressorflotte, deren Oberbefehlshaber lediglich als General des Zweiten Lebens bekannt war.
Einen entscheidenden Hinweis erhielt Sara außerdem aus den Nachrichten – es gab tatsächlich eine Riesenarmada, die sich der Galaxis näherte, denn im Gegensatz zu den imperialen Informationen der vergangenen Monate, wo diese Flotte nicht erwähnt worden war, kam sie bei dem Feind immer wieder ins Gespräch und wurde angekündigt als eine Art Erlöser, der die Galaxis aus den letzten Zwängen der von Cya von Aternia und ihren Getreuen ausgeübten Politik der Unterdrückung befreien würde. Diese Bestätigung deckte sich mit den Informationen, die Zentaya während ihrer Erzählung über das Jägerschiff mitgeteilt hatte – dass nämlich, wie die Hohepriesterin aus den Gedanken des Generals des Zweiten Lebens extrapolieren konnte, dieser in der Tat nur die Vorhut kommandierte, während das Hauptkontingent unter der Kontrolle des eigentlichen Verursachers dieses Konfliktes stand, der allerdings nicht identifiziert werden konnte und weiterhin ein großes Mysterium blieb.
Nach einer Weile wiederholten sich dann die Nachrichten, beziehungsweise lieferten wenig Neues, so dass Saras Konzentration ein wenig abflaute, und so begann sie, sich Gedanken über den ungeheuerlichen Werdegang zu machen, der ihr in den letzten Tagen widerfahren war: Mitten in der Nacht war plötzlich A’eron in ihrem Zimmer gelandet und hatte sie, als kurz darauf ein Angriff der Jäger der Sterbenden Sonne erfolgte, mitgenommen und mittels Netzteleportation auf eine Welt namens Tarminia gebracht. Dort war sie zunächst in die Hände eines schrecklichen Spinnenmonsters gefallen, konnte dann aber gerettet werden und traf in einer Forschungsstation des Imperiums wieder auf A’eron. Doch auch dort waren sie nicht sicher, denn der Kommandant der Station hatte sich als Verräter entpuppt, der – das war nun offensichtlich – dem Orden der Geretteten angehörte. Ihnen gelang neuerlich die Flucht in einem alten Frachtschiff, das Mercurion gehörte, dessen abenteuerlichen Aufenthalt auf dem Planeten A 4132 sie dank des Bordlogbuchs miterlebte. Kurz darauf erfolgte ein weiterer Angriff der Jäger der Sterbenden Sonne, von dem sie sich schließlich mit einem Sprung zum Obelisken der Macht retteten. Auf Zenit hatte Sara schließlich Elexi’ael und Cya kennengelernt sowie später Zentaya und Myra. Ein Flug zur Kathedrale der Ewigkeit, wo das Orakel eine Prophezeiung aussprach; es ernannte Sara und die übrigen schließlich zur Armee des Lichts und vergab Aufgaben – so brachen anschließend A’eron und Lex’ auf, die Vierte Komponente Myras zu suchen, während Cya im Obelisken die ersten Angriffe der Feinde abwehrte. Sie selbst und Zentaya machten sich auf die Suche nach dem sechsten Mitglied der Armee des Lichts, bei dem es sich – so fanden sie später auf Zenit heraus – um Mercurion handelte, dessen Weg ihn ebenfalls zum Obelisken der Macht geführt hatte. Lex’ und A’eron hatten derweil die Vierte Komponente gefunden, die sich mit Myra vereinigte. Das plötzlich aufgetauchte Raumschiff Sternensturm brachte die Armee des Lichts anschließend auf einen sogenannten Kontaktplaneten, wo ein altes Bündnis mit einem Volk namens Planetenmachern erwähnt wurde, doch bevor man diesbezüglich reagieren konnte, fiel schlussendlich der Obelisk und damit auch das ganze Imperium einem Sabotageanschlag zum Opfer, und nur in höchster Not und letzter Sekunde gelang der Armee des Lichts die Flucht.
