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Mitte März 2020 bricht die "Corona-Krise" über Deutschland herein – ein Virus legt das öffentliche Leben von einem Tag auf den andern lahm. Zahlreiche Unternehmen, vom Selbstständigen bis zum Großkonzern, stecken völlig unerwartet in einer existenzbedrohenden Krise. Nun sind verantwortungsbewusste Führungspersönlichkeiten und das richtige Krisenmanagement gefragt: Denn eine Krise will und muss – wie jede andere Veränderung – gemanagt werden. Die gute Botschaft lautet: In jeder Krise steckt die Chance auf Erneuerung und Fortschritt. Susanne Nickel und Marcus Disselkamp geben Ihnen als Führungskraft eine Schritt-für-Schritt-Anleitung an die Hand, wie Sie einen Change-Prozess wirtschaftlich und menschlich bewältigen und dabei Wachstum und Innovation schaffen. Denn so individuell jede Krise Unternehmen und Mitarbeiter trifft, durchlaufen doch alle dieselben Phasen der "Krisen-Kurve": Ist die Phase der Verneinung überwunden, erfolgt die Einsicht und dann warten der Aufbruch und die Aussicht auf neue Erfolge. Nutzen Sie den Tiefpunkt und führen Sie Ihr Unternehmen gestärkt aus der Krise! Wie motiviere ich meine Mitarbeiter in einer herausfordernden Situation? Wie schaffe ich Engagement, Vertrauen und Zuversicht – auch bei mir selbst? Wo stehe ich mit meiner Firma und welche Stellschrauben müssen gedreht werden? Welche wirtschaftlichen und rechtlichen Maßnahmen stehen mir zur Verfügung? Die Autoren liefern Ihnen konkrete Hilfestellungen, Tools und Tipps, damit Sie als Krisenmanager aktiv zu neuen Ufern steuern und Ihr Unternehmen rentabel und liquide bleibt. Anhand von vier fiktiven Krisen- und Erfolgsgeschichten lernen Sie aus ganz unterschiedlichen Perspektiven beispielhafte Wege aus der Krise kennen.
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Seitenzahl: 211
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Susanne NickelMarcus Disselkamp
Wie Unternehmen wirtschaftlich und menschlich wachsen
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©2020 GABAL Verlag GmbH, Offenbach
Das E-Book basiert auf dem 2020 erschienenen Buchtitel „Die Krise kann uns mal! Wie Unternehmen wirtschaftlich und menschlich wachsen“ von Susanne Nickel und Marcus Disselkamp ©2020 GABAL Verlag GmbH, Offenbach
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN Buchausgabe 978-3-96739-026-1ISBN epub: 978-3-96740-020-5
Lektorat: Anke Schild, HamburgUmschlaggestaltung: SCOPE we think design, Insa González, scope-ffm.comAutorenfotos: Jurga Graf, Florian SimetSatz und Layout: Zerosoft, TimisoaraFigurenzeichnungen: Peter Lohse, Lohse Design, Heppenheim,www.lohse-design.de
Copyright © 2020 GABAL Verlag GmbH, Offenbach
Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags.
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Einführung
Gestatten, krisengeplagt: Gründerin, Bäckermeister, Abteilungsleiterin und CEO
Was immer gilt: Die vier Phasen der Krise
Teil 1: Stabilisierung
Die vier Königsdisziplinen bei Krisen
Krisenmanagement
Krisenstab
Krisenplan
Krisenkommunikation
Aus der Krisenachterbahn der Emotionen aussteigen
Starke Führung ist gefragt
Widerstand hat einen Grund
Wie kommen wir aus dem Sog der Angst heraus?
Hinein ins Tal der Tränen – und wieder hinaus
Die Herausforderung: Führen auf Distanz
Führung fängt mit Selbstführung an
Selbstdisziplin
Selbsterkenntnis
Selbstvertrauen
Selbstfürsorge
Wo stehe ich mit meiner Firma?
Das Schicksal erfolgsverwöhnter Unternehmen
Quickcheck 1: Decken unsere Einnahmen noch die Kosten?
Quickcheck 2: Sind wir noch zahlungsfähig (Liquidität)?
Jetzt geht’s um Geld: Erste wirtschaftliche Sofortmaßnahmen
Einnahmen hochfahren (Rentabilität)
Kosten runterfahren (Rentabilität)
Mehr Geld in der Tasche (Liquidität)
Teil 2: Erneuerung
Chancen ergreifen und neue Strategien entwickeln
Raus aus dem Sumpf der Vergleichbarkeit
Wohin will ich (Vision)?
Das neue Zauberwort heißt „Geschäftsmodell“!
Wohin geht mein Markt?
