Die Liebe zur Weisheit - Andreas Drosdek - E-Book

Die Liebe zur Weisheit E-Book

Andreas Drosdek

4,7

Beschreibung

Wenn Sie eine Führungskraft nach dem wichtigsten Buch fragen, das er oder sie im Laufe der Karriere gelesen hat, wird mit ziemlicher Sicherheit ein philosophischer Text genannt. Kein Wunder: Viele Werke von Philosophen lassen sich auf die tägliche Arbeit im Managementalltag übertragen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 230

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
4,7 (18 Bewertungen)
14
2
2
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Die Liebe zur Weisheit
Kleine Philosophenschule für Manager
Drosdek, Andreas
Campus Verlag
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
9783593400228
Copyright © 2003. Campus Verlag GmbH, Frankfurt am Main
Besuchen Sie uns im Internet: www.campus.de
9
14
9
14
false

|9|EINLEITUNG 

Die MACHT der GEDANKEN

»Unsere Gedanken sind unser Schicksal.« Die wettbewerbsintensive, globale Wirtschaftswelt des beginnenden 21. Jahrhunderts trägt diesen berühmten Worten Arthur Schopenhauers Rechnung: Erfolg und Misserfolg in unserer Zeit sind vielleicht mehr denn je eine Frage der Konzepte, Ideen und Denkstrategien. Unser Denken bestimmt unser Handeln – egal, ob es sich um Wirtschaftsräume, Nationen, Unternehmen oder Individuen handelt. Aber auch die Fehlertoleranz wird in allen Bereichen enger. Die richtigen Ideen, Konzepte und Strategien zur passenden Zeit umgesetzt, sind zunehmend die Währung, in der die Erfolgsbilanz gemessen wird.

Dort, wo Produkte und Dienstleistungen sich immer ähnlicher werden, und selbst sich die konservativeren Unternehmen bewusst um die neuesten Managementtrends bemühen, reicht die Kompetenz hinsichtlich bestehender Systeme und Verfahrenstechniken nicht mehr aus. Heutzutage ist einerseits aussagekräftiges, stets aktuelles Wissen um die externen und internen Realitäten unserer Organisationen vonnöten, und andererseits sind kreative und strategische Denker und Führungskräfte gefragt, die in der Lage sind, dieses Wissen in richtige Entscheidungen und Aktionen umzusetzen.

Im Bereich des Wissensmanagements entwickelt sich mittlerweile eine globale Kompetenz, die – von führenden IT-Unternehmen |10|umgesetzt – sehr bald dazu führen wird, dass alle Unternehmen in ähnlicher Weise Wissen systematisch sammeln und mithilfe standardisierter, intelligenter Softwareprogramme auf vergleichbare Weise auswerten werden. Da die meisten Programme zum Wissensmanagement und zur Entscheidungsfindung allen Marktteilnehmern zur Verfügung stehen werden, wird es in dieser Hinsicht kaum mehr Wettbewerbsvorteile geben.

Die Trennlinie zwischen den erfolgreichen und den weniger erfolgreichen Organisationen und Unternehmen wird stattdessen immer mehr durch die Qualität des Managements und der Mitarbeiter bestimmt. Unternehmenslenker und Manager aller Organisationsebenen und in allen Unternehmensbereichen, die durch geniale Strategien und effektive tägliche Entscheidungen ihre Unternehmen zu immer größeren Höhen des Erfolges führen, sowie informierte Mitarbeiter, die mit ihrer individuellen kreativen Kompetenz im Umgang mit externen und internen Kunden entscheidende Standards setzen, bilden das Rückgrat der heutigen Erfolgsunternehmen.

Entsprechend wichtig sind Manager, die durch ihre mentale Brillanz und geschickte Nutzung der Talente, Ideen und Einsichten ihrer Mitarbeiter, Kollegen, Kunden und Zulieferer den einzigartigen Wettbewerbsvorteil generieren, der schließlich den Erfolgsfaktor für das Unternehmen bildet.

Egal, ob es sich um Führungs- oder Marketingaufgaben handelt, ob geniales Finanzmanagement oder unorthodoxe Strategien gefragt sind: wir alle wissen, dass es oft die außergewöhnlichen Leistungen ungewöhnlich denkender und handelnder Führungskräfte sind, die am Ende darüber entscheiden, ob ein Unternehmen in die Führungselite der jeweiligen Branche vorstoßen kann. Manchmal kann ein kleines Start-up selbst unbesiegbar geltende Giganten der Wirtschaftswelt in die Enge treiben; manchmal gelingt es aber auch einem alteingesessenen Unternehmen, sich über Jahrzehnte hinweg mit großem Erfolg gegen Konkurrenten jeglicher Marktmacht und Couleur |11|zu behaupten. Und fast immer gibt es hinterher eine Heldengeschichte zu berichten. Denn letztendlich waren es stets außergewöhnliche Führungskräfte, die im richtigen Moment (im Nachhinein als richtig erwiesene) Kurskorrekturen und Strategien zum Tragen brachten. Es ist die Verantwortung des Managements, die kollektiven Bemühungen der Mitarbeiter in erfolgreiche Bahnen zu lenken und ihnen im Unternehmen durch eine entsprechende Unternehmens- und Führungskultur die Rahmenbedingungen für einen fruchtbaren Einsatz ihrer Talente und Fähigkeiten zu ermöglichen.