Und nun waren sie hier, auf dem Weg zu einer geheimnisvollen Anomalie. „Verzweiflung!“ murmelte Sara. „Wenn man in Anomalien sein Heil sucht, muss die Verzweiflung der Motor sein!“
*
„Haben wir schon etwas auf dem Holo?“, fragte die Kaiserin ernst. Sie hatten wie vorausgesagt etwa fünfundzwanzig Stunden gebraucht, um das System des Planeten Carana zu erreichen. Um einen blauen Stern kreisten lediglich drei Planeten ohne Leben, während die Anomalie in Form eines Strahlungsfeldes weit außerhalb deren Bahnen lokalisiert war und sich nicht bewegte. Eine Lang- und Nahstreckenortung hatte ergeben, dass der Feind nicht präsent war – es hätte auch keinen Sinn gemacht, denn das Carana-System war gänzlich uninteressant. Dennoch hatte Cya höchste Vorsicht angemahnt, denn sie befürchtete, dass auch ihre Widersacher die Anomalie entdeckt haben könnten, wobei sie andererseits nicht glaubte, dass die Eroberer im Augenblick Kapazitäten für Forschungs- und Entdeckungszwecke bereitstellen konnten. Aus normaloptischer und energetischer Perspektive war der Wellenbrecher nicht zu sehen; vor ihnen war lediglich leerer, schwarzer Weltraum.
Inzwischen waren wieder alle Mitglieder der Armee des Lichts sowie Szeszechun und General Lutan von Zenit vollzählig in der Kommandozentrale der Schwert des Lichts.
„Nein!“, antwortete Zentaya, die an dem Navigations- und Orterpult hockte, auf Cyas Frage. „Nichts!“
Wie bereits während des Beginns ihrer Flucht saß Mercurion am Steuer, dessen langjähriger Erfahrung als Händler und Frachtschiffspilot man Rechnung trug; der Hochenergie-Ingenieur A’eron von Telerion bekleidete nun eine Position, in der auch er sich besser aufgehoben fühlte, nämlich am Kommandopult der technischen Überwachung. Cya saß als Befehlshaberin nach wie vor im Sessel des Kapitäns, während Elexi’ael das Waffenpult bediente – in der Hoffnung, es nicht einsetzen zu müssen. Sara, im Schnellverfahren in die wichtigsten Funktionen des Kommunikationspultes eingewiesen, überwachte nun den Funk.
„Was sagen die Instrumente?“, fragte Cya den Hochenergie-Ingenieur.
„Im Netzraum das bereits bekannte!“, lautete dessen Antwort. „Wellenbrecher! Sonst nichts!“
Die Kaiserin des verlorenen Imperiums seufzte vernehmlich und wandte sich dann an Elexi’ael.
„Kannst Du mit Deinen psyonischen Sinnen irgendetwas wahrnehmen?“
„Ich spüre, dass da etwas ist – ein Wirrwarr an psyonischen Impulsen! Aber mehr kann ich dazu nicht sagen!“
„Sind wir vielleicht in eine Falle geraten, die der Feind ausgelegt hat?“, fragte Zentaya vorsichtig.
„Nein, glaub ich nicht!“, erwiderte die Kaiserin. „Also, suchen wir weiter!“
In diesem Augenblick meldete der Bordcomputer: „Ich empfange einige verzerrte Signale in unmittelbarer Nähe von uns!“
„Identifizieren! A’eron?“, befahl die Kaiserin und warf dem Hochenergie-Ingenieur einen teils fragenden, teils auffordernden Blick zu. Dieser wandte sich der neben der technischen Überwachungsstation gelegenen Sektion der Sensor- und Wissenschaftsphalanx zu, um die eintreffenden Daten zu kontrollieren. „Keine Kommunikationssignale bekannter Art!“, erklärte er schließlich knapp. „Es sind Energien – und zwar ziemlich chaotisch anmutende!“
„Zeig uns mal die Herkunftsstelle dieser Signale in relativer Lage zur Schwert des Lichts!“
Das Projektions-Energiefeld veränderte sich auf einen Befehl A’erons hin und zeigte stilisiert das imperiale Raumschiff vor schwarzem Weltraum, und ziemlich nahe daneben, markiert durch einen gelben Fleck, die Quelle der Signale.
„Wirklich weiter bringt uns das nicht!“, meinte Elexi’ael mit Blick auf die Darstellung. „Wir sollten uns lieber auf die Strahlungsart konzentrieren!“
„Die erste Analyse ist abgeschlossen!“, verkündete A’eron in diesem Moment, als hätte er nur auf Lex’ Einwand gewartet. „Es handelt sich um eine Energiebarriere, die eine dimensionale Enklave aus unserem Raum-Zeit-Kontinuum heraustrennen und verbergen soll!“
„Das bedeutet also, dass hier irgendetwas außerhalb unseres Raum-Zeit-Kontinuums verborgen ist!“, folgerte Cya. „Gibt es Anzeichen dafür, dass sich diese Barriere auflöst?“
„Keineswegs!“, erwiderte A’eron. „Ich würde sagen, diese Enklave existiert in dieser Form schon seit Urzeiten! Wir können sie nur deswegen jetzt orten, weil sich die Netzenergien an ihr brechen!“
„Worum könnte es sich denn dabei handeln?“, fragte Sara neugierig und möglichst bemüht, nicht zu zeigen, dass sie von den wissenschaftlichen Ausführungen A’erons nicht viel verstanden hatte. Weder die Kaiserin noch A’eron antworteten, und so erwiderte nach einigen Sekunden Elexi’ael: „Ich hoffe, es ist etwas gutes! Aber ich habe keine Idee, was es sein könnte!“
„Dann müssen wir wohl versuchen, in diese Enklave hineinzukommen!“, zog Mercurion den naheliegenden Schluss.
