Die Mächte der Moria (Die Mächte der Moria 1) - Zoraida Córdova - E-Book
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Die Mächte der Moria (Die Mächte der Moria 1) E-Book

Zoraida Cordova

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Beschreibung

Teil 1 einer atmosphärisch dichten Fantasy-Dilogie, die alle Fans von Sarah J. Maas begeistern wird! Renata besitzt die am meisten gefürchtete Gabe der magischen Moria: Sie kann Erinnerungen stehlen. Als Kind wurde sie deshalb an den Hof des Königs gebracht, um politische Gegner auszuschalten. Jetzt kämpft sie selbst in den Reihen der Rebellen gegen die Krone. Kann Renata sich von der Schuld ihrer Vergangenheit befreien? Als der Anführer der Moria und Renatas Geliebter Dez vom Prinzen entführt wird, muss sie an den Hof zurückkehren und Dez' Mission beenden. Doch je tiefer sie dort in die Machenschaften verstrickt wird, desto mehr erfährt sie über ihre eigene Vergangenheit – und deckt ein Geheimnis auf, mit dem sie das Schicksal des Königreichs verändern kann. Ein spannender Konflikt in einem fantastischen historischen Setting, eine Prise Romantik und ganz viel Magie – dieses Fantasy-Epos wird dich in seinen Bann ziehen!

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Zoraida Córdova

Die Mächte der Moria

Aus dem Englischen von Barbara Imgrund

Renata besitzt die am meisten gefürchtete Gabe der magischen Moria: Sie kann Erinnerungen stehlen. Als Kind wurde sie deshalb an den Hof des Königs gebracht, um politische Gegner auszuschalten. Jetzt kämpft sie selbst in den Reihen der Rebellen gegen die Krone. Als deren Anführer und Renatas bester Freund und Geliebter Dez vom Prinzen entführt wird, muss sie an den Hof zurückkehren und Dez' Mission beenden. Doch je tiefer sie dort in die Machenschaften verstrickt wird, desto mehr erfährt sie über ihre eigene Vergangenheit – und deckt ein Geheimnis auf, mit dem sie das Schicksal des Königreichs verändern kann. Wird sie aber auch Dez wiedersehen?

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Leseprobe: Ein Kleid aus Seide und Sternen

PARA JEANNET Y DANILO MEDINA

DIE JUSTIZ DES KÖNIGS

BEFEHL #1

Auf Befehl von König Fernandos Arm des Gesetzes, den Wächtern des Tempels des Vaters der Welten, den Geschworenen der Wahrheit und Kriegern des Immerwährenden Friedens, wird den Bürgern von Puerto Leones untersagt, den Moria – Flüchtlingen, Mördern und Verrätern der Krone – Unterschlupf zu gewähren. Wer Kenntnis von diesen Beschwörern unnatürlicher Magie hat, muss sich bei den Streifen melden. Ihm wird Gnade widerfahren. Der Wille des Königs geschieht.

Bestätigt von Richter Méndez

Königreich Puerto Leones

Jahr 28 der Herrschaft Seiner Majestät König Fernando

Jahr 305 nach der Eroberung im Dritten Zeitalter von Andalucía

DAS LIED DES GRABRÄUBERS

Ein Moria-Grab hab ich geschändet, zu suchen Trophäen:

Zwei silberne Augen, in deinen Kopf zu spähen.

Drei goldene Finger, Illusionen zu beschwören!

Ein kupfernes Herz, die Sinne zu betören.

Und vier Platinadern, das Vergangene zu bannen, zu zerstören!

Ein Moria-Grab hab ich geschändet!

PROLOG

JAHR 317 NACH DER EROBERUNG

Celeste San Marina schaufelte in jener Nacht ein Grab.

Die Dürre hatte den Erdboden in Esmeraldas hart wie Stein werden lassen, und jedes Mal, wenn die Schaufel darauf traf, schoss Pein ihre Arme hinauf, sodass ihre Muskeln zuckten und ihre Knochen schmerzten. Doch sie hörte nicht auf zu graben, und Staub verklebte mit den schweißigen Rinnsalen, die ihre wettergegerbte, braune Haut hinunterflossen.