Und der »geniale Wurf« im Management ist immer noch meist ein Resultat von ungewöhnlichen Überzeugungen und herausragenden Strategien. Trotz aller neuen Managementtechniken und Strategiemethoden trifft diese Wahrheit heute mehr denn je zu. Denn in unserer globalen vernetzten Welt können allein neue Methoden keinen entscheidenden Wettbewerbsvorteil mehr auslösen. Kaum ist ein neuer Ansatz gefunden, wird er auch schon weltweit online verbreitet und damit zum Allgemeingut. Häufig sind es die scheinbar kleinen Dinge in der kreativen Brillanz eines Unternehmens im Vergleich zu seinen Mitbewerbern, die den entscheidenden Unterschied zwischen unternehmerischem Erfolg oder Versagen ausmachen. Diese kleinen Dinge bestehen aus punktuellen Ideen, da diese mittlerweile zum globalen Wissen gehören. Es ist vielmehr der intellektuelle Kontext, die Denkkultur, die ein Unternehmen im Laufe der Zeit für sich gewählt hat, die den so entscheidenden Unterschied ausmacht. Nicht die nächste großartige Idee, sondern die Fähigkeit, große Ideen in einen produktiven Kontext umsetzen zu können, wird zunehmend zum wesentlichen Erfolgsfaktor.

Bisher fand der Wettstreit der Ideen vorwiegend auf dem Feld der Wirtschaft statt. Potenzial und Ausbildung der Mitarbeiter und des Managements waren die entscheidenden Wettbewerbsfaktoren. Wer die meisten Absolventen der besten Business-Schools anwerben konnte, schien automatisch einen entsprechenden Marktvorteil |12|zu genießen. Zunehmend werden aber Best Practices aus den unterschiedlichen Unternehmensbereichen zum Minimalstandard. Denn wer sein Finanzmanagement oder die neuesten Marketingtricks nicht beherrscht, ist im Wirtschaftsleben grundsätzlich nicht konkurrenzfähig. Die erfolgsentscheidenden Unterschiede zwischen konkurrierenden Unternehmen werden dagegen zunehmend in ungewöhnlicheren Bereichen gefunden.

Diese neue Entwicklung bildet die Grundlage für dieses Buch. Wo industriespezifische Managementstandards zur selbstverständlichen Norm geworden sind, müssen neue Wege zum außergewöhnlichen Wirtschaftserfolg gefunden werden. Angesichts dieser Herausforderung sollten wir uns auf die Denker und Ideen besinnen, die im Laufe der Jahrhunderte entscheidend zum Erfolg unserer Hochkulturen beigetragen haben. Die Wirtschaft kann immer nur ein Teilaspekt unseres Lebens sein – wahre Lebensqualität lässt sich nicht auf wirtschaftliche Aspekte reduzieren.

Das Potenzial unseres Lebens ist in hohem Maße von unseren wirtschaftlichen Möglichkeiten abhängig. Entsprechend erlauben uns die großen Philosophen und Denker nicht nur wertvolle Einsichten für die Verbesserung des menschlichen Lebens allgemein, sondern sie bieten gleichzeitig auch wichtige Denk- und Handlungsstrategien für die alltäglichen menschlichen Wirtschaftsaktivitäten.

Die großen Denker der Menschheitsgeschichte haben noch in einem anderen Bereich eine Vorbildfunktion: »The highest form of achievement is always art, never science«, hat der deutsch-amerikanische Marketingwissenschaftler Theodor Levitt einmal zutreffend bemerkt. Wahre Größe, egal in welchem Bereich, war zu allen Zeiten vor allem eine kreative Leistung. Obschon viele die gleiche Methodik beherrschen mögen, so sind es wenige, die in ihrem jeweiligen Feld durch geniale Ideen und zeitlose Konzepte Unsterblichkeit erlangen. Diese großen Denker vermitteln nicht nur wichtige Ideen, sie bieten auch entsprechende Denkstrategien und globale |13|Geisteshaltungen, die oft den Rahmen und Hintergrund für besondere kreative Leistungen darstellen.

