Die Krise der Banken - Dr. oec. Fabian Brunner - E-Book

Die Krise der Banken E-Book

Dr. oec. Fabian Brunner

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Beschreibung

Banken, so wie wir sie heute kennen, wird es in absehbarer Zukunft nicht mehr geben: Angesichts des zunehmend digital abgewickelten Bankgeschäfts, dem bestehenden Kostendruck und der schmaler werdenden Wertschöpfungstiefe, ist die Kreditwirtschaft der Zukunft von Technologisierung und Spezialisierung geprägt sowie vom Einfluss und den Fähigkeiten der BigTechs bedroht. Wettbewerbssituation, Wertschöpfungsstrukturen und bestehende Geschäftsmodelle der Kreditwirtschaft werden sich massiv verändern müssen, denn die Kernfunktionen der Banken - Zahlungsverkehrsabwicklung und Finanzierung - sind trotz des Schutzschirms durch Bankenaufsicht und Governance keine einmaligen Schlüsselfunktionen mehr, die die Bankwirtschaft bisher innerhalb einer Volkswirtschaft unentbehrlich machten. So zeichnet sich nun der perfekte Sturm ab, denn »Banking is necessary, banks are not«, wie Bill Gates schon 1994 sagte. Banken auf der ganzen Welt sind darum bemüht, darauf eine adäquate Antwort zu geben. Dieses Buch schafft zunächst eine fundierte theoretische Basis, um darauf aufbauend die Gesamtsituation zu beleuchten, Versäumnisse sowie Problemfelder aufzuzeigen und mögliche Lösungsansätze zu skizzieren.

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Dr. Fabian Brunner

Die Krise der Banken

Wie strategische Trendsdas Bankgeschäft der Zukunft verändern

1. Auflage

Copyright: © 2020 Dr. Fabian Brunner

Lektorat: Erik Kinting – www.buchlektorat.net

Umschlag & Satz: Erik Kinting

Verlag und Druck:

tredition GmbH

Halenreie 40-44

22359 Hamburg

978-3-347-06880-3 (Paperback)

978-3-347-06881-0 (Hardcover)

978-3-347-06882-7 (e-Book)

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhalt

Quo vadis Bankgeschäft

Ausgangssituation

Weiteres Vorgehen

Sonderfall Bankbewertung

Die Wertermittlung einer Bank, keine einfache Unternehmensbewertung

Bewertungsrelevante Konsequenzen

Bewertungsverfahren und ihre Eignung

Herausforderung Prognose

Ertragswertverfahren

Eigenkapital und Rendite

Die Kosten des Eigenkapitals

Prognose der künftigen Nettozuflüsse

Marktwertverfahren

Multiplikator Kurs-Gewinn-Verhältnis

Multiplikator Kurs-Buchwert-Verhältnis

Bankwirtschaftliche Geschäftsfelder und deren Bewertung

Das Privatkundengeschäft

Das Investment-Banking

Fazit und Ausblick

Bankwirtschaftliche Geschäftsmodelle

Wertschöpfung und Geschäftsmodell

Das bankwirtschaftliche Wertschöpfungsmodell

Trends im Bankgeschäft

Outsourcing der bankwirtschaftlichen Wertschöpfungskette

Die Rolle von FinTechs im Bankgeschäft am Beispiel der Neo-Banken

Zukauf von Wachstum und Know-how

Das Erreichen eines Wettbewerbsvorteils als Ziel

Branchenattraktivität

Exkurs:

Die relative Wettbewerbsposition

Exkurs:

Die Bewertung von (Bank-)Strategien

Bewertungskriterien

Bewertungsverfahren

Fazit und Ausblick

Strategie und Wettbewerb

Marktattraktivität am Beispiel des deutschen Bankenmarktes

Bankgeschäft im Wandel

Deutsche Banken im Wettbewerb

Das Chancen-Risiko-Profil

Wettbewerbspositionen am Fallbeispiel

Commerzbank

Gesamtbankebene

Geschäftsfeldebene

Deutsche Bank

Gesamtbankebene

Geschäftsfeldebene (Bereiche)

Fazit und Ausblick

Wertschöpfungsanalyse am Fallbeispiel

Umfragegestützte Wertschöpfungsanalyse

Hintergrund und Methodik

Empirische Ergebnisse

Teil 1

Wettbewerbsintensität – Bedrohung der Wettbewerbsposition

Teil II

Das Verhältnis zwischen Kunde und Bank – Zielgröße Wettbewerbsvorteil

Teil III

Zukunftsperspektive – gemessen am bankwirtschaftlichen Standardfall, dem Filialgeschäft

Marktbasierte Wertschöpfungsanalyse

Marktentwicklung

Commerzbank

Deutsche Bank

Ertragssituation

Fazit und Ausblick

Schlussbetrachtung

Anhang: Fragebogen

Endnoten

Quo vadis Bankgeschäft

Ausgangssituation

Kreditinstitute stehen heute vor einer Vielzahl bisher unbekannter Herausforderungen: Neben dem zunehmend globalisierten und technologisierten Tagesgeschäft prägen die Bankwirtschaft der Zukunft insbesondere die fortschreitende Tiefe aufsichtsrechtlicher Bestimmungen sowie die von der Digitalisierung getriebene wachsende Zahl neuer, auf Teilaspekte der bankwirtschaftlichen Wertschöpfungskette spezialisierter Anbieter und dabei wiederum ganz besonders die sogenannten BigTechs. All diese Veränderungen sind geeignet, die Wettbewerbssituation, Wertschöpfungsstrukturen und bestehenden Geschäftsmodelle der Kreditwirtschaft maßgeblich zu verändern.

