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Es brodelt in der Liga. Nach einem hitzigen Spiel zwischen Durumspor und Besiktas Berlin wird der Schiedsrichter tot aufgefunden. 230 Kilometer vom Stadion entfernt, in einer Scheune im niedersächsischen Abbenrode. Sofort nehmen Helene Eberle und ihr Team die Ermittlungen auf. Der Weg führt sie zurück ins Stadion und in die Szene der Ultra-Fans. Doch auch in die Reihen der eigenen Kollegen. Plötzlich steht die Kommissarin im Fadenkreuz. Jemand droht ihr mit dem Tod. Nur wer? Die Ultras von Hertha BSC? Die eigenen Kollegen? Und welche Rolle spielt ihr Ex-Mann, der mit einem Mal wieder aufgetaucht ist? Für Helene geht es jetzt um alles ...
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Seitenzahl: 330
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Liebe LeserInnen,
die folgende Geschichte spielt im Frühjahr 2018. Zu dieser Zeit spielen Hertha BSC und Union nicht gemeinsam in der zweiten Liga. Die beiden Amateurvereine Besiktas Berlin und Durumspor suchen Sie auf der Berliner Fußballlandkarte vergeblich. Auch den Fanclub Herthakingz gibt es nicht. Kurzum: Die Geschichte beruht auf keiner wahren Begebenheit. Mögliche Überschneidungen sind rein zufällig.
Mein Dank geht an die Medienabteilung von Hertha BSC, die die Verwendung des Vereinsnamens gestattet hat und natürlich an Sie, als KäuferIn dieses Buches. Und so wünsche ich Ihnen beste Unterhaltung und genussvolle Stunden mit dem dritt en Teil des Berlin-Krimis ...
Samstag, 14. April: 17:35 Uhr, Sportplatz Waldeckpark, Kreuzberg
Samstag, 14. April: 18:30 Uhr, Metzer Straße, Prenzlauer Berg
Samstag, 14. April: 20:25 Uhr, S-Bahnhof Tempelhof
Sonntag, 15. April: 02:30, An den Eichen, Abbenrode
Sonntag, 15. April: 12:30 Uhr, Am langen Weg, Spandau
Donnerstag, 19. April: 12:00 Uhr, LKA für Delikte am Menschen, Keithstraße, Tiergarten
Donnerstag, 19. April: 15:50 Uhr, Sportplatz Waldeckpark
Donnerstag, 19. April: 16:50 Uhr, Sportplatz am Anhalter Bahnhof
Freitag, 20. April: 08:50 Uhr, Metzer Straße, Prenzlauer Berg
Freitag, 20. April: 12:00 Uhr, LKA für Delikte am Menschen, Keithstraße, Tiergarten
Freitag, 20. April: 17:15 Uhr, Bötzowstraße, Prenzlauer Berg
Samstag, 21. April: 10:50 Uhr, Wiesenwinkel, Pankow
Sonntag, 22. April: 14:10 Uhr, Olympiastadion, Charlottenburg
Sonntag, 22. April: 18:15 Uhr, Hauptbahnhof, Mitte
Montag, 23. April: 08:50 Uhr, Waterlooplatz, Hannover, LKA
Montag, 23. April: 12:00 Uhr, LKA für Delikte am Menschen, Keithstraße, Tiergarten
Montag, 23. April: 14:10 Uhr, Waterlooplatz, Hannover, LKA
Montag, 23. April: 15:30 Uhr, Bötzowstraße, Prenzlauer Berg
Montag, 23. April: 16:05 Uhr, Hannover, Waterlooplatz, LKA
Montag, 23. April: 16:50 Uhr, Am langen Weg, Spandau
Montag, 23. April: 17:10 Uhr, Schulenburger Landstraße, JVA Hannover
Dienstag, 24. April 11:50 Uhr, Hauptbahnhof, Bremen
Dienstag, 24. April: 15:15 Uhr, Am langen Weg, Spandau
Dienstag, 24. April: 21:10 Uhr, Mommsenstadion, Charlottenburg
Mittwoch, 25. April: 09:00 Uhr, LKA für Delikte am Menschen, Keithstraße, Tiergarten
Mittwoch, 25. April: 18:10 Uhr, Sportplatz am Anhalter Bahnhof
Donnerstag, 26. April: 06:10 Uhr, Metzer Straße, Prenzlauer Berg
Donnerstag, 26. April: 11:30 Uhr, LKA für Delikte am Menschen, Keithstraße, Tiergarten
Donnerstag, 26. April: 19:10 Uhr, Am langen Weg, Spandau
Freitag, 27. April: 10:10 Uhr, LKA für Delikte am Menschen, Keithstraße, Tiergarten
Freitag, 27. April: 17:30 Uhr, Metzer Straße, Prenzlauer Berg
Samstag, 28. April: 08:15 Uhr, Parallelstraße, Steglitz
Samstag, 28. April: 15:00 Uhr, Bötzowstraße, Prenzlauer Berg
Samstag, 28. April: 21:10 Uhr, Wurstmacher Weg, Pankow
Sonntag, 29. April: 09:20 Uhr, Bötzowstraße, Prenzlauer Berg
Sonntag, 29. April: 14:10 Uhr, Olympiastadion, Charlottenburg
Sonntag, 29. April: 19:10 Uhr, Bötzowstraße, Prenzlauer Berg
Montag, 30. April: 09:50 Uhr, Krankenhaus Westend, Charlottenburg
Montag, 30. April: 12:10 Uhr, Friedhof der Kirchengemeinde Rosenthal, Pankow
Montag, 30. April: 22:30 Uhr, Mauerpark, Prenzlauer Berg
Dienstag, 01. Mai: 09:15 Uhr, LKA für Delikte am Menschen, Keithstraße, Tiergarten
Dienstag, 01. Mai: 12:50 Uhr, Krankenhaus Westend, Charlottenburg
Dienstag, 01. Mai: 18:05 Uhr, Am langen Weg, Spandau
Dienstag, 01. Mai: 21:40 Uhr, Bötzowstraße, Prenzlauer Berg
Mittwoch, 02. Mai: 10:50 Uhr, Hertha-Geschäftsstelle, Hanns-Braun-Straße, Friesenhaus II, Charlottenburg
Mittwoch, 02. Mai: 15:20 Uhr, LKA für Delikte am Menschen, Keithstraße, Tiergarten
Mittwoch, 02. Mai: 18:10 Uhr, Bötzowstraße, Prenzlauer Berg
Donnerstag, 03. Mai: 09:40 Uhr, Wiesenwinkel, Pankow
Donnerstag, 03. Mai: 11:35 Uhr, Schloßstraße, Steglitz
Donnerstag, 03. Mai: 18:30 Uhr, Bötzowstraße, Prenzlauer Berg
Donnerstag, 03. Mai: 19:10 Uhr, Parallelstraße, Steglitz
Freitag, 04. Mai: 09:40 Uhr, LKA für Delikte am Menschen, Keithstraße, Tiergarten