Neue Kunden, neue Produkte
Sponsoren für unser Wachstum
In Führung gehen – unsere Erfolgsstory
Aufbruch zu neuen Ufern
Das große Ganze: Unsere Organisation und unsere Kultur
Jetzt ist der Chef gefragt: Dein Team zum Erfolg führen
Selbstführung zum Ziel: Haltung kommt vor Verhalten
Den Kunden im Blick
Gestatten: Erfolg – wenn die Firma tanzt
Erfolg macht sexy?
Erfolg killt Innovation?
Literaturhinweise
Register
Über die Autoren
Jede Krise und ebenso jede größere Veränderung haben ihre eigene Geschichte, ihr eigenes Drehbuch. Menschen durchlaufen sie mit mehr oder weniger Intensität und mit mehr oder weniger prägenden Auswirkungen. Dennoch gibt es eine Gemeinsamkeit: Die verschiedenen Geschichten werden von einer Struktur und von verschiedenen Phasen getragen.
Führung und Management sind hier gefragt. Firmen suchen nach Wirtschaftlichkeit, um zu überleben. Nach dem Fall in das kalte Wasser gilt es auszuloten, wie viel Luft noch da ist, um heil ans andere Ufer zu gelangen. Dort warten der Aufbruch und die Aussicht auf neue Erfolge, gekennzeichnet durch Wachstum und Innovationen. Auch das Drehbuch der Wirtschaftlichkeit folgt diesen Phasen. Wir sprechen von einer Krisenkurve, die auf der menschlichen wie auf der wirtschaftlichen Ebene Bedeutung hat und nur als Ganzes betrachtet die gewünschte Erneuerung bringen kann. Damit Krisen zu Innovationen führen und Menschen wieder in ihre Motivation und Handlungsfähigkeit finden, ist der Durchlauf der Krisenkurve unumgänglich. Der ehemalige Chef der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, hat es auf den Punkt gebracht: „Ohne Wirtschaftlichkeit schaffen wir es nicht und ohne Menschlichkeit ertragen wir es nicht.“
Wie sieht das in einem kleinen Betrieb, zum Beispiel in einer Bäckerei, aus? Wo gibt es Unterschiede zu einem soliden mittelständischen Unternehmen oder zu einem Start-up? Und schließlich: Was erlebt eine größere Abteilung, geführt durch ihre Abteilungsleiterin, in einem Konzern menschlich wie wirtschaftlich? Welche Aufgaben haben Inhaber, Topmanager und Führungskräfte? Wie können sie menschlich und betriebswirtschaftlich sicher durch die Krise führen?
Wir möchten Ihnen vier Personen vorstellen, deren Krisen und Erfolgsgeschichten wir zur Veranschaulichung der menschlichen Sorgen und von Führung, aber auch der rechtlichen und wirtschaftlichen Aspekte erzählen.
Franz, Bäckermeister und Konditor, 46 Jahre, Tegernsee, acht Mitarbeiter
Carsten, Eigentümer und CEO eines Familienunternehmens in der Elektronikbranche, 55 Jahre, Hamburg, solider Mittelstand, 1500 Mitarbeiter
Anna, Abteilungsleiterin Vertrieb in einem DAX-30-Unternehmen, 39 Jahre, Frankfurt am Main, in ihrem Bereich sind 45 Mitarbeiter, darunter vier Teamleiter
Mia, chaotische Designerin mit Unternehmergeist, Gründerin eines Start-ups für ökologische Klamotten, 28 Jahre, Berlin, drei Mitarbeiterinnen
Egal, ob Krise oder Veränderung, immer gelten die vier Phasen der Krisenkurve, mit gleichzeitigen Auswirkungen auf den Menschen und die Wirtschaftlichkeit. Diese vier Phasen erleben wir bei jeglichen Arten von Krisen, bei schleichenden Unternehmenskrisen ebenso wie bei Hauruckkrisen. Schleichende Krisen entwickeln sich über einen längeren Zeitraum, wobei sie am Anfang meist gar nicht wahrgenommen werden. Im Nachhinein stellt man dann aber fest, dass die Probleme schon länger existierten. Man hat sie nur anfänglich übersehen oder gar ignoriert. Schleichende Krisen entstehen beispielsweise durch Änderungen bei den Kundenbedürfnissen, das Aufkommen neuer Wettbewerber oder die Pensionierung eines wichtigen Mitarbeiters. Hauruckkrisen entwickeln sich im Gegensatz zu schleichenden Krisen ganz schnell. Sie sind auf einmal da, ohne dass es im Vorfeld wahrnehmbare Anzeichen gegeben hätte. Beispiele für Hauruckkrisen sind der Brand einer Produktionsstätte oder der Tod des Inhabers.
