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Wenn sich selbst die Hüter des Friedens misstrauen, wird es Krieg geben! Die zweite Phase der Hohen Republik beginnt.
Es droht Krieg zwischen den Planeten Eiram und E’ronoh. Die Jedi-Ritterin Gella Nattai soll zusammen mit Axel Greylark, dem Sohn der Kanzlerin der Republik, vermitteln. Doch Gella Nattais Glaube in die Macht, ihre Ruhe und Distanziertheit sind ihrem Partner zutiefst suspekt. Im Gegenzug hält sie den jungen Mann für einen aufgeplusterten Partygänger ohne jede Selbstdisziplin. Wie sollen die beiden einen Krieg verhindern, wenn nicht einmal zwischen ihnen Frieden herrscht?
Jetzt einsteigen! Die zweite Phase der Hohen Republik umfasst nur drei Bände und ist ohne Vorkenntnisse lesbar:
1. Die Verschwörung
2. Die Schlacht von Jedha
3. Die Vernichtung
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Es droht Krieg zwischen den Planeten Eiram und E’ronoh. Die Jedi-Ritterin Gella Nattai soll zusammen mit Axel Greylark, dem Sohn der Kanzlerin der Republik, vermitteln. Doch Gella Nattais Glaube in die Macht, ihre Ruhe und Distanziertheit sind ihrem Partner zutiefst suspekt. Im Gegenzug hält sie den jungen Mann für einen aufgeplusterten Partygänger ohne jede Selbstdisziplin. Wie sollen die beiden einen Krieg verhindern, wenn nicht einmal zwischen ihnen Frieden herrscht?
Zoraida Córdova
Die Hohe Republik
Die Verschwörung
Deutsch von Andreas Kasprzak
Die Originalausgabe erschien 2022 unter dem Titel »Star Wars™ Convergence (The High Republic 5)« bei Del Rey, New York 2022.
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Copyright der Originalausgabe © 2022 by Lucasfilm Ltd. & ® or ™ where indicated.
All rights reserved.
Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2024 by Blanvalet in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München
Redaktion: Alexander Groß
Umschlaggestaltung: Isabelle Hirtz, Inkcraft nach einer Originalvorlage © & TM 2022 LUCASFILMLTD
Umschlagmotiv: Yiyhoung Li
HK · Herstellung: sam
Satz und E-Book-Konvertierung: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-641-30840-7V001
www.blanvalet.de
Für Alexis Daria und Adriana Herrera.
Ihr habt mich durch dieses Buch gebracht.
Que la Fuerza las acompañe.
Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis …
Es ist eine Zeit der Forschung und Entdeckung. Die Kanzler der Republik und die mutigen, weisen Jedi arbeiten zusammen, um die Galaxis zu vereinen. Zu diesem Zweck haben sie Dutzende Gruppen von PFADFINDERN in die entlegensten Winkel des Äußeren Randes entsandt.
Aber es ist auch eine Zeit großer Unsicherheit. Die Kommunikationswege sind unzuverlässig, Geschichten über mysteriöse Planeten und monströse Kreaturen weitverbreitet. Glücksritter und Piraten bevölkern die galaktische Grenze, wo sich die Welten Eiram und E’ronoh in EWIGEMKRIEG gegenüberstehen.
Derweil erwacht auf dem abgelegenen Planeten DALNA eine neue Bedrohung für die gesamte Galaxis …
Die Übereinkunft
Zum ersten Mal seit fünf Jahren war der Himmel über der Hauptstadt von E’ronoh frei von kämpfenden Schiffen. Wenn herumfliegende Trümmer in die Atmosphäre eintraten, war kaum mehr als Asche übrig, wenn sie die steinernen Bögen erreichten. Diese ragten wie die großen Riesen aus den frühen Tagen des Planeten über der Landschaft empor, erstarrte Umrisse vor dem roten Morgen.
Der Krieg war nicht vorbei, aber das Leben hatte nun mal die Angewohnheit, weiterzugehen. Obwohl in Teilen der Stadt noch immer Rauch aufstieg, eilten die Trauernden umher, um ihre Toten zu begraben. Als sich die Nachricht vom jüngsten Versuch einer Feuerpause mit Eiram herumsprach, strömten die Bewohner des Turms, der Hauptstadt von E’ronoh, auf den Markt, wo später die tägliche Wasserlieferung eintreffen sollte.
Unter ihnen war auch Serrena – eine schlanke Gestalt, die in einem grauen Mantel durch die feilschende Menge huschte. Tip-yip, nur zehn Pezz das Kilo! Dreißig pro Fass! Asterpaff, ganz billig – träumt den Traum der Toten!
Eine Mutter versuchte, den Preis für einen Karton Eier herunterzuhandeln und gleichzeitig den Himmel im Auge zu behalten. Ein Mädchen, nur noch ein paar Tage zu jung, um eingezogen zu werden, trug seinen kleinen hungrigen Bruder auf dem einen Arm und auf dem anderen die billigsten, fettigsten Fleischstücke des Metzgers. Ein Bettler schwenkte seine leere Tasse hin und her. Ein Verkäufer verscheuchte Fliegen von seinen verdorbenen Früchten. Eine Palastwache zuckte zusammen, als sie einen lauten, metallischen Knall hörte … aber als sie herumwirbelte, sah sie, dass es nur ein Speeder war, der seine aus Schrottteilen bestehende Ladung verloren hatte.
Serrena zupfte an ihrer Kapuze, doch auf diesem gottverlassenen Planeten brauchte man schon eine Atemmaske, um nicht einen Mundvoll Staub einzuatmen, selbst wenn es windstill war. Sie schlängelte sich über den Markt und schlich durch eine schmale Unterführung, dann blieb sie am Rand des Landefeldes stehen. Hier formten die natürlichen Bögen des Canyons die perfekte Architektur für einen Startplatz. Die Einheimischen verglichen die höhlenartige Öffnung gern mit dem Mund eines gähnenden alten Gottes, aber für Serrena war es nur ein weiterer Ort, eine weitere Gelegenheit, um der einzigen Macht zu dienen, die die Galaxis wirklich im Gleichgewicht halten wollte.
Während Mechaniker hierhin und dorthin eilten, um ihre Jägerstaffel startklar zu machen, schlich Serrena an den welligen Canyonwänden entlang. Niemand sah sie, auch nicht die Piloten, die sich beinahe schützend um ihren Captain versammelt hatten. Es war eine junge Frau, deren Gesicht halb in den Schatten der Schlucht verborgen lag, aber Serrena konnte dennoch die ruhige Entschlossenheit in ihren feinen Zügen erkennen. Sie klopfte mit der Faust gegen ihre Brust, und ihre Worte schnitten durch den Lärm wie e’ronische Edelsteine, als sie rief: »Für E’ronoh!«
»Danke für die mitreißende Rede, Captain A’lbaran«, murmelte Serrena, dann kniete sie sich hinter einen der Astromechdroiden und schob einen schmalen Programmchip in seinen Eingabeschlitz. Ein triumphales Prickeln rann durch ihren Körper, aber die Freude währte nicht lange.
Ein Soldat mit Augenklappe umrundete die Ecke und blieb stehen. Erst zeichnete sich Verwirrung auf seinem Gesicht ab, dann Misstrauen, und er kam mit raschen Schritten herüber. »Du hast keine Erlaubnis, hier zu sein!«
Serrena kauerte sich auf dem Boden zusammen, aber er riss sie hoch und stieß sie gegen einen Stapel Kisten. Mit einem lauten Klirr landete ihre Feldflasche auf dem Stein. Und wie immer: Staub. So viel Staub, der sich zwischen ihren Zähnen festsetzte und in ihrem Hals kratzte.
