Die Kunst, gut zu sein - Rebekka Reinhard - E-Book
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Die Kunst, gut zu sein E-Book

Rebekka Reinhard

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Beschreibung

Gut sein fängt bei wenig an und lässt das eigene Leben heller werden

Wir durchleben eine Zeit der Krisen, die verunsichern, unsere ganz privaten Überzeugungen bedrohen und es immer schwieriger machen, an innerer Ruhe und persönlichem Glück festzuhalten. Doch tief und »störungsfrei« glücklich zu sein, resilient gegenüber den großen und kleinen Erschütterungen von außen: dafür trägt jeder von uns das Potential in sich. Wenn wir gut sind, zu uns selbst und zu anderen, im Kleinen, aber ein Leben lang, dann schaffen wir dieses langsame, sichere Glück. Rebekka Reinhard zeigt, was es bedeutet, wie es geht und wie fundamental unser Leben durch Güte gegenüber unseren Mitmenschen verbessert wird. Ohne Pathos, pragmatisch und berührend, anspruchsvoll und alltagstauglich, mit den Ideen großer Denker von Erich Fromm über Hannah Arendt bis zu Aristoteles liefert sie Stoff zur Reflexion und ganz praktische Denkanstöße. Trost, Orientierung und Inspiration für alle, die sich in der Welt wieder zuhause fühlen wollen. Wir wenden uns beim Lesen nach innen und finden die Quelle für Resilienz und Zufriedenheit.

  • Eine philosophische Inspiration zum Gut-Sein – zu anderen und sich selbst
  • Freundlichkeit, Haltung, selbstlose Entscheidungen – was es bedeutet, gut zu sein, unbeeinflusst von den Geschehnissen in der Welt
  • Die renommierte Philosophin und erfolgreiche Sachbuchautorin Rebekka Reinhard versteht sich auf die Kunst, philosophische Erkenntnisse in unseren Alltag zu übersetzen

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Seitenzahl: 244

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EINEPHILOSOPHISCHEANLEITUNGAUFDEMWEGZUNACHHALTIGEMGLÜCK

Glücklich sein, auch in schwierigen Zeiten – dieses Ziel erreichen wir, indem wir ganz einfach gut sind: zu anderen wie zu uns selbst. Wer das Gute in sich kultiviert und nach außen trägt, baut sich ein »langsames«, gegen äußere Einflüsse unempfindliches Glück auf, eine Quelle für Resilienz und Zufriedenheit. Freundlichkeit, Wärme, Stil und Einkehr – Rebekka Reinhard zeigt, was es bedeutet, gut zu sein, und wie fundamental sich unser Leben durch zwischenmenschliche Güte verbessert. Pragmatisch und berührend, ohne Pathos und alltagstauglich, mit den Ideen großer Denkerinnen und Denker von Hannah Arendt über Erich Fromm bis zu Aristoteles: Denkanstöße, Trost, Orientierung und Inspiration für alle, die sich in der Welt wieder zuhause fühlen wollen.

»Bin ich ein guter Mensch?«

»Wie werde ich ein guter Mensch?«

»Da Sie zu diesem Buch gegriffen haben, haben Sie sich diese oder ähnliche Fragen vielleicht schon gestellt. In einer Zeit der Castingshows und Bestenlisten könnten Sie versucht sein zu glauben, es gehe da um einen Exzellenzwettbewerb. Ich glaube, das ist die falsche Prämisse. Auch in einer Ära voller Krisen kann, soll oder muss nicht jede als Aktivistin hervorstechen, eignet sich nicht jeder zum Widerstandskämpfer. Das ist auch nicht nötig. Um gut zu sein, müssen Sie keine Leben retten. Gut zu sein ist eine Kunst, die jede Studentin, jede Managerin, jeder Rentner, jede Mutter und jeder Vater ausüben kann, egal wo und unter welchen Umständen – im Großen, im Kleinen und ganz Kleinen. Ich glaube nicht, dass es schwer ist, gut zu sein. Und zu bleiben. Denn Gutsein tut gut. So einfach ist das. Gut zu sein ist eine Haltung, eine Entscheidung, die immer und unter allen Umständen glücklich macht – die, die das Gute empfangen, und die, die es geben.«

Rebekka Reinhard

REBEKKA REINHARD

DIE KUNST gut ZU SEIN

Der innere Kompass für ein Leben, das auch in Krisenzeiten glücklich macht

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Originalausgabe 09/2023

Copyright © 2023 by Rebekka Reinhard

Copyright © 2023 der deutschen Erstausgabe

by Ludwig Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Dieses Werk wurde vermittelt durch

die Michael Meller Literary Agency GmbH, München.