Hauruckkrisen können auch von außen kommen, so wie die Coronakrise, aber auch das Einsetzen einer Finanz- und Wirtschaftskrise (z.B. jener in den Jahren 2007/2008 oder der Dotcomkrise 2000/2001) gehört dazu. So eine schwer vorhersehbare Krise nennt der bekannte Autor und frühere Börsenmakler Nassim Nicholas Taleb einen „schwarzen Schwan“, da sie selten, aber dennoch von Zeit zu Zeit vorkommt. Profis erkennen vielleicht schon einige Wochen vor der übrigen Bevölkerung die Krisen und ihre möglichen Konsequenzen. Doch fehlt der breiten Gruppe der möglichen Betroffenen die Übersicht, was eine Hauruckkrise für sie selbst bedeuten kann.
Krise bei Franz
Schon länger klagte Franz gegenüber seinen Freunden, dass immer mehr Einwohner des Tegernseer Tals ihre Brötchen und Brote lieber bei Discountern kaufen als bei einem „richtigen“ Bäcker. Doch mit der Coronakrise verschlimmerte sich nun alles! Anfänglich hörte Franz in den Nachrichten von dem Coronavirus und seinen Auswirkungen in China. Doch dann geht alles ganz schnell: Kurzarbeit. Er selbst und seine acht Mitarbeiter sind von der Nachricht geschockt. Zuerst wollen sie es gar nicht wahrhaben. Lieferungen an Hotels bleiben genauso aus wie Touristen, es herrschen Ausgangsbeschränkungen. Die Hotels sind auch am schönen Tegernsee weitgehend geschlossen. Franz ist in dieser Zeit emotional aufgewühlt und hat schlaflose Nächte. Die Umsatzeinbußen wachsen und wachsen. Im Tal der Tränen mit all seiner Verzweiflung angekommen, fasst er einen Entschluss. Er sinniert darüber nach, wie er den Laden und seine Mannschaft stabilisieren und die Krise meistern und sich neu ausrichten kann. Ihm ist bewusst, dass seine Leute in dieser Zeit klare Entscheidungen, Zuversicht und Orientierung brauchen, damit sie diese Veränderungen mittragen können.
An der Geschichte von Franz lassen sich sehr einfach die verschiedenen Phasen bei Krisen und einschneidenden Veränderungen erläutern. Diese Kurve charakterisiert die unterschiedlichen Effekte in betriebswirtschaftlicher Hinsicht wie im Hinblick auf Mitarbeiter- und Unternehmensführung. Wir nennen sie die menschliche und wirtschaftliche Krisenkurve.
Die menschliche Krisenkurve beschreibt die Gefühle der Betroffenen und auch die dabei wahrgenommene Kompetenz und Produktivität im Handeln (siehe Abbildung der Krisenkurve weiter unten). Die Kurve wurde inspiriert von Elisabeth Kübler-Ross, einer schweizerisch-amerikanischen Psychiaterin, die ein Phasenmodell für den Umgang mit Tod und Trauer entwickelt hat. Kübler-Ross kam bei ihren Untersuchungen im Laufe der Zeit zu der Erkenntnis, dass alle Menschen die gleichen emotionalen Phasen durchlaufen. Dabei variiert aber die Ausprägung an Tiefe und Höhe von Emotion und Kompetenz, gemessen an der Zeit.
Die wirtschaftliche Krisenkurve ähnelt der menschlichen Kurve. Auch hier geht die Kurve zuerst einmal noch nach oben. Die Beteiligten ignorieren sich verändernde Markttrends und erfreuen sich weiter an zunächst noch steigenden oder zumindest stabilen Umsätzen. Die Gewinne können jedoch bereits in dieser Phase schleichend nach unten gehen. Verspätet kommt dann die Erkenntnis, dass auch die aktuellen Umsätze bzw. die Neuaufträge rückläufig sind. Jetzt startet die Phase der realen Gefahr aus einer Krise, bei der die Wirtschaftlichkeit und die Existenz eines Unternehmens auf dem Spiel stehen. Werden rechtzeitig jene Managementmaßnahmen initiiert, über die wir gleich ausführlich sprechen, so können Unternehmenskrisen überwunden werden. Dann kommt es zu einer Phase des Aufbruchs mit sich stabilisierenden Umsätzen und Gewinnen, gefolgt von der letzten, der vierten Phase: dem Erfolg.
Die Krisenkurve
Dieses Modell der menschlichen und betriebswirtschaftlichen Reaktionen bei Krisen im Spektrum von einerseits Kompetenz und andererseits Wirtschaftlichkeit und Zeit gibt Geschäftsführern, Führungskräften und Mitarbeitern eine Orientierung, mit welchen Verhaltensweisen und Konsequenzen zu rechnen ist.