Freitag, 04. Mai: 17:40 Uhr, Bötzowstraße, Prenzlauer Berg
Freitag, 04. Mai: 22:10 Uhr, Fraenkelufer, Kreuzberg
Samstag, 05. Mai: 01:20 Uhr, Krampnitzer Straße, Potsdam
Samstag, 05. Mai: 09:50 Uhr, LKA für Delikte am Menschen, Keithstraße, Tiergarten
Samstag, 05. Mai: 10:40 Uhr, Am langen Weg, Spandau
Samstag, 05. Mai: 11:05 Uhr, LKA für Delikte am Menschen, Keithstraße, Tiergarten
Samstag, 05. Mai: 12:30 Uhr, Krampnitzer Straße, Potsdam
Samstag, 05. Mai: 13:30 Uhr, Parallelstraße, Steglitz
Samstag, 05. Mai: 13:50 Uhr, Olympiastadion, Charlottenburg
Samstag, 05. Mai: 14:05 Uhr, LKA für Delikte am Menschen, Keithstraße, Tiergarten
Samstag, 05. Mai: 18:40 Uhr, Fraenkelufer, Kreuzberg
Samstag, 05. Mai: 22:05 Uhr, Fähranleger Wannsee, Zehlendorf
Samstag, 05. Mai: 23:30 Uhr, Krampnitzer Straße, Potsdam
Samstag. 05. Mai: 23:55 Uhr, Bötzowstraße, Prenzlauer Berg
Sonntag, 06. Mai: 00:15 Uhr, Krampnitzer Straße, Potsdam
Sonntag, 06. Mai: 11:00 Uhr, Bötzowstraße, Prenzlauer Berg
Sonntag, 06. Mai: 14:50 Uhr, LKA für Delikte am Menschen, Keithstraße, Tiergarten
Sonntag, 06. Mai: 16:55 Uhr, Parallelstraße, Steglitz
Sonntag, 06. Mai: 17:00 Uhr, Am langen Weg, Spandau
Sonntag, 06. Mai: 17:20 Uhr, Parallelstraße, Steglitz
Sonntag, 06. Mai: 19:15 Uhr, LKA für Delikte am Menschen, Keithstraße, Tiergarten
Montag, 07. Mai: 09:20 Uhr, Wiesenwinkel
Montag, 07. Mai: 13:35 Uhr, LKA für Delikte am Menschen, Keithstraße, Tiergarten
Montag, 07. Mai: 14:40 Uhr, Wurstmacherweg, Pankow
Montag, 07. Mai: 15:10 Uhr, LKA für Delikte am Menschen, Keithstraße, Tiergarten
Montag, 07. Mai: 17:20 Uhr, Wurstmacherweg, Pankow
Montag, 07. Mai: 19:20 Uhr, Metzer Straße, Prenzlauer Berg
Dienstag, 8. Mai: 10:20 Uhr, Johannisthaler Chaussee, Neukölln
Dienstag, 08. Mai: 12:30 Uhr, LKA für Delikte am Menschen, Keithstraße, Tiergarten
Dienstag, 08. Mai: 18:20 Uhr, Metzer Straße, Prenzlauer Berg
Dienstag, 08. Mai: 19:10 Uhr, Pariser Platz, Mitte
Mittwoch, 09. Mai: 09:50 Uhr, LKA für Delikte am Menschen, Keithstraße, Tiergarten
Mittwoch, 09. Mai: 11:50 Uhr, Taddigsweg, Bensersiel (Nordseeküste)
Mittwoch, 09. Mai: 12:20, Nordendstraße, Pankow
Mittwoch, 09. Mai: 15:15 Uhr, LKA für Delikte am Menschen, Keithstraße, Tiergarten
Mittwoch, 09. Mai: 18:50 Uhr, Bötzowstraße, Prenzlauer Berg
Mittwoch, 09. Mai: 22:15 Uhr, Taddigsweg, Bensersiel (Nordseeküste)
Donnerstag, 10. Mai: 06:00 Uhr, U-Bahnhof Senefelder Platz, Prenzlauer Berg
Donnerstag, 10. Mai: 07:50 Uhr, Metzer Straße, Prenzlauer Berg
Donnerstag, 10. Mai: 10:25 Uhr, Hauptbahnhof, Hannover
Donnerstag, 10. Mai: 10:35 Uhr, A24, Autobahndreieck Wittstock/ Dosse
Donnerstag, 10. Mai: 13:30 Uhr, Taddigshörn, Bensersiel (Nordseeküste)
Donnerstag, 10. Mai: 14:00 Uhr, Bötzowstraße, Prenzlauer Berg
Donnerstag, 10. Mai: 14:45 Uhr, Taddigsweg, Bensersiel (Nordseeküste)
Donnerstag, 10. Mai: 15:15 Uhr, Krummspät, Westoverledingen
Donnerstag, 10. Mai: 16:10 Uhr, Wurstmacherweg, Pankow
Donnerstag, 10. Mai: 22:15 Uhr, Krummspät, Westoverledingen
Freitag, 11. Mai: 08:50 Uhr, Bötzowstraße, Prenzlauer Berg
Samstag, 12. Mai: 10:20 Uhr, LKA für Delikte am Menschen, Keithstraße, Tiergarten
Samstag, 12. Mai: 13:15 Uhr, Rennbahnstraße, Weißensee
Schiedsrichter Thorben Hoffmann verstand die meisten Sprüche nicht, die ihm die Trainer und Betreuer auf der einen und die Zuschauer auf der anderen Seite zubrüllten. Doch der Ton machte bekanntlich die Musik. Und es war nicht zu überhören, dass die Nerven zum Bersten gespannt waren. Neben, aber auch auf dem Kunstrasenplatz, über dem Neubaublöcke auf der einen und Bäume auf der anderen Seite wachten. Zwischen den Bäumen und dem Sportplatz befand sich ein eingezäunter Bolzplatz, der zwar kleiner als der Kunstrasenplatz war, dafür aber moderner wirkte. Der 38-jährige Mann in Schwarz zeigte mit seiner linken Hand auf das Tor. Der Ball gehörte also dem Torwart. Dann schielte er kurz auf seine Armbanduhr. Die letzten fünfzehn Minuten brachen an. Hoffentlich nur noch fünfzehn Minuten. Hoffentlich gab es keine Verlängerung.
Hoffmann war im Berliner Fußball-Verband bekannt. Was weniger der Tatsache geschuldet war, dass er dem berühmten Schiedsrichter Pierluigi Collina zum Verwechseln ähnlichsah. Viel mehr lag es an seiner geruhsamen Art, an seiner rauhen Schale. Hoffmann konnte einiges ab. Für ihn war es nicht nur ein Kompliment, es war eine Auszeichnung, dass man ihn vor vier Tagen fragte, ob er nicht kurzfristig einspringen könne. Man brauche dringend einen besonnenen und kompetenten Schiedsrichter für das Viertelfinale im Berliner Fußballpokal zwischen Besiktas und Durumspor. Seine Freundin war über seine Zusage wenig begeistert und trat mit dem zweijährigen Eric trotzig die geplante Urlaubsreise an. Thorben Hoffmann versprach, noch heute Abend nachzukommen. Der letzte Zug fuhr eine Stunde nach Spielende. Eine Verlängerung käme also ungelegen.