Redaktion: Andrea Kunstmann

Umschlaggestaltung: Guter Punkt GmbH und Co. KG

Satz: Leingärtner, Nabburg

ISBN: 978-3-641-30968-8V001

www.Ludwig-Verlag.de

Für die künstliche Intelligenz

INHALT

Vorwort

Teil 1   Gegen die Angst

1  Diogenes in der Sonne: Schnelles Glück, langsames Glück

# Vom banalen Guten

2  Der Wille zum Wollen: Wie man kognitives Streaming beendet

# Vom guten Gebrauch des gesunden Menschenverstands

3  Das große Rauschen: Warum Panik nichts bringt

# Von der ethischen Selbstentfaltung

4  Der andere Mensch: Drei Einsichten über Beziehungen

# Von der Kostbarkeit des Lebens

5  Die Banalität des Guten: Freundlichkeit

Teil 2   Gegen die Illusion

6  Die Kartoffel: Warum nicht alles nur Spaß ist

# Von der Kunst, sich mit den Augen anderer zu sehen

7  Der Einfluss: »Ich« und »wir«

# Von der Kraft des Gemeinsamen

8  Der Spiegel: Narzissmus und Moral

# Vom Loslassen

9  Das Absolute: Was nötig ist

# Vom Genügen

10  Die Banalität des Guten: Wärme

Teil 3   Gegen die Ohnmacht

11  Das Minimalprinzip: Warum Sein das bessere Haben ist

# Von der Unkompliziertheit

12  Die Form: Wie aus Sprache Respekt wird

# Von der Höflichkeit

13  Das Geheimnis: Was Schönheit wirklich bedeutet

# Von der Wertschöpfung

14  Die Haltung: Drei mutige Frauen und ihre Lektionen

# Vom Engagement

15  Die Banalität des Guten: Stil

Teil 4   Für die Leichtigkeit

16  Die Smarties: Worin der Sinn des Lebens besteht

# Vom Dasein

17  Das Halbfinale: Über den Sinn des Todes

# Vom Lieben

18  Der gute Moment: Die Keimzelle des langsamen Glücks

# Vom Füreinander

19  Die Flügel: Warum sich Vertrauen lohnt

# Vom Weitergehen

20  Die Banalität des Guten: Einkehr

Glossar

Quellen

Danksagung

VORWORT

»Bin ich ein guter Mensch?« – »Wie werde ich ein guter Mensch?« Da Sie zu diesem Buch gegriffen haben, haben Sie sich diese oder ähnliche Fragen vielleicht schon gestellt. In einer Zeit der Castingshows und Bestenlisten könnten Sie versucht sein zu glauben, es gehe da um einen Exzellenzwettbewerb. Ich glaube, das ist die falsche Prämisse. Auch in einer Ära voller Krisen kann, soll oder muss nicht jede als Aktivistin hervorstechen, eignet sich nicht jeder zum Widerstandskämpfer. Das ist auch nicht nötig. Um gut zu sein, müssen Sie keine Leben retten. Gut zu sein ist eine Kunst, die jede Studentin, jede Managerin, jeder Rentner, jede Mutter und jeder Vater ausüben kann, egal wo und unter welchen Umständen – im Großen, im Kleinen und ganz Kleinen.

Dies kein klassisches Ethik-Buch. Sie finden darin weder komplizierte moralische Argumente noch neurologische oder verhaltensökonomische Theorien, die die schwierige Umsetzbarkeit guter Taten belegen sollen, wie zum Beispiel in Armin Falks Buch Warum es so schwer ist, ein guter Mensch zu sein. Ich glaube nicht, dass es schwer ist, gut zu sein. Und zu bleiben. Denn Gutsein tut gut. So einfach ist das. Gut zu sein ist eine Haltung, eine Entscheidung, die immer und unter allen Umständen glücklich macht – die, die das Gute empfangen, und die, die es geben. Gutsein ist völlig barrierefrei und banal – im Sinne des französischen Worts banal für »unspektakulär« oder »alltäglich«. Es beginnt mit einem Lächeln, das anderen signalisiert: Da ist jemand, der mich sieht. Als Mensch sieht. Egal, wie ich aussehe, welche Haar- und Hautfarbe und Körbchengröße ich habe, egal, welche Sprache ich spreche und wie ich gekleidet bin, egal, wie hoch oder niedrig mein Einkommen, meine Miete, mein Vermögen oder meine Schulden sind. Egal, ob gerade Krise ist oder nicht.