„Ich sehe keinen Eingang!“, stellte A’eron lapidar fest, die Augen auf seine Anzeigen gerichtet, doch mit einem amüsierten Lächeln um den Mund.
„Und klingeln kann man wohl auch nicht!“, ergänzte Sara leise vor sich hin lachend, wohl wissend, dass vermutlich nur A’eron wusste, was sie damit meinte, und zwar deswegen, weil letzterer eine kurze Zeit auf der Erde verbracht hatte.
„Wenn wir wüssten, was hier aus dem Raum-Zeit-Kontinuum transferiert worden ist, könnten wir vielleicht eine Zugangsmöglichkeit ermitteln!“, meinte Elexi’ael. „Welche Anhaltspunkte haben wir denn?“
Szeszechun trat einen Schritt nach vorne. „Wir sollten bei aller Neugier die nötige Vorsicht nicht vergessen! Die Energien, die wir empfangen, würden ausreichen, um das Raumschiff Schwert des Lichts vollständig und mit einem Schlag zu vernichten!“
„Wir scannen permanent den nahen Raum auf höchster Sensor-Sensibilitätsstufe!“, reagierte die Kaiserin sofort. „Sobald die Energie ansteigt oder direkte Auswirkungen auf das Schiff hat, drehen wir ab!“
Zentaya hinter den Navigations- und Sensorkontrollen bewirkte die entsprechenden Schaltungen. Einige Sekunden vergingen, dann sagte die Hohepriesterin plötzlich: „Die Sensorphalanx meldet den Eingang eines Permanent-Codes!“
Cya blickte stirnrunzelnd zu Zentaya. „Wieso ist das vorher nicht registriert worden?“
„Das Signal ist äußerst schwach! Nur die Verstärkung der Phalanx konnte es registrieren!“, erwiderte Zentaya und war froh darüber, den Blick auf ihre Kontrollen richten zu können – sie wusste zwar, dass die Kaiserin ihr keinen Vorwurf machte, doch kamen die alten Unsicherheiten wieder an die Oberfläche ihres Verhaltens.
„Und ich habe auf diesem Niveau nicht gescannt, weil ich vor allem den Netzraum untersucht habe!“, ergänzte A’eron.
„Jedenfalls kann uns dieses Signal vielleicht sagen, worum es sich hier handelt! Ist es akustisch?“
„Nein, es ist rein visuell und statisch; es hat den Charakter eines permanenten Hintergrundsignals, das als Identifizierung Nachrichten unterlegt!“
„Dann projiziere es auf den Hauptmonitor!“
Auf der Projektionsfläche erschien ein einziges Symbol: Es zeigte einen Kreis, um den acht schmale Dreiecke gruppiert waren, deren Spitzen nach außen zeigten. Der Hintergrund zeigte den Weltraum, durch den ein langschweifiger Komet flog.
Elexi’ael entfuhr ein Keuchen, und auch alle anderen starrten mit geweiteten Augen auf das Symbol.
„Was ist das?“, fragte Sara verwirrt, die damit nichts anfangen konnte. „Kennt ihr dieses Zeichen?“
„Fast jeder im Imperium, der ein bisschen Ahnung von Geschichte hat, kennt dieses Zeichen!“, sagte Cya ernst. „Aber gesehen hat dieses Zeichen noch niemand direkt!“
Sie machte eine kurze Pause, dann sagte sie mit fester Stimme: „Es ist das Zeichen der Zitadelle der Unendlichkeit!“
*
„Ehrlich gesagt stimmt es nicht ganz, dass noch niemand dieses Zeichen gesehen hat!“, meinte Elexi’ael, nachdem sich der erste Schreck über dieses Phänomen gelegt hatte. „A’eron und ich hatten während unserer Suche nach der Vierten Komponente Myras ein Chronometer gefunden, das ebenfalls dieses Symbol zeigte!“
„Genau dieses Zeichen?“, fragte Cya nach. „Das Zeichen der Zitadelle der Unendlichkeit?“
„Ja, genau dieses Symbol! Allerdings konnten wir nicht herausfinden, woher und wie dieser Chronometer auf die Wüstenwelt Cholk kam!“
„Was genau ist denn die Zitadelle der Unendlichkeit?“, fragte Sara.