Hoffmann konzentrierte sich weiter auf das Geschehen auf dem Platz. Jeden Zweikampf beäugte er mit Adleraugen. Ein Fehler von ihm und die Stimmung würde überkochen. Es brodelte bereits, seit Besiktas nach sechzig Minuten der Ausgleich gelang. Der glatzköpfige Schiedsrichter musste die Emotionen immer wieder herunterfahren. Dann unterbrach er, bat, dass alle bitte mal kurz durchatmeten, um das Spiel fair zu Ende zu bringen.
Der Spieler mit der Nummer 9 von Durumspor klärte in einem Duell den Ball zum Eckstoß. Natürlich gab er das nicht zu, doch Hoffmanns Arm zeigte stur Richtung Eckfahne. Die gelborangene Fahne des Schiedsrichterassistenten Markus Gallwitz tat es ebenso. Der Ball segelte vor das Tor. Jemand drosch das Leder gegen das Lattenkreuz, ehe es ein Spieler von Durumspor gelang, das Spielgerät aus dem Strafraum zu klären. Damit leitete er gleichzeitig den Gegenangriff ein. Die Nummer 13 nahm den Ball noch in der eigenen Hälfte mit der Brust an, spielte ihn links an seinem Gegenspieler vorbei, während er selbst rechts vorbeilief. Der Gegenspieler stolperte über seine eigenen Füße und konnte nicht mehr folgen. Keine halbe Minute später trudelte der Ball durch die Beine des gegnerischen Torwarts über die Torlinie. Auf den Trainerbänken saß jetzt niemand mehr.
Thorben Hoffmann beobachtete das Geschehen am Spielfeldrand aus dem Augenwinkel. Er sah, dass sich die Betreuer und Ersatzspieler von Besiktas nur mit Mühe vom Spielfeld fernhielten. Diesmal vernahm Hoffmann in gebrochenem Deutsch, dass ein Spieler im Abseits gestanden hätte.
Klar, ihr Pfeifen, dachte Hoffmann. Es ist neuerdings abseits, wenn der Gegenspieler in der eigenen Hälfte mit dem Ball lossprintet und bis zum Torerfolg durchzieht. Lest mal ein Regelbuch. Er und Markus Gallwitz lächelten sich zu. Ein Spieler der führenden Mannschaft holte den Ball aus dem Tor und drosch ihn über die kleegrüne Umzäunung. Neben einer gelben Karte brachte das zwei weitere Minuten Nachspielzeit ein. Mindestens. Zum Ärger von Thorben Hoffmann. Am liebsten hätte er den Trottel mit der Rückennummer 7 vom Platz gestellt. Aber dafür war der Mann in Schwarz zu diszipliniert.
Die letzten Spielminuten brachen an. Zehn Feldspieler stürmten unentwegt auf das Tor der Gäste. Sie wollten unbedingt noch den Ausgleich erzielen. Um alles in der Welt musste Hoffmann den Überblick behalten, dabei Ruhe und Gelassenheit ausstrahlen. Mehr als sonst. Es folgte ein Foul, nur ein Rempler. Hoffmann unterbrach das Spiel.
»Fünf Minuten Schiri, fünf Minuten nachspielen, und Rot.«
»Ja, ja. Zehn Minuten und lebenslang. Ich treffe hier die Entscheidungen.« Hoffmann massierte seine Glatze und strich mit seinem Ärmel über seine schweißnasse Stirn. Er platzierte sich an der Strafraumgrenze und pfiff wieder an. Es folgten zahlreiche Eckstöße für die Gastgeber.
Nach der fünften Ecke sprintete sein Assistent zur Mittellinie. Das war das Zeichen, dass der Ball die Torlinie überschritten hatte. Hoffmann selbst konnte es nicht sehen, aber genau dafür hatte er seine Assistenten. Hoffmann pfiff und zeigte auf die Spielfeldmitte. Das Tor sorgte bei dem Schiri für die gleichen Gefühle wie bei den Gästen. Nur aus einem anderen Grund. Das Spiel würde wohl in die Verlängerung gehen. Deshalb musste Hoffmann seine Fahrt an die Nordsee auf morgen verschieben. Seine Freundin würde entsprechend sauer sein. Aber der Ball war hinter der Torlinie, wenn auch nur für einen Moment. Seinen Assistenten konnte Hoffmann bedingungslos vertrauen. Die Spieler in Rot und Schwarz hielt jetzt nichts mehr. Auch die Trainer und Betreuer stürmten auf den Schiedsrichter zu. Markus Gallwitz und Pierre Lauber, Hoffmanns Assistenten, stürmten ebenfalls auf das Feld, stellten sich schützend vor ihren Kollegen, auf dessen Wangen bereits verschiedenste DNA-Spuren hinunterliefen. Dem Schiedsrichter kam der nächste Schubser nicht ungelegen. Kurzerhand erklärte er das Spiel für abgebrochen. Nun war es doch wieder möglich, seinen Zug zu erreichen.
Doch Hoffmann irrte. Die Chancen, noch heute Abend seine Frau und seinen Sohn an der Nordseeküste in die Arme zu schließen, sanken mit dem Spielabbruch ins Bodenlose.
Ihre Augen brannten vor Müdigkeit, ihre Arme hingen schlaff herunter. Aber sie lächelte. Dann flüsterte sie: »Ich kann es immer noch nicht glauben. Nach sechs Monaten. Endlich angekommen.« Walter Paul atmete den Duft von Pfirsich-Vanille ein, streifte zärtlich zwei braune Strähnen aus Helenes Gesicht und drückte seine Lippen zart auf ihre. Sie schaute ihn verliebt an. Sie konnte sich nicht daran erinnern, jemals so glücklich gewesen zu sein.
»War eine harte Zeit. Aber jetzt hast du es geschafft. Jetzt bist du endgültig in Berlin angekommen.«
»Du meinst, dass wir es geschafft haben. Du und ich.«
»Lass das nicht Dietmar und den Schönagel hören.«
Helene Eberle lehnte sich gegen die Tür des Kühlschranks, der auf dem Flur stand, und glitt hinab. Für Paul sah das aus, als wenn in diesem Moment die letzten sechs Monate wie Ballast von seiner Freundin abfielen.