Der Halbmond versteckte sich hinter dichten Wolken. Sie wollten sich einfach nicht auflösen, Licht spendete einzig die ersterbende Flamme der Öllampe neben dem Leichnam, der in ein Leintuch gewickelt war. Celeste stieß die Schaufel wieder und wieder in die Erde und hörte erst auf, als die eine wie die andere Hand voller Blasen und rot war und das Loch tief genug für den leblosen Körper. Sie sank neben ihm auf die Knie.

»Du hättest etwas Besseres verdient, Rodrigue«, sagte die Herrin der Spione, wobei ihre Stimme zitterte. Wäre sie vorgewarnt gewesen, hätte sie mehr Hilfe gehabt, so hätte sie ihm das traditionelle Begräbnis gewähren können. Doch in Zeiten wie diesen war ein namenloses Grab alles, was sie hatten.

Sie griff an seinen Hals und schnitt die Lederschnur durch, an der sein Almanstein hing, der kümmerliche Rest von Rodrigues Erbe. Sie ließ den schartigen weißen Kristall in die Innentasche ihrer grauen Tunika gleiten. Der Stein kam unmittelbar über ihrem Herzen zu liegen, neben einer einzelnen Glasphiole, die auch jeder andere Moria-Spion im Königreich bei sich trug. Wie viele Geheimnisse würde sie noch sammeln müssen, bevor sie sich ausruhen konnte?

Ausruhen war in dieser Nacht ausgeschlossen. Mit aller Kraft schob Celeste die Leiche in das vorbereitete Grab und machte sich daran, den Hügel aus Erde darüberzuschaufeln.

Wieder ein toter Moria. Wieder ein toter Rebell.

Das Pferd wieherte und trat nach den Schatten, während Celeste Lampe und Schaufel aufhob. Sie musste vor Sonnenaufgang zurück im Dorf sein. Sie saß auf und grub die Fersen in die Flanken des Pferdes. Der Wind peitschte ihr Gesicht, die Hufe wirbelten eine Staubspur auf, und zu allem funkelten die Sterne über ihr.

Eine Hand fest um die Zügel geschlossen, tastete Celeste wieder und wieder nach Rodrigues Almanstein in ihrer Tasche. All ihre Hoffnungen und die Zukunft ihres Volkes steckten in diesem kleinen Stein aus einer der Minen, die tief in die Berge des Reichs getrieben worden waren. Früher waren Almansteine entlang der Klippen von Memoria zuhauf auf der blanken Erde gelegen. Nun waren sie so selten wie Wunder geworden. Einst hatte man die Steine dazu verwendet, Tempel und Statuen der Göttin zu errichten, und Künstler aus den angrenzenden Ländern hatten sie zu atemberaubenden Juwelen und Reliquiaren geschliffen. Doch für die Moria, die mit den Kräften der Herrin der Schatten begabt waren, war der Alman stets viel mehr als nur ein Edelstein gewesen. Seine Prismen verwandelten die Welt in lebendige Erinnerung. Rodrigues Informationen waren es wert, für sie zu sterben. Celeste musste daran glauben.

Sie betete zu Unserer Herrin der Flüsterer, dass dies der Tag war, an dem Hilfe kommen würde. Es war nun genau acht Tage her, seitdem sie den Boten zu den Flüsterern gesandt hatte, und neun Tage, seitdem Rodrigue halb tot auf ihrer Schwelle erschienen war, mit Neuigkeiten, die so erschreckend waren, dass sie selbst an ihr verhärtetes Herz rührten. Rodrigue hatte fast einen Monat lang die Folter des Arms des Gesetzes überlebt und dann noch die Reise aus der Hauptstadt. Allein das konnte jeden wahnsinnig werden lassen – konnte ihn dazu bringen, Dinge zu sehen.

Aber falls es tatsächlich wahr war …

Dem Königreich hätte kein übleres Schicksal blühen können. Die Welt wäre gezwungen, sich Puerto Leones zu beugen. Sie trat ihrem Pferd kräftiger in die Seiten und hielt die Zügel ebenso stramm, wie sie ein- und ausatmete.

Schließlich hatten die Hufe des Tiers wieder den Schotter der Hauptstraße von Esmeraldas unter sich. Das Dorf schlummerte noch, doch sie mied den Marktplatz, denn das Getrappel auf den Pflastersteinen hätte ihre Nachbarn geweckt. Trotz der Dunkelheit konnte sie das Gefühl nicht abschütteln, beobachtet zu werden.