„Während der Zeit des Ersten Schattenimperiums, das vor Millionen von Jahren in dieser Galaxis existierte und auf dessen Hinterlassungen unser galaktisches Reich aufgebaut ist, entstanden der Legende nach drei Bauwerke, die für das Reich von großer Bedeutung waren, nämlich der Obelisk der Macht als Zentrum der politischen Führung des Imperiums, die Kathedrale der Ewigkeit als religiöses Zentrum, und die Zitadelle der Unendlichkeit, die den militärischen Bereich zentrierte. Es gibt einige Berichte und Aufzeichnungen darüber, dass es sich bei letzterer um ein gewaltiges Bollwerk handelte. Während allerdings der Obelisk und die Kathedrale heute noch bekannt sind, verlor sich die Zitadelle irgendwann im Laufe der Geschichte und bekam nach und nach eine eher mythische Bedeutung!“, erklärte Cya sachlich.
„Ich habe eine Legende darüber gehört!“, äußerte sich nun auch Mercurion. „Diese besagt, dass einst Pilger aus einer anderen Galaxis nach einem langen Kampf gegen die Schwarzen die Zitadelle verbargen, damit sie dann wieder auftauchen sollte, wenn sie gebraucht werden würde! Das passt eigentlich zu unserer Situation!“
„Legenden enthalten sicherlich Wahrheiten, allerdings sollte man vorsichtig sein, allzu selbstverständlich ihre Aussage für wahr zu nehmen!“, wandte A’eron ein.
„Ich denke, wir sollten das Auftauchen dieser Legende als Glück für uns verstehen!“, meinte Elexi’ael schließlich. „Wobei ich nicht glaube, dass es Zufall ist, dass sie gerade jetzt auftaucht! Denkt beispielsweise an dieses Wellenbrecherprinzip, welches ja gezielt Veränderungen im Netzraum erfassen kann. Es bleibt die Frage, wie wir hineinkommen!“
„Soll ich vorsichtig in das Strahlungsfeld hineinfliegen?“, fragte Mercurion von seinem Pilotenpult aus.
Die Kaiserin überlegte kurz und sagte dann laut: „A’eron, was denkst Du? Besteht dabei Gefahr für das Schiff und seine Besatzung, wenn wir in die Energiebarriere hineinfliegen?“
„Es gibt keine Hinweise darauf!“, lautete die Antwort des Hochenergie-Ingenieurs. „Allerdings sind die Daten, die ich über die Sensoren erhalte, nicht umfassend genug, um ein Risiko hundertprozentig auszuschließen!“
„Wir riskieren es – aber vorsichtig! Sobald auch nur die kleinste Ungereimtheit auftritt, drehen wir sofort wieder ab!“ Während sie diesen Satz sagte, wandte sie den Kopf herum und blickte kurz Szeszechun an, der seinerseits knapp den Kopf nickte, um seine Bestätigung mitzuteilen.
Mercurion steuerte die Schwert des Lichts mit der gebotenen Vorsicht in das Wirbeln und Toben der unbekannten Energien hinein; Cya bemerkte, wie sie selbst die Luft anhielt, um sie kurz darauf zischend wieder auszustoßen.
„Und? Tut sich was?“, wollte sie wissen.
„Negativ!“, antwortete A’eron, und auch Mercurion schüttelte auf eine weitere Anfrage der Kaiserin hin den Kopf.
„Also hat das Einfliegen auch nichts gebracht!“, seufzte die Kaiserin und ließ sich in ihren Sessel fallen, von dem sie sich kurz zuvor erhoben hatte. „Hat jemand irgendwelche Ideen?“
„Vielleicht sollten wir mal überprüfen, ob sich hier in der Region noch andere Energieereignisse manifestiert haben!“, schlug Elexi’ael vor.
„Ja, das machen wir!“, entschied die Kaiserin und gab A’eron die entsprechende Anweisungen. Dessen Finger flogen über die Armaturen, dann wanderte sein Blick auf seinen Direktmonitor, er schaute noch einmal genauer hin und stieß dann völlig überraschend einen leisen Schrei aus. Alle Augen auf der Brücke wandten sich ihm zu.
