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Generation Z – Gefahr für den Wohlstand oder Chance für die Arbeitswelt? Hohes Einstiegsgehalt? Gern! Strikte Trennung von Arbeit und Freizeit? Ja klar! Viertagewoche? Unbedingt! Aber Überstunden, Verantwortung und Anwesenheit im Büro – nein danke! Die Wohlstandskinder der Jahrgänge 1995 bis 2010 treten an, um die Arbeitswelt zu revolutionieren. Ihren Chefs begegnen sie selbstbewusst und fordernd, doch gleichzeitig scheint ihr Gemüt zart: Sobald etwas schiefläuft, sind sie sauer oder traurig, melden sich krank oder werfen den Job gleich hin. Ältere Kollegen blicken oft mit Unverständnis, aber auch mit Neid auf die Jugend. Warum sind diese jungen Leute, wie sie sind? Welche Folgen hat ihre Haltung für den Wirtschaftsstandort Deutschland? Wie können Unternehmen mit dieser anspruchsvollen Generation umgehen? Und wie kann ein neues Verständnis der Generationen gelingen? Diesen Fragen geht die Unternehmensberaterin Susanne Nickel in ihrem neuen Debattenbuch nach. Anhand zahlreicher skurriler und unterhaltsamer Anekdoten aus ihrem Berufsalltag beschreibt sie die Gen Z scharfzüngig und psychologisch präzise – und nimmt dabei kein Blatt vor den Mund. Sie will nicht nur Missstände aufzeigen, warnen und zum Diskurs anregen, sondern Lösungen finden und zum Handeln auffordern. Denn sie glaubt: Die Generation Z und die Boomer können viel voneinander lernen – zum Wohle des Landes.
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Susanne Nickel
Susanne Nickel
Wie die Generation Z die Arbeitswelt auf den Kopf stellt und uns zum Handeln zwingt
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Für Fragen und Anregungen:
Wichtiger Hinweis
Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wurde auf eine genderspezifische Schreibweise sowie eine Mehrfachbezeichnung verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind somit geschlechtsneutral zu verstehen.
Originalausgabe
1. Auflage 2024
© 2024 by Finanzbuch Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH
Türkenstraße 89
80799 München
Tel.: 089 651285-0
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Redaktion: Christine Rechberger
Umschlaggestaltung: Pamela Machleidt
Satz: Daniel Förster
eBook: ePUBoo.com
ISBN Print 978-3-95972-779-2
ISBN E-Book (PDF) 978-3-98609-519-2
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-98609-520-8
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Einleitung: Vom Shitstorm zum Buch
Teil 1 Was läuft falsch am Arbeitsmarkt?
Die einen rackern, die anderen relaxen
Das Haus der Generationen
Verkommt Deutschland zum Entwicklungsland?
Teil 2 Eine Generation auf dem Egotrip?
Macht die Einteilung in Generationen überhaupt Sinn?
Die Unlust-Vermeider
Die Privilegierten – wir fordern, weil wir es können!
Erstens. Zweitens. Drittens. Viertens. Fünftens …
Keine Kompromisse – hinschmeißen ist immer eine Option
Von Selbstüberschätzung und Kritikunfähigkeit
Unverbindlich und undiszipliniert
Geisterstunde in der Wirtschaft
Ein Like ersetzt keine Empathie
»Ohne Purpose mache ich nichts!«
Nicht ohne meinen Coach!
Verantwortung, aber nicht führen
Wo bleibt die Demut?
Teil 3 Wer, wie, was, wieso, weshalb, warum?
Kollektiver Dauerkrisenmodus
Fehlende Perspektiven und Planbarkeit
Weil wir es uns leisten können …
Geht’s noch doofer?
Mama und Papa wollen nur das Beste
Die verletzten inneren Kinder der Generation Z
Teil 4 Und jetzt? Welche Lösungen gibt es?
Für alle klugen Unternehmen
Ohne X geht nix
Eltern, sperrt den Tiger weg!
Es geht uns alle an!
Bitte, liebe Generation Z
Epilog: Das glückliche System
Anhang für Unternehmer: 10 Fragen, die Sie der Generation Z stellen sollten
Anmerkungen
Literaturverzeichnis
Herzlichen Dank
Frühsommer 2022: Wir trafen uns zum Mittagessen bei einem köstlichen Italiener im Münchner Stadtteil Schwabing, um über Gott und die Welt der Unternehmen zu reden. Die Sonne strahlte über der Stadt, ein Parkplatz für mein Elektroauto war ausnahmsweise schnell gefunden und Francesco, der Kellner des Restaurants, begrüßte mich wie immer: charmant und herzlich. Meine Verabredung, die Chefin der Personalabteilung eines mittelständischen Unternehmens, war etwas früher da als ich. Wir kennen uns seit langer Zeit, sind per Du und vertrauen uns, was heißt, dass wir bisweilen auch über das reden, was man »das Eingemachte« nennt.