Celeste stieg ab und brachte das Pferd in den kleinen Stall. Sie musste es nun nur noch bis zur Tür schaffen, dann wäre sie in Sicherheit im Haus ihrer Gastgeber.

Sie schlich durch die Dornbüsche in der Hoffnung, dass Emilia nicht auf ihren Schlaf verzichtet hatte, um auf sie zu warten. In den vielen Jahren als Herrin der Spione für die Flüsterer hatte Celeste einige Orte ihr Zuhause genannt, aber niemand hatte sie mit so offenen Armen aufgenommen wie Emilia Siriano und ihre Familie. Sie kannten sie als Celeste Porto, Witwe, Hebamme, Hauswartin. Obwohl die Familie sich an ihre Schlaflosigkeit gewöhnt hatte, hatte Celeste sie niemals in Schwierigkeiten gebracht. Sobald der Tag anbrach, würde sie erklären müssen, warum Rodrigue nicht auf dem Friedhof begraben werden konnte und warum es keine Angehörigen gab, die die Herausgabe seines Leichnams einfordern würden. Celeste und die Flüsterer waren die einzige Familie, die er hatte.

Celeste steckte ihren Schlüssel in die Hintertür zur Küche und hielt lauschend inne. Einzig das trockene Knistern von Feuer und das Rascheln ihres Umhangs durchbrachen die Stille, als sie ins Haus schlüpfte. Die rote Glut des Herdfeuers verbreitete ein warmes Licht. Celestes Knochen schmerzten, so sehr sehnten sie sich nach Schlaf, doch die Sirianos würden bald aufstehen. Die Nächte in Esmeraldas waren für gewöhnlich um diese Jahreszeit nicht so kühl, aber ihr war jeder Vorwand recht, um Feuer machen und ihre Hände mit einfachen Aufgaben beschäftigen zu können. Das und ihre Kunstfertigkeit, vollkommene Brotlaibe zu backen, waren die Geschenke, die sie in dieses Haus brachte.

Ein Anflug von Rauch vermischte sich mit der süßen, nach Gras duftenden Brise, die durchs Fenster hereinkam, während Celeste ihr ausgekühltes Gesicht am Herdfeuer wärmte. Die Flammen verschlangen den Fidibus und leckten schon an den Rändern der getrockneten Holzscheite. In Augenblicken wie diesen war es ganz leicht, selbst zu glauben, dass sie nur eine Hausmagd war und ein einfaches Leben führte. Aber nach jahrzehntelangem Versteckspiel vor aller Augen wollten ihre Sinne ihr keine Ruhe gönnen. Sie nahm zwei Duftnoten wahr, die noch nicht da gewesen waren, als sie aufgebrochen war – Salböle und ungewaschene Leiber. Sie erinnerte sich gut, dass sie alle Fenster und Türen geschlossen hatte, bevor sie Rodrigue nach draußen geschleift hatte.

Sie erstarrte.

»Celeste San Marina«, sagte eine klare, schneidende Stimme, während das wachsende Feuer allmählich die dunklen Winkel des Raums erhellte. Ein Mann erhob sich mit tödlicher Geschmeidigkeit von einem Stuhl. »Ich hatte gehofft, dass sich unsere Wege wieder kreuzen würden.«

Celeste hielt den Atem an. Obwohl er nur eine zerknitterte weiße Tunika und eine braune Reithose trug, hätte sie sein königliches Gesicht überall erkannt. König Fernandos letzter überlebender Sohn. Man hieß ihn so vieles, aber man sprach nie seinen Namen aus, aus Angst, es könnte ihn irgendwie herbeizaubern, gleichgültig, wann und wo.

Príncipe Dorado.

Der Blutige Prinz.

Der Zorn des Löwen.

Matahermano.

Als er nun im trüben Licht einen Schritt auf sie zu machte, erkannte sie in ihm fast den Geist jenes Kindes, das er während ihrer Zeit im Palast gewesen war – ein neugieriger Junge mit goldenem Haar. Ein Junge, der zu jemandem heranwachsen sollte, der noch schlimmer als sein Vater war.

Sie hatte ihn immer nur Castian genannt.