»Was hast du …?«
»Bitte«, wimmerte Serrena, während sie hustete. »Ein paar Pezz für eine arme Bauerntochter? Ein wenig Wasser …«
»Die Rationen werden heute Mittag verteilt«, sagte der Soldat, dann ließ er sie mit einem missmutigen Schnauben los. Laut seinen Abzeichen war er ein Lieutenant, aber sie hatte ihn nicht an der Seite des Captains gesehen. Mitleid huschte über seine Züge, gefolgt von Frustration, und er zog eine bronzene Münze aus seiner Tasche. »Hier, und jetzt verschwinde.«
Serrena nahm die Münze und eilte vom Landeplatz fort, bis sie wieder mit dem Meer staubiger Mäntel auf dem Markt verschmolz. Gerade war ein Handgemenge ausgebrochen; die verzweifelten Bewohner von E’ronoh stießen einander aus dem Weg, um einen besseren Platz in der Warteschlange für die Wasserrationen zu ergattern. Diese Schlange war um das Doppelte angewachsen, während Serrena ihre Mission erfüllt hatte. Sie musste sich mit ihren Ellbogen einen Weg bahnen und ihr Gesicht gegen den Strom verschwitzter Leiber abschirmen, bis sie endlich den Rand der Menge erreichte. Dort warf sie die Münze in die Tasse eines Bettlers, richtete sich wieder auf und betrat die Straße, die aus der Stadt führte.
»Es ist erledigt«, sagte sie in ihr Kurzstrecken-Kommlink.
Eine besorgte Stimme knisterte aus dem Empfänger. »Bist du sicher … dass es richtig … war …«
»Ja, ich bin sicher.« Dass man sie hinterfragte, machte Serrena wütend. Sie war für diese Mission ausgewählt worden. Aber sie unterdrückte ihren Zorn.
»Komm schnell zurück. Ich habe … einen perfekten Platz … von wo aus wir … das Feuerwerk … beobachten können.«
Als Serrena losjoggte, stiegen dreißig Sternjäger in den Himmel empor. Sie zog ihre Kapuze zurück und ließ die Hitze der aufgehenden Sonne über ihr Gesicht hinwegschwappen. Ein erwartungsvolles Lächeln lag auf ihren Lippen, denn falls es der Wille der Macht war, würde keiner dieser Sternjäger zurückkehren.
Captain Xiri A’lbaran hatte die Nase voll davon zu warten. Darauf, dass der Eisschlepper aus dem Hyperraum auftauchte. Darauf, dass der Feind ihre wackelige Waffenruhe brach und angriff. Darauf, dass ihre Welt einmal mehr in Flammen stehen würde. Auf die Schuldgefühle, weil es diesmal allein ihre Schuld wäre, ganz gleich, wofür sie bislang gekämpft hatte. Und dennoch wartete Xiri, denn in den Randgebieten der Galaxis, weit entfernt von all den bekannten Planeten und Sektoren, war Warten die einzige Option. Die Hilflosigkeit nagte an ihr, aber sie hielt den Kopf hoch erhoben, die Augen auf die Leere des Weltalls gerichtet, schließlich war sie der Captain von E’ronohs Flotte. Sie musste ein Vorbild für die neuen Rekruten sein, die mit jeder Welle jünger und jünger wurden.
Ihre Thylefeuer-Staffel wachte seit Anbruch des Tages über der Atmosphäre ihres Planeten. Vor dem Krieg hätte der Monarch niemals eine Flottenstaffel für etwas abgestellt, das lediglich eine simple Begleitmission sein sollte. Aber nun hielt eine Dürre ihre Welt im Würgegriff, und auf den Hyperraumrouten wimmelte es nur so von Piraten. Da wurde die Sicherheit dieser Fracht plötzlich eine Frage von Leben und Tod.
Unter anderen Umständen hätte Xiri über den wundersamen Anblick in diesem seltsamen Winkel der Galaxis gestaunt. Ihre Heimatwelt mit ihren roten Bergen und schmalen Schluchten auf der einen Seite, auf der anderen Eiram, dessen türkisfarbene Meere von nie enden wollenden Stürmen aufgepeitscht wurden. Und zwischen den beiden: ein Band aus Trümmern – Spuren des jahrelangen Krieges, die den Korridor wie ein Asteroidengürtel blockierten – und der Zeithütermond. Ihr eigener Großvater hatte stets erzählt, E’ronoh und Eiram wären vor Jahrmillionen zwei kosmische Geschöpfe gewesen, entstanden aus Sternenstaub, und der Mond wäre das Herz, das sie beide teilten, denn er hatte ebenso großen Einfluss auf E’ronohs Winde wie auf Eirams Gezeiten. Früher hatte Xiri diese Geschichte geliebt. Egal ob im Krieg oder im Frieden, die beiden Welten und ihr Mond waren miteinander verbunden, nicht nur durch Gravitationsfelder, sondern durch eine lange Vergangenheit und eine unklare Zukunft. Und Xiri hatte ihr Leben der Aufgabe gewidmet, dafür zu sorgen, dass es die richtige Zukunft war.
Allmählich zeigte sich die Rastlosigkeit der Piloten. Einer von ihnen schwenkte kurz aus der Formation aus und dann wieder zurück.
Captain A’lbaran und Lieutenant Segaru hatten dreißig Piloten ausgewählt, eine beispiellose Zahl für eine derartige Mission: einen ankommenden Eistransporter zum Landeplatz der Hauptstadt zu eskortieren und das Eis für die sofortige Verteilung vorzubereiten. Aber der Transporter verspätete sich. Die vorige Lieferung war während der jüngsten Konfrontation mit Eiram zerstört worden, die davor im Labyrinth der Hyperraumrouten verschollen. Und die Lieferung davor hatten sich Piraten unter den Nagel gerissen; als man das Schiff gefunden hatte, war es bis auf den letzten Draht ausgeschlachtet gewesen, und die halbe Mannschaft war tot im All getrieben. Nein, der einzige Weg, um die sichere Ankunft dieser Ladung zu garantieren, war, den Frachter abzufangen, sobald er aus dem Hyperraum kam, und ihn ans Ziel zu eskortieren.
»Captain, wir können nicht viel länger hierbleiben«, sagte Lieutenant Segaru. Die Statik auf ihrem privaten Kommkanal ließ seine ruhige Tenorstimme knistern.
»Sie werden kommen«, erwiderte Xiri.
»Captain …«
»Sie werden kommen.« Sie fuhr mit der Zunge über ihren trockenen Gaumen. Ihre Feldflasche hatte sie heute Morgen einem bettelnden Kind auf dem Markt gegeben, und sie versuchte, nicht an ihren eigenen Durst zu denken. »Sie müssen ganz einfach.«
Xiri drehte den Kopf nach links, zu der Stelle, wo Segaru in ihrer Maschendrahtformation wartete. Sein bronzener Helm verbarg den Großteil seines bärtigen Gesichts, aber sie stellte sich den durchdringenden Blick seines sturmgrauen Auges vor. Die Narben unter seiner Augenklappe waren sicher gerötet, so wie immer, wenn er frustriert oder wütend war. Außerdem war sie sicher, dass er gerade den Knauf seiner Schicksalsklinge – das zeremonielle Messer, das jeder E’roni-Soldat an der Hüfte trug – zwischen seinen Fingern drehte. Xiri hatte dieselbe Angewohnheit. Ein Teil von ihm würde ihr vermutlich nie verzeihen, dass sie befördert worden war und er nicht. Diese Unzufriedenheit spiegelte sich gerade sicher auch auf seinen Zügen wider, während er den Kopf drehte, so als hätte er ihren Blick auf sich gespürt.
»Captain.« Dann in weicherem Ton: »Xiri.«
»Nicht.« Sie richtete die Augen wieder nach vorn, an dem blauen Rund von Eiram vorbei zu den Stecknadelköpfen der fernen Sterne. »Nachdem Merokia sein Hilfsversprechen aufgekündigt hat, können wir von Glück reden, dass wir diese Lieferung an Land gezogen haben.«
Merokia war der jüngste Eintrag in der Liste ihrer ehemaligen Verbündeten. Aber was hatten Xiri und der Monarch auch erwartet? Mit jedem verstrichenen Jahr, jeder gebrochenen Waffenruhe, jedem gescheiterten Friedensversuch wandten sich mehr Handelspartner von E’ronoh ab. Kaum jemand wollte in den Konflikt hineingezogen werden, also warteten sie einfach darauf, dass sich ein Sieger abzeichnete, ehe sie ihre Entscheidung trafen.