Wir fanden im idyllischen Garten des Lokals ein freies Schattenplätzchen und wählten beide aus dem Mittagsmenü; meine Wahl fiel auf Pasta. Wir hatten eine Menge zu besprechen, insbesondere zu den Themen Nachwuchs- und Führungskräfte. Wie so oft in diesen Wochen und Monaten drehte sich das Gespräch sehr schnell um Recruiting, also die Fragen: Wie gewinnt eine Firma junge Leute? Wie kann sie sie für lange Zeit an sich binden? Und wie bekommt man sie dazu, Führungsverantwortung zu übernehmen? So kamen wir vom Hölzchen aufs Stöckchen, so ein Mittagessen ist ja meistens ein Mix aus Privatem und Arbeit, gerade wenn man sich gut kennt. Die Nudeln schmeckten hervorragend, bis mir ein Bissen beinahe im Hals stecken geblieben wäre. Das lag nicht an den Spaghetti aglio e olio, sondern an der, wie ich fand, schockierenden Geschichte, die mir die Human-Resources-Chefin – Sie wissen, ohne Anglizismen läuft in meinem Business nichts – in allen Einzelheiten erzählte.
Eine Bewerberin, nennen wir sie Laura, Mitte 20, war äußerst interessiert an dem Unternehmen und der ausgeschriebenen Position. Die Personalerin wollte Laura unbedingt einstellen: einerseits, weil es kaum andere Kandidaten gab, und andererseits, weil die junge Frau gut ins Team passte und fachlich auch geeignet schien. Sie verkaufte sich zudem selbstbewusst und zeigte einen neugierigen Blick auf die Welt. Sie stellte der HR-Chefin unter anderem folgende Frage: »Was machen Sie, um die Welt ein wenig besser zu machen?« Darauf hatte meine Verabredung eine gute Antwort, denn das Unternehmen räumt dem Umweltschutz hohe Bedeutung ein. So weit, so gut. Zuletzt wollte die Bewerberin wissen: »Warum sollte ich mich für Sie entscheiden und bei Ihnen anfangen?« Heißt: Die HR-Chefin musste die junge Frau von dem Unternehmen überzeugen – und nicht umgekehrt, wie es jahrzehntelang gang und gäbe war.
Wenn Sie glauben, ich rede hier über einen Einzelfall, irren Sie sich. So sieht die Normalität aus. Auch in der Wirtschaftswelt stecken wir in einer Zeitenwende, über die nur wenig öffentlich geredet – geschweige denn diskutiert – wird, weil die Auswirkungen für die Allgemeinheit noch nicht spürbar sind. Die Betonung liegt hier auf »noch«. Der Arbeitgebermarkt hat sich zum Bewerbermarkt gewandelt, was mit dem Fachkräftemangel zu tun hat, aber nicht nur. Junge und jüngere Leute haben eine Anspruchshaltung, die sie ohne Umschweife zum Ausdruck bringen. Die Wohlstandskinder der Generation Z fühlen sich zu Höherem berufen. Die Weltrettung ist das Minimum ihrer Ziele. Weshalb auch Arbeit in erster Linie einen moralischen Bezug oder sinnstiftenden Anspruch haben muss. »Ohne Purpose mache ich nichts«, heißt es in Vorstellungsgesprächen. Denn ohne »Purpose«, also ein tief im Unternehmen verankerter Sinn und Zweck des eigenen Schaffens, geht gar nichts. Das mag – gemessen am Zustand der Erde – seine Berechtigung haben, ich kann es emotional auch verstehen. Aber hier zeigt sich ein großer populärer Irrtum in der jungen Generation, nämlich zu glauben, dass der einzige Zweck eines Unternehmens der sei, einen Beitrag dazu zu leisten, die Welt besser zu machen – und nicht etwa, dass es Wohlstand und Familien den Lebensunterhalt sichern soll.
Meine Lunch-Verabredung berichtete von diversen mehr oder weniger ähnlichen »Laura«-Erlebnissen, und ich war fast froh, als ich mein Essen geschafft hatte. Denn immer wieder musste ich schwer schlucken. Erst recht am Ende ihres Berichts über Lauras Bewerbungsgespräch – wobei ich mir bis heute die Frage stelle, wer sich eigentlich bei wem beworben hat:
Die junge Frau war im Anschluss an das Gespräch mit dem neuen Team sogar gemeinsam Mittagessen gewesen, damit sich alle früh kennenlernen und einen Draht zueinander entwickeln konnten. »Wir haben uns geeinigt, sie wollte noch ein paar Wochen reisen und weitere Erfahrungen sammeln. Wichtig war ihr auch, genug Freizeit zu haben, um für einen guten Zweck tätig zu sein«, erzählte mir die HR-Chefin. »Überall machten wir einen Haken dran, erfüllten all ihre Wünsche. Und obwohl wir jemanden für eine Vollzeitstelle gesucht hatten, akzeptierten wir ihre Forderung einer Viertagewoche. Wie gesagt, wir hatten kaum eine Wahl. Deshalb stimmten wir auch ihrer Gehaltsforderung zu, die im oberen Bereich für eine Berufsanfängerin lag.«
Ich kam wirklich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Aber als ich das Ende der Geschichte hörte, fiel mir die Kinnlade endgültig in Richtung Spaghetti-Teller. »Der Arbeitsvertrag war unterzeichnet, mein Team und ich standen mit Blumen und Starter-Kit am ersten Arbeitstag parat und freuten uns auf die neue Kollegin. Doch die Einzige, die weder an diesem Tag noch irgendwann danach erschien, war Laura.« Nachdem ich die Fassung wiedererlangt hatte, erkundigte ich mich: »Das ist doch sicher ein Einzelfall, oder?« Denn – wie gesagt – ich habe schon viele krude Recruiting-Storys aus Firmen gehört. Aber diese hier toppte alles, sie konnte nur ein Einzelfall sein. Dachte ich.