Die Flucht nach Berlin, vor ihrem alkoholkranken Ehemann, das Wohnen auf engstem Raum bei ihrer Mutter, der lange Krankenhausaufenthalt von Klarissa, die vergebliche Wohnungssuche. Da war aber auch Walter Paul, ihr neuer Kollege, der sich in sie verliebte. Und Helene gab den Kampf gegen ihre Gefühle irgendwann auf. Von ihrer Liebe durfte im LKA aber niemand erfahren, wenn sie weiter zusammen in der Bereitschaftsmordkommission arbeiten wollten. Vor allem nicht Kriminaloberkommissar Dietmar Schulz und Dezernatsleiter Frank Schönagel. Deshalb zog Walter Paul zwar mit in die Metzer Straße, gemeldet blieb er aber bei seinen Eltern. Wo er vor über zwei Jahren Zuflucht fand, nachdem seine erste Frau und sein Sohn bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückt waren. Und nun saßen beide auf dem weiß-grauen Laminat und nahmen sich in den Arm. In der neuen Wohnung roch es nach Farbe. Und Helene grinste noch immer.
Thorben Hoffmann beobachtete die vorbeifahrenden Autos, auch wenn ein armeegrüner VW Passat im dumpfen Laternenlicht kaum zu erkennen gewesen wäre. Regen mischte sich mit Abgaswolken. Rechts über ihm donnerte eine S-Bahn über eine Brücke. Zwei grelle Lichter steuerten aus dem laufenden Verkehr auf die Busspur und kamen vor Hoffmann zum Stehen.
»Hi, Bremen?«
»Richtig.«
»Super. Pack dein Gepäck hinten rein.« Das ließ Hoffmann sich nicht zweimal sagen. Der Kofferraum öffnete automatisch. Zwei Minuten später bog der VW nach rechts auf die Stadtautobahn.
»Ich hoffe, das ist okay für dich, wenn ich nochmal kurz am Rasthof halte? Ich will mir noch einen Kaffee an der Tanke ziehen und dann können wir von mir aus bis Bremen durchfahren.«
»Klingt gut.« Thorben Hoffmann tastete nach dem Hebel für die Rückenlehne, dann lehnte er sich zurück und beobachtete die Scheibenwischer, die gegen den Regen ankämpften.
»Was verschlägt dich nach Bremen?«, fragte der Fahrer.
»Meine Freundin und mein Sohn sind in den Urlaub Richtung Nordsee gefahren. Ich fahre heute hinterher. Hatte noch ein Spiel.«
»Was spielst du?«
»Ich bin Schiedsrichter. Beim Fußball!«
»Respekt! Das könnte ich nicht.« Die Worte des Fahrers sorgten bei Thorben Hoffmann für ein Grinsen, während der Regen die Windschutzscheibe einzuschlagen drohte. »Der Stress, die ganze Wut. Man ist immer der Hurensohn. Egal was passiert.«
»Das darf man nicht persönlich nehmen.«
»Ich würde ausflippen, wenn mir jemand ins Gesicht rotzen würde.«
»Das hatte ich heute erst. Mit Spielabbruch. Blöd nur, dass meine Kollegen und ich nicht mehr aus der Kabine kamen. Jemand rief die Polizei. Und selbst dem Bullenwagen rannten die noch hinterher.« Der Fahrer schüttelte den Kopf. »Aber es ist nicht meine Schuld, wenn die ihre Emotionen nicht im Griff haben. Nur blöd, dass ich deshalb meinen Zug verpasst habe. Umso schöner, dass das kurzfristig mit der Mitfahrgelegenheit klappte.«
»Ja, das hat gut geklappt. Habe das auch erst heute Mittag ins Internet gesetzt.«
Der Wagen passierte das Dreieck Charlottenburg und beschleunigte. Erst an der Abfahrt Spanische Allee nahm der Fahrer den Fuß vom Gas und lenkte das Auto Richtung Rastplatz.
»Ich beeile mich.«
»Keine Hektik. Ich bin erleichtert, dass das überhaupt alles klappt.«
»Möchtest du auch einen Kaffee?«
»Nein danke. Ich habe meinen Mate. Der reicht mir.« Als wollte Hoffmann beweisen, was er mit Mate meinte, zog er eine Glasflasche mit Eistee aus seinem Rucksack und drehte sie auf.
Auf dem Parkplatz waren alle Parktaschen belegt. An der Ausfahrt Havelchaussee verließ das Auto wieder den Rastplatz. Der Passat bog nach rechts ab und parkte vor dem Gelände der Stadtreinigung.
»Bin gleich wieder da.« Thorben Hoffmann öffnete seinen Gurt und war erleichtert. Nun kam er heute doch noch nach Bremen. Er führte die Glasflasche zum Mund, stellte sie in der Mittelkonsole, zwischen Fahrer und Beifahrersitz, ab und griff nach seinem Telefon. Auf dem Display leuchtete die Information auf, dass er drei Nachrichten hatte. In der ersten versprach seine Freundin, ihn aus Bremen abzuholen. Plötzlich riss jemand die Beifahrertür auf. Bevor Hoffmann begriff, was geschah, packte ihn jemand an der Jacke und der Regen prasselte auf seine Glatze.
Bevor er den Blinker setzte, schaltete er das Licht des Transporters aus. Seine Anita durfte nicht geweckt werden, weshalb er den Wagen am liebsten mit abgeschaltetem Motor auf das Gelände geschoben hätte. Er lenkte den Pritschenwagen auf den Hof. Vor dem Scheunentor zog er die Handbremse und drehte den Zündschlüssel. Rolf Schüssel glitt mit seinen Händen über sein Gesicht. Er war stolz. Den Rückweg aus Danzig absolvierte er mit nur einer Pause. Diese Tortur nahm er für seine Anita gerne in Kauf. Sie wünschte sich eine alte Vespa, mit der sie an ihrem 50. Geburtstag durch den Harz knattern konnte, also bekam sie eine Vespa, Jahrgang 1974. Er ersteigerte sie auf Ebay, musste sie aber in Polen abholen. Das war kein Problem.