Für die klassische bankwirtschaftliche Wertschöpfung sind die großen – im Rahmen dieses Buches angesprochenen – strategischen Trends bisher vor allem Innovationen, denen die Banken weltweit in der Regel auch gefolgt sind. Das traditionelle Wertschöpfungsmodell im Bankgeschäft schien bisher also die Zeit unverändert zu überdauern. So lang der Autor denken kann, sind die bankwirtschaftlichen Kernfunktionen, die reibungslose Abwicklung des Zahlungsverkehrs sowie die Finanzierungsfunktion in ihrer grundsätzlichen Ausgestaltung unverändert. Genau diese Kernfunktionen bilden die Grundlage für die Schlüsselfunktion, die die Bankwirtschaft innerhalb einer jeden Volkswirtschaft innehat. Zahlungsverkehrsabwicklung und Finanzierungsfunktion sind für das Funktionieren einer Volkswirtschaft schlicht unverzichtbar. Natürlich hat sich auch hier die Welt weitergedreht – die Etablierung des Onlinebankings steht exemplarisch dafür – doch die Grundlogik der Bankindustrie hat sich in den vergangenen Jahrzehnten kaum verändert.

Doch nun zeichnet sich – zumindest für die europäische Bankwirtschaft – der perfekte Sturm ab. Einerseits steht als Folge von COVID-19, gepaart mit der bereits heute vergleichsweise niedrigen Profitabilität der Banken Europas, ein wirtschaftliches Stressszenario ins Haus. Das globale Finanzsystem ist – trotz der seit der Finanzkrise erzielten Fortschritte – verwundbar gegenüber einer lang anhaltend schlechten Wirtschaftslage. In den Kreditportfolien der Banken ist der Anteil an relativ riskanten Kreditnehmern in den vergangenen Jahren stetig gewachsen. Wertberichtigungen und Kreditausfälle werden deshalb bei der nun vor der Weltwirtschaft liegenden Rezession noch schneller und stärker anwachsen, als dies schon bei einer gleichmäßigen Verteilung der Kreditrisiken der Fall gewesen wäre.

Verstärkt wird dieses Szenario dadurch, dass die negativen Begleiterscheinungen der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank immer offensichtlicher zutage treten. Das seit Langem bestehende Niedrigzinsumfeld musste, zumindest bei den professionellen, selbst unter Renditedruck stehenden Marktteilnehmern wie Versicherungen, Pensionskassen und Banken, zwangsläufig zu Anlageentscheidungen mit einer überproportionaleren Risikodisposition führen, als in einem normalen Zinsumfeld üblich.

Die Wirtschaftslage, die starke Zunahme notleidender Kredite, die schwache Ertragssituation aber auch die weiterhin noch bestehenden Kostenineffizienzen und Überkapazitäten werden wiederum dazu führen, dass die bereits heute verhältnismäßig niedrigen Eigenkapitalrenditen der Banken im Euroraum weiter unter Druck geraten. Sinken die Eigenkapitalrenditen dauerhaft unter die Kapitalkosten, besteht die Gefahr, dass der Kapitalmarkt nicht mehr bereit ist, die Banken zu finanzieren, denn nur nachhaltig profitable Banken sind auch stabile Banken.

Und die Aufsicht? Die internationale Finanzmarkt- und Bankenregulierung hat bereits viel dafür getan, um auf diese Situation vorbereitet zu sein. Beispielhaft genannt sei:

1. Die Europäische Zentralbank versucht unter anderem über die Vollendung der sogenannten Bankenunion eine zentrale, den Gesamtmarkt überblickenden Aufsichtsinstitution mit gemeinsamer Einlagensicherung zu etablieren. Die Idee dahinter ist, grenzüberschreitende systemische Risiken insbesondere der systemrelevanten Banken über einen einheitlichen europäischen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism, SSM) zu kontrollieren und Klumpenrisiken zu vermeiden, die in einer Finanzkrise gefährlich wären.1

2. Die deutsche Aufsichtsbehörde (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, BaFin) sah bereits 2019 die Gefahr sogenannter zyklischer Systemrisiken. Um eine übermäßige Einschränkung der Kreditvergabe in wirtschaftliche Stressphasen zu vermeiden und eine mögliche prozyklische Wirkung des Bankensystems auf die Realwirtschaft zu verringern, forderte die BaFin die deutschen Kreditinstitute entsprechend dazu auf, einen antizyklischen Kapitalpuffer zu aktivieren und diesen auf 0,25 Prozent der risikogewichteten inländischen Forderungen anzuheben.2

Doch unter der internationalen Finanzmarkt- und Bankenregulierung herrscht bis heute keine harmonisierte Regelsetzung. Eine zentrale Herausforderung ist in diesem Zusammenhang die sogenannte Regulierungsarbitrage, wobei damit die Umgehung aufsichtsrechtlicher Anforderungen durch Auslegung des Anwendungsbereichs von Rechtsnormen genauso gemeint ist, wie die unter dem Begriff Schattenbanken zusammengefassten privaten Kreditfonds, Hedgefonds und verschiedenen Finanzierungszweckgesellschaften, die außerhalb der engmaschigen Überwachung der Finanzaufsicht die für Banken strengen Kapital- und Liquiditätsvorschriften umgehen und dennoch bankenähnliche Funktionen wahrnehmen.3

Wie einflussreich Bankenregulierung sein kann, zeigt die von der Trump-Administration initiierte Überprüfung des in der amerikanischen Bankenregulierung wichtigen Dodd Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act (Dodd-Frank-Act). Mit dem Dodd-Frank-Act wurde die Aufsicht über die Finanzindustrie nach der Finanzkrise 2008/2009 neu geordnet und strengeren Regeln unterworfen.4 Doch nachdem die Trump-Administration darauf aufmerksam machte, dass der Dodd-Frank-Act mit einer Überregulierung verbunden sei, da die Kreditvergabe der Banken dadurch (vermeintlich) eingeschränkt werde und das damit verbundene Ziel, zukünftige Krisen im Finanzsektor zu verhindern beziehungsweise nur unter Inkaufnahme massiver Einbußen beim Wirtschaftswachstum erreichbar wären, galt die Regulierungsvorschrift in ihrer Gesamtheit als zu restriktiv und wurde entsprechend gelockert.5