Doch leider nein. Ganz und gar nicht. Die Geschichte von Laura ist die neue Realität. Mittlerweile weiß ich von vielen anderen irritierenden Vorfällen mit jüngeren Bewerbern, Mitarbeitern und Azubis, die sich in den Katalog absurder Erlebnisse einreihen. Ich habe mit Kundinnen und Kunden gesprochen, Berichte gesammelt und mache mir einen Kopf darüber: Wo führt das hin? Was läuft da schief? Woher kommt ein solches Verhalten? Ist es hilfreich, sich nur auf die Generation Z am Arbeitsmarkt zu fokussieren, wo wir doch erheblichen Fachkräftemangel haben? Und vor allem: Wie können wir dem Engpass beim Personal konstruktiv begegnen, wenn eine Generation offenbar eine ganz andere Auffassung von Arbeit hat als die davor?
Das Thema ließ mir keine Ruhe. Vor allem aber wollte ich es nicht länger hinnehmen, dass es lediglich innerhalb der Wirtschaft – sozusagen nur unter Insidern – diskutiert wird und das auch nur hinter verschlossenen Türen. Jedem wird klar sein, dass ein Vorstandschef eines DAX-Konzerns nicht an die Öffentlichkeit gehen und vom Verhalten Lauras, Olivers, Emmas und Torbens in Vorstellungsgesprächen erzählen kann, davon, welche Ansprüche junge Menschen an Unternehmen und generell das Leben haben, die nur schwer bis gar nicht zu erfüllen sind. Oder dass ein Azubi nach einer Woche hinschmeißt. Oder eine Neueingestellte am ersten Tag im neuen Job nach wenigen Stunden bereits eine ausgiebige Pause braucht, »um den ganzen Input zu verdauen«. Das kommt gar nicht gut an und macht es schwieriger, Leute anzuheuern, die man vorher öffentlich bloßgestellt hat. Der Vorwurf des Jugend-Bashings liegt in der Luft und wird auch mich treffen: Aber es geht mir mitnichten darum, obwohl ich klipp und klar die Missstände benenne. Mich treibt nämlich ganz besonders die Kehrseite der Entwicklung um. Die deutsche Wirtschaft ist auf die junge Generation Z angewiesen, was heißt, dass Unternehmen gezwungen sind, sich auf Veränderungen einzustellen. Sie müssen reagieren. Also ist auch das Teil der notwendigen Debatte, die wir dringend führen müssen.
So entschloss ich mich – wohl wissend, einen Shitstorm zu riskieren –, einen Gastbeitrag für das Handelsblatt1 zu schreiben. Er hatte die Überschrift: »Generation Z floppt in der Arbeitswelt«. Im Vorspann stand: »Unternehmen klagen über anspruchsvolle junge Mitarbeiter. Sie sollten besser auf die über 45-Jährigen setzen – die sind krisengestählt und leistungsbereit, meint Susanne Nickel.« Exakt, das ist meine Meinung. Und offenkundig traf ich einen Nerv. Der Gastkommentar ging viral, wie das heute so schön heißt, er wurde Hunderttausende Male gelesen, der Kern des Inhalts sogar millionenfach, da andere Medien wie die Bild-Zeitung den Artikel aufgriffen. Der Focus schrieb: »Susanne Nickel, 55, wurde über Nacht berühmt.« Ich landete bei stern TV und erhielt eine Einladung von Markus Lanz.
Ich bekam Hunderte E-Mails, darunter viele aus Unternehmen und von Unternehmern, in denen stand: »Endlich spricht es mal jemand aus.« Mitunter waren die Lobeshymnen mit Dating-Absichten verbunden: »Das Beste, was ich je an Gastbeitrag gelesen habe. Wollen wir uns mal auf ein Glas Wein treffen?« Sogar ein Heiratsantrag war dabei, aber ich bin glücklich verheiratet. Natürlich waren nicht alle Botschaften freundlich. Wer heute etwas äußert, das polarisiert, kriegt verbal eins übergebraten. Der befürchtete Shitstorm blieb jedenfalls nicht aus. Noch einigermaßen nette Kommentare lauteten: »Oma, halt die Klappe!« By the way, das hat mich nicht sehr berührt, da ich – der Generation X angehörend – schon Oma von zwei entzückenden Enkelkindern bin.
