Die Leben der Miss HassLiebe - Torsten Siekierka - E-Book

Die Leben der Miss HassLiebe E-Book

Torsten Siekierka

4,6

Beschreibung

Miss HassLiebe führt Krieg in Deutschland! Krieg gegen die Männerwelt. Mit Waffen, wie Gitarre, Schlagzeug und Kontrabass, wird alles musikalisch niedergemetzelt, was männliche Gedanken hegt. Bis es wieder Frieden gibt! Nur ihre Vergangenheit, die doch inzwischen als Schlachtabfall auf dem Komposthaufen des Lebens vor sich hin vegetieren soll, lässt sich schwerer abschütteln, als einen Mann, der sein Hirn in der Hose trägt.

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Mein Leben schien am Arsch. Welcher böse entzündet war. Da half auch keine Penatencreme mehr. Und wenn schon, ich hätte nicht einmal gewusst, woher ich diese nehmen sollte. Denn die Geschäfte hatten nachts geschlossen. Außerdem war es schweinekalt da draußen.

Joh und ich saßen eine ganze Zeit lang auf dem Balkon. Töteten auf diesem rücksichtslos uns selbst und dem Rotwein gegenüber drei Flaschen Spätburgunder. Seitdem wir dann wegen der Kälte im Wohnzimmer saßen, mussten zwei weitere Pullen dran glauben.

Joh hieß eigentlich Johanna. Eine 26-jährige Singlefrau mit nem Gör am Arsch. Sorgte irgendwann mal eben für massig Schmerzen und Schreie, dieses blöde Balg. Was einer Kriegserklärung nah kam. Marschierte dann ein! Dieser Lucas. Marschierte in Johs Leben. Seitdem gab es in diesem eine Art Schreihals-Diktatur.

Joh sah in meinen Augen granaten-stark aus. Kurze braune Haare, Locken! Schmaler Körperbau mit beneidenswerter Oberweite. Trotz Abkömmling, welcher vor gar nicht allzu langer Zeit ihre Titten aussaugte wie ein alkohol- oder muttermilchabhängiger Diktator.

Ich hasste gnadenlos.

Gnadenlos alle Männer auf dieser Welt. Und selbst wenn die vier Jahre alt waren und auf solche Namen wie Lucas hörten, änderte dies nichts an meinen Hassgefühlen.

Joh, u.a Schlagzeugerin unserer Band, kümmerte sich bis zuletzt um diese ganze Managementkacke. Letztes haben inzwischen stinkende und schlipstragende, fettbäuchige Schwanzträger übernommen. Benötigte man genauso wenig wie Bälger, Kriege, Diktatoren und alle anderen Männer. Aber Joh sah das ein wenig anders. Für sie zählte Kohle, Erfolg und ähnlicher Kram, den ich nie haben wollte. Fehlten nur noch männliche Groupies, die die Bandmitglieder nach jedem Auftritt bumsen wollten. Wir hatten unseren ersten richtigen Plattenvertrag unterschrieben. Für mich eine Verpflichtung zu noch mehr Stress, viel zu vielen, weil völlig unsinnigen Vorgaben und stinkende und schlipstragende, fettbäuchige Schwanzträger, die uns von nun an in der Hand hatten. Brauchte ich alles nicht. Wollte lediglich Musik machen. Mehr nicht! Aber nun saß ich mit Joh hier in meinem Wohnzimmer und stieß mindestens zum zehnten Mal auf etwas an, auf was ich gerne verzichtet hätte.

Der Rotwein sorgte erst für warme Gefühle in mir. Inzwischen wurden diese abgelöst. Spürte nur noch Kotzgefühle. Ich begab mich aufs Klo. Vereinte meinen Mageninhalt, also einzig Rotwein, mit der Keramik meines Aborts.

