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Was wäre, wenn du deinem Spiegelbild begegnest? Du ein neues Leben bekommst? Du stirbst und trotzdem lebst?
Als Susanne ihrer Doppelgängerin begegnet, hat sie keinen Mann, keine Arbeit, kein Geld. Und so lässt sie sich auf ein riskantes Spiel ein: Für ein fürstliches Honorar soll sie ein Wochenende lang in Nadias Rolle schlüpfen, damit diese sich mit ihrem Liebhaber treffen kann. Und tatsächlich scheint der Plan zu funktionieren: Nadias Mann merkt nicht, dass die Frau in seinem Bett eine andere ist. Viel zu spät wird Susanne klar, dass sie Teil einer Inszenierung ist, die in jedem Fall für sie oder Nadia tödlich enden muss …
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Seitenzahl: 738
FRAGENAN DIE AUTORIN
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, zwei Frauen, die sich zum Verwechseln ähnlich sehen, in die Rolle der jeweils anderen schlüpfen zu lassen?
Es ist lange her, da wurde ich eines Nachmittags von einer Bekannten etwas beleidigt angesprochen. Sie behauptete, wir hätten uns vormittags schon in einem Nahverkehrszug gesehen, ich sei aber wohl zu fein gewesen, sie zu grüßen, und habe sie ignoriert. Obwohl meine Arbeitskollegen bestätigten, dass ich zur angegeben Zeit am Platz war, wollte die Bekannte uns nicht glauben.
Das Wissen um eine Doppelgängerin hat mich all die Jahre beschäftigt. Es war sozusagen das Samenkorn der »Lüge«. Mit der Zeit wuchs daraus die Geschichte von Susanne und Nadia.
Könnten Sie selbst von einem Tag auf den anderen aus Ihrem Leben verschwinden und noch einmal von vorn anfangen?
Nein, das kann ich mir nicht einmal vorstellen. Im Gegensatz zu Susanne, die nur noch ihre Mutter hat, bin ich an so vielen Punkten sozial eingebunden, dass ein Netz aus Menschen, die mich sehr vermissen würden, mich in meinem Leben festhält.
Warum schreiben Sie immer über seelische Abgründe, die in jedem von uns unvermittelt aufbrechen könnten?
Unvermittelt brechen diese Abgründe ja gar nicht auf, das sieht für die Umgebung nur so aus. Ich beschreibe den Weg in den Abgrund, auf den jeder von uns durch Veranlagung oder widrige Umstände geraten kann. In vielen meiner Romane habe ich einfach nur meine eigenen Ängste beschrieben. Wenn ich den Teufel an die Wand male, kann ich ihn beherrschen.
ZURAUTORIN
Petra Hammesfahr wusste schon früh, dass Schreiben ihr Leben bestimmen würde. Mit siebzehn verfasste sie ihre ersten Geschichten, aber erst fünfundzwanzig Jahre später kam mit Der stille Herr Genardy der große Erfolg. Seitdem erobern ihre Spannungsromane die Bestsellerlisten, werden mit Preisen ausgezeichnet und erfolgreich verfilmt. Die Autorin lebt in der Nähe von Köln, wo auch ihr neuestes Buch An einem Tag im November spielt, das erstmalig im Diana Verlag erscheint.
PETRA HAMMESFAHR
Die Lüge
Roman
Überarbeitete Taschenbuchneuausgabe 12/2014
Copyright © 2003 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg
Copyright © 2014 by Diana Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Redaktion | Lisa Scheiber
Umschlaggestaltung | t.mutzenbach design, München
Umschlagmotiv |© Hayden Verry/Arcangel Images; Shutterstock
Satz | Leingärtner, Nabburg
Alle Rechte vorbehalten
ePub-ISBN 978-3-641-14637-5
www.diana-verlag.de
Prolog
Es war ein scheußlicher Anblick für den Jungen, der schon von viel Unmenschlichkeit gehört hatte. Aber nichts davon war in diesem Land geschehen, sondern da, wo seine Mutter herkam. Hier wurde keinem Mann die Hand abgehackt, weil er etwas gestohlen hatte, und keiner Frau die Finger, nur weil ihre Nägel lackiert waren. Keine Frau wurde bis zur Hüfte eingegraben und mit Steinen beworfen. Und Kinder konnten spielen, ohne ihre Beine oder gleich das ganze Leben zu verlieren. Es lief auch kein Junge Gefahr, von fanatisch religiösen Eiferern seiner Familie entrissen zu werden, um den Märtyrertod zu sterben. Der Junge fand das gut, er war gerne hier. Seine Schwestern durften ebenso zur Schule gehen wie er. Und nach der Schule durfte er sein, was er war, nur ein Junge, der gerne Fußball spielte.