Aristoteles wird das Zitat zugeschrieben: »Es gibt nur einen Weg, Kritik zu vermeiden: nichts tun, nichts sagen und nichts sein.« Das passt nicht zu mir. Ich stehe zu meinen Äußerungen und habe nichts zurückzunehmen. Denn auf dem Thema ist viel Druck drauf und Energie drinnen. Also mache ich mit dieser wichtigen Auseinandersetzung weiter, es geht ja schließlich um unsere Zukunft. Wir sind alle betroffen von den Veränderungen am Arbeitsmarkt, dem Fachkräftemangel, den schlechten wirtschaftlichen Prognosen und dem kontraproduktiven Verhalten vieler junger Menschen. Verlage sahen es ähnlich. Sie schrieben mich an, ob ich Lust hätte, ein Buch zu schreiben. Klar, das hatte ich.
Für den Fall, dass Sie als kritischer Leser die Stimme erheben und eine Langzeitstudie fordern, die all meine Thesen und Aussagen empirisch belegt, möchte ich schon hier erklären: Ich erhebe nicht den Anspruch, ein wissenschaftliches Buch zu schreiben. Ich setze auf die berühmte anekdotische Evidenz, meine Erfahrung und die meiner Kontakte: Ich bin seit mehr als zwei Jahrzehnten als Rechtsanwältin und Unternehmensberaterin unterwegs und habe für fast alle DAX-Unternehmen gearbeitet. Um dieses Buch anzureichern, war ich im engen Austausch mit Psychologen und Soziologen, die analysiert, recherchiert und ihr Wissen eingebracht haben, damit ich relevante Informationen sowie einen Rundumblick zur Studienlage einbinden kann. Doch in erster Linie geht es mir darum, Tendenzen, Stimmen, Stimmungen und Sorgen aus Unternehmen wiederzugeben. Ich bin mit dem Ohr an vielen Führungsetagen aller Ebenen, habe mit Hunderten von Managern und Mitarbeitern – übrigens aller Generationen – gesprochen und weiß, wovon ich rede. Gerade deshalb will ich Missstände aufzeigen, warnen und zum Diskurs anregen. Als Praktikerin und Umsetzungsberaterin liegt es mir am Herzen, Lösungen zu finden und zum Handeln aufzufordern.
Wir Deutsche verharren gerne im Jetzt und manche noch lieber in der Vergangenheit. Angela Merkel war als Kanzlerin so beliebt, weil sie es vermochte, der Bevölkerung einzureden, dass sich nichts ändern müsse, alles immer so bleiben könne wie bisher. Auch ihr Nachfolger Olaf Scholz versucht sich in dieser Übung, scheitert aber kläglich. Wir reden und theoretisieren viel zu viel, ehe wir ins Handeln kommen. Mit Verlaub, aber mein Eindruck ist: Deutschland ist zu einer Laber-Republik verkommen. Wir haben jahrelang ausgiebig geredet und geredet, geschwatzt und geschwatzt – und jetzt ist es Zeit, etwas zu tun. Die gesamte Gesellschaft muss das Heft des Handelns in die Hand nehmen, damit wir nicht länger Getriebene bestimmter Entwicklungen sind.
Seit den mehr als 20 Jahren, die ich als Beraterin aktiv bin, wird über Missstände in Unternehmen gesprochen: Führung muss sich verändern. Manager müssen ihren »Untergebenen« noch wertschätzender begegnen. Wie oft habe ich den Satz gehört: »Die Arbeitswelt verändert sich rapide.« Der neueste Schrei ist »New Work«, auch »Arbeit 4.0« genannt, womit alles gemeint ist, was zur modernen, mitarbeiterorientierten Arbeitswelt zu Beginn des 21. Jahrhunderts gerechnet wird. Wir wissen seit Jahren – auch Frau Merkel und Herrn Scholz ist der Fakt bekannt –, dass die Generation der »Boomer« in Rente geht, eine große personelle Lücke in der gesamten Wirtschaft und Verwaltung entsteht. Nur holt uns die Misere jetzt schon ein, wie vor allem der epochale Fachkräftemangel zeigt, der sich immer stärker bemerkbar macht – inzwischen auch im Alltag, wenn etwa Busse und Bahnen ausfallen, weil es an Fahrern fehlt.
Nach gelebten Lösungen suche ich aber oft vergebens. Und positive Veränderungen sind häufig nur marginal spürbar. Da kommt jetzt eine Generation, die mit den Füßen abstimmt, uns mit dem Mangel an Bereitschaft zur Veränderung konfrontiert, Wandel einfordert und Unternehmen ein neues Denken regelrecht aufzwingt. Ein Schlag ins Gesicht für alle, die geglaubt haben, dass sich Deutschland nicht reformieren muss. Ich weiß aus vielen Gesprächen mit Chefs von Personalabteilungen aus Unternehmen mit einigen Hundert, Tausenden oder Zehntausenden Beschäftigten: Die Generation Z ist krass, auch krass anspruchsvoll. Undiszipliniert und egoistisch.