„Was ist los?“, fragte Cya sofort. „Ist schon ein Ergebnis da?“
„So schnell?“, meinte Elexi’ael verwundert. „Das überrascht mich!“
„Nein, nein, ich habe noch nicht einmal angefangen mit einer Richtungssondierung!“, verneinte A’eron stirnrunzelnd. „Aber das hier ist … faszinierend! Ich habe zum Scannen der näheren Raumumgebung eine der imperialen Sternenkarten projiziert, um die etwaigen energetischen Phänomene lokalisieren zu können. Das habe ich dann mit den aktuellen Sensorinformationen kombiniert – eine übliche, das eigentliche Sondieren vorbereitende Prozedur!“
„Aber dabei hast Du etwas Unübliches entdeckt?“
„Nun ja, ich habe etwas eigentlich Unmögliches entdeckt!“
Er sah von seinen Kontrollen auf und meinte dann: „Im Nachbarsternensystem sind plötzlich drei statt nur einem Stern!“
Er gab den übrigen Brückenmitgliedern keine Zeit, die sensationelle Nachricht zu verdauen, sondern fuhr fort: „Die drei Sterne bilden ein exaktes, gleichschenkliges Dreieck, dessen Ebene exakt senkrecht steht zu einer Gerade in das Zentrum der Strahlungsanomalie!“
Es war Sara, die das aussprach, was alle dachten: „Dann haben wir wohl den Eingang gefunden!“
„Das erscheint zumindest naheliegend! Mercurion, fliege uns zu diesem Dreieck! Lex’, die Schilde bleiben auf Maximum!“
Sie brauchten keine zehn Minuten bis zum benachbarten Sternensystem, in dessen Zentrum drei gelbe Sterne das von A’eron beschriebene Dreieck bildeten.
„Wir fliegen genau in das Zentrum hinein! Ich erwarte höchste Konzentration von allen! Wenn etwas schiefgeht, müssen wir schnellstmöglich reagieren, denn die gravimetrischen Kräfte der Sterne sind nicht zu unterschätzen!“
Die Schwert des Lichts näherte sich der Ebene des Sternen-Trios. „Die Gravitation nimmt zu, ist aber beherrschbar!“, sagte Mercurion und wirkte dabei, als flöge er nicht ins Zentrum schier unberechenbarer Kräfte, sondern gemütlich mit einem kleinen Sternenflitzer eine Spritztour.
„Wie reagieren die Schutzschilde?“, fragte Cya.
„Keine Beeinträchtigung!“
„Das werten wir mal als positives Zeichen! Volle Beschleunigung!“
Die Geschwindigkeit des silbernen Raumschiffs nahm noch zu, tauchte in das gleißende Lichtermeer, das zwischen den Photosphären der drei Sterne hin und her brandete, verschwand aus dem Raum-Zeit-Kontinuum …
*
… um in einer anderen Dimension wieder aufzutauchen.
Als die Sensoren wieder Informationen lieferten und die Augen sich von dem blendenden Licht erholt hatten, nahmen die Anwesenden auf der Brücke des Raumschiffes fasziniert ihre Umgebung wieder wahr: In einem von unzähligen Sternen bevölkerten Raum schwebte ein Gebilde von unglaublichen Ausmaßen, dessen grobe Form der einer gewaltigen Kugel ähnelte, aber mit zahlreichen stachelartigen Auswüchsen bestückt war, die sich als schmaler Ring längs der Äquatorlinie um die Konstruktion zogen. Es war unschwer zu erkennen, dass das Symbol der Zitadelle im Grunde genommen nur die tatsächliche Konstruktion stilisiert widerspiegelte.
„Das ist also die Zitadelle der Unendlichkeit!“, flüsterte Elexi’ael voller Ehrfurcht in der Stimme.
„Als Kinder im Technikkurs haben wir sie immer so gemalt, wie wir sie uns vorgestellt hatten!“, ließ sich auch A’eron vernehmen, der nicht ganz den tiefen Eindruck, den das monumentale Gebilde auf ihn machte, aus seinem Tonfall verbannen konnte. „Ich habe, glaube ich, verloren! Bei mir war sie mehr wie eine Burg!“
Mercurion steuerte die Schwert des Lichts leicht oberhalb des Ringes aus Stacheln auf die Zitadelle zu, und aus dieser Perspektive erkannten sie auf dem Projektionsfeld, dass sich an den Enden der Spitzen ein großer, einmal die gesamte Konstruktion umrundender Ring befand.
„Mercurion, siehst Du irgendwo eine Möglichkeit, wo man landen kann?“, fragte A’eron den Piloten.
„Ich habe einen Verdacht!“, erwiderte der ehemalige Schmuggler. „Augenblick, ich zeige euch, was ich meine!“
Auf der zentralen Projektionsfläche wurde eine der Stacheln vergrößert, und je näher das Gebilde herangezoomt wurde, umso klarer wurde einerseits, was Mercurion meinte, und andererseits, wie groß die Zitadelle der Unendlichkeit in Wirklichkeit war, denn die Auswüchse liefen keineswegs spitz zu, sondern stellten derart große Einflugöffnungen dar, dass selbst die Schiffe, die dreimal größer waren als die Schwert des Lichts, problemlos einfliegen könnten. Insgesamt ermittelte der Bordrechner die Gesamtlänge eines Stachels auf etwas mehr als fünfzig Kilometer.