Er stieg aus dem Fahrerhaus. Die nächtliche Kälte und eine Stille, wie man sie nur aus Dörfern kennt, begrüßten ihn in seiner Wahlheimat. Er schlich zur Lagerfläche vom Pritschenwagen, öffnete die Leinen und schob die Plane beiseite. Wegen der Dunkelheit tastete er blind nach dem Roller. Eine Taschenlampe aus dem Haus zu holen, wäre zu riskant gewesen. Seine Anita wachte schon auf, wenn Rolf Schüssel in der Nacht kurz hustete. Die Vespa fühlte sich weich an. Ungewohnt weich und kalt. Schüssel ertastete etwas Längliches, was nicht zum Roller gehören konnte. Er zog es zu sich heran. Das Blut gefror in seinen Adern. Der 52-Jährige starrte fassungslos auf den Körper, der jetzt vor ihm lag. Er haute mit seiner Faust auf das Bein, mit der Hoffnung auf eine Reaktion, vergebens. Die Person auf der Ladefläche musste tot sein. Sollte Rolf Schüssel die Polizei rufen? Die würden ihm doch kein Wort glauben. Ihm, dem ehemaligen Hooligan. Fünf Jahre saß er im Gefängnis wegen schwerer Körperverletzung. Er war damals dabei. In Frankreich. 1998. Als deutsche Hooligans einen französischen Polizisten dermaßen zusammentraten, dass dieser Langzeitschäden davontrug. Es war seine letzte Aktion. Das hatte er sich damals geschworen. Trotzdem würde ihm die Polizei die Geschichte mit der unbekannten Leiche auf der Pritsche nicht abkaufen. Rolf Schüssel sah sich um, dann schaute er zum Leichnam. Er hatte keine andere Wahl. Der tote Mann musste verschwinden. An beiden Beinen zog er den Körper weiter heran und trug ihn in den Schuppen. Genau so, wie er vor vier Jahren seine Frau über die Schwelle trug. Dabei flüsterte er: »Tut mir leid Alter, aber ich habe in den letzten Jahren gelernt, erstmal an mich zu denken. Schwierigkeiten hatte ich im Leben schon genug.«
Jerome Stark lag auf seiner blau-weißen Bettwäsche. Die Erinnerungen an gestern Abend gaben keine Ruhe. Genauso wenig wie sein iPhone, auf dem er zahlreiche Nachrichten erhalten hatte.
Hey, stimmt das, was gestern passiert ist oder sind das Fake News? Alter, was habe ich gehört? Krass!
Stimmt das mit dem Toten? Was ist denn vorher passiert?
So oder ähnlich klangen die Fragen und Mitteilungen. Es musste also jemand geredet haben. Jetzt schon. Nach ein paar Stunden. Dabei herrschte doch Einigkeit darüber, dass die Aktion geheim bleiben sollte. Niemand durfte quatschen. Die Gefahr, dass die Bullen Wind von der Aktion bekamen, wäre dadurch nur größer geworden. Er, aber auch die anderen, die an dem Übergriff beteiligt waren, hatten schon genug Stress mit den Pigs. Und Stress mit den Pigs bedeutete für Jerome Stark auch gleichzeitig Stress mit den Eltern.
Jerome Stark lag immer noch im Bett und schaute an die Decke. Und je länger er die weiße Raufasertapete anstarrte, desto mehr Platz nahm eine Frage in seinem Kopf ein. Es war die Frage, die er nicht zulassen wollte. Er kannte doch die Antwort. Er musste nur all die Nachrichten auf seinem Telefon lesen. Er war ein Held. Genau wie die anderen, die gestern Abend dabei waren. Sicher war er das.
Helene Eberle saß an ihrem Schreibtisch. Vor ihr lag eine Akte aus dem Jahr 1995. Sie bemerkte nicht, dass ihr Vorgesetzter Udo Golombek das Büro betrat. Und der kam nicht allein.
»Frau Eberle, das ist Staatsanwalt Schröder.« Helenes braune Haare schnellten nach oben. Sie erkannte neben Udo Golombek einen Mann, der mit seinem Zopf an Dezernatsleiter Schönagel erinnerte. Der einzige Unterschied war die Brille. Außerdem fehlten drei Tuben Gel, die Schönagel jeden Morgen in seinem Haar verteilte.
»Ich lasse Sie mal am besten allein«, sprach Golombek, schob einen Stuhl für Staatsanwalt Schröder heran und ging zu seinem Schreibtisch.
»Ja, ... Eberle«, stotterte Helene, erhob sich und reichte ihrem Gegenüber die Hand. »Was kann ich für Sie tun?«
»Herr Golombek meinte, dass Sie die richtige Ansprechpartnerin wären, daher falle ich direkt mit der Tür ins Haus. Wir brauchen Ihre Hilfe. Aber eigentlich wissen wir noch nicht, ob wir Ihre Hilfe oder die aus Brandenburg oder Sachsen-Anhalt benötigen.« Helene legte ihre Stirn in Falten, doch sie ließ den Staatsanwalt weiterreden. »In der Gerichtsmedizin in Hannover liegt ein toter Berliner. Man fand seine Leiche letzten Sonntag auf einem bewohnten Gelände in der Gemeinde Abbenrode. In der Nähe von Braunschweig. Es gab keine Papiere, kein Handy. Am Dienstag veröffentlichten wir ein Foto des Toten. Noch am selben Tag meldete sich eine junge Frau. Sie war sich sicher, dass es sich bei dem Mann um ihren Freund Thorben Hoffmann handelt. Die beiden haben einen zweijährigen Sohn. Die Frau heißt Julia Reichwein und hat den Leichnam inzwischen identifiziert. Leider steht sie seitdem unter Schock und ist nicht in der Lage, uns weitere Informationen zu geben.«
»Der tote Berliner hat also schon einen Namen. Das ist doch ein Anfang.«
»Wir wissen auch, dass der Mann einem Tötungsdelikt zum Opfer fiel. Nur wissen wir nicht, wo die Tat geschah. Am kommenden Montag gibt es im LKA in Hannover eine Zusammenkunft ausgewählter Vertreter der LKAs aus Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Berlin. Dazu möchte ich Sie gerne einladen.«
»Okay. Aber ich habe zwei Fragen. Weiß man schon, wie der Mann ums Leben kam? Und die ...«
»Die zweite Frage kann ich mir denken. Nein, die anderen Landeskriminalämter habe ich nicht besucht. Nur bei Ihnen bin ich persönlich gekommen, weil das Opfer definitiv aus Berlin stammt. Aber zurück zu Ihrer ersten Frage. Es gibt eine Vermutung, wie der Mann ums Leben kam. Und wenn diese stimmt, würde es sich um eine äußerst brutale Tat handeln.«
»Das heißt?«
»Kennen Sie den Film American History X?«
»Nein, ich komme kaum dazu, Fernsehen zu schauen.«
»Schade, denn dann hätten Sie gewusst, worauf ich hinauswollte.«
»Erklären Sie es mir.«
»Kennen Sie den Begriff Randsteinbeißen?« Helene schüttelte den Kopf. »Es handelt sich dabei um eine Gewalttat, bei der das Opfer seine Zähne an einem Bordstein fixieren muss, dann wird ihm in den Nacken getreten und so ein Genickbruch verursacht.« Helene schluckte. Sie brauchte einen Moment, um die zahlreichen Informationen zu verarbeiten. Dann fragte sie, ob die Freundin des Opfers schon wieder in Berlin sei.
»Das weiß ich nicht. Sehe ich Sie am Montag in Hannover?«
»Ich werde da sein.«
Nachdem sich Staatsanwalt Schröder verabschiedet hatte, ließ sich Helene Eberle auf ihren Stuhl fallen und glitt mit ihren Händen durch ihr Gesicht. Dieses Gespräch musste sie verdauen. Eine Stunde lang spazierte sie rund um den Wittenbergplatz, ehe sie wieder an ihrem Schreibtisch Platz nahm. Sie schaute auf ihre Notizen und las den Namen des Opfers. Thorben Hoffmann. Sie tippte den Namen in die Suchmaschine ein.