Das Ziel dieses Buches ist es, eine Auseinandersetzung mit den originellen Ideen einflussreicher Denker anzuregen. Auch wenn der eine oder andere sich bereits mit einigen der hier vorgestellten Philosophen beschäftigt hat, wird sich wohl kaum jemand mit allen gleich gut auskennen. Deshalb wurde die Auswahl weit gefächert und eklektisch gehalten. Zum einen soll die Auffrischung wichtiger originärer Gedanken ermöglicht werden, zum anderen sollen aber auch Denker und Denkerinnen vorgestellt werden, die vielleicht nicht jedem bekannt sind, deren Konzepte es jedoch angesichts heutiger kreativer Herausforderungen und umfassenderer Führungsaufgaben lohnen, sie kennen zu lernen.

Die Beiträge zu den einzelnen Personen sind weitgehend nach dem gleichen Muster strukturiert: Interessante Aspekte des Hintergrunds des jeweiligen Philosophen, gefolgt von Kerngedanken und -konzepten. Was dieses Buch von einem Überblick über wichtige Philosophen unterscheidet ist der Abschluss jedes Kapitels. Darin wird der Versuch unternommen, das jeweilige Denken in die Unternehmenspraxis umzusetzen, das heißt, einige Grundzüge in Bezug zu heutigen Führungsaufgaben zu bringen.

In der Regel wurde eine chronologische Reihenfolge eingehalten. Wegen der ungewöhnlichen Bedeutung von Sokrates, Platon und Aristoteles für die westliche Ideengeschichte wurden diese Philosophen jedoch an den Anfang gestellt, gefolgt von Heraklit, der in gewissem Sinne einen wichtigen Gegenpol zu den Ideen dieser drei großen Denker darstelltt.

Um die Lektüre zu erleichtern, wurde auf einen umfangreichen Anmerkungs- und Literaturapparat verzichtet. Ein solcher Anhang wäre dieser locker zu lesenden Einführung sicherlich abträglich. Hier sei in jedem Einzelfall auf die entsprechende Spezialliteratur verwiesen.

Am Ende zählen in der Wirtschaft die Resultate. Das Gleiche |14|gilt auch für dieses Buch. Die praktische Anwendbarkeit der vorgestellten Ideen, Konzepte und Denkstrategien sollte letztendlich das Erfolgskriterium sein. Die Worte des irischen Physikers John Desmond Bernal »Praxis ohne Theorie ist blind, Theorie ohne Praxis unfruchtbar« können uns hier eine Richtschnur sein.

15
26
15
26
true

|15|SOKRATES 

Die KUNST des DIALOGS

Sokrates’ Einfluss (ca. 470–399 v. Chr.) auf unser westliches Denken ist kaum zu ermessen. Obwohl er angeblich nie eine Zeile niederschrieb, war seine Wirkung auf die beiden wichtigsten Philosophen der europäischen Geistesgeschichte enorm. Als Lehrer und Vorbild von Platon prägte er nicht nur dessen Denken, sondern auch dasjenige von Platons Schüler Aristoteles. Sokrates übermittelte uns die grundlegende Methodik des Philosophierens.

Sokrates wächst in einfachen Verhältnissen in Athen auf. Sein Vater ist Bildhauer und seine Mutter Hebamme. Der Beruf der Mutter liefert Sokrates später die Analogie für seine eigene Methodik des Philosophierens: ein Geburtshelfer, der Menschen dabei unterstützt und hilft, die Wahrheit ans Licht der Welt zu bringen.

Sokrates erhält eine klassische Ausbildung mit Betonung auf Literatur, Musik, Gymnastik, Rhetorik, Geometrie und Astronomie. Er liest die Schriften der anderen griechischen Philosophen und wird auch in der Dialektik der Sophisten geschult. Eine Weile versucht er sich im Militärdienst, wo er sich durch großen Mut auszeichnet. Er findet jedoch schnell zu seiner wahren Berufung, der er bis in den Tod hinein treu bleiben wird. Auf den Marktplätzen von Athen diskutiert er mit den Intellektuellen und Pseudointellektuellen seiner Zeit darüber, was die Wahrheit ist. Eine Zeit lang ist er auch Mitglied der Athener gesetzgebenden Versammlung. Stets |16|weigert er sich aber, Gesetze und Verfahren zu unterstützen, die er für ungerecht hält. So weigert er sich im Jahre 404, der Aufforderung der Dreißig Tyrannen, der damaligen Machthaber Athens, nachzukommen, eines ihrer unschuldigen Opfer zu verhaften. Wahrscheinlich rettet ihn nur die kurz darauf folgende Gegenrevolution vor dem Zorn der Tyrannen.