„Der Funkäther ist völlig leer!“, gab Sara nach einem kurzen Moment der Anzeigenkontrolle einen Statusbericht von ihrer Station.
„Entweder hat man uns im Innern der Zitadelle nicht registriert, oder wir sind ihnen egal!“ Elexi’ael machte eine kurze Pause und fuhr dann fort: „Oder sie haben kein Funkgerät beziehungsweise keinen, der es bedienen kann!“
„Sofern da überhaupt jemand ist, der lebt!“, ergänzte Szeszechun mit düsterer Stimme.
„Wir riskieren einen Einflug!“, meinte Cya und erhob sich aus ihrem Kapitänssessel unterhalb Mercurions Pilotenkontrolle.
„Vielleicht werden wir als Feind eingestuft und angegriffen!“ Das waren die ersten Worte, die General Lutan von Zenit mit noch immer zittriger Stimme einwarf, ohne vorher angesprochen worden zu sein.
„Das Risiko müssen wir eingehen!“, erwiderte Cya sofort, ehe sich ein schwaches Lächeln über ihr Gesicht zog. Sie sagte: „Ich gestehe außerdem, dass ich ziemlich neugierig bin, was uns im Innern erwartet!“
Dann wurde sie schlagartig ernst und fügte hinzu: „Aber wir bleiben in höchster Alarmbereitschaft!“
Sie näherten sich vorsichtig dem Einflugpunkt.
„Ich messe ein schwaches Energiefeld!“, meldete sich A’eron zu Wort. „Es verhindert offensichtlich das Austreten von Atmosphäre, dürfte aber von festen Gegenständen durchdrungen werden können!“
„Das bestätigt Mercurions These, dass es sich um einen Einflugschacht handelt!“, nickte Cya. „So langsam wie möglich einfliegen!“
„Bin dabei!“, bestätigte Mercurion. Die Schwert des Lichts war jetzt so nah an dem Einflugbereich heran, dass durch das Sichtfenster der Blick auf den noch dunklen Innenraum des Stachels frei war.
„Wir passieren das Energiefeld … jetzt!“
Die Dunkelheit im Innern des Einflugschachtes verging augenblicklich in einem hellen Aufleuchten; anscheinend hatte der Durchflug durch das den Stachel begrenzende Energiefeld einen Automatisierungsprozess und damit das Aktivieren der Innenbeleuchtung ausgelöst.
Der Hangar hatte beeindruckende Ausmaße und war von einer goldbraunen Färbung. Sara sah sich bis zu einem gewissen Grad an die Landeplattformen des Obelisken der Macht erinnert, allerdings befanden sich hier die Terrassen, auf denen die Raumschiffe landen sollten, nicht außerhalb des Gebildes, sondern an den Wänden des großen Raumes. Während allerdings, wie sich Sara erinnerte, auf Zenit nahezu jede Plattform besetzt war oder gerade ein Raumschiff startete oder landete, herrschte hier die freie Platzauswahl.
„Wir landen auf der mittleren Plattform!“, entschied Cya schnell, und Mercurion führte ihren Befehl aus. Keine fünf Minuten später hatte die Schwert des Lichts auf der bezeichneten Plattform aufgesetzt. Noch immer war nichts passiert, die Zitadelle der Unendlichkeit hatte nicht auf ihren Einflug reagiert, wenn man von dem Aufflammen der Hangarbeleuchtung absah.
„Das ist ein merkwürdiges Material!“, stellte Elexi’ael plötzlich fest. „Ich kann es mit den Psy-Sinnen nicht durchdringen! Ich nehme auch nur die Personen hier im Schiff wahr!“
„Vielleicht gibt es sonst keine Personen in der Zitadelle!“, erwiderte Szeszechun. „Das würde auch mehr zu dem Bild der Zitadelle passen, das überliefert worden ist!“
Elexi’ael entgegnete: „Trotzdem prallen meine psyonischen Sinne an dem Material ab! Aber ehrlich gesagt bin ich mir keiner Information bewusst, ob die Zitadelle bewohnt sein soll oder nicht!“
„Nun, das werden wir ja sehen!“, beendete Cya die Meinungsverschiedenheit. „Sollen wir hier noch warten, bis etwas passiert, oder sollen wir selbst explorieren? Vorschläge!“
„Ich bin dafür, dass wir uns umsehen!“, schlug A’eron vor, sagte sonst aber nichts.