Bevor Celeste davonlaufen konnte, machte der Prinz eine Handbewegung, und zwei Soldaten sprangen vom Gang herein. Einer von ihnen umschloss ihre Kehle mit seiner fleischigen Hand. Der zweite blockierte die Küchentür.

»Wir können das hier einfach halten«, sagte Castian. Seine Stimme klang tief und ruhig, als er zu ihnen trat. Er streifte die feinen Lederhandschuhe ab, unter denen Hände zum Vorschein kamen, die nicht zu einem Prinzen gehörten. Hornhaut und vernarbte Knöchel von der jahrelangen harten Ausbildung und den Kämpfen. »Sag mir, wo er ist, und ich sorge dafür, dass dein Tod schnell und schmerzlos ist.«

»Das Leben unter der Herrschaft Eurer Familie vergeht weder schnell noch schmerzlos.« Celeste sprach langsam, mit heiserer Stimme. Sie hatte auf diesen Tag des Wiedersehens gewartet. »Ich würde nicht darauf vertrauen, dass der Zorn des Löwen sein Wort hält.«

»Nach allem, was du getan hast, willst du die sein, die mir nicht vertraut?«

Die Küche schien in der Gegenwart des Prinzen zu schrumpfen. Celeste konnte seine Stimmung in der Luft spüren. Seine Wut war eine bittere Tinktur, die sie ins Verderben stürzen würde. Aber das wusste sie schon seit Langem. Alles, was sie für die Rebellen tun konnte, war, standhaft zu bleiben und ihre Geheimnisse hinter den Schleier mitzunehmen.

Die Finger des Soldaten gruben sich in ihre Luftröhre, und sie rang nach Atem und trat um sich. Jeder Muskel und Knochen in ihrem Körper schmerzte vom stundenlangen Graben und den durchwachten Nächten seit Rodrigues Eintreffen. Ihr Blick huschte zur geschlossenen Schlafzimmertür der Siriano-Familie. Was hatten der Prinz und seine Männer ihnen angetan?

Dann kam ihr ein schrecklicher Gedanke.

Hatten die Sirianos, die ihr Anstellung und Obdach gegeben und an Frieden unter allen Völkern in Puerto Leones geglaubt hatten, sie verraten, nachdem sie vorhin gegangen war? Es zerriss ihr fast das Herz, das ohnehin schon Mühe hatte zu schlagen. Sie wollte – musste – so dringend atmen.

Sie schob jeden Gedanken an Verrat beiseite und konzentrierte sich auf den Almanstein, der noch immer in ihrer Innentasche steckte. Sie durfte nicht zulassen, dass er gefunden wurde. Deshalb schlug sie nach den Händen des Soldaten und kratzte die Haut auf, die zwischen Ärmel und Handschuh frei lag. Sie mühte sich verzweifelt, etwas zu sehen, während ihr schwarz und schwärzer vor Augen wurde.

»Genug.« Der Prinz hob die Hand, und der Soldat ließ sie los. »Tote reden nicht.«

»Das zeigt, wie viel Ihr über die Toten wisst«, krächzte Celeste und fiel auf die Knie. Sie stützte sich auf dem kalten Steinboden ab, um ihr Gleichgewicht wiederzufinden, und hustete. Sie brauchte Zeit zum Nachdenken, doch der Prinz war nicht gerade für seine Geduld berühmt. Sie starrte ins Feuer, um wieder klar zu sehen. Bevor Rodrigue seinen Verletzungen erlegen war, hatte sie ihm versprochen, alles, was nötig war, zu tun, um seinen Almanstein zu den Flüsterern zu schaffen. Sie hätten hier sein müssen. Es sei denn, der Prinz war deshalb im Dorf, weil er sie bereits gefangen genommen hatte.

Zum ersten Mal ging der Herrin der Spione auf, dass sie vielleicht niemals Ruhe finden würde. Jedenfalls nicht in diesem Leben. Ihr alternder Körper taugte nicht zum Kämpfen. Alles, was sie hatte, waren die Glasphiole und ihre magischen Kräfte.