Erst mit fünfzig Jahren heiratet Sokrates Xanthippe, mit der er drei Kinder hat. Ihr Name gilt als Synonym für eine streitsüchtige Frau, was Sokrates wohl zu der Aussage bewegt:

»Heirat auf jeden Fall! Kriegt ihr eine gute Frau, dann werdet ihr glücklich. Ist es eine schlechte, dann werdet ihr Philosophen, und auch das ist für einen Mann von Nutzen.«

Sokrates weigert sich stets, für seine Lehrtätigkeit ein Honorar anzunehmen. Er will damit die Korruption der Sophisten vermeiden, die gegen entsprechende Bezahlung jedem beibringen, wie man mit rhetorischen Tricks auch unmoralischen Anliegen, vor allem in der Politik und vor Gericht, zum Durchbruch verhelfen kann. Dass Sokrates die meiste Zeit mit Philosophieren und Diskutieren verbringt, hilft nicht gerade den Finanzen der Familie.

Der wahre Test seiner Überzeugungskunst kommt für Sokrates im Jahre 399 v. Chr.: Weil er wegen der weit verbreiteten politischen Korruption die Athener Demokratie in Frage stellt, und dies auch öffentlich lehrt und darauf besteht, in seiner Religion seiner inneren Stimme und seinen philosophischen Einsichten zu folgen, wird er auf das Drängen von politischen Gegnern wegen »Verführung der Jugend« und »Gotteslästerung« angeklagt. Sokrates reagiert in seiner Verteidigungsrede mit Verachtung auf die Vorwürfe und rechtfertigt seine Lehre als moralische Verantwortung. Daraufhin wird er von dem Gericht mit knapper Mehrheit verurteilt und man fordert ihn auf, selbst eine Strafe für sein Vergehen vorzuschlagen. Statt wie üblich eine hohe Geldsumme anzubieten, bietet Sokrates |17|dem Gericht die Stirn: Als öffentlichem Wohltäter stehe es ihm eigentlich zu, freie Mahlzeiten an der öffentlichem Tafel zu erhalten. Allerdings bietet er pro forma eine geringe Geldsumme als Strafe an, mit dem Argument, diese Summe entspräche dem geringen Wert, den Athen einem Philosophen beimessen würde. Empört über Sokrates’ Weigerung, seine Überzeugungen zu leugnen, verurteilt ihn das Gericht daraufhin mit großer Mehrheit zum Tode durch das Trinken des Schierlingsbechers.

In der damaligen Zeit hieß ein solches Todesurteil nicht allzu viel. Zum einen hätte Sokrates um Gnade bitten können. Wenn er versprochen hätte, sich in Zukunft mit Aussagen über das politische Establishment und die religiösen Ansichten seiner Zeit zurückzuhalten, wäre ihm diese wohl auch gewährt worden. Zum anderen hätte er jederzeit die Stadt verlassen können, denn man will ihn lediglich zum Schweigen bringen oder loswerden. Da seine Freunde wissen, dass Sokrates niemals seine Überzeugungen verraten oder auch nur verbergen würde, beschwören sie ihn bis zuletzt, die Stadt doch zu verlassen. Für Sokrates aber sind beide Auswege aufgrund seiner festen Überzeugungen inakzeptabel: Zum einen glaubt er fest an die Pflicht des Einzelnen zur Loyalität gegenüber seiner Heimatstadt (was beim Stadtstaat Athen dem Konzept des Vaterlandes gleichkam). Eine Flucht ist daher für ihn undenkbar, denn dann hätte er Athen nicht weiter dienen können. Zum anderen ist Sokrates von der Notwendigkeit überzeugt, der Wahrheit immer treu zu bleiben und für sie einzustehen. Ein Verleugnen der Wahrheit, die mit dem Aufgeben seines öffentlichen Philosophierens einhergeht, kommt für ihn daher nicht in Frage. Also bleibt ihm nur ein Weg: Er akzeptiert das Todesurteil und trinkt den Schierlingsbecher. Umgeben von seinen engsten Freunden philosophiert er mit den Anwesenden noch unbekümmert bis zu seinem Tod.

Sokrates’ kompromissloses Festhalten an den eigenen Überzeugungen bis zum bitteren Ende und sein Mut, das zu praktizieren, |18|woran er glaubt, macht ihn wohl endgültig zum großen Vorbild für Platon (und indirekt auch für dessen Schüler Aristoteles) und begründet damit den entscheidenden Einfluss auf die Ursprünge der westlichen Philosophie.

Der geistige Geburtshelfer

Sein berühmter Ausspruch: »Ich weiß, dass ich nichts weiß« bringt Sokrates’ Lebenshaltung auf den Punkt. Ein Freund von Sokrates soll vom Orakel von Delphi die Antwort erhalten haben, dass Sokrates der weiseste aller Sterblichen sei. Sokrates selbst will das nicht glauben. Also befragt er alle Männer Athens, die er für weise hält. Am Ende muss er feststellen, dass keiner von ihnen echtes Wissen besitzt, sich aber alle für wissend halten. Da weiß Sokrates, dass er tatsächlich weiser ist, denn er ist sich zumindest seines Nichtwissens bewusst.