„Das bin ich auch!“, stimmte Lex’ zu.
„Ich möchte darauf hinweisen, dass wir uns in einer uns höchst unbekannten Umgebung befinden, die als potentiell feindselig betrachtet werden muss!“, wandte Szeszechun ein. „Ich biete mich an, die Vorhut zu übernehmen!“
Cya schüttelte den Kopf. „Es wäre mir lieber, wenn Du mit General Lutan hier bleiben würdest, und ich sehe mich mit der Armee des Lichts um!“
Sara war nicht imstande, die Miene des Echsenwesens zu deuten, doch sie war sich sicher, dass seine Stimme, als er etwas erwiderte, gereizt, vielleicht sogar beleidigt klang.
„Gibt es einen bestimmten Grund dafür?“, fragte er.
Cya erhob sich und trat auf den Leibwächter zu. „Es hat nichts damit zu tun, dass ich Dir und Deinen Fähigkeiten nicht vertraue! Aber ich habe den Verdacht, dass wir als Armee des Lichts eher eine Zugangsmöglichkeit zu der Zitadelle der Unendlichkeit haben! Nichtsdestotrotz sollte das Raumschiff nicht unbewacht bleiben!“
Nicht zum ersten Mal wuchs in Sara das Gefühl der Hochachtung vor Cya – sie hatte mit einigen wenigen Worten ihre Entscheidung begründet, ohne ihre Autorität in Frage zu stellen. Und die Argumentation war plausibel. Das sah offensichtlich auch Szeszechun ein, denn dieser neigte knapp zur Bestätigung den Kopf.
„Ich ermahne aber nachdrücklich zur Vorsicht!“, sagte er abschließend.
„Wir gehen kein Risiko ein!“, bestimmte die Kaiserin nickend. „Schutzanzüge und Helme anlegen und schließen!“
Sara sah, wie sich die anderen zu einigen Paneelen in der Wand der Brücke begaben und aus Fächern einige kleine Geräte herausnahmen; Cya und Zentaya zogen außerdem bläulich-silbern leuchtende Overalls heraus, wie sie auch Lex’ und A’eron trugen – Mercurion war nach wie vor in seinen bräunlich-gräulichen, lederartig wirkenden Anzuge gehüllt. A’eron, dem Sara einen hilfesuchenden Blick zuwarf, legte sich ein gürtelförmiges Gebilde um den Hals, anschließend einen ähnlichen Gegenstand um die Hüfte. Als er sah, dass Sara offenbar nicht wusste, was sie tun sollte, griff er lächelnd zwei weitere dieser Gegenstände sowie einen Overall und trat mit ihnen zu ihr.
„Hier, das sind Dein Overall und die Schutzkomponenten! Zieh die Sachen einfach über Deine Kleidung!“
„Wie funktionieren sie?“, wollte das Mädchen von der Erde wissen, während sie mit schnellen Bewegungen in den Overall schlüpfte.
„Ganz einfach, Du musst sie erst mal anlegen. Darf ich?“
Als Sara nickte, legte er ihr die beiden Gerätschaften um die schmale Hüfte und den Hals; Sara fühlte, wie sich diese ihrer Körperform anpassten und hatte für einen Augenblick das Gefühl, dass jemand ihr den Hals zusammendrückte, doch die Angst verging schnell, als das Gerät den Druck reduzierte und sich schlussendlich anfühlte wie eine etwas schwerere Halskette.
„Das sind natürlich keine Kampfanzüge, deshalb ist ihre Funktion recht einfach!“, erklärte A’eron weiter. „Mit diesem Kontrollgerät an Deinem Gürtel aktivierst Du einmal den Schutzhelm und den Körperschild! Probier es doch mal aus!“
Sara folgte seinen Anweisungen, und nach Betätigen des linken Knopfes fühlte sie, wie sich ein Etwas um ihren Körper herum manifestierte und sich an sie schmiegte.