Als Erstes macht sich der Schock in dem Unternehmen und der Belegschaft breit. Krisen wie auch andere größere und auch kleinere Veränderungen starten immer mit der Konfrontation mit einer neuen Situation, die große Unsicherheit und starke Emotionen auslöst. Das kann eine Einwirkung von außen sein, wie die Coronakrise. Oder ein neuer Marktteilnehmer etabliert sich in dem Markt (z.B. Stadt, Branche, Zielgruppe), in dem man bisher ohne viel Wettbewerb wirtschaftlich gut erfolgreich sein konnte. Der Unternehmer und die Mitarbeiter werden dabei mit Veränderungen konfrontiert, mit denen sie nicht gerechnet haben. Dazu zählen etwa Preiskämpfe mit neuen Wettbewerbern, die Auflösung einer Abteilung oder die Veränderung eines Produkts. Auch die Verkündung eines Abbauprozesses, durch das Topmanagement initiiert, führt als Erstes zu einem Schockzustand. Die Betroffenen fühlen sich wie gelähmt. Dieser Zustand, der durch Verwirrung und eine Art Schockstarre gekennzeichnet ist, ist die Phase der Verneinung des einwirkenden Ereignisses. Zunächst kommt es zu einem kurzen Absinken der wahrgenommenen eigenen Kompetenz. Vor allem werden Anstrengungen im alten Muster oft verdoppelt, führen allerdings zu keinem brauchbaren Ergebnis. So wie der Lift nicht schneller kommt, wenn man den Knopf immer und immer wieder drückt. Typische Symptome bei den Mitarbeitern sind Verunsicherung, Verdrängung und Stress.
Ganz bald schlägt die emotionale Energie nach oben aus, der höchste Punkt der Verneinung ist erreicht und alles wird zum Problem. Die Notwendigkeit der eigenen Veränderung wird nicht akzeptiert. Sowohl die Geschäftsleitung als auch die Mitarbeiter reden sich ein, dass der alte Zustand bald wiederhergestellt sein wird. Doch neben den Verteidigern des Altbewährten finden sich auch Befürworter der Veränderung – und damit entstehen schnell Fronten. Symptome der Betroffenen sind Angst, Verwirrung, Wut und Widerstände gegen Unbekanntes sowie Frustration. Diese auch sehr emotionale Phase wird von den Betroffenen zum Teil ungesteuert durchlebt und sämtliche Emotionen werden herausgelassen. Wut mobilisiert Kräfte, Rebellion folgt, und es wird versucht, Veränderungen durch Verhandeln abzuwenden. Typische Aussagen in dieser Phase sind: „Das glaube ich nicht. Wir haben es doch bisher immer richtig gemacht.“ Oder: „Das stimmt doch gar nicht. So ein Quatsch, das zieht an uns vorbei.“ Solche Reaktionen zeigen die Angst, gewohnte Strukturen und eine vertraute Unternehmenskultur zu verlassen.
Jetzt geht es bergab im Strudel der Emotionen, des Widerstands und der Angst, hinein in das Tal der Tränen. Doch irgendwann kommt so langsam die Einsicht, erst rational und dann emotional.
In der zweiten Phase nimmt das Realitätsbewusstsein zu und die Notwendigkeit und auch das Unabwendbare werden klar. Die neue Situation und deren Konsequenzen werden schrittweise akzeptiert. Unternehmer und Mitarbeiter erkennen, dass ihre Ablehnung gegenüber der Krise oder der Veränderung nicht den gewünschten Erfolg bringt und dass der Wandel unvermeidbar ist. Natürlich gibt es weiterhin einige, die am Alten festhalten wollen, aber die Zahl derjenigen, die die Veränderung annehmen, auch wenn sie schmerzlich ist, steigt. Zunächst ist die Einsicht rational da, doch verändern sollen sich bitte die anderen. Wenn überhaupt, dann werden vorerst nur oberflächliche Veränderungen und kurzfristige Lösungen gesucht. Nach der rationalen Akzeptanz folgt die emotionale. Dabei sinkt die Einschätzung der eigenen Kompetenz auf den Tiefpunkt. Schnell ist das Repertoire des Handelns erschöpft. Typische Sätze hier sind: „Jetzt habe ich doch wirklich alles versucht, ich weiß nicht weiter.“ Oder: „Ich schaffe das nicht.“ Das Selbstbewusstsein ist am absoluten Tiefpunkt und das Tal der Tränen ist erreicht. An diesem tiefsten Punkt der Kurve kommt es zur entscheidenden Wendung. Die Mitarbeiter beginnen die Veränderung zu akzeptieren und nicht nur kognitiv zu verstehen. Sie sind bereit, gewohnte Verhaltensweisen aufzugeben, sodass eine Neuausrichtung beginnen kann. Erst jetzt sind die Betroffenen bereit für Neues; alles, was vorher versucht wurde, ist in der Regel vergebens. Das Tal der Tränen muss durchschritten werden, damit das Neue entstehen kann.