Doch bei aller berechtigten Kritik, der ich mich anschließe, sage ich auch voller Leidenschaft: Es reicht nicht, nur auf die jungen Leute zu zeigen und sie mit ihrem Tun zu konfrontieren. Denn auch das ist eine deutsche Eigenschaft, gerne Fehler der anderen zu benennen, ohne zugleich zu sagen, wie es besser gehen könnte. Daher stelle ich die Frage, ob Unternehmen von dem Druck, den die junge Generation macht, auch profitieren können. Müssen sie ihre Kultur, Zusammenarbeit und Führung ändern? Es ist gut möglich, dass wir gar nichts großartig Neues entwickeln oder gar das Rad neu erfinden müssen. Vielleicht reicht es, in erster Linie das schon lange Erkannte und theoretisch x-fach Durchgekaute endlich umzusetzen. Was muss jetzt getan werden in den Unternehmen mit allen Generationen, am Arbeitsmarkt, in der Politik und auch von jungen Eltern? Einen großen Teil dieses Buches widme ich daher den Lösungen. Nieder mit der Laber-Republik. Anpacken ist angesagt.
Kennen Sie systemische Aufstellungen? Stellen Sie sich vor, Sie haben ein Puzzle, bei dem alle Teile miteinander verbunden sind und sich gegenseitig beeinflussen. Diese Puzzleteile sind manchmal Objekte, aber stets auch Menschen aus einer Familie oder einem Unternehmen. In der Aufstellung finden und suchen sie ihren Platz in dem System, in dem sie leben oder arbeiten. Die Positionen der einzelnen Teilnehmer – egal ob real oder Figuren – zeigen die Beziehungen zueinander. Manchmal passieren Dinge, die verwirrend, schwierig oder amüsant sind für die Akteure, die das Ganze von außen – und ein bisschen auch sich selbst – beobachten. Immer wieder werden Konflikte offenkundig. Um in der Bildsprache zu bleiben: Wenn ein Teil des Puzzles nicht passt, kann es das ganze Bild durcheinanderbringen.
Ich nutze Aufstellungen gern in meiner Arbeit. Sie geben Antworten auf wichtige Fragen, die ein gesamtes Team betreffen. Stehen Kollegen nah beieinander oder weit auseinander oder sich sogar konfrontativ gegenüber? Welche Stimmung wird durch das Gesamtbild ausgedrückt? Ist es harmonisch und ausgeglichen für den Betrachter oder muss etwas neu angeordnet und dann natürlich vorher geklärt werden, wie es am besten gestaltet werden sollte? Schnell wird erkennbar, wie sich die einzelnen Leute gegenseitig beeinflussen und wo ein Haken ist. Eine Aufstellung hat etwas von Magie, da bewusste und unbewusste Einstellungen und Entscheidungen der Teilnehmer sichtbar werden. Die Rückschlüsse können für das Miteinander eines Teams wichtig, sogar bahnbrechend sein. Gelangen die Kollegen an die richtige Position, ist zu erleben, wie sich vieles fügt, das Puzzle nun passt und sich die Mannschaft insgesamt wohler fühlt.
Ich möchte Sie mitnehmen auf eine kleine Reise, ein kleines Experiment im Geiste. Stellen Sie sich eine Aufstellung zum Fachkräftemangel im Kontext eines deutschen Unternehmens vor, um die reale Situation zu verdeutlichen. Nehmen wir eine mittelgroße Firma, die händeringend Leute sucht. Wir befinden uns in einem rund 100 Quadratmeter großen Raum, der als Spielfläche dient und symbolisch für das Unternehmen und seine Umwelt steht. »Aufgestellt« werden Vertreter der vier Nachkriegsgenerationen – von den Babyboomern bis zur Generation Z – sowie Repräsentanten der Firma wie Führungskräfte und Personaler.
Da es sich um Kopfkino handelt, lassen wir unserer Fantasie freien Lauf: Der Babyboomer läuft wie besessen im Hamsterrad, in dem er sich seit Jahren befindet. Der arme Kerl möchte den Absprung schaffen, da die Rente naht, kriegt es aber nicht hin. Denn das Rad dreht sich so schnell, dass er ihm trotz größter Anstrengung nicht entfliehen kann. Der Boomer macht fleißig seinen Job, genau wie die Repräsentantin aus der Generation X, die direkt nach den Boomern kam. Die Figuren, die sie darstellen, stehen nah bei ihren Vorgesetzten und schauen zu ihnen, immer bereit, die neuesten Ansagen des Managements entgegenzunehmen und sorgfältig umzusetzen. Sie arbeiten beflissen und pflichtbewusst und dienen dem Großen und Ganzen. Sie sind routiniert und kennen das Unternehmen sehr gut. Trotzdem vermitteln die zwei Mitarbeiter durch ihre Haltung und Körpersprache den Eindruck, dass sie eine Last tragen und offenbar auch Freude und Motivation an ihrem Tun eher eingeschränkt sind. Ab und an lässt ein Chef anerkennende Worte fallen, kümmert sich aber nicht weiter um die zwei Beschäftigten. Denn auf sie ist Verlass, sie sind das Hamsterrad gewohnt. Sie funktionieren ohne Lob und Wertschätzung, auch wenn sie es sich wünschen würden, sie haben keine Ansprüche und klagen nur hinter vorgehaltener Hand.