Dem Leitspruch des Orakels (»Erkenne dich selbst!«) folgend, sucht Sokrates sein Leben lang nach der Wahrheit. Er selbst schreibt angeblich keine seiner Lehren nieder. Sein Leben und sein Denken haben seinen Schüler Platon aber sehr beeindruckt. Platon schreibt später seine Philosophie in Form von Dialogen nieder, in denen Sokrates mit seinen Zuhörern über eine Vielzahl von Themen diskutiert. Entsprechend schwierig ist es, Sokrates’ Lehren von den eigenen Überzeugungen Platons zu unterscheiden, die dieser seinem Lehrer in den Dialogen in den Mund legt.

Ein klares Verdienst des Sokrates ist, dass er die Philosophie sozusagen vom Himmel auf die Erde holte. Während sich die früheren griechischen Philosophen vor allem mit Fragen der Kosmologie und der Metaphysik befassen, interessiert sich Sokrates vor allem für die praktischen Fragen des menschlichen Verhaltens. Er gilt denn auch als der Begründer der autonomen philosophischen |19|Ethik. Dabei geht Sokrates davon aus, dass alle Menschen grundsätzlich ein rationales Verständnis für Begriffe wie Gerechtigkeit oder Tugend haben. Wer auf diese Weise das Gute anstrebt, wird zum Glück finden. Sokrates ist fest davon überzeugt, dass jegliches Fehlverhalten dem Mangel an richtigem Wissen entspringe: Wer weiß, was gut ist, wird Gutes tun. Deshalb glaubt er auch, dass man die Tugend lernen kann. Allerdings lehnt er es immer ab, seine Zuhörer durch rhetorische Tricks lediglich zu tugendhaftem Verhalten zu überreden. Stattdessen sieht er es als seine Pflicht, sie durch geschickte Fragetechniken dazu zu bringen, die Wahrheit, die seiner Meinung nach bereits in jedem schlummert, für sich selbst zu entdecken und damit zu einer festen inneren Überzeugung zu gelangen.

Diese Art der Fragetechnik vergleicht Sokrates mit der Kunst der Hebamme (dem Beruf seiner Mutter). Er sieht seine Aufgabe darin, wie ein Geburtshelfer durch geschicktes Fragen die Wahrheit ans Tageslicht zu bringen. Seine sokratische Methode beginnt damit, dass er sich zu Beginn eines Gesprächs unwissend stellt. Dann fordert er seine Zuhörer auf, ihn zu belehren. Wenn sie schließlich Aussagen über bestimmte Konzepte und Begriffsdefinitionen machen, stellt er diese gezielt in Frage. Dabei scheut er auch nicht vor extremem Sarkasmus zurück, wenn sich sein Gegenüber allzu hartnäckig an Fehlüberzeugungen klammert. Manche Aussagen offenbaren erst »ad absurdum«, also auf die absurde Spitze getrieben, ihren Mangel an Korrektheit, und die Richtigkeit einer Definition wird erst deutlich durch die Folgen, die sich aus ihrer Akzeptanz ergeben.

Diese erste Stufe der sokratischen Methode ist somit die Ironie: Durch vorgetäuschtes Nichtwissen und entsprechende Fragen wird der Gesprächspartner zunehmend in Widersprüche verwickelt und kommt dadurch allmählich selbst zur Erkenntnis seines Nichtwissens. Als nächstes folgt die Methode der Induktion. Nachdem sich der Zuhörer seiner eigenen Unkenntnis bewusst ist, gilt es, gesichertes |20|Wissen aufzubauen. Dies geschieht durch eine genaue Analyse einzelner Beispiele aus dem täglichen Leben. Aus dieser Analyse werden allgemeine Schlussfolgerungen gezogen und vorläufige Ausgangsdefinitionen entwickelt. In der letzten Stufe werden diese Begriffsbestimmungen mit der Methode der Definition zunehmend verfeinert und eindeutig gegeneinander abgegrenzt. Am Ende des gesamten Prozesses stehen dann klare, universelle Definitionen der jeweiligen Begriffe.

Mit seiner Methodik legt Sokrates die Basis für eine philosophische und methodische Entwicklung, die letztendlich über viele Generationen von Philosophen hinweg zur Grundlage unserer westlichen Zivilisation wird.

Der Sokrates im Manager

»Wer fragt, führt!«, heißt es im Titel eines Seminars. Und die Veranstalter haben Recht: Die richtigen Fragen zur richtigen Zeit stellen zu können, ist ein entscheidender Erfolgsfaktor für jede Führungskraft. Das gilt nicht nur bei der Mitarbeiterführung, sondern auch für Meetings, Vorstandssitzungen und den Umgang mit Vorgesetzten. Jeder Manager tut gut daran, etwas von Sokrates in sich zu haben, wenn er Einfluss in seinem Umfeld gewinnen will.