In Phase 1 und 2 der Kurve geht es um die Stabilisierung, menschlich und wirtschaftlich, damit sich in Phase 3 und 4 der Raum für die Erneuerung öffnet.
Phase 3 ist die Phase des Annehmens; die Geschäftsleitung und die Mitarbeiter sagen jetzt „Ja“ zur Krise und zu den damit verbundenen Veränderungen. Sie fangen an, mit der Situation konstruktiv umzugehen, und dabei entwickeln sie Neugier auf das Neue und die damit verbundenen Handlungen. Anspannung und Angst sind gewichen, Trauer so weit bewältigt, dass erste Ideen entwickelt werden können und die Betroffenen wieder offen für Vorschläge sind. Sie beginnen neue Fähigkeiten auszuprobieren. Der Prozess des bewussten Lernens von neuen Verhaltensweisen schreitet voran. Durch Erfolge und Misserfolge lernen Unternehmer und Mitarbeiter, welche Verhaltensweisen angebracht sind. Eines der wichtigsten Prinzipien dieser Phase ist die Fehlererlaubnis. Das Ausprobieren muss ausdrücklich erwünscht sein, um den Lernmodus zu begünstigen. Erst in dieser Phase sind unterstützende Maßnahmen wie Trainings, Workshops oder auch Coachings hilfreich. Geduld und Ausdauer sind wichtig, neues Lernen braucht seine Zeit. Es tritt die Erkenntnis ein, dass die Veränderung auch etwas Gutes hat.
Mit dem Aufbruch verlassen wir endgültig die Tiefen des Tals der Tränen, wobei sich die Kurve bereits dort schon ein klein wenig nach oben bewegt, da wir das System und die Menschen darin stabilisieren und sie so loslassen können. Der Aufbruch ist das Drehmoment in der Krisenkurve, und im weiteren Fortschreiten zwischen Ausprobieren und Scheitern kommt es in Phase 4 zu Erfolgen bei den Mitarbeitern.
Das Handlungsspektrum der Unternehmer und Mitarbeiter hat sich inzwischen erweitert. Erfolge stellen sich ein und damit verbunden die Erkenntnis, wann das neue Verhalten angemessen ist und wo die alten Handlungsmuster noch Platz haben. Das neue Verhalten sowie neue Kompetenzen werden von den Betroffenen vollständig in den Alltag integriert und als selbstverständlich betrachtet. Die wahrgenommene eigene Kompetenz und Selbstwirksamkeit der Mitarbeiter steigen über das Niveau vor der Krise an. Die Bedeutung der Krise und der damit verbundenen Veränderungen für das Unternehmen und für die persönliche Entwicklung wird deutlich und die neue Energie beginnt langsam Früchte zu tragen. Aus dieser Energie entwickeln sich Produktivitätssteigerung und Zufriedenheit. Das neue Verhalten wird zur angenehmen Gewohnheit.
Alle Firmen wollen Erfolge, Wachstum und Innovationen. Doch vor der Innovation kommt meistens ein Tiefpunkt, eine Krise, ein einschneidendes Erlebnis, eine größere Veränderung. Schon Goethe sagte: „Und so lang du das nicht hast,/ Dieses: Stirb und werde!/ Bist du ein trüber Gast/ Auf der dunklen Erde.“ Es geht bergauf und auch wieder bergab und so weiter. Doch bevor es in einer Firma und für ihre Mitarbeiter wieder bergauf gehen kann, muss auf der wirtschaftlichen wie auf der menschlichen Ebene eine Stabilisierung erfolgen. Diese Stabilisierung ist die Voraussetzung für die Erneuerung. Wir wollen Schritt für Schritt erläutern, was zu tun ist, wenn eine Krise oder ein anderes schwieriges oder bedrohliches Ereignis einschlägt.