Mit der 2018 verabschiedeten Änderung wurde der Schwellwert, ab dem eine Bank als systemrelevant eingestuft und deshalb strenger überwacht wird, von 50 Milliarden Dollar auf eine Bilanzsumme von 250 Milliarden Dollar erhöht. Außerdem wurden der Handel, die Kreditvergabe und die Kapitalregeln für Banken mit einem Aktivvermögen von unter 10 Milliarden Dollar erleichtert. Eine Bewertung dessen würde den Rahmen des Buches sprengen, klar ist jedoch, dass die Änderung des Dodd-Frank-Acts als Deregulierung des US-amerikanischen Aufsichtsrechts verstanden werden kann, also politisch motiviert für amerikanische Banken erkennbar verbessere Wettbewerbsbedingungen geschaffen wurden.6

Zusammengenommen lässt sich festhalten, dass die globale Rezession in Folge der COVID-19-Pandemie und die bereits angesprochene Zombifizierung der Volkswirtschaft eine enorme Gefahr, zumindest für das europäische Finanzsystem, bilden. Der dramatische Konjunktureinbruch und das damit einhergehende abrupte Ansteigen der Risikoprämien werden das globale Finanzsystem trotz der international verbesserten regulatorischen Mindeststandards und Eigenkapitalanforderungen empfindlich treffen, was auf die Spitze getrieben einen Bankenrun und/oder eine weitreichende Marktbereinigungen nach sich ziehen kann.7

Hinzu kommt andererseits eine Disruption, deren Konturen immer deutlicher werden und die in ihrer Konsequenz die Bankenbranche als Ganzes infrage stellt. Gemeint ist eine Veränderung mit tief greifenden strukturellen Konsequenzen, nämlich die Bedrohung der bankwirtschaftlichen Wertschöpfungskette durch die sogenannten BigTechs. Große internationale Technologieunternehmen wie Google (amerikanisch) oder Alibaba (chinesisch) zielen mittlerweile mit ihren Online-Payment-Diensten direkt auf das Herzstück der bankwirtschaftlichen Wertschöpfung ab: den Endkunden. BigTechs fassen zunehmend Fuß auf dem Finanzdienstleistungsmarkt und bieten ihrer enormen Nutzerbasis mehr und mehr Finanzdienstleistungen, wobei die traditionellen Banken dabei die Rolle des Dienstleisters übernehmen.

Zwar ist das Finanzdienstleistungsgeschäft keine Kernaktivität der BigTechs, dennoch ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis ein großes Technologieunternehmen ein hochskalierbares Bankangebot einführt, damit Millionen von Kunden in allen wichtigen Bankensegmenten individualisiert anspricht und dabei gleichzeitig mit der Kostenbasis dramatisch unter dem Branchendurchschnitt liegt. Kunden werden die Plattform der BigTechs schnell als Ausgangspunkt für alle ihre Bankdienstleistungen nutzen, statt zu ihrer Hausbank zu gehen, um diese Dienstleistungen zu kaufen. Durch die Trennung der direkten Verbindung zum Kunden werden einige Banken zu White-Label-Plattformen, andere werden gar nicht mehr gebraucht.

Was Banken im Augenblick vor dieser Disruption noch schützt, sind a) die bestehenden ziemlich komplexen Bankvorschriften, b) der in vielen Ländern sehr ausgeprägte Kunden- und Datenschutz und schließlich c) der Umstand, dass gerade die Finanzdienstleistungsbranche nach wie vor stark von nationalen rechtlichen Rahmenbedingungen abhängig ist, also extrem hohen Hürden und damit einer scheinbar schwer zu überwindende Markteintrittsbarriere. Doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Verbraucher, bequem, mit ihrer gewohnten täglichen Beziehung zu den BigTechs, den notwendigen Nachfragedruck entfalten, zumal die BigTech-Plattformen die Kundenakquisitionskosten via Digitalisierung und Big-Data-Analysen niedrig halten und gleichzeitig die Bankanforderungen dieser Kunden relativ leicht erfüllen können.8

Die Kunden sind sehr vertraut mit und gleichzeitig ziemlich vertrauensvoll gegenüber den großen Technologieunternehmen. Selbst schwerwiegende Datenschutzverstöße, beispielsweise die Weitergabe von Nutzerdaten in großem Umfang an das Datenanalyse-Unternehmen Cambridge Analytica durch Facebook, mindern den Zuspruch der Kunden nicht, zumindest bisher nicht dauerhaft.9 Hinzu kommt die schiere Marktdominanz der BigTechs: Nahezu jedes moderne Mobiltelefon ist entweder mit Software von Google (Android) oder aber Apple (iOS) ausgestattet. Das bedeutet aber auch, dass nahezu sämtliche mobilen Endgerate für Google und Apple als Plattform erreichbar sind. Mit der Etablierung einer Mobile-Payment-Applikation und der Integration dieser Funktionalität in das eigene Betriebssystem, ließe sich für Apple und Google ganz unmittelbar das eigene gigantische Kundenportfolio mit einer Bankdienstleistung ansprechen.

Der damit erreichbare Margenpool ist für die BigTechs bei dieser Art von Dienstleistung sicherlich nicht das entscheidende Kriterium. Vielmehr gewinnen diese damit die nahezu vollständige Kontrolle über die Daten ihrer Kunden. Wer über die regelmäßigen Zahlungsströme seines Kunden im Bilde ist, kennt auch bestehende Abhängigkeiten beziehungsweise Vertragsverhältnisse und kann diese auch entsprechend maßgeschneidert und individualisiert bewerben. – Den Möglichkeiten sind kaum noch Grenzen gesetzt.

Eine unmittelbare Folge dieser Entwicklung wäre ein massiver Kundenverlust aufseiten der Banken, kleine Banken würden praktisch sogar überflüssig werden,10 denn die Zahl der technikabgeneigten Kunden, die die filialbasierte Nähe ihrer Sparkasse oder Genossenschaftsbank zu schätzen wissen, wird weiter fallen und irgendwann keine Rolle mehr spielen. Anzeichen dafür, dass der Durchbruch dieser Disruption zunehmend wahrscheinlicher wird, lassen sich zahlreich finden: Goldman Sachs arbeitet mit Apple im Kreditkartengeschäft zusammen11, Facebook kündigt die Einführung einer Kryptowährung (Libra) in Partnerschaften mit einer Reihe von Großbanken und anderen Organisationen an.