Wir alle hören uns nur allzu gern reden. Dabei bringt Zuhören oft viel mehr. Ein guter Verkäufer weiß das: Dort, wo der Novize noch weiterplappert, handelt der Profi nach dem Motto »Schweigen ist Gold«. So mancher Kunde kann nur durch aufmerksames Hinhören und gezieltes Fragen aus der Reserve gelockt und gewonnen werden. Auf diese Weise können vorhandene Einwände ans Tageslicht geholt und entschärft werden; außerdem gewinnt man damit das Vertrauen seines Gegenübers.

Studien haben gezeigt, dass Menschen einen Gesprächspartner |21|für umso intelligenter und kompetenter halten, je mehr er sie selbst zum Reden bringt und reden lässt. Dies ist ein oft unbeachteter Aspekt im Umgang mit Vorgesetzten und Mitarbeitern. Aber nicht nur im Wirtschaftsleben ist dies ein wichtiger Aspekt von Führung und Motivation: Ob Eltern ihre Kinder zu besserem Verhalten motivieren wollen oder Lehrer sich darum bemühen, Schüler zum Lernen zu bewegen: Die Fähigkeit, genau zuzuhören und die richtigen Fragen stellen zu können, ist hier ein wesentlicher Erfolgsfaktor.

Die Kunst der richtigen Fragetechnik ist ein wichtiges Führungsinstrument. Es ermöglicht den Mitarbeitern ihr Wissen auf neue und unerwartete Art und Weise aktiv zu nutzen. Durch die Formulierung geeigneter Fragen kann ein Manager seine Mitarbeiter dazu bewegen, mittels ihres eigenen Wissens zu Entscheidungen zu kommen, die auch aus der Sicht des Managers die richtigen sind. Ein weiterer positiver Effekt dieser Methodik ist, dass Mitarbeiter, die an der Entscheidungsfindung beteiligt sind und selbst zu dem Schluss kommen, dass die getroffene Entscheidung die richtige ist, wesentlich motivierter sind, diese Entscheidung in der Praxis umzusetzen.

Die Bedeutung der Mitarbeitermotivation kann in dieser Hinsicht kaum überschätzt werden. Die Mehrzahl aller Managemententscheidungen scheitert nachweislich daran, dass die Mitarbeiter – also diejenigen, die diese Entscheidungen im Alltag umzusetzen haben – die Mitarbeit zumindest durch passiven Widerstand verweigern. Überzeugte Mitarbeiter sind in dieser Hinsicht immer noch die besten Repräsentanten des Managements. Als Teil der Unternehmenskultur führt ein offener Dialog auch dazu, dass die Entscheidungsfindung als fortlaufender Prozess verstanden wird, an dem sich alle nach bestem Wissen beteiligen und der eigentlich nie ein Ende, sondern in zunehmenden Verbesserungen seinen langfristigen Ausdruck findet.

Sokrates ist so sehr von der Bedeutung des Dialogs für die Wahrheitsfindung überzeugt, dass er angeblich deshalb konsequenterweise |22|keine eigenen Schriften seiner Lehren verfasst. Heute könnte letztendlich alles Wissen per Websites, Chatroom und E-Mails verbreitet werden. Trotzdem bestehen fast alle Wissenschaftler auf den Besuch von Kongressen, denn erst der persönliche Dialog, später nach den Veranstaltungen noch in kleinem Kreise weitergeführt, bringt oft den echten kreativen Durchbruch. Entsprechend sollte auch der persönliche Gedankenaustausch im Unternehmen gefördert werden.

»Klug ist, wer weiß, was er nicht weiß!Nur der ist weise, der weiß, dass er es nicht ist. Es ist keine Schande, nichts zu wissen, wohl aber, nichts lernen zu wollen.«

Sokrates ist aber nicht nur daran interessiert, andere zum Wissen zu führen. Er ist vor allem auch immer bemüht, sein eigenes Wissen kritisch zu hinterfragen. Für ihn sind Selbsterkenntnis und der Erwerb gesicherten Wissens das höchste Ziel. Dabei ist das Wissen, das er anstrebt von moralischer Qualität. Ihn interessiert beispielsweise mehr, was Loyalität ist, und wie man sie in unterschiedlichen Situationen zum Ausdruck bringt, als die Frage, wie weit etwa der Mond von der Erde entfernt ist. Und die Ethik ist für ihn keine Pflichtübung. Denn er ist fest davon überzeugt, dass richtiges Verhalten automatisch entsprechend positive Früchte für das eigene Leben mit sich bringen würde.

Seine Empfehlung an Menschen in Führungsverantwortung wäre deshalb gewesen, die eigenen Ansichten und Werte einer ständigen Überprüfung zu unterziehen und eine Organisationskultur zu entwickeln, die eine Ethik widerspiegelt, welche auf festen Unternehmenswerten fußt. Diese Kultur muss dann mit Mut und Durchsetzungskraft vor jeglichen Versuchen der Unterminierung geschützt werden und gegen interne und externe Versuchungen verteidigt werden, die diese Prinzipien missachten.