»Hey, alles okay?«

»Klar! Ich wusste mir nur nicht anders zu helfen, als dir meine Meinung über diesen bekloppten Plattenvertrag mal schlicht praktisch zu verdeutlichen.«

»Du kannst mir glauben, es wird alles gut. Wir bestimmen einzig über uns selbst. Deine Ängste sind unbegründet!«

»Wir bestimmen über uns selbst? Meinst du das ernst? Selbst bei dir spielt so ein kleiner, noch fast jede Nacht in die Windeln scheißender Terrorzwerg Diktator und lässt dir keine Luft zum Atmen. Wie soll das dann bitte erst werden, wenn wir unter der Fittiche von Männern stehen, die älter als vier Jahre sind?«

Auf diese Frage bekam ich als Antwort nur einen genervten Blick. Aber egal. Für mich hatte ich recht. Schließlich stellte ich in meinem Leben noch meine eigene Absolutistin dar. Führte maximal Krieg gegen mich selbst. Mit Verlierern auf beiden Seiten. Wie das im Krieg eben immer schon so war.

»Denk doch einfach mal daran, was dir unsere Band bisher alles ermöglichte. Deinen scheiß Krankenschwesternjob in der Kinderpsychiatrie konntest du aufgeben, weil du inzwischen von der Bandkohle ein geiles Leben genießt.«

Joh übertrieb maßlos. Der Job in der Kinder-Klappse hätte mich irgendwann selbst als Patientin haben können, wenn das so weitergegangen wäre. Die Bandkohle schien für mich dann das Argument, mit dieser ganzen verkackten Fliesbandscheiße einfach aufzuhören. Keine Lust und keinen Funken Kraft mehr, Scheiße von Kinderärschen zu wischen. Außerdem gab es immer mehr kranke Kinder. Weil es immer mehr und mehr kranke Eltern gab, die ihren Kindern irgendeine Grütze einredeten, bis die dann eben endlich litten. Einzig für den Genuss von Gluckenvater und Gluckenmutter, die sich wieder mehr um arme hilflose 11-jährige kümmern durften.

Mit der Band hatte ich trotz allem noch weniger Kohle, als vorher.

Aber immerhin.

Zum Überleben reichte es.

Zum Leben nicht.

Jeder Tag ein Probetag. An jedem Tag der letzten fünf Wochen. Josi und Annabell glänzten ebenfalls wieder mit Anwesenheit! Josi war 24, hatte schulterlange Haare, war normal groß und auch sonst überhaupt die Einzige, bei der das Wörtchen normal noch benutzt werden konnte, ohne sich selbst als völlig bekloppt darzustellen. Im Gegensatz dazu Annabell! 34 Jahre, zweimal geschieden, außerdem nannte sie bereits drei Aufenthalte in der Psychiatrie ihr Eigen. Wegen eines Suizidversuchs, zu vielen Drogen, sowie anderen schlechten Gedanken in ihrem eleganten Kopf. Überhaupt wirkte Annabell wie ein adipöser Engel. Dabei verdeckten ihre wunderschönen langen blonden Haare lediglich viel zu tiefe Wunden. Aber alle gemeinsam gaben wir eine geile Vierer-Combo ab. Nicht in sexueller Hinsicht, sondern weil es schlicht keine bessere Zusammenstellung geben konnte. Wir ergänzten uns nahezu perfekt.

Annabell als wandelnde Problemmasse, Joh mit einem Gör am Arsch, wo sie selbst nicht einmal wusste, wo das herkam, Josi, die sich eben gerne mit derben Kontakten wie uns schmückte und ich. Als Sängerin und Songwriterin.

Unser letztes Album befand sich bereits auf dem Markt. Es wurde mehr als zehntausendmal verkauft. Alle anderen Alben vorher hundertmal. Wenn es gut lief. Dafür war nun dieses neue Männer-Management verantwortlich. Genau wie für meine Ängste. Denn ich brauchte diese letzte Bastion des anders seins, des provozierens, der Rebellion, des unangepasst seins. Und nun wartete ich darauf, dass dieses bekloppte Management vorgab, dass ich andere Texte für die Band schreiben sollte. Texte, die sich besser vermarkten ließen. Texte für die Masse. Den ersten Rüffel gab es bereits vor ein paar Wochen. Allerdings nicht für mich, sondern für Annabell. Über diverse Social-Media-Kanäle gaben wir unsere neuen Tourdaten bekannt. Dann schrieb einer dieser impotenten Wichser, die im wahren Leben nie die Fresse aufbekommen:

»Wenn ihr in Torgau seit, könnt ihr meinen Schwanz lutschen!«

Daraufhin antwortete Annabell:

»Deinen Pimmel nehme ich gerne in den Mund. Um ihn ganz langsam mit meinen Vampirzähnen von deinem hässlichen Gerippe abzureißen. Dann kann sich so ein sexistisches Arschgesicht wie du wenigstens nicht vermehren!«

Annabells Antwort musste kurze Zeit später wieder gelöscht werden.