Graue Wolken brachen auf, als Helene und Walter Paul in Kreuzberg aus dem Auto stiegen. Das Wetter ließ keinen Sportplatz erkennen. Einzig Leo, Leo-Rufe ließen erahnen, dass Helene und Paul ihrem Ziel nah waren. Mit der Stimme eines Bären rief jemand: »Mustafa, den musst du haben.«
»Ich glaube, wir müssen da lang.« Helene zeigte nach rechts. Gepaart mit der Hoffnung, sich zügig vor dem Regen retten zu können.
Es waren keine fünfzig Meter bis zum Sportplatz, doch der Eingang des käfigähnlichen Geländes lag auf der anderen Seite. Neben einem von Graffiti gezierten Haus. Das sah aus, als wäre es wegen Baufälligkeit gesperrt. Umso verwunderter war sie, als Kinder mit ihren Sporttaschen aus dieser Ruine kamen. Wobei es sie nicht wirklich wunderte. Kinder, die auf einem Kreuzberger Fußballplatz dem Ball hinterherrannten, waren in der Gesellschaft nur wenig wert. Und wenn diese Kinder noch einen Migrationshintergrund hatten, konnten sie froh sein, sich nicht unter einem Baum umziehen zu müssen. Ein anderes Haus zog Helenes Aufmerksamkeit an. »Was ist das dort für ein Gebäude?«, fragte sie Paul und deutete auf die riesige Wand hinter den Bäumen. Die war trotz des Regens zu erkennen.
»Das ist die Bundesdruckerei.«
»Die Bundesdruckerei? Hier? Zwischen Sportplatz und Neubauten? Typisch Berlin.«
Das Geschehen auf dem Platz erinnerte Helene an Wasserball, aber die Kinder lachten. Sie hielt sich ihre linke Hand vor das Gesicht und stapfte mit ihrem Kollegen Richtung Trainerbänke.
»Entschuldigung, wir suchen jemanden, der hier zuständig ist«, schrie Paul gegen den Regen an.
»Ich bin Trainer von D-Jugend. Bin zuständig!«, reagierte ein schmächtiger Mützenträger. Sein Atem roch, als hätte er vor ein paar Sekunden noch geraucht.
»Können wir uns kurz unterhalten? Wir hätten ein paar Fragen.«
»Klar. Unterhalten. Können wir.« Paul hoffte, mit dem Mann allein reden zu können. Irgendwo, wo auch er vor dem Regen geschützt war. Vergeblich.
»Waren Sie am Samstag auch hier?«
»Samstag? Ja, ja. Samstagmittag. D-Jugend gegen Marzahn. 6:2 gewonnen. Gutes Spiel.« Der Mützenträger zog eine weitere Zigarette aus seiner Tasche, schützte die mit der anderen Hand fast schon liebevoll vor dem Regen und schaffte es so, sie anzuzünden.
»Haben Sie auch das Pokalspiel am Nachmittag angeschaut?«, mischte sich Helene ein.
»Pokal? Sie meinen die Männer? Nein, nicht gesehen. War aber Betrug. Schlechter Schiri.« Paul wedelte den Qualm weg, den der Mann beim Reden ausstieß und fragte, warum der Schiedsrichter schlecht gewesen sein.
»Habe ich gehört. Hat Spiel abgebrochen. Einfach so.«
»Im Internet stand, dass der Schiedsrichter bespuckt und geschubst wurde«, stellte Helene fest. Der Mann nahm einen tiefen Zug.
»Nein, nein. Alles Lüge. Schlechter Schiri lügt.«
Helene schaute zu Paul, dann fragte sie den Mützenträger: »Wo finden wir jemanden von der Männermannschaft?«
Der Mann hielt seine Kippe in Richtung Spielfeld. »Ömer, zum Ball laufen«, rief er. Dann stellte er fest, dass seine Zigarette gegen den Regen keine Chance hatte.
»Wo finden wir jemanden von der Männermannschaft?«, wiederholte Paul und schrie beinah. Inzwischen gab sich der Regen alle Mühe, das Dach der Trainerbank als Trommel zu nutzen, um so die Polizisten zu übertönen.
»Heute nicht. Morgen wieder. Training um 19:00 Uhr.«
»Und hier hält sich wirklich niemand auf, der am Samstagnachmittag auch hier war?«
»Nein. Keiner da.«
Auch am Anhalter Bahnhof unterspülte der Regen die Straßen. Entfernt war Kindergeschrei zu hören. Die Polizisten schwammen zum Sportplatz. Dass der Regen die Beamten nicht von ihrem Vorhaben abbrachte, hatte einen Grund. Auf der Website von Durumspor haben sie gelesen, dass für die erste Männermannschaft am heutigen Abend Training angesetzt war. Es sollte also die Möglichkeit geben, noch heute an neue Informationen zu gelangen.
Ein Mann, der Helene bis zu den Schultern ging, begrüßte die Polizisten mit einem satten Händedruck. Seine Haare im Gesicht waren so grau wie die Wolken. Die Polizisten stellten sich vor, wurden aber unterbrochen.
»Schiri nicht gut, wir nicht gut, Besiktas nicht gut. Alle haben Fehler gemacht. So ist Fußball. Daraus lernen wir. Schiri auch.« Nein, der nicht, dachte Helene. Der kann aus seinen Fehlern nicht mehr lernen. Aber das behielt sie für sich. Sie und Paul waren sich einig, dass der Mord an dem Schiedsrichter noch nicht Thema des Besuchs sein sollte.
»Gibt es Dokumente, die das Geschehen vom Samstag belegen?«, fragte Helene.
»Ich gebe Ihnen Kopie von Spielbericht, wenn Sie möchten.«
»Gerne.« Nasse Hände kramten in einer dünnen Aktentasche, zogen eine gelbe Abschrift heraus und hielten sie den Polizisten mit den Worten »Sonderbericht fehlt noch. Muss Schiri noch schreiben«, hin. Der Regen stürzte sich auf das Blatt, weshalb Helene es direkt in ihre Windjackentasche knüllte.
Mit zwei Döner vom benachbarten Imbiss suchten Helene und Paul im Dacia Schutz vor dem Regen. Helene zog den gelben Zettel hervor und breitete ihn auf dem Armaturenbrett aus.
»1, 2, 3, 4, 5, ...« Helene zählte 32 eingetragene Spieler. »Sollen wir mit jedem sprechen? Die werden uns alle das Gleiche erzählen. Je nachdem, für welche Mannschaft sie spielen.«
»Gab es keine weiteren Schiedsrichter?«, wollte Paul wissen.