»Ich weiß, wie ernst unsere Lage ist, Captain. Aber …« Er zögerte so lange, dass Xiri schon die Hand ausstreckte, um zu überprüfen, ob ihr Komm einen Aussetzer hatte. »Wir haben uns mit Eiram auf einen freien Versorgungskorridor zwischen den Planeten geeinigt. Wenn wir zu lange hier sind, könnten sie das als Verstoß gegen diese Einigung betrachten. Ich bin jederzeit für einen Kampf zu haben, aber diese Waffenruhe, der freie Versorgungskorridor … das war dein Plan.«
Dein Plan. Jerrod Segaru wusste genau, wie er sie provozieren konnte.
Ihren Vater zu überzeugen, hatte sie Tage und Wochen gekostet. Er glaubte vermutlich immer noch, dass es nur ein raffinierter Trick des Feindes war, um E’ronoh mit heruntergelassener Hose zu erwischen – deswegen hatte er auch dreißig Sternjäger starten lassen. Die Übereinkunft war ganz simpel: Xiri sollte am Morgen die Versorgungslieferung für E’ronoh in Empfang nehmen, und am Nachmittag stünde der Versorgungskorridor dann Eiram zur Verfügung. Doch nun drohten sie, gegen den Zeitplan zu verstoßen. Frühere Waffenruhen waren schon aus trivialeren Gründen in die Brüche gegangen, aber Xiri zählte darauf, dass Eiram Versorgungsgüter ebenso verzweifelt brauchte wie E’ronoh und dass sie Verständnis haben würden.
Sollte doch etwas schiefgehen … nun, sie wusste ganz genau, wem man in so einem Fall die Schuld geben würde.
»Danke, dass du mich darauf aufmerksam machst. Aber wir können nicht mit leeren Händen zurück, und ich werde nicht zulassen, dass eine weitere Lieferung zerstört oder geplündert wird. Ich kümmere mich schon um Eiram. Halte du einfach deine Position.«
»Hoffentlich ist Eirams General genauso … verständnisvoll, wie du es wärst«, brummte er und wechselte dann auf den anderen Kommkanal.
Xiri folgte seinem Beispiel und lauschte dem Geplapper ihrer Piloten, um die Zeit totzuschlagen. Hier, im offenen Weltall, schienen sie vergessen zu haben, dass ihr Captain sie hören konnte. Nicht, dass es Xiri störte. Das war eine gute Gelegenheit, sie besser kennenzulernen.
»Seht euch nur all diesen Schrott an«, sagte Thylefeuer Zehn.
»Das ist kein Schrott«, entgegnete Thylefeuer Neun mit brüchiger Stimme. Er war der Jüngste von ihnen und hatte am ersten Tag der Ausbildung den Spitznamen Blitz erhalten.
Die neuen Rekruten waren größtenteils eingezogen worden, aber Blitz hatte förmlich darum gebettelt, sich frühzeitig zum Militärdienst melden zu dürfen. Eigentlich war er noch ein paar Wochen zu jung, doch er wollte seine Schwester, Lina, ehren, die im Einsatz gefallen war. Xiri hatte auf ganz ähnliche Weise ihren Bruder verloren; vermutlich hatte sie seiner Bitte deshalb stattgegeben.
Sie hatte schon Hunderte Soldaten sterben sehen, aber Linas Tod war ein Wendepunkt für E’ronoh gewesen. Eine routinemäßige Aufklärungsmission zu den westlichen Inseln von Eiram hatte in einem Desaster geendet, als die Antriebe ihres Sternjägers wenige Sekunden nach dem Start ausgefallen waren. Es war die dritte Fehlfunktion in ebenso vielen Tagen gewesen, aber die erste, die tödlich endete. Es hatte sich angefühlt, als hätte jeder im Turm die Luft angehalten, während das Schiff vom Himmel fiel und in der Widderkopfschlucht zerschellte.
Nach Linas tragischem Tod waren die Bürger auf die Straße gegangen und hatten randaliert. Wie viele junge Leute hatten sie schon verloren – nicht etwa an Eiram, sondern an ihre eigene Flotte veralteter Schiffe? Was würde der Monarch tun, um dafür zu sorgen, dass sich so etwas nicht wiederholte? Mehr noch, was würde er tun, um diesen Krieg endlich zu gewinnen? Und wo waren das Wasser und die Rationen, die den Bürgern versprochen worden waren? Xiri konnte – und wollte – nicht gleichzeitig gegen Eiram und ihr eigenes Volk kämpfen, aber die Krawalle hatten den Monarchen dazu gebracht, seinen Grundbesitz auf Corellia zu veräußern. Ihm gehörte ein Berghang in der südlichen Hemisphäre des Planeten, und im Tausch gegen drei Dutzend Höllenjäger hatte er ihn den Corellianern überlassen. Das Geschäft stieß Xiri übel auf. Sie wusste, dass es die strategisch sinnvollste Lösung war, trotzdem … Was würde der Monarch als Nächstes verkaufen? Wo sollte das alles enden? Seine Entscheidung zu hinterfragen, wäre in Zeiten des Krieges jedoch Hochverrat. Vor allem für eine Offizierin E’ronohs – selbst wenn sie gleichzeitig die Tochter des Monarchen war.
Xiri hatte ihren Widerwillen nur dadurch zeigen können, dass sie eines der neuen Schiffe Blitz zugewiesen hatte – einem blutjungen Piloten, frisch aus der Grundausbildung. Sie selbst flog weiterhin den alten Jäger, in dem sie schon seit ihrem ersten Tag in der Flotte saß. Grundsätzlich war ihr egal, welches Schiff sie flog, solange es sie ans Ziel brachte.
»Es ist kein Schrott«, wiederholte Blitz. Sein Schiff neigte sich leicht von einer Seite auf die andere, als würde er das Steuer mit zitternden Fäusten umschlossen halten.
»Ruhig, Thylefeuer Neun«, grollte Lieutenant Segarus Stimme aus dem Kommkanal. »Bringen Sie Ihr Schiff unter Kontrolle.«
Blitz’ Jäger richtete sich wieder auf, und er stammelte eine Entschuldigung.
»Ich hab’s nicht böse gemeint«, murmelte Thylefeuer Zehn. »Es ist nur … Ich meine, seht es euch an.«
Der Trümmergürtel war in der Tat unübersehbar. Die Überreste von Raumschiffen und Personen trieben in einem Band aus verkohltem Metall und frostbedeckten Gliedmaßen zwischen den beiden Planeten dahin. Anfangs hatte Xiri noch Bergungsmissionen geleitet und Frachträume mit Leichen gefüllt, um sie zu den Hinterbliebenen auf der Oberfläche zu bringen, aber inzwischen war es schlichtweg unmöglich geworden, all die Trümmer und Toten abzutransportieren. Sollte die Waffenruhe halten, würde sie vielleicht einen neuen Versuch wagen.
Die Leute wollen nur etwas, das sie beerdigen können, wie Lieutenant Segaru zu sagen pflegte. Sie würden vermutlich nie Freunde werden, aber Xiri zweifelte nicht an seiner Loyalität und auch nicht an seiner Bereitschaft, sich für seine Heimat die Hände schmutzig zu machen.
»Nein, er hat recht. Es ist kein Schrott. Es ist ein Friedhof.« Das kam von Thylefeuer Sechs. Ein seltsames Grummeln folgte auf seine Worte.
»War das dein Magen?«, fragte jemand.
»Ah, er ist nur nervös«, brummte Lieutenant Segaru in versöhnlichem Ton. »Das ist seine erste Mission.«
Oder er hat Hunger, du Riesenhornochse. Die Bemerkung lag Xiri bereits auf der Zungenspitze, aber sie hielt sich zurück. Lieutenant Segaru wusste, wie er seine Piloten beruhigen konnte. Alles in Ordnung, Junge. Das war nur eine winzig kleine Explosion. Kopf hoch, Mädchen, im Krieg gibt es eben Opfer. Eiram wird für seine Verbrechen büßen, Leute. Wir werden ihre Glaspaläste auf den Meeresboden schicken. Segaru konnte es sich leisten, der freundliche Lieutenant zu sein, während Xiri die strenge Kommandantin sein musste, die sie ein Manöver wieder und wieder üben ließ, bis jeder Teil ihres Körpers schmerzte. Die Kommandantin, die sich den Kopf darüber zerbrechen musste, ob sie genug Rationen für die neuen Rekruten und ihre hungernden Familien hatten. Die Kommandantin, die mit ihrem Vater darüber diskutieren musste, ob Wasser wichtiger war als Treibstoff. Nun hatten die Bürger ihnen die Entscheidung abgenommen. Nach fünf Jahren des Krieges hatten sie die Nase voll. Und deshalb konnte Xiri nicht ohne die Eislieferung – intakt und vollständig – nach Hause zurückkehren.