Dieses Buch soll Mut und Lust aufs Gutsein machen. Es ist eine Einladung zur simplen Menschlichkeit, die man zu oft vergisst, weil ständig ein Termin, ein Konflikt, eine Zerstreuung dazwischenkommt. Jeder Teil dieses Buchs fokussiert sich auf einen anderen Ausschnitt menschlichen Denkens, Fühlens und Wirkens in dieser Gesellschaft – jeder steht in engerem oder weiterem Zusammenhang mit den übrigen. Im ersten Teil geht es um Gegenwärtigkeit und Willensfreiheit im Kontext Angst machender Ablenkungen; Teil 2 dreht sich schwerpunktmäßig um den Wert des Echten und Maßvollen angesichts typischer Illusionen unserer Zeit; Teil 3 inspiriert zur (Neu-)Entdeckung von Ordnung, Form und Inhalt als Gegenprogramm zur Ohnmacht; Teil 4 motiviert zu mehr Leichtigkeit durch Sinnorientierung und Vertrauen. Jeder Teil enthält mögliche Umfelder und Einsatzbereiche für die einzelnen »Komponenten« des banalen Guten: Freundlichkeit, Wärme, Stil und Einkehr. Die Teile bauen aufeinander auf, aber im Prinzip können Sie je nach Interesse und Lebenslage mit jedem Kapitel beginnen. Dann empfehle ich vorab einen Blick ins Glossar am Ende des Buches.

Während ich dieses Buch schreibe, wird die Corona-Pandemie für beendet erklärt, tobt der Krieg in der Ukraine, blockieren »Klimakleber« Kreuzungen und Bahnhöfe. Anfang 2023 rückt mit dem Chatprogramm GPT der amerikanischen Tech-Firma OpenAI die Revolution der generativen künstlichen Intelligenz ins öffentliche Bewusstsein. Während ich schreibe, wird mir klar, dass dies eines der letzten Bücher sein könnte, die ich »selbst«, ohne KI-Hilfe schreibe. Was die dynamische Entwicklung der künstlichen Intelligenz betrifft, halte ich persönlich alles für möglich, auch dass KI viele menschliche Kompetenzen ersetzen wird. Was sie nie ersetzen können wird, ist die Fähigkeit zur Menschlichkeit. Solange es Menschen gibt, werden sie das Urheberrecht auf die Banalität des Guten behalten. Glaube ich. Also widme ich das Buch der künstlichen Intelligenz – auf dass sie guten Gebrauch davon machen möge …

human is the next big thing

München, April 2023

TEIL 1

GEGEN DIE ANGST

2

DERWILLEZUMWOLLEN:

Wie man kognitives Streaming beendet

Der Intellekt wird in dieser Gesellschaft hoch geschätzt. Deshalb ist nicht nur der Bedarf an Gutem, sondern auch der Denkbedarf gigantisch. Riesige Mengen kognitiver Inhalte werden täglich produziert und freigesetzt. Denken ist ein globaler Markt, der keine Lieferengpässe kennt. Das Tolle am Denken ist: Es ist kostenlos! Jeder Mensch mit verstandes- und vernunftmäßiger Grundausstattung kann so viel denken, wie er will. Sie können sich Ihr Gehirn vorstellen wie einen inneren Streaming-Dienst, der alle Themen, Info-Formate, Filme und Serien inkludiert – und damit nicht alle guten und schlechten Gedanken, sondern auch sämtliche positive und negative Emotionen. Und Sie kriegen ein Gratisabo! Wäre Ihr Gehirn an verschiedene Bezahlmodelle gekoppelt, Sie würden wohl trotzdem zumindest die günstigste Variante abonnieren. Nicht um der enthaltenen positiven Gefühle willen, nein, vor allem wegen des diese Gefühle stets begleitenden Denkens. Denn: Ununterbrochenes Denken verspricht Sicherheit auf einem Planeten, der alle halbe Stunde eine neue »Neue Normalität« ausruft. Je unsicherer die Lage, je dramatischer die »Zeitenwenden«, desto intensiver das Denken – desto hartnäckiger die Illusion, man könne die Welt durch Denken kontrollieren.