Die zusammengekniffenen Augen auf den Prinzen geheftet, drehte sie den breiten Kupferring an ihrem Mittelfinger. Sie fühlte sofort die Macht ihrer Magie durch ihre Adern pulsen, als das Metall ihrer Überredungskunst neue Kraft verlieh. Ein urtümliches Sirren erfasste jeden Zentimeter ihrer Haut und stieg auf in die Luft, die so drückend wurde, dass dem Soldaten der Schweiß auf die Stirn trat. Ihre Gabe war so alt wie die Zeit – alt wie die Bäume, alt wie die Minerale und Metalle, die die Kraft in ihren Adern stählten –, und sie wollte entfesselt werden. Celeste tastete nach den schwächsten Gefühlen im Raum. Die Wachen. Es war leicht, ihre wachsende Angst vor Celeste anzuzapfen. Ihre Muskeln und Sehnen krampften und machten sie bewegungsunfähig. Doch der Prinz befand sich knapp außer Reichweite. Er musste ihr näher kommen. Nah genug, dass sie ihn berühren konnte.

»Den Sternen sei Dank, dass Eure liebe Mutter nicht mehr am Leben ist, damit sie nicht sehen muss, was aus Euch geworden ist«, sagte Celeste.

Genau wie sie es beabsichtigt hatte, kam der Prinz auf sie zu. Sie verstärkte ihre Magie. Schweiß rann die feinen Wangenknochen des Prinzen herab, dort, wo eine sichelförmige Narbe ihn gezeichnet hatte. Da erst sah Celeste San Marina Prinz Castian in die Augen, die so blau waren wie die See, nach der er benannt war, und stellte sich ihrem größten Albtraum.

»Wage es ja nicht, von ihr zu sprechen.« Er schlug ihr grob die Hand über den Mund.

Sobald er sie berührte, handelte Celeste blitzschnell. Ihre Magie fuhr wie eine Windbö aus ihrem Körper in seinen. Sie schloss die Augen und suchte nach einem Gefühl, das sie packen konnte – Mitleid, Hass, Wut. Wenn sie nur das, was den jungen Prinzen so grausam machte, zu fassen bekäme, dann könnte sie es aus ihm herausziehen und ersticken.

Mit ihren Persuári-Fähigkeiten konnte sie einen Bruchteil jedes erdenklichen Gefühls, das jemand hegte, ergreifen und auf ein Vielfaches erweitert zum Leben erwecken, sodass der Betreffende danach handelte. Sie kannte alle Farben, die die Seele eines Menschen ausmachten – sternenweiße Hoffnung, schlammgrünen Neid, granatapfelrote Liebe. Doch als sie sich auf den Prinzen konzentrierte, sah sie nur mattes, trübes Grau.

Er riss die Hand von ihrem Gesicht, und sie versuchte keuchend, wieder zu Atem zu kommen. Ihre Gedanken wirbelten durcheinander. Die Gefühle jedes Menschen drückten sich in Farben aus. Grau war jenen vorbehalten, die aus der Welt schieden und ins Nichts verblichen. Warum war er anders? Ihr war nichts bekannt, das die Kräfte der Moria hätte abwehren können. Ihre Magie zog sich zurück, und sie sah sich gezwungen, den Griff um die wie versteinerten Wachen zu lockern. Sie fielen auf die Knie, aber nach einer einzigen Geste ihres Befehlshabers erhoben sie sich wieder zur Habachtstellung.

Das Lächeln des Prinzen war bösartig in seinem Triumph. »Hast du wirklich gedacht, ich würde dir noch einmal gegenübertreten, ohne Vorsichtsmaßnahmen gegen deine Magie zu ergreifen?«

»Was habt Ihr Euch selbst nur angetan, Castian?«, stieß Celeste hervor, ehe rohe Hände sie bei den Schultern packten und zu dem kleinen Holztisch vor dem Herdfeuer zerrten. Der Soldat warf sie auf den Stuhl und hielt sie dort fest.

»Ich bin das, wozu du mich gemacht hast«, erwiderte Castian leise, sodass nur sie es hören konnte. Sie atmete seinen Zorn ein. »Ich träume schon so lange davon, dich zu finden.«

»Ihr werdet uns nicht alle finden. Das Reich Memoria wird wiederauferstehen.«

»Genug von deinen Zauberkunststücken und Lügen!« Er betonte jedes einzelne Wort, als enthüllte er eine bedeutungsvolle Wahrheit. »Ich weiß alles, was du getan hast.«

»Ihr könnt gar nicht alles wissen, was ich je getan habe, Prinzchen.« Sie wollte mit ihm spielen. Damit er begriff, dass sie weder ihn noch den Tod fürchtete.