Die alten Götter sind erzürnt, jammerten die Ältesten des Tempels. Die alten Götter sind wütend über den Krieg des Monarchen. Deswegen lassen sie es nicht mehr regnen.
Xiri konnte es sich nicht leisten, die schlimmste Dürreperiode seit Jahrzehnten auf die Götter zu schieben – egal, ob alt oder neu. Sie musste alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Not ihres Volkes zu lindern. E’ronoh brauchte Hilfe, und sie würde mit jeder Faser ihres Seins helfen, bis nichts mehr von ihr übrig wäre.
»Meine Frau wird mich umbringen, wenn ich schon wieder das Abendessen verpasse«, murmelte Thylefeuer Drei. Die Frau, die alle nur Kinni nannten, gehörte zu den ältesten Mitgliedern von Xiris Staffel. Sie war eine Mechanikerin gewesen, bis sie sich vor zwei Jahren verpflichtet hatte.
»Ich vermisse den Pilafa-Eintopf meiner Mutter«, sagte Blitz.
Kinni lachte leise. »Betrachte dich als eingeladen.«
»Jetzt, da der Krieg vorbei ist …«, begann Thylefeuer Sechs, aber er wurde von einem Knurren unterbrochen.
»Mach dir nichts vor«, blaffte Thylefeuer Dreizehn. »Nichts ist vorbei. Nicht, bis sie für alles bezahlt haben, was sie uns nahmen. Unsere Kolonie, unseren Prinzen, unsere Toten. Eiram hat keinen Frieden verdient.«
Thylefeuer Dreizehn war Rev Ferrol, der Sohn von Vizekönig Ferrol – einem der engsten Berater von Xiris Vater. Rev wiederholte dieselbe Rhetorik, die der Monarch von seinem Balkon verbreitete, wann immer die Moral in der Bevölkerung sank. Zustimmendes Gemurmel erfüllte den Kommkanal, und Xiri versuchte, den Kloß in ihrem Hals hinunterzuschlucken. Leider war ihr Mund zu trocken. Sie konnte förmlich spüren, wie Lieutenant Segaru zu ihr herüberstarrte, aber sie schüttelte nur den Kopf. Ihre Leute waren frustriert, und sie würde die Pflichten eines Captains – und auch die einer Prinzessin – ignorieren, wenn sie nur wegen ihrer eigenen Schuldgefühle das Komm abschaltete.
»Das hier ist bloß eine Verschnaufpause. Auch für die Wasserschweine«, erklärte Lieutenant Segaru.
»M-meine Großmutter hat erzählt, als sie noch klein war, hätten sie die Zeit nicht nach dem Mond gemessen, sondern danach, wann Eirams Schiffe über die Stadt flogen.« Blitz lachte nervös. »Aber ich glaube, sie hat übertrieben. Das muss schon eine Ewigkeit her sein.«
»Ach wirklich?« Kinni schnaubte. »Dann bin ich also eine Ewigkeit alt?«
Vereinzeltes Gelächter.
»Wenn das hier vorbei ist«, verkündete Blitz, nun wieder laut und übermütig, »dann werde ich eine Kreuzfahrt zu einem dieser Vergnügungsplaneten machen.«
»Kreuzfahrtschiffe kommen nicht hierher«, brummte Rev.
»Ich hörte, es gibt Welten, da kann man gleichzeitig mit zwei …«
»Zwei was, Zehn?«, sagte Xiri in ihr Komm. Der Kanal knisterte, als die anderen über den verdutzten Piloten lachten.
Blitz schluckte den Rest des Satzes hinunter und stotterte: »P-Prinzessin! Ich meine, Captain. Captain A’lbaran.«
»In Ordnung, Thylefeuer-Staffel. Wachsam bleiben«, befahl Lieutenant Segaru in wohlwollendem Ton.
Xiri gestattete sich ein Schmunzeln. Sie mochte es, wenn ihre Piloten von ihren Träumen und Plänen sprachen. Das bedeutete, dass sie sich eine Zeit nach dem Krieg vorstellen konnten. Es mochte eine zerbrechliche Hoffnung sein, aber sie alle hegten sie. Das durfte Xiri niemals vergessen.
Auf ihrer Kontrolltafel leuchtete eine Anzeige auf. Ein Dutzend Jäger war aus der dunstigen Atmosphäre von Eiram aufgetaucht. Wie alle Schiffe des Feindes wirkten sie stumpf und rundlich, weil sie in erster Linie für den Einsatz unter Wasser konzipiert waren und nur zweitrangig für Flüge im All.
»Sie sind hier!«, entfuhr es Blitz. Sein Schiff machte einen Satz nach vorn, nur um sofort wieder zum Stillstand zu kommen.
»Ganz ruhig«, warnte Lieutenant Segaru.
»E-es liegt an diesem neuen Schiff«, stotterte Blitz zwischen gehetzten Atemzügen. »Die Kontrollen sind zu empfindlich.«
»Ja, sicher«, kommentierte Thylefeuer Dreizehn, und die anderen lachten.
Xiris Stimme ließ sie rasch wieder verstummen. »Denkt daran, Eiram empfängt ebenfalls eine Lieferung. Wir wollen beide nur Hilfsgüter zu unseren Leuten bringen. Also wartet auf meine Befehle.«
»Captain«, sagte Lieutenant Segaru. »Sie kontaktieren uns.«
Xiri fuhr sich mit der Zunge über die Zähne und versuchte, nicht an ihren Durst oder ihr wild pochendes Herz zu denken. Ihre Staffel brauchte jemanden, der sie anführte.
»Hier ist Captain Xiri A’lbaran.« Ihre Worte klangen ruhiger, als sie sich fühlte.
»Captain, General Nhivan Lao hier.« Seine abgehackte Stimme tönte verzerrt aus dem Komm des Sternjägers, und Xiri drehte am Regler, um das Signal zu verstärken. »Die Vereinbarung lautete, dass der Korridor zwischen den Planeten zu diesem Zeitpunkt bereits frei sein sollte. Das hatten Sie selbst so festgelegt.«
»Ich weiß, General«, erwiderte Xiri, »aber unsere Lieferung verzögert sich. Wären die Rollen vertauscht, würden wir Ihnen auch ein wenig mehr Zeit zugestehen.«
»Wirklich?« Der General schnaubte.
Doch Xiri ließ sich nicht provozieren. Sie schwieg, und nachdem sich die tonnenschwere Stille mehrere Sekunden hingezogen hatte, räusperte sich der General schließlich.
»Also gut. Aber bleiben Sie auf Ihrer Seite des Korridors.«
»Natürlich.« Sie wechselte auf den anderen Kanal.
Nachdem sie ihre Staffel informiert hatte, schloss sie die Hände um das Steuer und starrte einmal mehr zu dem leeren Sternenfeld hinaus, so als könnte sie es durch schiere Willenskraft zwingen, sich zu teilen und einen Eisschlepper aus dem Hyperraum auszuspucken.
»Wir sollten uns ihre Lieferung unter den Nagel reißen«, knurrte Rev. »Ich wette, sie planen dasselbe. Ich wette …«
»Ich würde den Eirami nicht mal trauen, wenn sie mir mein zweites Auge zurückgeben würden«, fuhr Lieutenant Segaru dazwischen. »Aber wir bleiben, wo wir sind, verstanden?«
»Haben Sie Ihr Auge nicht in der allerersten Schlacht gegen die Eirami verloren, Sir?«, fragte Blitz.
»Richtig.«
»Ab jetzt nur noch relevante Meldungen auf dem Kanal«, befahl Xiri. »Verstanden?«
Einer nach dem anderen bestätigten sie die Anweisung.