»Wieso? Ich dachte, es gibt immer nur einen.«
»Schiedsrichterassistenten meine ich. Stehen da Namen?«
»Ach so, ja. Und die kann man sogar noch erkennen. Markus Gallwitz, Pierre Lauber.«
»Die können uns mit Sicherheit mehr zum Geschehen erzählen.«
»Wen rufst du an?« Paul antwortete nicht auf Helenes Frage. Er scrollte durch seine Kontakte und hielt sich das Telefon ans Ohr.
»Ja, Udo, hier ist Walter. Wir brauchen dringend ein paar Daten. Kannst du uns helfen?«
»Ja, der erste Name lautet Markus Gallwitz. Hast du den?«
»Der zweite Name lautet Pierre Lauber. Soll ich buchstabieren?« Gyrosduft verteilte sich im Dacia.
»Genau. Super. Ich danke dir. Bis gleich.« Paul holte tief Luft und lehnte sich zurück.
»So, jetzt lass uns was essen. Udo schaut nach den Anschriften und meldet sich.«
Helene lächelte und biss zum dritten Mal in das gefüllte Dreieck in ihrer Hand.
Nach Udo Golombeks Rückruf steckte Paul den Zündschlüssel ins Schloss und Helene programmierte das Navi auf seinem Handydisplay. Der Dacia wendete auf der Anhalter Straße, fuhr ein Stück Richtung Norden, um kurz darauf auf die Leipziger Straße abzubiegen. Doch im Berufsverkehr war ein Durchkommen nur schwer möglich. Warten, Gas geben, bremsen, warten, Gas geben, bremsen. Und dazu strömender Regen.
Nach einer halben Stunde, in der die Kriminalbeamten sechshundert Meter hinter sich ließen, schüttelte Paul den Kopf und zeigte mit seiner rechten Hand wiederholt auf die Blechlawine vor ihm.
»Meinst du, das bringt überhaupt was? Vielleicht sollten wir doch erst den Montag abwarten.«
»Ich denke schon«, antwortete Helene und genoss ihre Rolle als Beifahrerin.
»Möchtest du fahren?«
Helene winkte theatralisch ab. »Ach, lass mal. Du machst das wirklich toll.«
»Na danke.«
Nach weiteren vierzig Minuten hatte Paul keine Lust mehr, in der engen Gleimstraße eine Parklücke zu suchen. Frustriert stellte er das Auto in der Einfahrt ab.
»Reicht jetzt. Schnauze voll! Der Verkehr in Berlin wird immer krasser.«
»Ach komm. Es gibt Schlimmeres.« Walter Paul schüttelte den Kopf, öffnete die Autotür und flüchtete unter den Torbogen der Einfahrt, um sich vor dem Niederschlag zu schützen. »Wo müssen wir nochmal klingeln?«, hörte Helene ihn rufen. Dann öffnete sie die Beifahrertür, stieg aus und nannte den Namen. Paul presste seinen Daumen auf den Klingelknopf. Ohne Nachfrage betätigte jemand den Türöffner. Mit zu viel Kraft schob Paul die Tür auf. Diese donnerte gegen die Wand und sorgte für einen Knall im Hausflur. Helene griff von hinten seine Hand. Der anschließende Kuss wirkte wie Valium.
»Danke, das hat gutgetan.«
Im Dachgeschoss öffnete ein Mann die Tür. Paul starrte auf dessen Körper, der ihn schmerzlich daran erinnerte, dass er seit Wochen zu wenig Sport trieb. Der Mann mit dem rot-blonden Haar sah weniger nach Fitnessstudio aus. Eher nach Marathon.
»Herr Gallwitz?«
»Ja?«
»Paul. Kripo. Das ist meine Kollegin Eberle. Können wir uns kurz mit Ihnen unterhalten?«
»Klar, also, ... die Wohnung ist nicht gerade aufgeräumt, aber wenn Ihnen das nichts ausmacht. Um was geht es denn?«
»Das möchten wir gerne drin besprechen.«
Helene schaute sich unauffällig in der spärlich möblierten Wohnung um. Wenn das hier nicht gerade aufgeräumt war, wie Markus Gallwitz es nannte, was war dann ihre Wohnung? So kurz nach dem Einzug? Dazu roch es fruchtig, blumig, mit einem Hauch von Zimt. Der Duft erinnerte Helene an eine Pflanze, sie konnte aber nicht sagen, wie diese hieß. Markus Gallwitz bot seinem Besuch ein Glas Wasser an, doch die Polizisten lehnten dankend ab. Gallwitz setzte sich Helene und Paul gegenüber.
»Herr Gallwitz, Sie haben am Samstagnachmittag mit zwei anderen Schiedsrichtern ein Fußballspiel in Kreuzberg geleitet. Das brachen sie kurz vor dem Ende ab. Was ist anschließend vorgefallen?«, fragte Walter Paul.
Der Marathonmann legte seine linke Hand auf den Kopf und starrte an seinem Besuch vorbei aus dem Fenster.
»Lange Geschichte. Wieso fragen Sie? Ist was mit Thorben?« Helene wollte wissen, wie er darauf kam.
»Er hat mich gebeten, den Sonderbericht zum Spiel zu schreiben. Weil er noch am Abend an die Nordsee fahren wollte. Ich meine, war kein Problem, aber er sollte den Bericht absegnen. Immerhin war er der Hauptschiedsrichter. Ich habe ihm am Montag den Bericht per Mail geschickt. Er antwortete nicht. Ist total untypisch für Thorben. Am Dienstag habe ich versucht, ihn anzurufen. Ich sprach ihm auf die Mailbox. Keine Reaktion. Ich meine ..., also, so ist Thorben nicht. Deshalb habe ich mir Sorgen gemacht.«
Paul notierte etwas auf einen Zettel. Er schaute Helene an. War dies der richtige Zeitpunkt, Gallwitz von dem Mord an Thorben Hoffmann zu berichten?
»Ich möchte nochmal auf meine Frage zurückkommen. Was ist am Samstag nach dem Spielabbruch passiert?«
»Es begann schon vorher. Nach dem Ausgleich sind die auf Thorben zugestürmt. Die bespuckten und schubsten ihn. Ich und der zweite Assistent rannten sofort aufs Feld. Wir wollten Thorben schützen. Dann fingen die an, auch uns zu bespucken, haben irgendwelche Wörter in einer anderen Sprache zu uns gesagt. An Thorben prallt so was ab, aber ich rechnete mit dem Schlimmsten. Ich dachte, die schlagen uns zusammen. Mindestens.« Gallwitz senkte den Kopf und gab den Blick auf ausufernde Geheimratsecken frei. Dieser Anblick besänftigte Paul. Er konnte jederzeit wieder mit dem Sport anfangen, aber gegen diese Ministerwinkel half keine Haarverpflanzung mehr. »Scheiße, ich merke erst jetzt, dass mich das alles stärker belastet, als ich dachte.« Helene wollte wissen, was anschließend geschah.