»Was will ein Prinz mit einer kleinen Ausreißerin? Oder ist die Armee des Königs schon so dezimiert, dass er mitten in der Nacht sein einziges noch lebendes Kind schicken muss? Ich dachte, Ihr liebt Hinrichtungen vor Publikum.«

»Ich liebe gar nichts!«, schrie der Prinz. Seine Wut brannte lichterloh wie eine Lunte. »Wo ist er?«

»Tot«, stieß Celeste hervor. »Rodrigue ist tot.«

Castian knurrte verdrießlich und brachte sein Gesicht nah an ihres. »Nicht der Spion. Dez. Ich will Dez.«

Celeste knirschte mit den Zähnen. Ihre Magie konnte ihr nicht mehr helfen. Sie hatte die Rebellion vor acht Jahren, Gefängnis und jahrzehntelanges Verstecken und Spionieren in ganz Puerto Leones überlebt. Aber sie wusste, dass sie Prinz Castian nicht überleben würde. Solange der Almanstein in Sicherheit blieb, konnte sie ihren Frieden damit machen. »Wenn Ihr alles wüsstet, was ich getan habe, mein Prinz, dann solltet Ihr wissen, dass ich Euch nie etwas verraten würde.«

In ihrem Herzen gab es keinen Platz für Reue. Dort gab es nur die Sache der Flüsterer, und alles Schreckliche, was sie je zum Wohl ihres Volkes getan hatte, hätte sie immer und immer wieder getan.

Prinz Castian verschränkte die Arme. Ein amüsiertes Lächeln umspielte seine Lippen, als sich die Tür zur Küche öffnete. »Vielleicht verratet Ihr es ja ihr.«

Celeste gefror das Blut in den Adern, als ein weiterer Soldat mit einer jungen Frau durch die Küchentür hereintrat. Die Herrin der Spione hatte Mühe, die grüne Blässe der olivfarbenen Haut der Frau einzuordnen. Sie wirkte ausgemergelt, als hätten Blutegel sie ausgesaugt. Als Celeste das Mädchen erkannte, sammelten sich in ihren Augen Tränen, die sie längst für ausgetrocknet gehalten hatte. Sie wusste, wer diese Frau war.

Lucia Zambrano, eine Gedankenleserin der Flüsterer, die bekannt war für ihre hellbraunen Augen und ihr bezauberndes Lachen, das es einem so leicht machte, sich in sie zu verlieben, wie Rodrigue es getan hatte. Rodrigue, dessen Graberde noch immer unter Celestes Fingernägeln saß. Zu Lucias rascher Auffassungsgabe passte ihr flinker Schritt, was beides hilfreich gewesen war, wenn sie für Celeste in Citadela Crescenti spioniert hatte. Celeste hatte von Lucias Gefangennahme während einer Durchsuchung erfahren, und nach Rodrigues Erzählungen über das, was in den Verliesen geschah, hatte sie das Schlimmste befürchtet.

Damals hatte sie geglaubt, dass das Schlimmste, was den Moria widerfahren konnte, ein langsamer, qualvoller Tod war.

Der König hat jetzt ein Schicksal entdeckt, das schlimmer als der Tod ist, dachte Celeste, unfähig, den Blick von Lucia abzuwenden. Ihre Augen waren leer, wie ein Haus, in dem man sämtliche Lichter gelöscht hatte. Ihre Lippen waren aufgesprungen, in den Mundwinkeln hatte sich ein weißer Film abgesetzt. Über Lucias Knochen und Adern spannte sich zu straff die Haut.

»Komm näher, Lucia«, sagte Castian.

Die Bewegungen des Mädchens wirkten wie gelenkt von der Stimme des Prinzen. Sie machte langsame Schritte, wobei ihre toten Augen auf das Herdfeuer hinter Celeste gerichtet waren.

»Was habt Ihr mit ihr gemacht?«, fragte Celeste leise.

»Was mit allen Moria gemacht wird, wenn du mir nicht sagst, was ich wissen will.«

Die Erkenntnis dröhnte durch ihren gesamten Körper: Rodrigue hatte recht gehabt. Rodrigue hatte recht gehabt. Rodrigue hatte recht gehabt. Wie sollte sie nun den Almanstein beschützen? Castian war aus irgendeinem Grund gefeit gegen ihre Magie, aber sie konnte es immerhin mit den Wachen versuchen. Und dann was? Sie würde an den Posten auf der Brücke nicht ohne Reisedokumente vorbeikommen. Sie musste hierbleiben, damit die Flüsterer sie finden konnten – selbst, wenn sie nicht mehr am Leben war.