Der Sensorschirm blinkte, und ihr Magen zog sich angespannt zusammen, als sie verkündete: »Da kommt ein Schiff aus dem Hyperraum.«
Verborgen zwischen den kleinen Lichtpunkten um sie herum lag die Austrittszone der Hyperraumstraße, welche die Republik hier vor ein paar Jahren eröffnet hatte. E’ronoh und Eiram mochten mitten im Nirgendwo liegen, aber offenbar lagen sie auch mitten auf dem Weg in sämtliche Teile der Galaxis.
Als das Schiff in den Normalraum zurückfiel, stockte Xiri der Atem. Sie war mit ihrer Staffel über die schimmernden Säulen des Modintals geflogen und hatte die Blüte der ersten Wüstenrosen gesehen, aber kein Anblick hatte sie je so verzückt wie dieser rostige alte Eisschlepper.
Sie beugte sich erwartungsvoll vor, während der Frachter in den Korridor zwischen E’ronoh und Eiram eintauchte, und ihr Lächeln war so breit, dass ihre rissigen Lippen aufplatzten und bluteten. Xiri ermahnte sich, dass jedes bisschen Eis an Bord bereits vergeben war und dass sie nach einem Weg suchen mussten, noch mehr zu besorgen, bevor der letzte Tropfen verteilt wäre. Aber für diese Sorgen war später noch Zeit.
Xiri war einen Atemzug davon entfernt, den Frachter zu kontaktieren, als die Sensoren ihres Sternjägers erneut piepsten, diesmal, um eine Anomalie anzuzeigen.
»Captain«, sagte Segaru, und Sorge und Verwirrung vermischten sich in dem Wort. »Da kommen noch zwei weitere Schiffe aus dem Hyperraum. Wir müssen den Korridor räumen …«
Der Rest des Satzes erstarb ihm auf den Lippen, als ein riesiges Schiff aus dem Hyperraum hervorbrach, dicht gefolgt von einem zweiten – so dicht, dass sie nur um Haaresbreite einem tödlichen Zusammenstoß entgingen. Xiri kannte den Bautyp lediglich aus den Nachrichten im HoloNetz, und dem Stimmengewirr aus dem Komm nach zu urteilen, ging es dem Rest ihrer Staffel genauso.
»Sind das Langträger der Alif-Klasse?«
»Gehören die nicht zur Republik?«
»Dank Farrik, was hat die Republik hier zu suchen?«
Die Langträger hatten einen schlanken Rumpf, mit einem breiten Längsflügel und zwei schmalen Zinken am Bug. Xiri folgte ihrem Anflugvektor mit den Augen und sah, dass sie direkt auf eine Kollision mit dem Eisfrachter zusteuerten. Dieser hatte bereits seinen Kurs geändert, um einen solchen Zusammenstoß zu verhindern, aber nun flog er direkt auf Eiram zu. Falls er ins Gravitationsfeld des Meeresplaneten gezogen wurde, konnte E’ronoh seiner Wasserlieferung Lebewohl sagen. Dann hätten die Eirami nämlich das Recht, die Ladung zu beschlagnahmen, weil das Schiff in ihr Hoheitsgebiet eingedrungen war. Und alles, wofür Xiri so hart gearbeitet hatte, wäre dahin. Ganz zu schweigen davon, dass das Pflaster der Waffenruhe reißen und die Wunde des Krieges von Neuem aufbrechen würde.
Doch falls sie hinüberflog, um ihren Anspruch auf den Frachter zu unterstreichen, würde sie in den eiramischen Teil des Korridors eindringen und den Feind zum Feuern provozieren.
»General Lao«, sagte Xiri. »Melden Sie sich!«
Statisches Rauschen verschluckte seine Antwort.
»Xiri …« Lieutenant Segarus drängende Stimme ertönte auf ihrem privaten Kanal.
Ihre Finger zitterten auf den Kommkontrollen. »Ich versuche bereits, sie zu erreichen!«
Von einem der Langträger meldete sich eine verzerrte Stimme. »Hier spricht die Paxion. Wer ist für den Hyperraumverkehr in diesem System zuständig?«
Xiri konnte angesichts der Frage nicht anders, als bitter zu lachen. »Paxion, ziehen Sie sich zurück. Sie sind nicht autorisiert, e’ronisches Hoheitsgebiet zu betreten.«
»Wer spricht da?«, fragte die Stimme.
Xiri antwortete nicht. Das Trümmerfeld geriet in Bewegung, als die Paxion in den Bereich zwischen den beiden Welten hineinpflügte, und Metall- und Leichenteile trommelten auf ihre Staffel ein. Etwas, das einmal ein Helm gewesen sein mochte, prallte von ihrer Cockpitscheibe ab und ließ eine schmale weiße Linie auf dem Transparistahl zurück. Der zweite, noch namenlose Langträger drehte sich von seinem Schwesterschiff fort und flog auf den Mond zu. Was die Paxion anging … die Entfernung zwischen Eiram und E’ronoh war schrecklich klein, und man geriet leicht in eines der beiden Gravitationsfelder, wenn man nicht an einen so kleinen Navigationsspielraum gewöhnt war. Der Pilot der Paxion war augenscheinlich nicht daran gewöhnt, denn der Langträger begann, sich E’ronoh entgegenzuneigen. Als alle weiteren Versuche einer Kontaktaufnahme scheiterten, erkannte Xiri, dass sie nicht hierbleiben konnten. Hoffentlich würde Eiram sehen, dass es sich nur um einen Versuch handelte, dem Langträger auszuweichen, nicht um einen Akt der Aggression.
»Thylefeuer-Staffel, folgt mir.« Sie zog ihren Jäger nach oben. »Wir müssen aus der Bahn der Paxion. Niemand fliegt auf die andere Seite des Korridors, verstanden?«
»Aber der Eisschlepper fliegt in die falsche Richtung!«, protestierte Blitz in panischem Ton, und Xiri konnte sehen, dass sein Höllenjäger aus der Gruppe ausscherte.
»Thylefeuer Neun, in Formation bleiben«, befahl sie. »Lieutenant Segaru, versuchen Sie weiter, den Eisschlepper zu erreichen, und sagen Sie ihnen, sie sollen den Kurs ändern. Ich kümmere mich um den General.«
Doch bevor sie sich um den General kümmern konnte, brach der verirrte Höllenjäger vollständig aus der Staffel aus und raste in einem wirbelnden Manöver davon.
»Thylefeuer Neun, würden Sie nicht gerade die gesamte Mission gefährden, würde ich Ihnen zu Ihren Flugkünsten gratulieren«, sagte Lieutenant Segaru. »Und jetzt kommen Sie gefälligst wieder zurück!«
»Ich mache doch gar nichts!«, kreischte Blitz. »Das Schiff ist außer Kontrolle. Ich kann nicht …«
»Neun, das ist ein Befehl! Hören Sie mich?«, rief Xiri, aber eine knisternde Rückkopplung füllte den Kanal, während ihre Jäger vergeblich versuchten, miteinander zu kommunizieren. Einen Moment später zuckte ein grüner Lichtblitz durch das Trümmerfeld auf die eiramische Staffel zu. Dass er nichts traf, war ohne Bedeutung. Denn er stammte von Thylefeuer Neun. Von E’ronoh.
Ein Schuss war mehr als genug.
Xiris Puls rauschte in ihren Ohren. Sie schmeckte das Blut ihrer rissigen Lippen, verschluckte sich an einem hilflosen Schrei, den niemand hören konnte. Einen Herzschlag lang herrschte völlig Stille, als die Kommverbindung zusammenbrach. Dann eröffneten die eiramischen Schiffe das Feuer.
Augenblicke vor der Kollision war Jedi-Ritterin Gella Nattai im Frachtraum der Valiant durch die leere Luft geschritten.