Ganz anders ein Vertreter der Generation Z. Er liegt fern des Hamsterrades am Spielfeldrand in einer Hängematte und guckt in sein Handy – er meidet strikt den Blick zu den Chefs des Unternehmens. Während die anderen rackern, überlegt er, wohin die nächste Reise gehen könnte, und lacht im Flieger – das Ticket haben die Eltern bezahlt – über die vielen Menschen im Hamsterrad und deren Überstunden. Er verachtet sie sogar ein bisschen dafür, dass sie den ganzen Mist klaglos hinnehmen. Das unternehmerische Spielfeld interessiert den jungen Mann nicht wirklich. Das eigene Wohlbefinden ist ihm wichtiger als das des Unternehmens. Eine gleichaltrige Vertreterin der Generation Z dreht sich in hübschen Pirouetten. Sie kreist um sich selbst. Bei genauer Betrachtung erkennen wir: Die junge Frau hält etwas in der Hand. Es ist eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, eine AU. Sie fühlt sich nicht gut, weil die ersten zwei Wochen nach Antritt ihres ersten richtigen Jobs nach dem Studium sehr anstrengend waren. Sie macht einen überforderten, fast schon hilflosen Eindruck.
Eine Protagonistin aus der Generation Y – das ist die vor der Generation Z – steht zwar näher an den Chefs, die ihr alle drei Tage sagen, wie klasse sie sie finden, was die Mitarbeiterin als wertschätzend empfindet. Sie arbeitet gern für das Unternehmen. Ihr Augenmerk richtet sich aber trotzdem vor allem auf den Versuch, die Balance zu halten: und zwar die Work-Life-Balance.
Der Chef der IT-Abteilung des Unternehmens kniet vor dem in der Hängematte liegenden Z-ler mit bittender Geste, die bedeutet: »Komm zu mir ins Team!« Denn Informatiker sind besonders rar.
Eine Personalerin inmitten des Spielfelds hält ein Schild in der Hand mit der Aufschrift »Hier geht’s zum Purpose«. Sie blickt sich unruhig nach geeigneten Bewerbern um. Doch an diesen mangelt es.
Eine Führungskraft steht erhöht auf einem lackierten Podest mit Hochglanzschrift: »Wir führen auf Augenhöhe und wertschätzend«, lautet die Botschaft. Doch auch das hilft nicht. Stattdessen fällt beim zweiten Blick auf, dass der Lack von dem Unternehmen absplittert und die hochglänzenden Zeiten sich dem Ende zuneigen. Die Firma darbt an einer schrecklichen Erscheinung: Personalmangel.
Die Führungskräfte – allesamt Mitglieder der Generation Boomer und X – wirken hektisch und gestresst, denn sie gehen oder rennen Extrameilen, um den Betrieb trotz aller Schwierigkeiten am Laufen zu halten. Obwohl sie an ihre physischen und psychischen Grenzen geraten, machen sie weiter. Und weiter. Und weiter. Am Spielfeldrand betrachtet eine Vertreterin der Generation Z lächelnd und erhobenen Hauptes das Szenario. Sie nimmt die selbstbewusste Körperhaltung ein, die besagt: nicht mit mir! Ihr Lächeln könnte vom Spaß am Leben herrühren. Oder sie lacht alle aus, die sich abmühen, damit Deutschland und seine Hamsterräder keinen Stillstand erleben müssen.
Ich gebe zu: Bei unserer Aufstellung bin ich an die Grenzen gegangen, habe nur die Extreme berücksichtigt. Natürlich gibt es auch junge Leute, die sich in ihren Unternehmen engagieren und jederzeit bereit sind, mehr zu geben, damit das Unternehmen wettbewerbsfähig bleibt. Um die soll es in meinem Buch nicht in erster Linie gehen. Gemeint sind jene jungen Leute, für die die Repräsentanten in meinem Aufstellungsbeispiel stehen, das trotz seiner Zuspitzung sehr wohl einen erheblichen Teil der Realität abbildet, so überzogen es auch sein mag. Denn die Arbeitslast in der deutschen Wirtschaft ist ungleich verteilt zwischen den Generationen. Vereinfacht gesagt: die einen rackern, die anderen relaxen. Die einen tragen die Last, die andern kümmern sich um ihr Ego.