»Das wird auch dein Los sein, es sei denn, du verrätst mir, wo Dez ist«, sagte Castian, lauter jetzt, ungeduldig.

Einen Augenblick lang huschten Celestes Augen zu der geschlossenen Tür, hinter der die Sirianos schliefen. Nein, niemand konnte bei diesem Lärm schlafen. Sie waren tot. Oder sie hatten sie im Stich gelassen.

Celeste drehte sich der Magen um, denn es spielte nun keine Rolle mehr. Es blieb kein Ausweg, und das Wissen um das, was sie zu tun hatte, ergriff Besitz von ihr. Sie hatte kaum Zeit, sich abzuwenden, bevor sie sich übergab. Der Soldat fluchte und schüttelte das Erbrochene von seinem Ärmel. Doch ein Blick zum Príncipe Dorado, und er umklammerte mit der anderen Hand umso fester Celestes Schulter.

»Ich werde nicht noch einmal fragen«, sagte der Prinz. Sein Gesicht war eine bösartige Maske, nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt. »Ich werde dieses Dorf bis auf die Grundmauern niederbrennen, mit dir darin.«

Celeste wusste, dass sie einen einzigen Augenblick hatte, um das Richtige zu tun. Alles, was sie tun musste, war, den Almanstein zu verstecken, sodass ein anderer Moria ihn finden konnte. Illans Spitzel waren gerissen, und wenn sie es nicht waren, würde sie zu Unserer Herrin der Schatten um eine führende Hand beten. Sie würde kämpfen, bis sie nicht mehr kämpfen konnte – aber sie würde sich nicht lebendig gefangen nehmen lassen.

Trotz des Schmerzes – trotz der Galle, die sich auf ihrer Zunge sammelte und ihre Luftröhre zu verstopfen drohte – begann Celeste endlich zu lachen.

Ein Augenblick, ein Leben.

Sie wünschte, sie hätte den Flüsterern mehr zu geben.

Der Prinz packte sie mit der Faust am Schopf und zerrte sie weg von dem Soldaten. »Du lachst über das Schicksal deiner Leute?«

Blinzelnd, um wieder einen klaren Blick zu bekommen, sah Celeste den Prinzen an. »Ich lache, weil Ihr nicht gewinnen werdet. Wir sind eine Flamme, die niemals ausgeht.«

Dann rammte sie dem Prinzen ihre Stirn ins Gesicht.

Er ließ sie los, um sich an die blutige Nase zu fassen.

In diesem Augenblick war sie frei, rollte sich ab über den Boden, und schnell tasteten ihre Finger nach dem, was sie versteckt über dem Herzen trug. Der Wachposten stürzte sich auf sie. Sie ergriff die Öllampe auf dem Tisch und schleuderte sie ihm entgegen. Das Glas zerbrach klirrend an seiner Brust, und er brüllte, als das Feuer auf seine Kleidung übersprang, die zum Schutz vor Magie eingeölt war.

Es war eine hässliche Art zu sterben, doch ihr Los würde das nicht sein. Sie zog den Glasbehälter aus der Tasche ihrer Tunika und hielt ihn hoch, sodass der Prinz ihn sehen konnte.

»Du bist wahnsinnig!«, rief der Prinz, während er mit schweren Schritten auf sie zukam, um ihr Einhalt zu gebieten.

Celeste flüsterte ein Gebet zu ihrer Herrin. Vergib mir. Vergib mir für meine Vergangenheit. Heiße mich endlich willkommen.

Sie schluckte die Flüssigkeit, die sich in der Phiole befand, und steckte sich den Stein, den sie mit ihrem Leben beschützen wollte, in den Mund. Sie ergab sich der Betäubung des Gifts, das durch ihren Körper rauschte, einer Kälte, die sie nur dann gespürt hatte, wenn sie als kleines Mädchen in den Bergseen in der Nähe ihres Elternhauses geschwommen war. Als sie ihre Augen schloss, konnte sie wieder dieses tiefblaue Wasser sehen, die Ruhe des stundenlangen Dahintreibens fühlen, aber sie hörte noch immer, wie der Prinz ihren Namen rief, die Schreie der Wachen, das Knistern der Flammen.