Die Kisten mit den medizinischen Hilfsgütern für Eiram waren bis dicht unter die Decke gestapelt, aber Gella reichte schon das kleinste bisschen Platz. Bekleidet nur mit ihrer sandfarbenen Tunika und ihrer engen Hose, konzentrierte sie sich darauf, immer nur einen Schritt nach dem anderen zu machen. Bei ihrer letzten Pilgerreise nach Jedha hatte sie gesehen, wie eine Priesterin des Singenden Berges den Lufttanz aufführte, und ihn nachzuahmen, kostete sie jedes bisschen Konzentration. Ihr Herzschlag hatte sich verlangsamt und an den Rhythmus ihrer tiefen Atemzüge angepasst. Ihr ganzer Körper wurde von der Macht emporgehoben, was einen seltsamen Widerspruch von Sinneseindrücken zur Folge hatte: Sie schwebte, war aber doch fest verankert, vollkommen ruhig, aber doch in ständiger Bewegung. Ganz im Hier und Jetzt und doch eins mit der Unendlichkeit.
Gella machte einen weiteren Schritt, sodass sie nun seitlich zu den Kisten stand, dann streckte sie die Arme aus, mit den Handflächen nach oben, und sie spürte das erste Zittern in ihren Muskeln. Konzentration, ermahnte sie sich, ihre Augen weiter auf das blauweiß flackernde Licht jenseits der Aussichtsfenster gerichtet. Ihre Reisen mit dem Orden hatten sie schon auf Meeresplaneten geführt, über Berge und durch Täler, bis hin zu Städten, die in den Wolken schwebten. Aber aus irgendeinem Grund war es der Hyperraum, der sie mit mehr Demut erfüllte als alles andere. Während eines Sprungs zu meditieren war, als würde sie im Licht versinken, ja, in der Macht selbst. Ein Wimpernschlag, ein Stern, ein Leben. Was gerade noch hier gewesen war, war jetzt schon wieder fort.
Sie atmete erneut ein und spürte die Präsenz, noch bevor die Tür des Frachtraums aufglitt.
»Das sieht gefährlich aus«, sagte Meister Roys Padawan, Enya Keen.
Gella griff nach der Macht, aber ihre Konzentration war gebrochen. Sie landete hart auf der Seite, und Schmerzen pochten durch ihren Arm und ihr Schultern.
»Das sieht sogar noch gefährlicher aus«, fügte Enya hinzu. Sie setzte sich auf die Kiste, wo Gella ihre Lichtschwerter und den Rest ihrer Jedi-Roben abgelegt hatte.
Gella stemmte sich ächzend auf die Füße hoch. »Es war vollkommen sicher, bis ich so rüde unterbrochen wurde.«
Enya lächelte entschuldigend, machte aber keine Anstalten, sich wieder zurückzuziehen. Im Gegenteil, sie zog ein Bein unter ihren Schenkel und begann, abwesend ihren Padawanzopf zwischen den Fingern zu zwirbeln. Sie musste geschlafen haben, denn Falten zeichneten die tiefbraune Haut unter ihren Augen, und ihr dunkles Haar quoll aus den beiden geflochtenen Knoten, die parallel zu ihrer Wirbelsäule angeordnet waren.
»Ich habe noch nie jemanden gesehen, der im Stehen meditiert«, sagte sie. »Oder auf dem Kopf schwebt. Ihr saht aus wie eine Loth-Fledermaus.«
»Es gibt viele Arten zu meditieren, das weißt du doch.« Gella warf ihre braune Robe über und hakte die beiden Zwillingslichtschwerter an ihren Hüften ein, bevor sie in ihre Socken und Stiefel schlüpfte.
»Aber was bringt es einem Jedi?«, fragte Enya mit säuselnder Sopranstimme.
Gella hatte nicht wirklich darüber nachgedacht, welchen praktischen Nutzen sie aus dem heiligen Ritual des Singenden Berges ziehen könnte. Sie hatte es einfach nur verstehen und herausfinden wollen, ob sie es selbst meistern könnte.
Bevor sie Gelegenheit zu einer Erklärung hatte, fuhr die Padawan bereits fort: »Könnt Ihr es mir beibringen?«
»Wie du vielleicht bemerkt hast, beherrsche ich den Lufttanz selbst noch nicht ganz.« Gella wollte nicht unhöflich sein, aber sie hatte den Frachtraum aufgesucht, weil sie allein sein wollte und ihre Kabine keine Fenster hatte, durch die man den Hyperraum sehen konnte. Kurz überlegte sie, ob sie sich zurückziehen und unten im Hangar zwischen den kleinen Schiffen der Alpha-Klasse einen neuen Versuch starten sollte.
»Ja. Wart Ihr nicht auf dem Weg nach Jedha, bevor Ihr Ärger mit dem Rat bekommen habt?« Enya sog den Atem ein. »Oh, ich hätte vermutlich nicht hinhören sollen, als die Meister darüber sprachen.«
Gella presste die Lippen zusammen. »Nein, vermutlich nicht.«
»Nun, ich bin sicher, was immer bei Eurer Expedition auf Orvax passiert ist, wird sich hier nicht wiederholen! Ich habe auch gehört, dass sich Jedi Neverez lediglich das Steißbein gebrochen hat und die anderen sich vollständig erholen werden.«
Gella massierte ihren Nasenrücken. Selbst nach zwei Wochen fühlte sich die Erinnerung an ihr Versagen noch immer schrecklich frisch an. Es war ihre erste Mission als Anführerin eines Pfadfinder-Teams gewesen, und nach dem Unfall hatte sie den Rat um Erlaubnis gebeten, nach Jedha zurückzukehren, um dort bei einem der vielen Orden zu studieren, die sich den mystischen Aspekten der Macht verschrieben. Sie hatte gehofft, so zu ihrer inneren Mitte zurückzufinden, Gleichgewicht und Perspektive wiederzugewinnen. Doch stattdessen hatte man sie an Bord der Valiant noch tiefer in den Äußeren Rang geschickt, begleitet von den Meistern Sun und Roy und Padawan Enya Keen. Das Ganze fühlte sich verdächtig nach einer Bestrafung an.
Jetzt konnte sie ebenso gut fragen, was Enya noch mitgehört hatte. »Ist das alles, was Meister Sun gesagt hat?«
»Er meinte auch, dass Ihr impulsiv wärt, aber dass Ihr das Talent habt, eines Tages eine große Meisterin zu sein, sofern Ihr den richtigen Pfad findet.«
Gella setzte Enyas breitem Lächeln einen mürrischen Blick entgegen, aber nur kurz. Sie konnte sich nicht erinnern, je so viel Energie gehabt zu haben wie die Padawan, und das, obwohl sie mit ihren dreißig Standardjahren nur zehn Jahre älter war. Enya hatte etwas Entwaffnendes an sich. Angesichts ihres strahlenden, aufgeschlossenen Lächelns und ihrer unschuldigen Neugier konnte man ihr einfach nicht lange böse sein. Auch wenn sie auf langen Reisen wie dieser mitunter ziemlich anstrengend war.
»Also schön«, sagte Gella. »Ich werde es dir zeigen, wenn wir Eiram erreichen. Ich könnte ein wenig Übung gebrauchen.«
»Seht Ihr? Ich werde Aida Forte sagen, dass Ihr doch nett sein könnt.« Enya tippte mit dem Finger gegen ihr Kinn. »Ich frage mich, wie lange wir auf Eiram bleiben werden. In letzter Zeit fühlt es sich an, als würden wir jeden Ort sofort wieder verlassen.«
»Nun, wir werden definitiv lange genug bleiben, um die medizinischen Versorgungsgüter zu verteilen.« Gella rückte ihre Robe zurecht und kämmte mit den Fingern ihr langes schwarzes Haar glatt.
»Wir werden bleiben, solange sie unsere Hilfe brauchen.« Meister Creighton Sun tauchte an der Tür auf. Er war ein stoischer Mann von einschüchternder Größe. Gella hatte ihn im Lauf der Jahre immer mal wieder im Tempel gesehen, aber er schien sich während all dieser Zeit nicht im Geringsten verändert zu haben. Sie war ziemlich sicher, dass er inzwischen mindestens vierzig Standardjahre alt sein musste, aber selbst als er noch ein junger Jedi-Ritter gewesen war, hatte er schon die Flecken silbernen Haars an seinen Schläfen und die schmalen Falten um die Augen gehabt. Fast, als wäre er geboren, um älter und weiser zu sein. Vielleicht war das auch der Grund, warum Gella darauf achtete, ganz besonders gerade zu stehen, wenn er in der Nähe war.