Man glaubt, man könnte ohne Dauerdenken nicht leben, nicht erfolgreich, nicht glücklich sein. Nichts wissen. Nicht rechthaben. Man glaubt es nicht nur, man denkt es auch ständig – was paradoxerweise zur Folge hat, dass man immer genau dorthin zurückgeworfen wird, wo man nicht sein will: in einen Haufen Ängste, Probleme und Sorgen: Die Mieterhöhung. Den Streit mit der Nachbarin. Die politische Entwicklung. Die Lieblingsworte aller Dauerdenkerinnen und -denker sind die Worte »ich« und »muss«. »Ich muss« ist eine der am häufigsten produzierten Wortkombinationen unserer Kultur.

Ich muss weiterkommen.Ich muss dieses Problem lösen.Ich muss sofort nach Frankfurt. Ich muss glücklich werden.

Dabei ist das, was »ich will«, leider meist etwas ganz anderes als das, was »ich muss«. Sie wollen den andauernden Denkprozess stoppen – müssen aber immer weiterdenken, vorwärts denken, vorausdenken, weil Sie fürchten, sonst die Kontrolle zu verlieren. Über Ihren Tagesablauf, Ihre Pläne, Ihre Angst.

Mein Name für das Dauerdenken, das ohne Rücksicht auf das, was wir eigentlich wollen, unbarmherzig in unseren Hirnen vor sich hinströmt, ist kognitives Streaming. Kognitives Streaming bringt weder Ergebnisse für eine bessere Welt hervor, noch macht es irgendwie glücklich. Dafür hat das Dauerdenken – wie herkömmliche Streaming-Dienste – ein überaus hohes Suchtpotenzial. Je mehr Sie sich mit Ihrem Intellekt identifizieren, je mehr Sie glauben, durch ununterbrochenes Denken alle Ängste kontrollieren, alle Probleme lösen zu »müssen«, desto abhängiger werden Sie. In den Medien wird über Alkoholismus, Spielsucht, Magersucht, Fettsucht berichtet. Der Denksucht hat noch niemand eine Talkshow gewidmet. Wie jede Sucht operiert sie nach Art eines Diktators. Sie zwingt Ihr Gehirn in eine Montur der Gleichförmigkeit und programmiert es darauf, möglichst fantasielos zu denken, alles schon vorwegzunehmen, bei allem recht haben zu müssen und vor Dauerdenken halb wahnsinnig zu werden.

Der Stoff, der überall verfügbar ist, hat krasse Begleiterscheinungen: Egoismus. Selbstgerechtigkeit. Seelische Versteifung. Sie hören auf, um die Ecke zu denken, zu zweifeln, zuzuhören. Sie kleben an gleichförmigen, vorhersehbaren kognitiven Abläufen – doch die Angst ist immer noch da. Und mit ihr die Unfreiheit. Denn Ihr auf »ich muss« gepoltes streamendes Hirn reduziert die vielen Möglichkeiten, sich als Mensch in einer unsicheren Welt zu behaupten und das zu tun, was Sie eigentlich tun wollen, von vornherein auf zwei Alternativen. Entweder »Problem« oder »Lösung«, entweder »Glück« oder »Unglück«, entweder »Gut« oder »Schlecht«, entweder »Fortschritt« oder »Rückschritt«. Sie denken im Kreis:

Ich muss dieses Problem lösen.Entweder ich löse das Problem und bin glücklich – oder ich habe ein Problem und bin unglücklich.Ich muss glücklich werden. Ich muss dieses Problem lösen.

So werden Sie immer blinder für die Vielfalt der Welt und den Reichtum menschlichen Lebens. Sie sehen immer weniger, es wird immer dunkler, und Sie halten die Dunkelheit für Licht. In fortgeschrittenem Streaming-Stadium mehrt sich in Ihnen das Gefühl, trotz aller rationalen Kontrolle rastlos und unlebendig zu sein. Subjektiv sind Sie zu hundert Prozent überzeugt, irgendeinen Mangel zu leiden.