Am weitesten fortgeschritten ist die beschriebene Disruption allerdings in der Volksrepublik China. Die führenden chinesischen Internetgiganten Alibaba und Tencent dominieren mit ihren Online-Payment-Diensten Alipay bzw. WeChatPay den chinesischen Zahlungsverkehr und sind ebenso führend in Produktkategorien wie dem Konsumentenkredit. Der entscheidende Katalysator dafür ist die Allgegenwart von mobilen Endgeräten im chinesischen Alltag. Bereits im Jahr 2018 tätigten chinesische Kunden ihre Zahlungen zu 83 Prozent über mobile Endgeräte.12 Viele Menschen haben gar keine physische Währung mehr bei sich. In der Abwicklung des Zahlungsverkehrs hat der chinesische Markt das Kreditkartenzeitalter weitgehend umgangen und sich von einer bargeldbasierten zu einer digitalen, von Mobiltelefonen dominierten Wirtschaft entwickelt.

Was das in anderen Volkwirtschaften für das Bankgeschäft der Zukunft konkret bedeuten kann, lässt sich leicht prognostizieren. In China scannen Kunden mittlerweile einfach einen sogenannten QR-Code (Quick Response Code) mit ihrem Mobiltelefon in Geschäften, Hotels, Restaurants, Taxen, sogar bei den Straßenverkäufern, also generell überall dort, wo Waren und Dienstleistungen im Land verkauft werden.13 Diese Technik zu replizieren und als Standardanwendung zu etablieren, scheint eine Frage der Zeit. Zumal die Technologieunternehmen bereits heute bedienen, was viele Kunden erwarten, nämlich Geschwindigkeit, Zugänglichkeit und nahtloser Service.14 Die ethischen Grundwerte des Bankgeschäfts, Sicherheit und Verlässlichkeit, werden dabei vom Kunden als gegeben vorausgesetzt.

Als Verstärker kommt ein weiterer Effekt hinzu: Seit einiger Zeit drängt eine kleine aber lautstarke Gruppe von Kunden und Aktionären in den reifen Volkswirtschaften sehr vehement darauf, dass Unternehmen sozial und ökologisch verantwortungsbewusster handeln. Unabhängig davon, dass die Bedeutung und Grenzen von verantwortungsbewusstem Handeln extrem schwer zu fassen und mögliche Nebeneffekte bestimmter konkreter Verhaltensänderungen wissenschaftlich noch nicht ausgeleuchtet sind, wird diese Botschaft von den Medien bereits jetzt enorm verstärkt und damit zu einem bedeutsamen Thema auf der politischen Agenda.

Was im ersten Moment harmlos klingt, führt in der Konsequenz dazu, dass Banken in die Selbstbeschränkung gehen und damit schleichend ihr Selbstverständnis, ihre Dienstleistungen und Produkte sowie ihr Geschäftsmodell ändern. Es ist richtig, dass Banken wie jedes andere Unternehmen auch, im Rahmen ihrer Einflussmöglichkeiten eine wirtschafts- und gesellschaftspolitische Verantwortung tragen. Außerdem ist es richtig, dass sich Ansprüche und Erwartungen der verschiedenen Stakeholder beziehungsweise der Gesellschaft als Ganzes im Zeitverlauf ändern. Insofern ist es legitim, diese sich verändernden Erwartungshaltungen an Banken in den jeweiligen Unternehmensentscheidungen angemessen zu reflektieren.

Gleichwohl entsteht für Banken ein echtes Dilemma, wenn – so berechtigt Themen wie beispielsweise der Klimawandel auch sein mögen – von ebenjenen kleinen gesellschaftlichen Gruppen ganz konkrete Forderung definiert werden, wie die, keine Kohlekraftwerke mehr zu finanzieren.15 Banken die zuerst auf solche Forderungen reagieren, können damit einen echten Vorteil generieren, während andere Häuser Schwierigkeiten haben, diesem Beispiel zu folgen. Die sogenannte Generation Z ist in solchen Fragen sensibler geworden, als es noch die Millennials waren. Perspektivisch werden davon besonders diejenigen Banken profitieren, die über eine gute Unternehmenskommunikation ein modernes Medien- und Sozialprofil sowie sozialbewusste Geschäftspraktiken suggerieren. Technologiefirmen wie beispielsweise Amazon, Apple, Alibaba oder Google arbeiten bereits heute mit viel Aufwand an eben dieser Reputation und genießen entsprechend auf der ganzen Welt ein hohes Maß an Markentreue und Vertrauen. Das gesamte Geschäftsmodell der BigTechs basiert auf der zielgruppengerechten Kommunikation. Deshalb werden es höchstwahrscheinlich auch die kleinen und mittleren Banken sein, die sich in dieser Frage gegenüber der neuen Konkurrenz hier schwertun.

Das Timing dieser Disruption zu prognostizieren ist schwierig. Kein Zweifel besteht jedoch daran, dass sich Banken auf dieses Szenario einrichten und dringend darauf eine angemessene Reaktion entwickeln müssen. Zweifelsohne bleibt diese Entwicklung auch für den ökonomischen Wert von Banken nicht folgenlos. Es werden sich vermutlich schlicht nicht mehr so hohe Bewertungsniveaus erreichen lassen. Viel schwerwiegender ist jedoch, dass im Zuge dessen die Sinnfrage bei Geschäftsbanken zunehmend lauter gestellt wird. Die Bargeldabschaffung wird ernsthaft diskutiert, damit wäre der politisch gewünschte gläserne Bürger perfekt. Kryptowährungen verlieren ihren Exotenstatus.16 Veränderte Erwartungen der Kunden an Servicelevel und unternehmerische Verantwortung gehörten zu den Entwicklungen, die die geldpolitischen Grundfunktionen von Banken – Losgrößen-, Fristen- und Risikotransformation – berühren.

Da nimmt es nicht wunder, dass sich die Bankwirtschaft weltweit fieberhaft darum bemüht, das eigene strategische Profil an die veränderten Rahmenbedingungen anzupassen. Damit verbunden ist die Notwendigkeit zur fortwährenden Transformation und Innovation in sämtlichen Facetten der Branche. Von einigen Banken eine Zeit lang als echte Bedrohung gefürchtet, sind FinTechs mit ihrer innovativen Kraft und Technologieoffenheit mittlerweile echte Impulsgeber für das Bankgeschäft. Angetreten um das Bankgeschäft zu revolutionieren, sind zahlreiche FinTechs zudem nun selbst um eine Banklizenz oder zumindest einen Zugang dazu bemüht. Entsprechend sind diese auch eher im Kooperationsmodus statt im Konkurrenzkampf mit den etablierten Banken.