Wie die Skandale in Politik und Wirtschaft in letzter Zeit gezeigt |23|haben, ist es gerade heute, da alle Managemententscheidungen schnell ins Blickfeld einer kritischen Öffentlichkeit geraten können, ratsam, gewisse ethische Standards im Unternehmen zu etablieren und durchzusetzen – schon allein aus Eigeninteresse der Führung.

»Sei, was du scheinen willst!«

Nicht nur PR-Manager tun mittlerweile gut daran, diesen Rat zu befolgen und ihren Mitarbeitern und Kollegen ans Herz zu legen. Transparenz und Authentizität entwickeln sich zunehmend zu wichtigen Erfolgsfaktoren. Langfristig können wir in einer Informationsgesellschaft unsere wahren Absichten und unsere wahre Natur auf Dauer nicht verbergen. Deshalb ist eine echte Charakterentwicklung immer häufiger ein wichtiges Kriterium für die Karriere. Zudem können die unethischen Praktiken weniger Führungskräfte die gesamte Wirtschaft unterminieren. Der Erfolg ganzer Wirtschafträume hängt vom Vertrauen der Investoren und Konsumenten ab. Offensichtliche Vertrauenswürdigkeit wird damit auch zu einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung derjenigen, die politische oder wirtschaftliche Führungsverantwortung ausüben wollen.

»Vier Eigenschaften gehören zu einem Richter: höflich anzuhören, weise zu antworten, vernünftig zu erwägen und unparteiisch zu entscheiden.«

Entscheidungsträger müssen zuhören können, und sie müssen unparteiisch sein. Das ist gerade für erfolgsverwöhnte Manager ein schwieriges Unterfangen. Man ist leicht von der eigenen Meinung so sehr überzeugt, dass man sich erst gar keine andere anhört. Und es ist nicht leicht, die eigene Meinung angesichts anderer Ansichten objektiv zu relativieren. Kommt dann noch die Frage des Eigeninteresses ins Spiel, sehen sich viele Manager in der Zwickmühle. Nur die Besten stellen in dieser Situation das Wohl ihres Unternehmens |24|dann in den Vordergrund. Und nur die besten Unternehmen stellen sicher, dass solche unparteiischen Entscheidungen zu Belohnungen führen und nicht im innerbetrieblichen Ränkespiel einen Nachteil darstellen.

»Bedenke, dass die menschlichen Verhältnisse insgesamt unbeständig sind, dann wirst Du im Glück nicht zu fröhlich und im Unglück nicht zu traurig sein.«

»Denn das Wort ist wahr, dass ein Extrem regelmäßig das entgegengesetzte Extrem auslöst. Das gilt so beim Wetter, in unseren Körpern und erst recht bei den Staaten.«

Nichts ist so sicher wie die Veränderung. Entsprechend sollten wir uns gerade bei persönlichen oder unternehmerischen Höhenflügen besonders gegen potenzielle Rückschläge wappnen. Gerade in guten Zeiten haben wir die Gelegenheit, uns auf weniger günstige Zeiten vorzubereiten, indem wir uns entsprechende Rücklagen bilden. Erfolgreiche Manager arbeiten bereits an der nächsten Strategie, bevor die gegenwärtige den Zenit ihrer Effektivität erreicht hat. Das mag wie eine Binsenweisheit klingen, wird aber nur allzu oft übersehen. So werden die Marketingschlachten in den USA mittlerweile von großen Pharmaunternehmen im Gerichtssaal ausgefochten, weil man es schlichtweg versäumt hat, vor dem Auslaufen lukrativer Patente neue profitable Produkte zu entwickeln. Nun wird versucht, mit allerlei juristischen Tricks den alten Cash-Cows noch etwas Leben einzuhauchen, beispielsweise mit dem Argument, der Patentschutz müsse für teurere Entwicklungen verlängert werden. Aber Gesetze und Bestimmungen sind ein Teil des Wirtschaftslebens; keiner sollte sich daher auf ein vage, potenzielle Gesetzesänderung verlassen.

Im Grunde sind nach Sokrates in diesem Sinne alle Extreme gefährlich. Man kann sich nicht auf wenige herausragende Produkte oder eine erfolgreiche Strategie verlassen. Über kurz oder lang |25|kommt es zur Gegenreaktion der Konkurrenz, oder die gesamtwirtschaftlichen Umstände ändern sich. Deshalb muss vor allem in Zeiten des Erfolgs auf eine Offenheit für Veränderungen und eine vorsichtige Vorbereitung darauf geachtet werden.