„Die Treppe kehrt man am besten von oben.“ Eine Krise will – wie jede andere Veränderung – gemanagt werden und muss es sogar, um weiter gehenden Schaden zu vermeiden. In unsicheren Zeiten blicken alle nach oben auf die Inhaber, das Topmanagement und die Führungskräfte. Jetzt heißt es hier, in die Verantwortung zu gehen, Entscheidungen zu treffen, klar und einfach zu kommunizieren, Vorbild zu sein, Empathie für die Betroffenen zu zeigen und Mut zu machen. Nicht jeder Manager hat die notwendige Krisenerfahrung, um mit der Krisenbewältigung umgehen zu können. Bei der Coronapandemie als Ausnahmeereignis beispielsweise wurden viele Manager ins eiskalte Wasser geworfen. Um weder in hektischen Aktionismus zu verfallen noch auf reaktive Passivität reduziert zu sein, ist gute Krisenbewältigung unabdingbar. Diese erfordert einiges an Geschick, Führungskompetenz, Agilität und strategischer Ausrichtung und besteht aus den vier Königsdisziplinen Krisenmanagement, Krisenstab, Krisenplan und dem Herzstück, der Krisenkommunikation.
Krisenmanagement ist das systematische Bemühen um eine Lösung der Probleme und damit um die Bewältigung der Krise. Gerade bei einem harten Kriseneinschlag machen sich schnell Verschwörungstheorien und Fluchttendenzen bei Führungskräften und auch Mitarbeitern breit. Panik und Zerfall des Zusammenhalts sind genauso Gift für das Unternehmen wie gegenseitige Schuldzuweisungen. Angst und sonstige negative Gefühle sowie auch das Ausüben von Druck durch die Führungsmannschaft schaffen einen negativen Effekt, der schnell um sich greift. In Krisensituationen suchen Mitarbeiter Orientierung und Sicherheit. Alle schauen zum Unternehmer bzw. Management auf und diese Vorbildfunktion gilt es zu nutzen und die Verantwortung für den Prozess der Krisenbewältigung zu übernehmen.
Franz trägt Verantwortung
Während seine Mutter, die bislang tatkräftig im Betrieb mitgearbeitet hat, nur auf die Discounter schimpft und sich komplett in sich zurückzieht, wird sich Franz bewusst, dass er selbst die Verantwortung für die Zukunft seiner Bäckerei trägt. Es liegt an ihm, seine Mitarbeiter und seine Mutter nicht nur zu beruhigen, sondern vor allem die nun notwendigen Maßnahmen zur Stabilisierung des Betriebs einzuleiten.
Ein Erfolgsfaktor für gelungenes Krisenmanagement ist genau diese Übernahme der Verantwortung. Dabei geht es um die Entscheidung und Absichtserklärung, an seinem Platz den bestmöglichen Beitrag zu einem positiven Verlauf zu leisten. Der Startschuss kommt von oben, vom Management, von der Geschäftsleitung oder vom Inhaber der Firma. Das erfordert Mut und einen hohen Reifegrad, die eigenen Befindlichkeiten nicht so wichtig zu nehmen, sondern sich in den Dienst der Sache zu stellen. Den Fokus auf die zu bewältigende Aufgabe zu legen und trotz eigener Angst und Unsicherheit die Probleme in die Hand zu nehmen. Genau das ist die Herausforderung: die Initiative zu ergreifen, ohne genau zu wissen, ob und wie die Krise lösbar ist. Das heißt, das eigene Sicherheitsbedürfnis hintanzusetzen und sich dem Problem, die Krise zu lösen, zu stellen und zugleich Schuldzuweisungen, Vorwürfe und Lästerei an sich abprallen zu lassen. Ohne die Bereitschaft, die Verantwortung zu übernehmen, ist keine Krise lösbar. Erst wenn dies geschehen ist, können die nächsten methodischen Schritte geplant werden. Ganz konkret kann das zum Beispiel heißen, eine Krisensitzung einzuberufen.
Krisensitzung bei Carsten
Das Unternehmen von Carsten und seiner Familie gehört seit Jahren zu den führenden Unternehmen der Elektronikbranche, als Zulieferer für die Automobilindustrie profitierte es von dem Marktwachstum der letzten Jahre. Chinesische Wettbewerber drängen allerdings schon seit Jahren in den Markt, zuerst nur mit aggressiven Preisen, inzwischen auch mit Topqualitäten. Trotz des enormen Vertriebsaufwands hat nun einer der wichtigsten Unternehmenskunden einen dringend nötigen Folgeauftrag gekündigt. Gleich nach dem Verlust des Großauftrages beruft Carsten sein Managementteam zu einer Krisensitzung ein. Es geht um die möglichen Konsequenzen aus dem Umsatzverlust für das ganze Unternehmen, die Mitarbeiter und die Geschäftspartner. Gleichzeitig ruft Carsten sein Team zu Überlegungen auf, welche Schritte (kurzfristige Sofortmaßnahmen und mittelfristige Strategien) als Nächstes notwendig sind. Er will keine Zeit verlieren, damit keine Gerüchte und keine negativen Emotionen aufkommen.