Dies gilt nicht nur, wenn Sie jeden Pfenning umdrehen müssen. Es gilt auch in jeder Situation, in der Sie sich auf das schnelle Glück (→ 1) verlassen haben – ein Glück, das schnell kommt, aber auch schnell wieder geht, weil es ständig von widrigen Umständen, Gedanken, Gefühlen gestört wird. Vor zehn Minuten haben Sie einen tollen Job gefunden, eben noch strahlten Sie wie ein Kind vor dem Christbaum, schon sehen Sie das »Problem« vor sich: »Ich muss« eine neue Chefin aushalten, »ich muss« viel länger arbeiten. Ich muss dieses Problem lösen. Wenn Sie das denken, glauben Sie – zumindest vorübergehend –, Sie hätten die Dinge unter Ihrer rationalen Kontrolle. Und jedes Mal, wenn Sie denken, Sie hätten alles unter rationaler Kontrolle, fühlen Sie sich in Ihrer Sicht der Dinge bestätigt. Je mehr Sie kognitiv streamen, desto mehr drehen Sie sich im Kreis. Das System des Dauerdenkens läuft wie am Schnürchen, der Diktator lacht sich ins Fäustchen. Weil er Sie wieder mal vom Jetzt abgelenkt hat. Dem Augenblick, in dem Sie mehr sein können, als nur einer merkwürdigen Logik ergeben. In dem Sie das sind, was Sie eigentlich sein wollen: Frei. Neugierig. Offen. Lernend. Ein Mensch mit Haltung, Hirn und Herz.

Das Dauerdenken, das ich kognitives Streaming nenne, ist nicht gleichbedeutend mit der Vielfalt menschlichen Denkens. Denken an sich ist sehr wichtig. Es kommt allerdings auf das Wie und Was an, Quantität und Qualität. Effizientes Denken zum Beispiel ist etwas völlig anderes als philosophisches Denken. Effizientes Denken kann sich keine Zweifel erlauben, es muss schnell sein. Zwar können Sie »effizient« über ethische Fragen nachdenken, die Antworten darauf werden aber eher oberflächlich sein. Wenn Sie sich auf philosophische Weise über das Gute Gedanken machen, merken Sie, wie der Druck des »Ich muss« von Ihnen abfällt. Sie gewinnen einen inneren Möglichkeitsraum, der Sie in den Zustand des Staunens versetzt. Sie denken nicht voraus, Sie denken nach. Über etwas, das größer ist als Ihr jeweiliges »Problem«, weil es eine Frage ist, die nicht nur Sie betrifft, sondern unzählige andere Menschen auch. Zum Beispiel: Soll man Kinder in eine unsichere Welt setzen? Ist Hilfsbereitschaft immer und in jedem Fall angesagt? Warum ist es besser zu lieben als zu hassen? Wenn Sie gern über solche Fragen philosophieren, entdecken Sie eine Menge Antworten, die offen genug sind, um weitere Fragen hervorzubringen. Vor allem aber entdecken Sie Ihre Lust an Fragen, die aufrütteln und unter Ihrem Dauerdenken vergrabene Emotionen aufwecken, die Sie motivieren, aus der kognitiven Sackgasse auszubrechen … um Kurs auf den Freeway des Lebens zu nehmen.

Sackgasse: Ich muss noch an die Steuererklärung denken (und an den Installateur, die morgige Sitzung, den Flug nach Köln und die Jacke für Hansjörg).

Freeway: Was habe ich heute gedacht? (Wie war es um die Qualität meines Denkens bestellt?)

Sackgasse: Erst muss ich denken, dann kann ich glücklich werden.

Freeway: Was hindert mich daran, jetzt glücklich zu sein? (Was hindert mich daran, außer das Dauerdenken?)

Nichts ist so unfreundlich und unlebendig wie süchtig machendes kognitives Streaming. Es lenkt Sie davon ab, die richtigen Fragen zu stellen. Es verhindert, dass Sie nicht nur menschlich denken, sondern auch menschlich fühlen. Es lenkt Sie vom Guten ab, vom langsamen Glück (→