Aber was sollten wir bitte auch in Orten wie Torgau auftreten?

Alle bisherigen Konzerte von uns fanden ausschließlich auf lokalen Bühnen statt. Regional wäre ja noch ertragbar gewesen. Aber national? Was sollte dieser Scheiß? Uns kannte doch bis dahin außerhalb von Berlin oder maximal Brandenburg keine Sau. Aber das hatte sich wohl geändert. Ohne, dass wir es mitbekamen.

Kurze Zeit später standen also 15 Auftritte in maximal kurzer Zeit an. Und ich hatte keinen Bock auf diese Scheiße.

Flensburg

Schleswig

Glückstadt

Hamburg

Leer

Bochum

Berlin

Berlin

Schwerin

Torgau

Zwickau

Regensburg

Stuttgart

Friedrichshafen

Saarbrücken

Bis vor kuzem reizte mich an unserer Musik vor allem das Pflichtgefühl, welches irgendwo zwischen 0 und 1,2 lag. Aber nun lag es irgendwo bei 3466 und verursachte pure Lustlosigkeit. Wir befanden uns immer noch im Proberaum und ich probte vor allem, aufkommende Lustlosigkeit zu überspielen. Joh gab auf ihrem Schlagzeug die ersten Takte zu Ich will nen Nazi als Mann vor. Josi stieg ein. Annabell begleitete das alles mit ihrem irre großen Kontrabass. Dann erhob ich meine Stimme:

Ich will nen Nazi als Mann!

Ich will nen Nazi als Mann!

Denn mir kommts gar nicht auf Hirnmasse

an,

weil ich weiss, dass ich Scheiße

unterdrücken

kann.

Mama sagt: »Nun wird es Zeit,

du brauchst nen Kerl

und zwar noch heut

Nimm Sascha, der ist der Clou,

denn der ist in

der CDU.«

Da rief ich: »Jo, jo, jo, jo, jo

Nazi-Sascha wäre wirklich Klo-Niveau!«

Kurz danach probten wir noch weitere

Lieder wie

Kein Bullenschwanz zum Frühstück,

Wie viel Koks darfs sein,

Wunder gibt es nie mehr wieder

und viele andere Songs, die auf unserer

Setlist stehen sollten.

Joh sollte ihr Balg bei dem Typen lassen, der ihr dieses Lukas-Ei einst ins Nest legte. Ich hatte keine Lust, mich drei Wochen lang mit Kindergepläre abzugeben. Ich beneidete Joh dafür, dass sie den Mut hatte, dem Typen weiss zu machen, dass er der Vater dieser halbgroßen Bestie gewesen sein musste. Dabei wusste sie es selber noch nicht einmal, wer da nun wann mit ihr und weswegen sie dann aufkeimte und irgendwann aussah, als hätte sie mehrere aufgeblasene Luftballons verschlungen. Der Typ, der Martin hieß, drohte wohl noch mit nem Vaterschaftstest, womit Joh sich einverstanden erklärte, wenn er den denn gezahlt hätte. Was er aber nicht konnte. Damit hatte sie erst die Schlacht für sich entschieden und dann auch den gesamten Krieg, als sie diesem Martin mitteilte, dass er bei einem positiven Vaterschaftstest Unterhalt löhnen müsste. Dabei ging es Joh rein gar nicht um die scheiß Kohle, sondern einzig darum, jemanden in der Hinterhand zu haben, der als zeitweises Abschiebegewahrsam für nervige Bälger diente. Und Männer waren schon immer dumm und dämlich und denken doch, wenn sie scheinbar Vater sind, haben sie kein Widerspruchsrecht mehr. Gut so. Denn auch dumme Menschen muss es geben.