Vor der systematischen Problemanalyse gilt es die Beteiligten für konstruktive Lösungen und Ideen in dieser schwierigen Zeit zu öffnen. Daher müssen destruktive Prozesse genauso wie der vorhandene persönliche Druck gestoppt werden. Menschen sind innerlich erst dann bereit, in Lösungen zu denken, wenn sie angestaute Ängste und Überdruck herauslassen konnten. Das geschieht am besten, wenn zu Beginn der Sitzung Raum für Ängste und zum Sich-mal-so-richtig „Auskotzen“ gegeben wird. Ziel ist es, danach die größten Probleme zu bearbeiten und dabei auch das in den Blick zu nehmen, was (noch) gut läuft.
Schleichende Krise bei Anna
Das Unternehmen von Anna gehört zu den DAX-30-Unternehmen und damit zu den größten und liquidesten Firmen am deutschen Aktienmarkt. Das Unternehmen produziert Konsumgüter für Privat- und Geschäftskunden, wobei der Vertrieb vorwiegend über Handelspartner (z.B. Supermärkte) stattfindet. Anna erlebt als Abteilungsleiterin für den deutschen Gesamtvertrieb eine schleichende Unternehmenskrise: Schon seit Langem beklagt sie den extremen Egoismus der einzelnen Unternehmensbereiche und Abteilungen. Keiner hilft dem anderen, jeder kämpft gegen jeden. Die Kunden, die am Ende allen Mitarbeitern die Gehälter bezahlen, werden bestenfalls vernachlässigt, wenn nicht sogar ignoriert. Doch irgendwann rächen sich die Kunden: Sie kaufen lieber beim Wettbewerber. Dort finden sie attraktivere Produkte zu vielleicht auch noch besseren Preisen. Annas Handelspartner sehen diesen Effekt direkt in ihren Umsatzlisten und werden immer härter in ihren Preisverhandlungen gegenüber Anna und ihren Vertriebskollegen.
Durch die Coronapandemie verschärfen sich die Probleme weiter.
Je nach Krise kann es sein, dass zu Beginn noch gar nicht klar ist, was getan werden kann und muss. Hier heißt Verantwortung zu übernehmen, einen konstruktiven Prozess der Krisenbewältigung in Gang zu setzen. Best-Case- und Worst-Case-Szenarien können hierbei helfen. Weiterhin geht es sowohl um die sachliche Problemanalyse und Lösung als auch darum, den menschlichen und sozialen Prozess zu gestalten. Wenn der soziale Prozess in die richtige Richtung läuft, gibt es eine Chance, das Sachproblem gut zu lösen. Der Mensch, der Mitarbeiter, die Teams müssen dafür gewonnen werden, nach vorne zu blicken, und dabei hilft die menschliche Krisenkurve in der Führung. Die Bewältigung einer Krise hängt zu einem erheblichen Maße von sozialen und menschlichen Faktoren ab. Hilflosigkeit und Ohnmacht wollen überwunden werden. Wenn die Stimmung gedreht ist, das Tal der Tränen durchquert ist, kann sich Zuversicht breitmachen.
Krisenmanager stehen deshalb vor der Herausforderung, den delikaten Spagat zwischen ihren eigenen Gefühlen und Unsicherheiten und der Verantwortung für die Krise mitsamt klaren Entscheidungen zu vollziehen. Fachkundiger Rat kann und sollte bei Bedarf eingeholt werden.
Ein paar wichtige Grundsätze sind:
1.Es gibt kein perfektes Krisenmanagement.
2.Besser handeln als nichts tun bzw. zu lange abwarten. Damit ist auch klar:
3.Fehler dürfen gemacht werden.
Fehler sind unvermeidbar, da sich Krisenmanager auf neuem, unwägbarem und unbekanntem Terrain befinden. Krisenmanager dürfen zu ihrer Unvollkommenheit stehen und trotzdem mutig vorangehen.
Es kann hilfreich sein, Szenarien und Konsequenzen durchzuspielen und gemeinsam diszipliniert die Informationen bis zur Verkündung von Entscheidungen geheim zu halten. Sprachregelungen sollten gefunden werden und schnelles Handeln ist von Vorteil. Wichtig ist, Entscheidungen gut vorzubereiten und klar an alle zu kommunizieren. Hierbei hilft auch ein Kommunikationsplan. Als Krisenmanagerin oder Krisenmanager solltest du Stärke beweisen und nicht auf Zustimmung der Betroffenen hoffen. Ihnen sollten in jedem Fall Ansprechpartner wie Führungskräfte, psychologischer Dienst etc. angeboten werden.