„Das ist ein Kontakt-Schild!“, fuhr A’eron mit seinen Erklärungen fort. „Du wirst ihn nicht merken, weil er sich automatisch Deinen Bewegungen anpasst! Erschrick nicht, wenn er bei Berührung kurz flackert!“
„Kann ich meine Hände einsetzen?“
„Ja, der Schirm ist so dünn, dass nicht einmal Deine taktile Wahrnehmung eingeschränkt ist! Nur bei direkter Energieeinwirkung oder großer mechanischer Gewalt wird er relativ undurchlässig!“
„Was ist mit dem Helm?“ Während Sara noch fragte, betätigte sie auch den anderen Kopf, worauf sie für den Bruchteil einer Sekunde das Gefühl hatte, dass der Anblick von A’eron vor ihren Augen wegklappte, dann war alles wieder wie gewohnt. Um ihren Kopf hatte sich ein ebenfalls energetischer Helm gebildet, allerdings in größerem Abstand zu ihrem Körper. A’eron erklärte: „Bei Helmen ist es nicht sinnvoll, ihn als Kontaktschirm einzusetzen wegen der Nähe zum menschlichen Gehirn! Ohnehin ist diese Form des Kopfschutzes nur bei diesen kleinen Anzügen eingesetzt; in richtigen Kampfanzügen wirst Du so etwas nicht finden, weil die Gefahr, durch massiven Strahlenbeschuss eine interne Entladung zu provozieren, viel zu groß ist!“
„Na, dann hoffe ich, dass es zu keinem massiven Strahlenbeschuss kommt!“, meinte Sara lächelnd.
„Das sehe ich ganz genauso!“, sagte Cya, die neben die beiden getreten war, mit funkelnden Augen. „Für Schutzkomponenten von Overalls gilt: Wer schnell laufen kann, ist im Vorteil! Hier, für euch beide!“
Sie reichte sowohl A’eron als auch Sara eine kleine, handgroße Waffe sowie jeweils zwei Magazine dazu.
„Ich … ich habe noch nie geschossen!“, sagte Sara verblüfft, in der ein Widerwille gegen die Annahme der Pistolen wuchs.
„Und hoffentlich musst es auch nicht, aber wenn wir angegriffen werden, möchte ich nicht, dass Du schutzlos bist!“, erwiderte die Kaiserin des gefallenen Imperiums scharf. „Die beiden Strahler sind ganz einfach zu bedienen. Hiermit öffnet und entfernt man das Magazin, das neue wird einfach hineingeschoben. Der Auslöser befindet sich hier!“
Sara erinnerte sich an ein buntes Treiben auf Fastnachts- und Karnevalsfesten und an viele Jungs, die mit knallenden und qualmenden Colts herumgelaufen waren und versucht hatten, durch laute Schüsse und peinliches Getue Prinzessinnen und anderen Mädchen zu imponieren. Im Prinzip unterschieden sich die Handfeuerwaffe, welche A’eron nun ebenfalls in seinem Gürtel verschwinden ließ, nur in Details von jenen Pistolen, die auf der Erde verwendet wurden.
Das ungute Gefühl blieb.
„Falls es Dich interessiert, ich trage sie auch nicht gerne!“, meinte Lex’ zu ihr, der neben sie getreten war. „Aber Cya hat Recht – man sollte sich verteidigen können!“
Ein Schatten huschte über sein Gesicht, und A’eron, der seinen besten Freund zur Genüge kannte, wusste, dass es etwas damit zu tun hatte, dass der Anführer des Psyonten-Kommandos gezwungen worden war, während ihrer Flucht aus dem Obelisken andere Personen zu töten.
„So, wenn wir alle fertig sind, können wir das Schiff verlassen!“, sagte Cya laut, die in dem Kampfanzug nicht weniger attraktiv war als in ihrem üblichen Overall. Das galt darüber hinaus auch für Zentaya, die ohne ihre fließende Priesterrobe – sie hatte kurzzeitig die Brücke verlassen und sich schnell davor umzogen – auch gleich nicht mehr ganz so ätherisch wirkte, und Sara hoffte insgeheim, dass sie eine ähnlich gute Figur in der neuen Kleidung machte. Ob A’eron ihre Gedanken erraten hatte oder ob er es von sich aus sagte, wusste Sara nicht, jedenfalls freute sie sich, als der Hochenergie-Ingenieur sie kurz musterte und dann mit einem breiten Lächeln meinte: „Der Kampfanzug steht Dir ausgezeichnet! Du siehst aus wie eine Amazone aus der Mythologie der Erde!“
Innerlich lächelnd begab sich Sara gemeinsam mit Zentaya, Cya, A’eron, Mercurion und Elexi’ael zu der Ausstiegsschleuse der Schwert des Lichts; General Lutan von Zenit war auf der Brücke verblieben, Szeszechun begleitete die Armee des Lichts.
„Haben Sie noch Anweisungen für mich?“, fragte der Anführer der kaiserlichen Leibgarde seine Vorgesetzte.
„Ich vertraue auf Deine Fähigkeiten!“, sagte Cya. „Sichere das Raumschiff! Im Krisenfall reagierst Du nach eigenem Ermessen!“
„Ich habe verstanden!“, bestätigte Szeszechun.
Dann verließen die sechs Personen das Raumschiff und betraten zum ersten Mal die geheimnisvolle Zitadelle der Unendlichkeit.