Das Ungleichgewicht entsteht durch die unterschiedlichen Lebenskonzepte. Für die Älteren sind Unternehmensziele ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens, für die Jüngeren eine vernachlässigungswerte Größe. Schon Immanuel Kant, der deutsche Philosoph der Aufklärung, wusste: »Wenn die einen genießen wollen, ohne zu arbeiten, so werden die anderen arbeiten müssen, ohne zu genießen.« Immanuel Kant lebte im 18. Jahrhundert, als es noch extreme Unterschiede zwischen reichem Adel und Bürgertum auf der einen sowie bitterarmen Menschen in den Städten und Dörfern auf der anderen Seite gab. Doch am Prinzip der Aussage Kants, der sich übrigens Professor der Logik und Metaphysik nennen durfte, hat sich nichts geändert. Das Geld, das – für was auch immer – verprasst wird, muss irgendwer verdienen. Und ich frage mich, ob das junge Menschen verstanden haben, allen voran die Kinder aus Wohlstandsfamilien.
Zurück ins 21. Jahrhundert. Nun stellt sich die Frage: Was machen wir mit den Erkenntnissen unseres Szenarios aus der Aufstellung? Wie schaffen wir es, ein Gleichgewicht herzustellen und die Generationen unter einen »Arbeitshut« zu bringen, sodass ihre Einstellungen zum Job nicht länger mehr oder weniger gegensätzlich sind? Wie kann ein neues Miteinander entstehen und aussehen? Klar ist: Es werden alle Generationen gebraucht, damit am Ende ein glückliches und vor allem ausgewogenes System entsteht, von dem Deutschland profitiert. Nicht nur Mitarbeiter verschiedener Generationen haben To-do’s, ebenso die Unternehmen, Führungskräfte, die Politik und last, but not least Eltern. Doch bevor ich konkrete Vorschläge mache, möchte ich erst die (noch) aktiven Protagonisten auf dem Arbeitsmarkt vorstellen.
Treten Sie ein ins Haus der vier Generationen, die den Arbeitsmarkt der Gegenwart dominieren. Die sehr wenigen Seniorinnen und Senioren der Generation Silent (Jahrgänge 1929–1945), die noch beruflich aktiv sind, lasse ich außen vor bei der Betrachtung, was nicht heißen soll, dass ich ihre Rolle dabei nicht zu schätzen weiß. Die Vertreter der vier Generationen nach der Silent haben sehr unterschiedliche Prägungen, Werte und Ziele. Um sie analysieren und vergleichen zu können sowie um besser zu verstehen, wie eine Generation die nächste prägt(e), fasse ich hier Hauptmerkmale und Tendenzen zusammen. Natürlich habe ich mich gefragt, ob die Generationsdefinitionen überhaupt tauglich für einen Vergleich sind. Denn innerhalb der Altersjahrgänge kann es zu großen »Streuungen« kommen, weil Menschen bekanntlich auch schon früher sehr unterschiedlich waren. Trotzdem macht es Sinn, näher hinzusehen, um das Große und Ganze zu verstehen, das den Kern dieses Buches ausmacht.
Deutschland boomt – auch die Geburten
Starten wir mit den Babyboomern, die im Jahr des Erscheinens meines Buches 60 Jahre und älter (gewesen) sind. Westdeutschland erlebte nach dem Zweiten Weltkrieg das Wirtschaftswunder, das Streben nach Wohlstand stand ganz oben auf der Agenda: Es wurde für viele Menschen zum Lebensinhalt. Unter anderen politischen und ökonomischen Bedingungen machte sich Ostdeutschland ebenfalls daran, das Land wieder aufzubauen und nach vorn zu schauen. Arbeit gehörte hier wie da zum identitätsprägenden Alltag. Die Devise der »Boomer«, wie die Generation – von jungen Leuten manchmal ironisch oder abschätzig – auch genannt wird, lautete: »Leben, um zu arbeiten.« Denn es lohnte sich wieder, fest anzupacken. Langsam konnten sich Haushalte mehr leisten, etwa Fernseher und Waschmaschinen, sogar Autos. Die Deutschen ließen die Schrecken des Krieges hinter sich und hatten wieder Spaß am Leben. Vor allem aber: Sie glaubten an eine gute Zukunft, ungeachtet dessen, dass der Kalte Krieg heraufzog. Und setzten (auch deshalb) viele Kinder in die Welt. Es kam zum »Babyboom«, der der Generation der Jahrgänge 1945 bis 1964 den Namen gab.
Der Wohlstand, wie immer man ihn in Ost und West definierte und wie bescheiden er in vielen Familien auch war, musste hart erarbeitet werden. Deshalb sind Leistung und Durchhaltevermögen unter den laut Statistischem Bundesamt etwas mehr als 12,5 Millionen Bundesbürgern jener Generation besonders verbreitet und werden von ihnen als »deutsche Tugenden« geschätzt.