Ob ein Krisenstab notwendig ist, hängt von der Unternehmenskultur, der Größe des Unternehmens und der Komplexität der Probleme in der Krise ab. Der Krisenstab – oder wie Fachleute sagen: das Response-Team – hat die Aufgabe, alle bekannten und entscheidungsrelevanten Informationen sorgfältig zu recherchieren und nur bestätigte Fakten an das Entscheidungsgremium weiterzugeben.
Wichtig ist in jedem Fall, dass sich eine Gruppe von Menschen der Analyse und der Entwicklung von Handlungsoptionen, Konzepten und Lösungen für die Krise annimmt. Es kann hilfreich sein, einen Krisenstab einzurichten, in dem Vordenkarbeit für das eigentliche Entscheidungsgremium geleistet wird. In diesem Gremium müssen nicht zwingend alle Mitglieder der Geschäftsführung vertreten sein. Entscheidend für die Auswahl der Mitglieder sollte nicht das hierarchische Level der Person sein, sondern die Einschätzung, ob sie den Arbeitsprozess wesentlich unterstützen kann. Kriterien dafür sind einerseits entscheidungsrelevantes Wissen, zum Beispiel aus den Bereichen Recht, Vertrieb, Produktion, Personal und Marketing. Andererseits sind Attribute wie Mut und Kreativität ebenso gefragt. Beim Krisenstab kommt es auf die richtige Mischung und Vielfalt an. Eher weniger „Ähnlichdenker“, sondern mehr „Querdenker“ sollten mit von der Partie sein. Menschen, die sich in ihren Stärken und Perspektiven gegenseitig ergänzen, werden gebraucht.
Auch wenn nicht klar ist, mit welcher Strategie die Krise bewältigt werden kann, so wissen die Betroffenen doch in der Regel ziemlich genau, welche Handlungen schädlich für eine konstruktive Krisenbewältigung sind. Dieser Kopfstand ins Desaster kann ein erster Anhaltspunkt für den Krisenstab sein. Fragen für ein solches Worst-Case-Szenario können sein:
•Wie verlieren wir noch mehr Kunden?
•Was macht unseren Leuten Angst?
•Was bringt die Teamarbeit in Gefahr?
•Was verschlimmert die Situation bei unseren Führungskräften oder auch bei unseren Mitarbeitern?
•Wie gefährden wir unsere finanzielle Lage noch weiter?
Aus solchen Verschlimmerungsfragen können neue Lösungsansätze generiert werden.
Wenn sich der Krisenstab hierarchieübergreifend zusammensetzt, sind weitere günstige Effekte der Abbau des Silodenkens in größeren Unternehmen und die steigende Akzeptanz und Verbindlichkeit in den Abteilungen.
Weniger ist mehr: Damit die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit des Krisenstabs gewährleistet ist, empfiehlt es sich, ihn je nach Unternehmensgröße mit sechs bis acht Mitgliedern zu besetzen. Zudem bedarf es einer Moderation und Führung des Krisenstabs. Hierbei ist auf eine konstruktive Stimmung zu achten, abwertende Aussagen sind abzufangen und für Wertschätzung und lösungsorientierte Zusammenarbeit im Team ist zu sorgen. Als Organisator oder Moderator gilt es einen Arbeitsprozess im Team zu steuern, der zu guten Lösungen führt. Bei der Lösungsfindung können auch kreative und innovative Arbeitsmethoden sehr hilfreich sein. Der Krisenstab berichtet an die Geschäftsführung bzw. an den Inhaber.
Krisenstab bei Franz
In seinen Krisenstab hat Franz den erfahrensten Bäckerund Lehrmeister aus seiner Produktion, eine kompetente und anerkannte Verkäuferin aus dem Laden und einen jungen Auszubildenden eingeladen. Der Auszubildende ist ihm schon länger wegen seines Engagements sowie seines kritischen, doch zugleich konstruktiven Denkens aufgefallen. Seine Mutter hatte er ebenfalls gefragt, doch sie sah sich außerstande, hier mitzuwirken.
Es kann auch eine kleinere Krisen-Taskforce gebildet werden, die sich mit einem bestimmten Problem auseinandersetzt. Weitere Kompetenzträger können von Fall zu Fall hinzugezogen werden.
In Krisenzeiten erwarten alle Betroffenen klare Vorgehensweisen und Aussagen. Daher empfiehlt sich die schrittweise Planung der Krisenbewältigung in Form eines Krisenplans. Ein solcher Krisenplan sollte verschiedene Themenbereiche abdecken, wie die Kommunikation in dieser Ausnahmesituation, einen betriebswirtschaftlichen Notfallplan und Maßnahmen der Personalplanung.
Krisenplan bei Mia