Nichtsdestotrotz wird es das Bankgeschäft in seiner jetzigen Form in Zukunft nicht mehr geben. Wie viel Wahrheit in dem von Bill Gates stammenden Satz Banking is necessary, banks are not aus dem Jahr 1994 heute steckt, werden die nächsten Jahre zeigen. Die damals wahrscheinlich eher provokativ gemeinte Aussage ist heute jedoch wahrer denn je.17

Weiteres Vorgehen

An dieser Stelle knüpft das vorliegende Buch an und ist zu diesem Zweck in zwei Teile gegliedert:

Im ersten Teil geht es darum, eine theoretische Basis zu schaffen, um darauf aufbauend eine fundierte Zukunftsprognose abgeben zu können. Die detaillierte Darstellung der bankwirtschaftlichen Wirkzusammenhänge im ersten Teil des Buches soll also vor allem den Boden für die präsentierten Schlussfolgerungen im zweiten Teil bereiten. Im Rahmen des Kapitels Sonderfall Bankbewertung (Teil 1) werden die Besonderheiten sowie die wichtigsten Einflussfaktoren auf die Bewertung einer Bank herausgearbeitet und außerdem verschiedene Bewertungsmethoden vorgestellt.

Ausgehend von den sich abzeichnenden tief greifenden Veränderungen in den Strategien und Geschäftsmodellen der Bankwirtschaft, erklärt das Kapitel Bankwirtschaftliche Geschäftsmodelle (Teil 1) den Einfluss von Strategie und Regulatorik auf den ökonomischen Wert einer Bank. Dabei werden verschiedene Möglichkeiten skizziert, wie Strategien für die Unternehmensbewertung greifbar gemacht werden können.

Im Mittelpunkt des zweiten Teils des Buches steht dann die Bewertung und Einordnung der in den beiden vorangegangenen Kapiteln gewonnenen theoretischen Erkenntnisse. Hierfür wird im Kapitel Strategie und Wettbewerb (Teil 2) zunächst die Attraktivität des als Beispiel dienenden deutschen Bankenmarktes untersucht und in ein Chancen-Risiko-Profil überführt. Vorgestellt werden außerdem Wettbewerbsposition und Struktur der im Rahmen dieses Buches als Fallbeispiel dienenden Institute Commerzbank und Deutsche Bank, sowohl auf Gesamtbank- als auch auf Geschäftsfeldebene.

Das Kapitel Wertschöpfungsanalyse am Fallbeispiel (Teil 2) stellt dann den Zusammenhang zwischen der individuell gewählten Strategie und dem ökonomischen Wert einer Bank her. Wie ausgeprägt unter anderem der Einfluss von Strategie und Regulatorik auf Wettbewerbsintensität und den erzielbaren Wettbewerbsvorteil tatsächlich ist, wird dabei anhand einer vom Autor durchgeführten Umfrage demonstriert.

Abschließend werden im Kapitel Schlussbetrachtung (Teil 2) die Erkenntnisse des Buches zusammengefasst.

Sonderfall Bankbewertung

Was unterscheidet Banken eigentlich von einem ganz normalen Unternehmen? Eine ganze Menge, wie dieses Kapitel zeigen wird. Bedeutsam sind diese Unterschiede natürlich nicht nur im Rahmen der Bewertung, aber die Bewertung einer Bank sagt ganz viel über deren Bedeutung innerhalb des jeweiligen Marktes beziehungsweise ganz generell innerhalb einer Volkswirtschaft aus. Blickt man beispielsweise auf die Kapitalmarktbewertung, so verrät allein die absolute Höhe des Marktwertes im Branchenvergleich viel über die Erwartungshaltung und die Bedeutung der jeweiligen Industrie. Der Frage nachzugehen, wie sich der Wert einer Bank eigentlich bestimmt, soll deshalb im Mittelpunkt des nachfolgenden, in vier Abschnitte untergliederten Kapitels stehen.

Ausgehend von der generellen Unterscheidung zwischen Kreditinstituten und Industrieunternehmen wird im ersten Abschnitt erläutert, warum die Bankbewertung überhaupt einer eigenständigen Behandlung bedarf und welche Schlussfolgerungen daraus zu ziehen sind. Darüber hinaus werden die hierfür grundsätzlich infrage kommenden Methoden vorgestellt und schließlich die verfahrensübergreifende Prognoseproblematik besprochen.

Die sich anschließenden Abschnitte zwei und drei befassen sich mit ausgewählten Bewertungsverfahren und deren Besonderheiten. Während das Hauptaugenmerk des zweiten Abschnitts auf dem Ertragswertverfahren liegt, thematisiert der dritte Abschnitt die Marktwertverfahren.

Abschließend greift der vierte Abschnitt exemplarisch einzelne klassische Geschäftsfelder des Bankgeschäfts heraus, um deren Unterschiede sowie die werttreibenden Faktoren aufzuzeigen und damit gleichsam die Besonderheiten der Bankbewertung am konkreten Beispiel zu demonstrieren.

Die Wertermittlung einer Bank ist keine einfache Unternehmensbewertung

Worin nun bestehen die grundsätzlichen Unterschiede zwischen Kreditinstituten und Industrieunternehmen, die eine gesonderte Behandlung von Banken im Rahmen der Unternehmensbewertung rechtfertigen?