»Irgendjemand musste die Polizei gerufen haben. Die fuhren mit Sirene vor und plötzlich war es schnell einsam um uns. So kamen wir erstmal in die Umkleide.«
»Und als Sie wieder rauskamen? Was passierte dann?«
»Als die Polizei uns zu ihren Autos brachte, sahen wir niemanden. Aber als der Wagen an der ersten Ampel hielt, kamen Leute aus den Büschen gerannt, schlugen gegen das Auto und beschimpften uns weiter. Ihre Kollegen schalteten deshalb die Sirene ein und gaben Gas.«
Paul strich sich durch seine kurzen, grauen Haare. »Da sind Leute, die sich ehrenamtlich engagieren und das ist dann der Dank dafür.« Helene fiel es deutlich leichter, beim Thema zu bleiben. »Würden Sie diesen Leuten zutrauen, sie heimlich verfolgt zu haben?«
»Auf jeden Fall. Auch wenn ich nicht sagen kann, wie die das hätten anstellen wollen, weil Ihre Kollegen uns bis nach Hause fuhren. Aber jetzt sagen Sie doch bitte, was ist mit Thorben?«
»Wir können Ihnen noch nichts sagen. Es gibt nur Gerüchte«, log Helene. Paul nickte dazu. Dann fragte er, wie gut Markus Gallwitz Thorben Hoffmann kannte.
»Wir pfeifen seit vier Jahren regelmäßig zusammen, sind im gleichen Verein eingetragen und treffen uns ab und an zum Laufen.«
»Wie meinen Sie das mit dem Verein?«, fragte Helene ehrlich ahnungslos.
»Jeder Schiedsrichter gehört zu einem Verein. Thorben und ich sind bei Hertha eingetragen. Weil die das meiste Geld haben. So ist es eben.«
»Herr Gallwitz, vielen Dank für Ihre Offenheit. Sobald wir konkretes wissen, melden wir uns bei Ihnen.«, sprach Paul und stand auf.
»Danke!«
Nachdem sich hinter den Beamten die Wohnungstür geschlossen hat, rückte die Kriminalhauptkommissarin mit ihrem nächsten Plan heraus. Sie wollte Pierre Lauber besuchen. Doch Paul hatte keine Lust mehr, sich vom Berliner Straßenverkehr stressen zu lassen. Allein, bis nach Hause, in die Metzer Straße zu fahren, würde Nerven kosten.
Das Marmeladenglas stand auf einer Steppdecke. Neben der geöffneten Verpackung mit dem Käse und der Butter. Helene und Paul platzierten sich auf einem der Umzugskartons. Klarissa saß im Schneidersitz auf der Decke.
»Eigentlich ist es egal, wie man frühstückt. Wichtig ist nur, mit wem.« Helenes Worte sorgten bei Walter Paul für Gänsehaut. »Das hast du schön gesagt.«
»Jetzt werde aber nicht sentimental.«
»Genau. Jetzt werde nicht sentiti...ti... dings«, versuchte die vierjährige Klarissa ihre Mutter zu wiederholen. »Jetzt will ich nämlich mal was sagen. Ich gehe heute nicht in den Kindergarten.« Helene und Paul schauten sich an.
»Süße, wir müssen auch arbeiten gehen. Das hieße ja, du würdest alleine hierbleiben«, stellte Helene klar.
»Nicht schlimm. Hier haut mich wenigstens niemand. Und keiner bewirft mich mit Sand. Ich bin groß. Ich kann schon alleine bleiben.«
»Das weiß ich. Aber vierjährige Kinder lässt man mal fünf Minuten alleine zu Hause, wenn überhaupt. Aber keine zehn Stunden.«
»Bring mich doch zu Oma. Aber ich will nicht in die doofe Kita. Nie wieder.«
»Hör zu. Wir fahren dich hin und reden mit deiner Erzieherin. Wie findest du das?«
»Mama, ich möchte kein Judas sein.«
»Wie bitte?«
»Kein Judas. So hat mir das der Florian erzählt. Nur Judasse verpetzen andere.«
»Wer so was behauptet, ist ein Arschloch. Schöne Grüße an Florian.«
Klarissas Augen waren jetzt weit aufgerissen. »Das sage ich dem. Lass uns gleich losgehen.« Das Mädchen sprang auf und rannte in den Flur. Im Korridor kehrte es um. »Aber vorher muss ich Pipi.«
Im Kindergarten stolzierte Klarissa mit erhobenem Kopf durch das Eingangstor. Der Garderobe schenkte sie keine Beachtung. Helene ahnte, was sie mit ihren Worten angerichtet hatte. Es war schwierig, mit ihrer Tochter Schritt zu halten. Die marschierte wie eine Soldatin Richtung Gruppenraum.
»Guten Morgen Frau Peter!«, rief Klarissa der Erzieherin zu. Ohne sie anzuschauen. Mit stolzgeschwellter Brust nahm sich das Mädchen den Jungen zur selbigen. Das musste dieser Florian sein, dachte Helene. Ein dicker Junge mit schiefen Zähnen, der aber ein Kopf größer als Klarissa war. »Ich soll dir von meiner Mama sagen, dass du ein Arschloch bist.« Frau Peter schaute mit aufgerissenen Augen zu Helene.
»Finden Sie das in Ordnung?«
»Ich kann meiner Tochter nicht widersprechen. Wer andere als Judas betitelt, ist ein Arschloch.«
Bevor die entrüstete Erzieherin darauf reagieren konnte, holte Klarissas Mutter zum zweiten Schlag aus. »Bestimmt haben Sie jetzt auch Gesprächsbedarf. Wir sollten einen Termin ausmachen. Und zwar schnellstmöglich.«
»Aber man muss sich doch darüber nicht unterhalten, ob ein Kind andere Kinder als Arschloch betiteln darf. Vor allem nicht, wenn es von der Mutter ...«
»Wie gesagt. Ich wünsche ein Gespräch mit Ihnen. Die Oma holt Klarissa heute Nachmittag ab, bitte teilen Sie ihr den Tag und die Uhrzeit mit. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Arbeitstag.«
Bevor Helene aus der Tür trat und den Kindergarten verließ, warf sie ihrer Tochter noch einen Kussmund zu. Die tat es ihrer Mutter gleich.
Walter Paul wartete im Auto. Er sah Helene und ließ den Motor an. Wortlos setzte sich seine Freundin auf den Beifahrersitz und zog die Tür zu.
»Du wirkst entspannt.«
»Wie immer. Oder? Sag jetzt nichts Falsches.«
»Jetzt erstmal zur Dienststelle?«
»Ja, vielleicht gibt es Neuigkeiten.«
»Ich bin mir sicher, dass wir erst am Montag Neues erfahren werden. Lass uns so lange warten.«
»Ich kann nicht warten.«
»Das weiß ich.« Paul grinste. »Trotzdem würde ich mir den Weg zum Training der Männermannschaft heute sparen.«
»Du wirktest auch schon mal motivierter.«