Sun blickte sich um, als hätte er Angst, der Frachtraum könnte in Flammen stehen. Das war zwar schon einmal passiert, aber Gella hatte nichts damit zu tun gehabt, ganz ehrlich. Na schön, fast nichts.
Gella und Enya strafften beide die Schultern.
»Natürlich, Meister Sun«, sagte Gella.
Creighton Suns buschige schwarze Brauen zogen sich zusammen, als sein Blick auf Gella verharrte, und er kratzte sich mit einem leisen Seufzer das frisch rasierte Kinn. »Ich bin sicher, Enya kam her, um Euch mitzuteilen, dass wir uns den Koordinaten nähern.«
Die Padawan eilte an ihnen vorbei aus dem Frachtraum. Gella wäre ihr sofort gefolgt, aber sie nahm ein Zögern in Meister Suns Haltung wahr.
»Ich habe gehört, was Enya gesagt hat.«
Sie tat die Worte mit einem Kopfschütteln ab. »Schon gut, Meister Sun. Aber es ist ermutigend zu wissen, dass Ihr glaubt, ich könnte eines Tages eine große Meisterin werden. Um ehrlich zu sein, hatte ich gehofft, nach meiner letzten Mission ein wenig trainieren zu können.«
Ihr gefiel, wie er ihr zuhörte, seine Stirn aufmerksam gefurcht. »Und Ihr dachtet, Jedha wäre der richtige Ort dafür?«
»Ist es nicht die logische Wahl?«, erwiderte sie. »Wo könnte ich mehr über die Macht und meinen Platz in ihr lernen als inmitten all der Religionen und Gruppen, die nach ihr leben? Vielleicht wäre es sicherer, so zu trainieren …«
»Sicherer?«, fragte Meister Sun leise. »Für wen? Oder was?«
Gella begegnete dem gütigen Blick seiner waldbraunen Augen. Die erste Antwort, die ihr in den Sinn kam, war: Für alle in meiner Nähe, offensichtlich. Aber als sie versuchte, die Worte laut auszusprechen, wollten sie nicht über ihre Lippen kommen.
»Ich weiß, wie sehr Ihr an unsere Sache glaubt«, sagte Sun, als sich ihr Schweigen in die Länge zog. »Um Hüter von Frieden und Gerechtigkeit zu sein, müssen wir erst die Galaxis kennenlernen. Wir müssen lernen, die lebenden Wesen zu verstehen, die durch die Macht verbunden sind. Der Rat hat Euch nicht auf diese Mission geschickt, damit Ihr medizinische Vorräte ausliefert. Er hat Euch geschickt, damit Ihr Teil eines Teams seid.«
Als Padawan hatte Gella stets getan, was ihr aufgetragen wurde. Sie war von einer Klippe gesprungen und hatte darauf vertraut, dass die Macht ihren Sturz abbremsen würde. Sie hatten in Tempeln auf vielen Welten trainiert. Auf Jedha hatte sie gelernt, wie viele verschiedene Arten von Machtnutzern und Gläubigen es gab. Sie hatte stunden-, tage-, jahrelang geübt, ihren Körper gestählt und meditiert, bis sie nicht länger wusste, wo ihr Bewusstsein begann und die Macht endete. Sie hatte alles getan, was man von ihr erwarten konnte, aber als es darum gegangen war, ihre erste Mission zu leiten … hatte sie versagt.
»Vielleicht ist es besser, wenn ich dem Orden allein diene«, überlegte sie.
Meister Sun zog mitfühlend eine Augenbraue hoch. »Es gibt viele Pfade, und ich bin sicher, zur gegebenen Zeit werdet Ihr Euren finden, Gella Nattai. Aber mir scheint, dass Ihr bislang nur an der Oberfläche Eurer Fähigkeiten kratzt. Ihr müsst …«
»… Geduld haben«, beendete sie den Satz für ihn.
»Genau.« Er ging zum Ausgang des Frachtraums. »Jeder von uns hat eine einzigartige Verbindung mit der Macht. Trotzdem erreichen wir mehr, wenn wir zusammenarbeiten.«
»Danke, Meister Sun«, murmelte Gella. Sie würde nicht noch einmal versagen.
»Und jetzt sollten wir uns besser festschnallen. Beim letzten Flug nach Eiram war der Rücksprung aus dem Hyperraum ziemlich haarig.«
Sie folgte Meister Sun durch den Korridor und nach oben ins Cockpit, wo Meister Char-Ryl-Roy an den Kontrollen saß. Doch selbst sitzend überragte der Cereaner die anderen. Die gelbweiße Beleuchtung ließ seinen glatten, ovalen Kopf schimmern, als er Gella mit einem knappen Nicken grüßte.
»Ihr wart schon einmal auf Eiram?«, fragte Gella Meister Sun, nachdem sie sich auf dem Sitz hinter Enya angeschnallt hatte.
»Oh, ja.« Es war die Padawan, die ihr antwortete, und sie ließ dabei erwartungsvoll die Knöchel knacksen. »Aber letztes Mal wurden wir evakuiert, bevor wir auch nur angedockt hatten.«
Meister Suns Lippen wurden eine Winzigkeit schmaler, dann sagte er: »Dies ist unsere dritte Reise hierher. Eiram und E’ronoh sind nun bereits seit fünf Jahren in diesen Konflikt verstrickt, aber von Streitereien zwischen den beiden Welten erzählte man sich schon, als ich noch ein Padawan war. Ich fürchte, die Eröffnung der Hyperraumroute in ihrem Sektor hat alte Wunden aufgerissen. Und die tragischen Umstände, unter denen der Prinz von E’ronoh starb, haben ihr Übriges getan.«
»Ist es dann eine gute Idee, uns in die Sache einzumischen?«, fragte Gella.
Meister Suns braune Augen verdunkelten sich. »Es ist unsere Pflicht, denen zu helfen, die um Hilfe bitten. Und Eiram hat mehrmals um Unterstützung ersucht – im Gegensatz zu seinem Schwesterplaneten. Der König von E’ronoh traut Fremden nicht.«
Gella überlegte kurz. »Aber die Königin von Eiram schon?«
»Nicht wirklich«, gestand Meister Sun in grimmigem Ton. »Aber nach der Zerstörung eines Militärkrankenhauses hatte sie keine große Wahl. Wir überzeugten sie, dass ihre Welt nur dann weitere medizinische Unterstützung erhalten könnte, wenn sie auf den Waffenstillstand eingeht, den die Prinzessin von E’ronoh vorgeschlagen hatte. Ich glaube, es ist die längste Waffenruhe seit dem Ausbruch des Krieges.«
»Fürwahr ein großer Fortschritt«, fügte Meister Roy vom Pilotensessel hinzu.
»Wie lange schweigen die Waffen denn schon?«, wollte Gella wissen.
»Drei Tage«, antwortete er mit einem zufriedenen Lächeln.
Drei Tage!, fuhr es Gella durch den Kopf. So lange waren sie ja fast schon unterwegs, um das Eiram-E’ronoh-System im Dalna-Sektor zu erreichen.
»Sagt ruhig, was Ihr denkt, Gella Nattai«, forderte Meister Sun sie auf. »Ich weiß, es war die Idee des Rates, dass Ihr uns begleitet, aber ich möchte, dass Ihr Euch als Teil des Teams betrachtet. Es gibt keinen Grund, Eure Meinung zurückzuhalten.«
Gella war noch nie sonderlich eloquent gewesen, wenn es darum ging, ihre Gedanken in Worte zu fassen. Trotzdem räusperte sie sich und ließ es auf einen Versuch ankommen. »Wenn ich ehrlich sein soll, klingen drei Tage nicht nach einem großen Erfolg.«
»Vielleicht nicht. Aber es ist ein Anfang«, erwiderte Meister Sun voller Zuversicht. »Dies ist ein kritischer Moment für Eiram und E’ronoh. Die Wunden zwischen den beiden Planeten sitzen tief, aber ich habe Hoffnung, dass sie einen Weg zu echtem, dauerhaftem Frieden finden werden.«
»Ein Anfang«, wiederholte Gella. War diese Reise für sie vielleicht dasselbe: ein Neuanfang, nachdem ihre letzte Mission in einem Debakel geendet hatte? »Ich verstehe.«
In diesem Moment erzitterte das Schiff innerhalb des Hyperraumkorridors.