Eine dieser Besonderheiten ist die Bankdienstleistung selbst. Diese ist einerseits häufig von Unstofflichkeit geprägt und enthält zum anderen regelmäßig eine Zeitkomponente. Im Gegensatz zur Industrieproduktion ist die Geschäftsbeziehung zwischen einem Kreditinstitut und seinen Kunden häufig nicht mit dem Verkauf eines Produktes oder einer Dienstleistung beendet.18 Ferner zeichnen sich Bankdienstleistungen infolge des fehlenden Patentschutzes durch eine begrenzte Möglichkeit zur Produktdifferenzierung innerhalb der Branche aus.19

Nicht zuletzt deshalb versucht sich das einzelne Kreditinstitut durch strategische Schwerpunktlegung auf Teilaspekte der bankwirtschaftlichen Wertschöpfungskette – wie Investment-Banking oder Wealth-Management– zu positionieren und damit gegenüber den Mitbewerbern abzuheben. Dies führt jedoch in der Konsequenz dazu, dass sich Banken in ihrem jeweiligen Geschäftsmodell teilweise stark voneinander unterscheiden und damit die Bankwirtschaft als Branche letztendlich sehr inhomogen ist.20

Mit der individuell ausgestalteten strategischen Grundorientierung ist gleichzeitig die Ausbildung eines bankspezifischen Risikoprofils mit entsprechenden Rückkopplungen auf die Gewinn-und-Verlust-Rechnung sowie die bewertungsrelevanten Kennzahlen vorhanden. Der Einfluss des Risikoprofils zeigt sich unter anderem je nach Geschäftsmodell zum Beispiel in einer ausgeprägten Sensitivität gegenüber Kreditzyklen und Schuldnerbonität oder in der Abhängigkeit von bestimmten Marktpreisentwicklungen wie dem Verlauf der Aktienmärkte.21

Für den externen Beobachter ist es nahezu ausgeschlossen, die von einem Kreditinstitut bezüglich des eigenen Risikoprofils ergriffenen Maßnahmen auf deren Risikoadäquanz hin zu beurteilen. Hierzu bedürfte es tief greifender detaillierter Informationen über individuelle bankspezifische Risiken, die jedoch häufig Interna darstellen und dementsprechend von den Kreditinstituten nicht veröffentlicht werden können.

Aus volkswirtschaftlicher Perspektive ebenso wie aus Investorensicht sind jedoch gerade bankspezifische Risiken von besonderem Interesse. Je besser eine Bank die eigenen Risiken abschirmen kann, desto höher ist die Bereitschaft der Investoren, für das betreffende Kreditinstitut eine Bewertungsprämie zu zahlen. Hinzu kommt das bankaufsichtsrechtliche und mithin volkswirtschaftliche Interesse an den von Finanzintermediären eingegangenen Risiken. Die Insolvenz eines einzelnen Kreditinstituts stellt im Gegensatz zu der eines Industrieunternehmens zumeist auch eine Gefahr für das gesamte Bankensystem und damit für die Volkswirtschaft als Ganzes dar.22 Insofern spielt die Bestimmung des Risikoprofils eines Kreditinstituts nicht nur für die Bankbewertung eine wichtige Rolle.23

Vor dem Hintergrund der besonderen Vertrauensempfindlichkeit von Bankgeschäften und der teilweise unzureichenden Quantifizierung aber auch der Qualifizierung eingegangener Risiken hat die – für Industrieunternehmen in dieser Form eher unübliche – strenge aufsichtsrechtliche Rahmensetzung sowie das daraus abgeleitete bankinterne Risikomanagement in den vergangenen Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen. Ziel ist es, Risiken in entsprechendem Umfang zu antizipieren, um diese im Eintrittsfall angemessen und ausreichend abfedern zu können. Damit einhergehend wurden von Banken als Ausdruck und äußeres Merkmal risikopolitischer Solidität aufsichtsrechtliche Kennzahlen, wie die als Maß für die Ausstattung mit Kernkapital geltende BIZ-Tier I-Ratio, häufig in den Zielkatalog der Unternehmensstrategie mit aufgenommen.

Eine weitere Besonderheit von Kreditinstituten ist die Bilanzierung bzw. die Bedeutung der Bilanzstruktur. Da die Gewinnung von Kundeneinlagen regelmäßig integraler Bestandteil des Bankgeschäftes ist, übernimmt die Passivseite der Bankbilanz im Gegensatz zu Industrieunternehmen gleichsam eine Finanzierungsfunktion. Zudem prägen die geschäftlichen Aktivitäten einer Bank nicht nur deren Bilanzstruktur, sondern beeinflussen auch den Aussagegehalt der Kapitalflussrechnung.24

Die Bedeutung der Kapitalflussrechnung ist eingeschränkt, da sich für Bankgeschäfte die klassische Unterscheidung in Cashflow aus operativer Geschäftstätigkeit, aus Investitionstätigkeit und aus Finanzierungstätigkeit nur bedingt treffen lässt. Dies führt im Vergleich zu Industrieunternehmen nicht nur zu eigenen Bewertungskennzahlen, sondern auch zu besonderen Schwierigkeiten bei der Prognose des künftigen wirtschaftlichen Erfolgs einer Bank.25

Ebenfalls eine Besonderheit des Bankgeschäfts sind die strengen gesetzlichen Eigenkapitalvorschriften, denen Kreditinstitute unterliegen. So müssen Banken im Gegensatz zu Industrieunternehmen eine aufsichtsrechtlich geforderte Mindest-Eigenkapitalausstattung vorweisen, um ihre Geschäfte ausführen zu können.26 Damit kommt dem Eigenkapital bei der Ausübung von Bankgeschäften eine Schlüsselrolle zu. Jegliche strategische Grundorientierung, jedes (neue) Geschäftsfeld und jedes Wachstumsziel hat sich am Engpassfaktor Eigenkapital zu orientieren.27

Löst man sich schließlich von der Einzelbetrachtung und nimmt die gesamtwirtschaftliche Perspektive ein, so zeigen sich weitere Unterschiede zwischen Kreditinstituten und Industrieunternehmen. So bestimmt das kreditwirtschaftliche Umfeld in Form von finanz-, geld- und währungspolitischen Entscheidungen ganz maßgeblich den operativen Erfolg und damit den Wert einer Bank.28 Ferner übernehmen Banken innerhalb einer Volkswirtschaft als Finanzintermediäre den Ausgleich zwischen Spar- und Investitionsentscheidung und damit einhergehend sowohl eine Fristentransformations- als auch eine Risikotransferfunktion.