Celeste San Marina schaufelte in der Morgendämmerung ein zweites Grab.

Ihres war aus Feuer.

1

Nach einer Weile riechen alle brennenden Dörfer gleich.

Von einem Hügel aus sehe ich dabei zu, wie das Feuer das Bauerndorf Esmeraldas verschlingt. Holzhäuser und Lehmdächer. Heuballen mitten in einem Meer aus goldenem Gras. Gemüsegärten mit reifenden Tomaten, Thymian- und Lorbeerbüscheln. Alles ganz gewöhnlich in Puerto Leones, aber hier, in der östlichen Provinz des Königreichs, frisst sich das Feuer noch durch etwas anderes: Kamille.

Die trügerisch bittere Blume mit dem gelben Herzen und dem weißen Kranz aus spitz zulaufenden Blütenblättern wird für ihre heilenden Eigenschaften nicht nur in unserem Reich gepriesen, sondern auch in den Ländern jenseits der Castinianischen See, und sie sorgt für einen nie versiegenden Strom an Gold und Lebensmitteln in diesem winzigen Winkel des Landes. In Esmeraldas, wo die manzanilla so wild wächst, dass sie ganze Felder überwuchert, legt sich ihre Süße kurzzeitig über den beißenden Geruch von handgesponnener Wolle und von Lumpenpuppen, die von den Dörflern auf ihrer hastigen Flucht vor den Flammen auf den Schotterwegen zurückgelassen wurden.

Aber nichts kann den Gestank brennenden Menschenfleischs überdecken.

»Allmutter«, beginne ich den Segen, Worte, die die Moria benutzen, wenn sich jemand von diesem Leben ins nächste aufmacht. Aber ich erinnere mich an das Flackern eines anderen Feuers, an Schreie und Weinen und Hilflosigkeit. Eine unsichtbare Faust drückt meine Kehle zusammen. Mit tiefen Atemzügen versuche ich, mich zu beherrschen, doch die Worte wollen mir immer noch nicht über die Lippen kommen. Deshalb denke ich sie stattdessen: Allmutter, segne diese Seele und geleite sie in das weite unbekannte Reich.

Ich wende mich von den Flammen ab, rechtzeitig genug, um Dez hinter mir auftauchen zu sehen. Seine honigbraunen Augen betrachten, was sich unter uns abspielt. Seine gebräunte Haut ist noch schmutzig von jener letzten Krabbelei durch den Wald, der im Norden an Esmeraldas grenzt. Er fährt sich mit den Fingern durch das dichte, wirre schwarze Haar, und seine breite Brust hebt und senkt sich in raschen, flachen Atemzügen, während er versucht, sich wieder zu fassen. Er berührt das Schwert an seiner Hüfte, so wie ein Kind nach einem Lieblingsspielzeug tasten würde, um Trost zu suchen.

»Ich verstehe es nicht«, sagt Dez. Noch jetzt, nach allem, was wir durchgemacht haben, sucht er nach einem Grund, warum schreckliche Dinge geschehen.

»Was gibt es da zu verstehen?«, frage ich, obwohl meine Wut nicht ihm gilt. »Wir haben es geschafft, eine Sechstagereise in vier Tagen zu bewältigen, und wir waren trotzdem nicht schnell genug.«

Ich wünschte, ich hätte etwas, auf das ich einschlagen könnte. Ich begnüge mich damit, nach einem Haufen Steine zu treten, und bereue es sofort, als eine Staubwolke um uns her aufsteigt. Der Wind dreht und weht den Staub davon. Ich suche festen Stand in meinen Stiefeln, als könnte die Verwurzelung an diesem Ort dem rasenden Galopp meines Herzens und meiner Gedanken ein Ende machen. Zu spät. Du kommst immer zu spät.

»Es brennt schon den halben Tag, so wie es aussieht. Wir wären niemals rechtzeitig hier gewesen, um es zu verhindern. Aber die Erzeugnisse von Esmeraldas sind ihr Gewicht in Gold wert. Warum sollte die Justiz des Königs sie in Flammen aufgehen lassen?«