Er verließ am Sonntag, dem ersten Dezember, die Wohnung, in der er mit seinen Eltern und seinen Schwestern lebte, mit einem Ball unter dem Arm und einer Tüte voll Müll in der Hand. Den Müll sollte er in einen der Container stecken, die neben dem Haus standen. Anschließend wollte er sehen, ob er ein paar Jungs fand, die mit ihm spielten. Doch das vergaß er dann.
Er schob den Deckel des Containers zurück und sah das Bündel Mensch zwischen dem Unrat liegen, schmutzig, blutig, angesengt, weggeworfen wie Abfall. Eine Frau, das erkannte er sofort, obwohl sie einen Anzug trug wie ein Mann. Aber seine Schwestern trugen auch Hosen und lackierten sich die Fingernägel.
Die Nägel der Frau im Container waren schwarz, wie auch die Knochen an beiden Händen, schwarz verbrannt. Ihr Kopf war deformiert und blutverkrustet, als hätte man sie mit Steinen beworfen. Sekundenlang starrte der Junge sie an, wollte schreien und konnte nicht. Seinen Ball und den Beutel voll Müll ließ er fallen, lief zurück zum Haus und sagte seiner Mutter, was er gesehen hatte. Seine Mutter folgte ihm ins Freie und überzeugte sich mit eigenen Augen, ehe sie einen Nachbarn herbeirief, der schließlich die Polizei alarmierte.
Wer die Frau im Container war und warum sie hatte sterben müssen, erfuhr der Junge nie. Die Polizei glaubte schon bald, es zu wissen, doch sie irrten sich.
1. Teil
Der 25. Juli war einer jener Sommertage, die nur bei eisgekühlten Getränken im Schatten einigermaßen erträglich sind. Susanne Lasko stand an diesem Donnerstag nervös und verschwitzt in der klimatisierten Eingangshalle des Gerler-Bürohauses vor einem der vier Aufzüge. Der Aufzug kam, die Tür glitt auf, und Susanne Lasko kam sich entgegen.
Die äußere Erscheinung der Frau, die so überraschend vor ihr auftauchte, war nicht völlig identisch mit ihrer. Sie hatte ihre Figur, ihre Größe, ihre Augen, ihren Mund. Es war ihr Gesicht– jedoch mit einem perfekten Make-up und umrahmt von einer modischen Frisur. Das Haar war von einem kräftigen Braun und kürzer, als sie selbst es sonnengebleicht bis auf die Schultern trug. Bekleidet war ihre Doppelgängerin mit einem hellgrauen Nadelstreifenkostüm und einer weißen Bluse.
Sie trug ebenfalls ein Kostüm, das dunkelgrüne, das sie vor zehn Jahren gekauft und zuletzt vor drei Jahren getragen hatte– anlässlich ihrer Scheidung von Dieter Lasko. Dazu mochte es gepasst haben. Zu einem Vorstellungsgespräch in einem renommierten Maklerbüro passte es weniger. Aber etwas Besseres hatte sie an diesem Morgen nicht aus dem Schrank nehmen können.
Bei der ersten Begegnung mit Nadia Trenkler hatte Susanne Lasko zwei Euro und zweiundsechzig Cent im Portemonnaie. Sie hatte nachgezählt, ehe sie aufbrach, um ihrem Leben neuen Auftrieb zu geben.
Im Januar hatte sie ihre Arbeit verloren. Es war keine reguläre Anstellung gewesen, deshalb konnte sie kein Arbeitslosengeld beantragen. Das Sozialamt um Hilfe zu bitten, verboten ihr Stolz und die Befürchtung, dass man ihren geschiedenen Mann auf ihre Lage aufmerksam machte oder sich an ihre Mutter hielt, die etwas Vermögen besaß, es jedoch für den eigenen Lebensabend brauchte und nicht erfahren sollte, in welch prekärer Situation sich die einzige Tochter befand.
Im Februar, März und April hatte sie ihre Ersparnisse aufgezehrt und unzählige Bewerbungen geschrieben– per Hand. Sie besaß nicht mal eine Schreibmaschine, von einem Computer ganz zu schweigen. Seit Mai unterstützte ihre Mutter sie nun, ohne es zu ahnen. Agnes Runge war misstrauisch gegen Fremde und selbst nicht mehr imstande, ihre Konten zu überwachen. Sie war infolge eines Diabetes erblindet, weil sie die Erkrankung aus Angst vor Spritzen lange Jahre unbehandelt gelassen hatte.