Schließlich erhöht die abnehmende Bedeutung nationaler Finanzmärkte zugunsten international vernetzter globaler Kapitalmärkte enorm den Druck, sowohl auf Banken als auch auf die Finanzmarktregulierung, internationale Standards zu adaptieren.29

Infolge der genannten Effekte unterliegt die Bankindustrie wie kaum eine andere Branche einer besonders hohen Regulierungsdichte und aufsichtsrechtlichen Überwachung. Heute sind die wichtigen Finanzzentren der Welt ganz grundsätzlich weitgehend einheitlichen bzw. ähnlichen Regulierungsstandards unterworfen. Doch nationale Aufsichtsbehörden (z. B. die BAFIN) unterscheiden sich teilweise ganz erheblich in Auslegung und Exekution der definierten bankaufsichtsrechtlichen Standards, was letztlich zu ganz substanziellen Wettbewerbsvorteilen für Banken aus einzelnen Ländern führt. Dies ist ein extrem bedeutsamer Aspekt im Bankgeschäft, der ganz entscheidend über die Zukunftsfähigkeit nationaler Kreditinstitute entscheidet.

Bewertungsrelevante Konsequenzen

Auf der Suche nach bewertungsrelevanten Konsequenzen aus den zuvor aufgezeigten institutionellen Unterschieden zwischen Kreditinstituten und Industrieunternehmen sind insbesondere drei Aspekte hervorzuheben: Zum einen erweist sich im Rahmen der Bankbewertung die Anwendung des Eigenkapitalverfahrens gegenüber der Nutzung des Gesamtkapitalverfahrens generell als vorteilhaft, zum anderen trifft man sowohl bei der Abgrenzung als auch bei der Prognose der für die Bankbewertung geeigneten zukünftigen Nettozuflüsse auf bankspezifische Problemstellungen. Und schließlich muss sich die Wachstumsstrategie einer Bank an der Eigenkapitaladäquanz orientieren.

Grundsätzlich besteht im Rahmen der Unternehmensbewertung die Wahl zwischen dem Gesamtkapitalverfahren (Entity-Methode) und dem Eigenkapitalverfahren (Equity-Methode). Wird das Eigenkapitalverfahren genutzt, dann ergibt sich der Unternehmenswert – als Marktwert des Eigenkapitals – aus der Diskontierung des Cashflows (nach Zinsen und Unternehmenssteuern) an die Anteilseigner mit den Eigenkapitalkosten auf den Bewertungszeitpunkt.30

Demgegenüber wird bei der Entity-Methode der Wert des Gesamtkapitals zwar ebenfalls durch Diskontierung zum Bewertungszeitpunkt ermittelt, beim Gesamtkapitalverfahren ist jedoch einerseits der Cashflow an alle Kapitalgeber zu berücksichtigen, also auch der an Fremdkapitalgeber, und andererseits wird mithilfe der durchschnittlichen Kapitalkosten, dem sog. WACC (Weighted Average Cost of Capital), abgezinst.31 Der Marktwert des Eigenkapitals ergibt sich nach der Entity-Methode demnach aus der Subtraktion der Nettofinanzverbindlichkeiten vom Unternehmensgesamtwert.

Offensichtlich ist, dass mit der Entity-Methode im Rahmen der Bankbewertung insbesondere zwei Probleme verbunden sind:

1. Zum einen besteht beim Gesamtkapitalverfahren die Notwendigkeit, den Marktwert des Fremdkapitals zu bestimmen. Da im klassischen Bankgeschäft jedoch mit der Marge zwischen Aktiv- und Passivgeschäft Geld verdient wird, Fremdkapital also nicht nur zu Finanzierungszwecken dient, ist die Ermittlung des Marktwerts des Fremdkapitals im Vergleich zu Industrieunternehmen deutlich problembehafteter.32

2. Zum anderen kommt der Bestimmung der Fremdkapitalkosten im Rahmen der Ermittlung der Gesamtkapitalkosten (Eigenkapital- plus Fremdkapitalkosten) angesichts der doppelten Funktion des Fremdkapitals im Bankgeschäft eine zentrale Rolle zu. Dies ist besonders relevant, da bei der Ermittlung der Gesamtkapitalkosten Ungenauigkeiten zu substanziellen Schwankungen des Unternehmenswertes führen können.33

Die Equity-Methode hingegen umgeht beide Probleme, da Fremdkapital in diesem Verfahren keine Rolle spielt. Die Folge daraus ist ein simplifizierter Bewertungsprozess, der dazu führt, dass im Rahmen der Bankbewertung dem Eigenkapitalverfahren aus diesem Grund regelmäßig der Vorzug gegeben wird.34 Allerdings existieren mit Blick auf die im Rahmen der Equity-Methode notwendige Abgrenzung und die möglichst treffgenaue Bestimmung der für die Bankbewertung geeigneten (künftigen) Nettozuflüsse auch eine Reihe von Schwierigkeiten:

1. An erster Stelle ist in diesem Zusammenhang der nur eingeschränkte Informationsgehalt der von den Banken erstellten Kapitalflussrechnung und der darin enthaltenen Aussagen über den Cashflow aus operativer Geschäfts-, Investitions- und Finanzierungstätigkeit zu nennen. Generell dient das Instrument Kapitalflussrechnung der Darstellung liquider Mittel und deren Entwicklung innerhalb eines bestimmten Zeitraums. Im Bankgeschäft hingegen ist der größte Teil der Geschäftsvorgänge zahlungswirksam, sodass sich die wesentlichen Aussagen einer Kapitalflussrechnung bereits in der Bilanz sowie in der Gewinn- und-Verlust-Rechnung von Banken finden. Ferner lassen sich diese drei Ebenen aufgrund der Natur des Bankgeschäfts nur schwer sauber voneinander trennen.35