Die Entwicklung kam nicht von ungefähr. Die vielen Geburten führten zu vollen Bildungseinrichtungen, was bedeutete, dass Babyboomer früh begriffen, dass es auf Fleiß und Ehrgeiz ankam, wenn man sich in Schule, Studium sowie Beruf durchsetzen wollte. Antriebskraft war die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Und tatsächlich: Es ging stets bergauf, »Made in Germany« wurde zum weltweit anerkannten Markenzeichen, Wohlstand entwickelte sich und sollte gesichert werden. Die Babyboomer hatten starken Anteil an der Verfestigung des »Wirtschaftswunders« und definierten ihren Selbstwert daher häufig über ihr Schaffen, nach dem Motto: »Nur wer etwas leistet, ist etwas wert.« Für sie standen Arbeit und Pflichtbewusstsein an erster Stelle. Mit dieser Haltung sind sie häufig als »Workaholics« über ihre Grenzen gegangen und haben das Phänomen Burn-out mit entstehen lassen.
Die hohe Arbeitsmoral der Babyboomer ist meist mit einer starken Hierarchiegläubigkeit verbunden. Ihre Erfahrungen im Job beruhen so gut wie immer auf hierarchischen Unternehmensstrukturen, weshalb sie die klassische Führung mittels Weisung und Kontrolle verinnerlicht haben. »Diversität« war noch lange kein Kriterium, die Führungsetagen, insbesondere die höheren, waren rein männlich. Man spricht auch von männlichen Monokulturen. Oftmals arbeiten Menschen dieser Generation sehr lange, wenn nicht sogar ein Leben lang, für ein und dasselbe Unternehmen und haben daher eine starke Bindung zu ihrem Arbeitgeber, vielfach auch eine persönliche Beziehung zum Chef. Viele Boomer blicken auf ein langes Arbeitsleben zurück und haben eine Unmenge an Wissen und Erfahrungen angehäuft.
Auch Flexibilität, sich an neue Bedingungen anzupassen, haben die Babyboomer gelernt oder besser: lernen müssen. Ihnen blieb gar keine andere Wahl. Sie wissen aus eigenem Erleben, was bahnbrechender technischer Fortschritt bedeutet. Die Mondlandung war ein wichtiges und prägendes Erlebnis für ihre Generation. Der Fernseher als absolutes Jedermann-Novum zog in die Wohnzimmer ein und brachte einen großen Wandel im Konsumverhalten mit sich. Die zentralen Kommunikationsmittel der Generation waren das Telefon sowie das Telefax. Babyboomer wuchsen nicht mit dem Internet auf, noch nicht einmal mit Computern. Und genau deshalb mussten sie viele Sachen lernen, wenn sie in Beruf und Alltag mithalten wollten, allen voran den Umgang mit der neuen digitalen Welt.
Generation X oder auch: Die Leute »dazwischen«
Auf die Babyboomer folgte die Generation X, die im Jahr des Erscheinens meines Buches zwischen 45 und 58 Jahre alt (gewesen) sind. Sie setzten bewusst ein anderes Zeichen, um sich von der Devise der Boomer »Leben, um zu arbeiten« abzuheben. Ihr Motto lautet: »Arbeiten, um zu leben.« Der Name für die Jahrgänge 1965 bis 1979 kommt vom Roman Generation X des Kanadiers Douglas Coupland, der von drei Freunden handelt, die versuchen, zwischen Realität, Lebensträumen und Angst vor einem Atomkrieg ihr Leben zu gestalten. Der Bestsellerautor Florian Illies beschrieb die Atmosphäre in seinem Buch Generation Golf wiederum so: »Niemals wieder hatte ich in späteren Jahren solch ein sicheres Gefühl, zu einem bestimmten Zeitpunkt genau das Richtige zu tun.«
Die Generation hat – ganz besonders im englischsprachigen Raum – viele Namen, etwa »Unsichtbar« oder abwertend »Slacker« (Müßiggänger), »Schlüsselkinder«, »Depreception« (Selbstabwertung) und »In Beetween« (dazwischen). Das »Dazwischen« bezieht sich auf das Spannungsfeld von Babyboomern und Jüngeren. Die Generation X lernte bei den Babyboomern Ausdauer, Durchhaltevermögen, Leistungsorientierung, Resilienz und wie es ist, jahrelang in ein und demselben Job zu sein. Unterm Strich unterscheiden sich die Ansichten über das (Arbeits-)Leben der Generation X und der Babyboomer nur graduell. Der Erfolg der Unternehmen, die sie beschäftigen, ist für beide Generationen wichtiger als persönliche Ziele. Allerdings steht für Frauen und Männer der Generation X der Job nicht über allem. In ihnen entstand nach und nach der Wunsch nach Autonomie und Freiraum für Kreativität, Familienfreundlichkeit und Wertschätzung ihrer persönlichen Kompetenzen.
Die Generation X wuchs mit der traditionellen und streng hierarchischen Unternehmenskultur auf, die die Boomer prägte. Sie entwickelte dazu aber einen eher »skeptischen Gehorsam«2, wie es Hermann Troger in dem Buch 7 Erfolgsfaktoren für wirksames Personalmanagement