Nach dem Tod ihres Mannes war Agnes Runge finanziell gut versorgt gewesen. Sie hatte eine hohe Lebensversicherung ausbezahlt bekommen, das Haus verkauft, in dem Susanne aufgewachsen war, und sich in einem komfortablen Seniorenwohnheim eingemietet, wo sie optimal betreut wurde.
Die Verwaltung ihrer Alterssicherung hatte sie in die Hände der Tochter gelegt und vertraute darauf, dass Susanne ihr trotz Bankenkrise und Staatspleiten durch geschicktes Anlegen noch viele sorglose Jahre garantierte. Stattdessen bediente sie sich. Nicht üppig, wahrhaftig nicht! Sie wollte auch alles zurückzahlen, sobald sie dazu in der Lage war.
Fünfhundert Euro nahm sie pro Monat. Nach Abzug der Miete und weiterer Kosten, die eine Wohnung zwangsläufig verursacht, blieben ihr hundert für Lebensmittel und andere Notwendigkeiten wie Briefpapier, große Umschläge, Fotokopierkosten und Porto. Sie ernährte sich hauptsächlich von Nudeln, weil sie sich nicht dazu überwinden konnten, eine der Tafeln für Bedürftige aufzusuchen. Und sie musste sorgfältig abwägen, ob sie für längere Strecken die Straßenbahn nahm. Für den Weg zu Behringer und Partner hatte sie darauf verzichtet.
Sieben Kilometer zu Fuß durch die Hitze und die von Abgasen dicke Luft. Die Zunge klebte ihr am Gaumen, die Bluse klebte am Oberkörper, die Füße klebten in den schwarzen Pumps und schmerzten ein wenig. Es war erträglich, sie spürte es kaum, war bis zu der Sekunde, als die Aufzugtür zur Seite glitt, vollauf mit dieser großen Hoffnung beschäftigt gewesen.
Eine Einladung zum persönlichen Vorstellungsgespräch! Und das nach ihrer handschriftlichen Bewerbung, die den Leuten im Personalbüro wie eine Botschaft aus dem Mittelalter vorgekommen sein musste! Nur ein Mensch, der seit einem halben Jahr ohne eigenes Einkommen und schon seit zweieinhalb Jahren ohne Kranken- und Rentenversicherung war, der nach jeder Bewerbung seine Unterlagen entweder mit einem lapidaren Absageschreiben oder gar nicht zurückerhielt, konnte ermessen, was das bedeutete.
»Sind Sie jung, dynamisch und leistungsbereit?«, hatten Behringer und Partner in einer Zeitungsanzeige gefragt und erklärt: »Dann warten wir auf Sie! Wir bieten… Wir erwarten…«
Alt fühlte Susanne Lasko sich nicht mit ihren siebenunddreißig Jahren. Ihre Dynamik mochte in den letzten Monaten ein wenig gelitten haben. Aber leistungsbereit war sie– und lernfähig.
Sie lernte sogar sehr schnell und käme garantiert auch mit neuen Computerprogrammen zurecht, wenn man sie in Ruhe damit arbeiten ließ. Bei ihrer letzten regulären Anstellung– drei Wochen bei einer Versicherung– war sie an der neuen Windows-Version kläglich gescheitert, weil ein junger Kollege sie mit scherzhaften Ratschlägen versorgte statt mit nützlichen Tipps.
Und Fremdsprachen: Während ihrer Schulzeit hatte ein Lehrer festgestellt, dass sie über eine außergewöhnliche Sprachbegabung verfügte. Man setzte sie für eine halbe Stunde neben das Kind eines türkischen Gastarbeiters oder den Sprössling einer Familie, die aus dem Osten geflohen war, und schon konnte sie radebrechen oder sächseln, als hätte sie nie anders gesprochen.
Das reichte natürlich nicht für eine Verständigung im geschäftlichen Bereich. Das bisschen Schulenglisch, das die Jahre überdauert hatte, würde ihr auch nicht wirklich weiterhelfen. Und von ein paar Redewendungen abgesehen, besaß sie gar keine Kenntnisse der französischen Sprache, die bei Behringer und Partner ebenfalls Voraussetzung waren.
Das hatte sie in ihrem ausführlichen, um nicht zu sagen schonungslos offenen Bewerbungsschreiben auch mitgeteilt– ohne allzu große Erwartungen. Dass man sie trotzdem einlud, berechtigte wohl zu großen Hoffnungen. Dass man sie möglicherweise nur kennenlernen wollte, um ein Relikt aus einer untergegangenen Epoche näher in Augenschein zu nehmen, zog sie nicht in Betracht. Der Gedanke war ihr noch gar nicht gekommen.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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