2. Eng damit verbunden ist die Fragestellung, auf welcher operativen Ebene die Bewertung einer Bank bzw. die Ermittlung der entsprechenden Zahlungsströme ansetzen sollte. Generell besteht die Möglichkeit, die Ermittlung des Cashflows entweder auf Gesamtbank- oder auf Geschäftsbereichsebene vorzunehmen. So empfiehlt bspw. der internationale Rechnungslegungsstandard IAS 7.50(d) zur Beurteilung eines diversifizierten Konzerns, ergänzend zu den Pflichtangaben der Segmentberichterstattung eine Kapitalflussrechnung nach Unternehmensbereichen und nach Regionen vorzunehmen. Angesichts der im vorangegangenen Punkt erläuterten Problemstellung in Bezug auf den Aussagegehalt einer Kapitalflussrechnung auf Gesamtbankebene ist für den externen Berater eine auf Geschäftsbereichsebene heruntergestufte differenzierte Cashflow-Ermittlung noch deutlich schwerer zu bewerkstelligen.36

3. Im Bankgeschäft existieren aufsichtsrechtliche Bestimmungen, die eine hinreichende Eigenkapitalunterlegung der – gemessen an den risikogewichteten Aktiva (RWA) – eingegangenen Risiken zwingend erforderlich machen.37 Dieser Umstand führt jedoch dazu, dass im Rahmen der Bankbewertung die freien Cashflows nicht mehr als Erfolgsgröße betrachtet werden können, sondern eine Orientierung an potenziell zur Ausschüttung zur Verfügung stehenden Dividenden notwendig wird.38

Schließlich begrenzt die aufsichtsrechtlich geforderte Eigenkapitalausstattung, zumindest kurzfristig, die Möglichkeiten einer Bank, ein bestimmtes Strategiekonzept zu verfolgen. Sind die Grenzen der Eigenkapitaladäquanz eines Kreditinstituts erreicht, kann im Gegensatz zum klassischen Industrieunternehmen die Finanzierung der Strategieumsetzung – bspw. der Ausbau des Kreditgeschäfts – aus aufsichtsrechtlichen Gründen nicht mithilfe von Fremdkapital erfolgen. Die Wachstumsziele für das Geschäftsvolumen einer Bank werden sich daher immer an der Frage messen lassen müssen, ob eine hinreichende Eigenkapitalunterlegung sichergestellt ist.

In der europäischen Regulierung spielt dabei mittlerweile der sogenannte SREP-Beschluss (Supervisory Review and Evaluation Process – SREP) eine wichtige Rolle. Der SREP an sich ist nicht neu, denn bisher oblag genau diese Aufgabe den nationalen Aufsichtsbehörden, neu am SREP ist allerdings, dass damit im Euroraum ein einheitlicher Aufsichtsmechanismus etabliert wurde, sodass für die systemrelevanten europäischen Banken eine gemeinsame Methodik angewandt wird und ein einheitlicher Zeitrahmen gilt. Die betreffende Bank muss identifizierte Mängel dann innerhalb einer bestimmten Frist beheben.39

Der in diesem Zusammenhang seitens der Banken übliche Rückgriff auf Gewinnthesaurierung bzw. Kapitalerhöhung als Mittel zur Kapitalbeschaffung wird von den Kapitalgebern regelmäßig nur dann goutiert, wenn dadurch mittel- bis langfristig erkennbares, zusätzliches Ertragspotenzial entsteht. Allerdings verfolgen Kreditinstitute unterschiedlicher Rechtsform in der Regel auch eine ganz unterschiedliche Ausschüttungspolitik, die im Extremfall – bspw. bei einem nicht gewinnorientierten Kreditinstitut – vorsehen könnten, den Gewinn vollständig in die Rücklagen einzustellen.40

Wie sich die aufsichtsrechtlich geforderte Eigenkapitalausstattung auf die Strategie einer Bank auswirken kann, lässt sich exemplarisch an den Risikoaktiva aufzeigen. Gilt es für eine Bank, die eigene Kernkapitalquote zu erhöhen, dann ist der Abbau von Risikoaktiva ein probates Mittel. Die Folge ist, dass sich das Risikokapital der Bank zwar verbessert, gleichzeitig deren operative Basis jedoch beeinflusst und gerade mit Blick auf das Neugeschäft der Handlungsspielraum erheblich beschränkt wird. 41 Im Geschäftsjahr 2003 konnte z. B. die HypoVereinsbank die eigenen Risikoaktiva (insbesondere infolge der Abspaltung der Hypo Real Estate Group) im Vergleich zum Vorjahr zwar um etwa ein Drittel verkleinern, verbunden war dies allerdings gleichzeitig mit einem über vierzigprozentigen Rückgang der Zinserträge.42

Bewertungsverfahren und ihre Eignung

Nicht jedes Verfahren zur Unternehmensbewertung ist für die Bankbewertung gleichermaßen geeignet. Dies ist besonders zu beachten, da die Bestimmung des Wertes einer Bank oder eines bankwirtschaftlichen Geschäftsfeldes nicht nur allgemein anerkannten Bewertungsanforderungen und -grundsätzen genügen muss, sondern darüber hinaus die bereits dargelegten bankspezifischen Besonderheiten berücksichtigen sollte.

Die Wahl eines geeigneten Verfahrens im Rahmen des Bewertungsvorganges ist jedoch vor allem aus Sicht des externen Bewerters durch verschiedene Faktoren begrenzt. Dazu gehört beispielsweise die Verfügbarkeit bestimmter Daten, aber auch die bestehende bzw. fehlende Börsennotierung der zu bewertenden Bank. Insofern sollen mithilfe der nachfolgenden Ausführungen die für eine Bankbewertung geeigneten Methoden von den ungeeigneten abgegrenzt werden.

Für die Bewertung von Unternehmen wurden in der Theorie und in der Bewertungspraxis eine Vielzahl von Verfahren entwickelt, worauf an dieser Stelle jedoch nicht vertieft eingegangen werden soll. Dennoch werden nachfolgend verschiedene Wege der Unternehmensbewertung umrissartig vorgestellt, bevor die im Rahmen der Bankbewertung infrage kommenden Verfahren und die damit verbundenen Problemstellungen im Vordergrund stehen.

Generell kann zwischen Einzelbewertungs- und Gesamtbewertungsverfahren unterschieden werden, die sich wiederum unterteilen lassen in43

1. das Substanz- und das Liquidationswertverfahren,

2. die Marktwertverfahren,

3. das Ertragswertverfahren.