»Rechtes Handeln folgt dem rechten Denken.«

Erfolg oder Misserfolg, ob im privaten oder gesellschaftlichen Bereich, ist oft eine Frage der eigenen Einstellung. Sokrates ist tief davon überzeugt, dass wir dort, wo wir klare und richtige Sichtweisen der Gegebenheiten entwickelt haben und entsprechend korrekte Schlussfolgerungen ziehen, zu erfolgreichem Handeln finden können. Deshalb ist ein ständiges kritisches Hinterfragen der eigenen Sichtweisen und Handlungen ein wesentlicher Schlüssel zur Vermeidung von Fehlentscheidungen und Fehlhandlungen.

Für diese, heute Selbstmanagement genannte Vorgehensweise, hat Sokrates auch schon Worte gefunden:

»Wenn wir alle unser Unglück auf einen gemeinsamen Haufen legten und dann jeder davon einen gleich großen Teil wieder an sich nehmen müsste, so würden die meisten Menschen zufrieden ihr eigenes Unglück zurücknehmen und davongehen.«

»Nichts zu bedürfen ist göttlich. Möglichst wenig zu bedürfen, kommt der göttlichen Vollkommenheit am nächsten.«

Eine gute Führungskraft hat ihre Begehrlichkeiten unter Kontrolle. Sokrates selbst war ja auch keineswegs ein Asket. Von ihm stammt übrigens auch der Ausspruch: Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen. Gerade Menschen mit viel Macht und Einfluss müssen sich aber besonders gegen allzu menschliche Schwächen wappnen, wenn sie ihre Position und soziale Stellung längere Zeit aufrechterhalten wollen.

|26|Sokrates selbst hat nicht nur so geredet, er hat auch danach gehandelt. Scheinbar unbekümmert verbringt er den letzten Tag mit seinen Freunden. Er verzichtet auf die Henkersmahlzeit, bei der andere Verurteilte stets noch essen, trinken und sich mit Frauen vergnügen. Und als ihm am Abend der Becher gebracht wird, trinkt er ihn ohne weitere Verzögerung aus. Sokrates will nicht vergeblich am Leben kleben und geht mit den Worten:

»Nun ist es Zeit wegzugehen: für mich, um zu sterben, für Euch, um zu leben. Wer von uns dem Besseren entgegengeht, ist jedem verborgen.«

Nicht jeder mag Sokrates’ Sichtweise teilen, der sich trotz der Ungerechtigkeiten, die ihm seine Heimatstadt zuteil werden lässt, weigert, ihr den Rücken zu kehren. Ohne Zweifel hat er mit seinem Beispiel nicht nur eine solide methodische, sondern auch ein ethische Grundlage für die weitere Entwicklung des westlichen Denkens gelegt. Und die Loyalität zu seiner Heimatstadt hielt Sokrates auch keineswegs davon ab, eine globale Perspektive einzunehmen:

»Ich bin kein Athener oder Grieche, ich bin Weltbürger.«

27
37
27
37
true

|27|PLATON 

FÜHRUNG als REALISIERUNG der IDEE

Platon (ca. 427 – 347 v. Chr.) nimmt unbestritten eine zentrale Rolle in der westlichen Philosophie ein. Seine Anhänger sind schnell bereit, ihn in aller Bescheidenheit als den bedeutendsten Philosophen der Geschichte einzustufen. Der britische Denker Alfred N. Whitehead geht so weit zu behaupten, die gesamte Geschichte der Philosophie bestehe »aus nichts anderem, als einer Reihe von Fußnoten zu Platon«. Platons Einfluss auf unser westliches Denken ist in der Tat enorm. Er war nicht nur Schüler von Sokrates, sondern auch Lehrer von Aristoteles. Bereits mit zwanzig Jahren traf Platon auf seinen langjährigen Lehrer Sokrates und war bis zu dessen Tod sein Lieblingsschüler.

Platon selbst stammt aus einem alten Adelsgeschlecht. Umso bemerkenswerter ist seine spätere Überzeugung, dass die Herrschenden idealerweise nach ihrer Denkfähigkeit und Charakterstärke und nicht etwa nach ihrer Herkunft ausgewählt werden sollten. Vor allem der Opportunismus der Athener Politiker, der letztendlich auch zum Schauprozess und Todesurteil für Sokrates führt, bewegt Platon dazu, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, welche Qualitäten eine gute Führungskraft auszeichnen.

Sämtliche veröffentlichte Schriften von Platon sind bis in unsere Zeit überliefert. Die meisten sind in Dialogform abgefasst mit der zentralen Figur Sokrates. Auf diese Weise hat uns Platon sowohl |28|die Ideale und die dialektische Methodik des Sokrates als auch seine eigenen Ideen und Konzepte überliefert.

Wesentliche Impulse auf die westliche Geistesgeschichte hatte die von Platon um 385 v. Chr. gegründete Akademie, die in veränderter Form und Zusammensetzung über 1000 Jahre Bestand hat. Zusammen mit der Überlieferung des sokratischen Dialogs hat sie die Grundlagen für die Art und Weise der westlichen Lehrmethoden gelegt.