»Festhalten!«, rief Enya, die Finger so fest um ihre Sicherheitsgurte gekrallt, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. Meister Sun schloss die Augen und griff nach der Haltestange über ihm.
Gella fühlte sich seltsam ruhig. Sie bewegte sich mit dem Schiff, als es in den Normalraum zurücksprang und das blaue Glühen sternengesprenkelter Schwärze wich. Meister Roy hingegen prallte mit dem Kopf gegen seine Haltestange, und er ächzte leise. Einen harten Ruck später erzitterte das gesamte Schiff.
»Was zur Hölle …?«, presste Enya hervor.
Gella hatte die Padawan noch nie vor ihrem Meister fluchen hören, aber angesichts der Situation war es verständlich. Das Blinken und Piepsen von Alarmen erfüllte das Cockpit, als wären sie im Begriff, mit etwas zusammenzustoßen. Zunächst war Gella nicht sicher, was dieses Etwas sein könnte. Direkt vor ihnen befand sich ein alter Frachter, der durch das Trümmerfeld auf einen türkisfarbenen Planeten zuschlingerte. Sie sah auch die Militäreskorte von Eiram, die auf sie gewartet hatte. Darüber hinaus befand sich in der schmalen Lücke zwischen den beiden Welten auch eine ganze Staffel von e’ronischen Sternjägern. Gella hätte nicht gedacht, dass man etwas Ungreifbares wie das Weltall so präzise unterteilen konnte, aber diese verfeindeten Planeten hatten offenbar einen Weg gefunden.
»Wir müssen abdrehen!«, schrie Enya.
Direkt unter ihnen tauchte ein weiterer Langträger aus ihrem toten Winkel auf. Gellas Eingeweide verknoteten sich, als Meister Roy versuchte auszuweichen, aber die Nase der Valiant stieß unsanft mit dem Heck des republikanischen Schiffes zusammen.
»Es ist die Paxion«, sagte Enya nach einem Blick auf die Kontrolltafel.
»Sicher?«, fragte Meister Sun.
Selbst Gella sagte der Name etwas. »Was macht das Schiff von Kanzler Mollo denn hier draußen?«
Bevor irgendjemand Spekulationen anstellen konnte, zuckte ein grüner Lichtstrahl durch die Dunkelheit. Er traf nur ein Trümmerstück, aber er war von einem einsamen corellianischen Höllenjäger gekommen, der sich von seiner Staffel gelöst hatte.
»Ich schätze, die Waffenruhe ist beendet«, murmelte Gella, wobei sie sich an der Nackenstütze des Kopilotensitzes festhielt.
Meister Sun schürzte die Lippen, dann spannte er die Schultern, während sie erneut durchgeschüttelt wurden.
»Hier spricht Meister Char-Ryl-Roy im Namen des Jedi-Rates«, rief der Cereaner ins Komm. »Wir sind ein medizinischer Hilfstransport auf dem Weg nach Eiram. Ich wiederhole: Wir sind ein medizinischer Hilfstransport. Stellen Sie das Feuer ein.«
Die Cockpitbeleuchtung flackerte, und alles klapperte. Laserfeuer und Trümmer tanzten um sie herum.
»Ich leite die Reserveenergie in die Schilde um«, sagte Enya, die bereits auf die Konsole eintippte.
»Erasmus, melden Sie sich!«, rief Meister Roy die Hauptstadt von Eiram, doch alles, was ihm antwortete, waren verzerrte Störgeräusche. »Eiram, bitte melden!«
»Ich habe versucht, die Paxion zu erreichen, aber ich glaube« – Enya deutete auf eine Parabolantenne, die durch das Trümmerfeld trieb –, »wir haben ihren Empfänger zerstört.«
»Fliegt nach Eiram!« Meister Sun musste schreien, um die Alarme zu übertönen. »Wir können nicht auf eine Eskorte warten.«
»Ich habe gute und schlechte Neuigkeiten«, sagte Enya. »Die gute Neuigkeit ist, bislang schießen sie nur aufeinander und nicht auf uns.«
»Interessant, dass du das für eine gute Neuigkeit hältst«, kommentierte Meister Roy. »Und was ist die schlechte?«
»Ich kann Erasmus nicht erreichen, um unsere Autorisierung durchzugeben. Und ohne Landefreigabe schießen ihre Abwehrgeschütze uns vielleicht ab, wenn wir in die Atmosphäre eindringen.«
»Nun, hier können wir jedenfalls nicht bleiben«, entgegnete Meister Sun.
Er hatte gesagt, dies sei ein kritischer Moment für Eiram und E’ronoh, aber hatte die Anspannung allein gereicht, um einen Angriff auszulösen, obwohl beide Planeten händeringend auf Hilfslieferungen warteten?
Gella schloss die Hände um die Armlehnen ihres Sitzes. Sie wollte etwas tun, nicht einfach nur hier herumsitzen. Meister Suns Frustration war ebenfalls deutlich spürbar. »Wir sollten dort rüberfliegen.«
»Geht nicht«, erwiderte er in bedauerndem Ton.
»Wir dürfen nicht Partei ergreifen«, pflichtete Meister Roy ihm bei. »Unsere Mission lautet, die angeforderten Hilfsgüter nach Eiram zu bringen, nicht, in ihrem Krieg mitzumischen. Darum werde ich erst mal zu diesem Mond hinüberfliegen, bevor wir in das Gravitationsfeld von E’ronoh geraten.«
Gella hielt die Augen auf das Gefecht inmitten des leeren Raums gerichtet und streckte ihre Sinne in Richtung der Zerstörung aus. Wut und Furcht strahlten von allen Piloten aus, aber einer wirkte panischer als der Rest. Sein Jäger war außer Kontrolle – ein corellianisches Modell, dem Aussehen nach ein älterer Bautyp, dessen graues Metall mit aggressiv wirkenden roten Linien bemalt war, mit zwei Laserkanonen an den Spitzen der Flügel. Gella beobachtete, wie der Pilot vergeblich versuchte, der Maschine wieder Herr zu werden, und sie spürte, wie seine Angst sich immer mehr in Grauen verwandelte. Die Emotionen hinterließen einen bitteren Geschmack auf ihrer Zunge.
Sie deutete auf den einsamen Höllenjäger. »Dort.«
»Ich spüre es ebenfalls«, sagte Enya. »Der Pilot hat die Kontrolle verloren und fürchtet sich.«
»Wir können nichts tun. Wir müssen erst unsere Ladung in Sicherheit bringen«, entschied Meister Char-Ryl-Roy, als ihr Langträger einen weiteren Treffer hinnehmen musste.
Wenn sie die Oberfläche des Mondes erreichten, könnte Gella die Meister vielleicht überreden, sie mit einem ihrer Alpha-3-Sternjäger starten zu lassen und dem versprengten Piloten zu helfen. Aber sie wusste, dass es dann bereits zu spät sein würde.
Ein Plan nahm in ihrem Kopf Gestalt an, und Gella Nattai löste kurz entschlossen ihre Sicherheitsgurte. Sie eilte in den hinteren Teil des Schiffes und rutschte die Leiter hinunter zu den Sternjägern. Bei dem Gedanken, allein zu fliegen, wurde ihr ganz mulmig zumute, aber sie zwang sich, ruhig weiterzuatmen. Ihre Gefühle waren im Moment unwichtig – dort draußen brauchte jemand Hilfe. Und deswegen war sie doch hier, oder? Um zu helfen. Gella legte eine Reihe von Schaltern um, anschließend löste sie die Magnetklammern und schloss die Cockpithaube.
Ihre Nervosität löste sich auf, sobald sie dem Schlachtfeld entgegenraste. Das Ziel war klar. Sie mochte nicht die beste Pilotin des Ordens sein, aber sie hatte die Macht auf ihrer Seite. Rote Schemen zuckten an ihr vorbei, und dann war sie auch schon im Herzen des Gefechts. Blaue, metallisch schimmernde Schiffe mit abgerundeter Oberseite huschten zwischen den größeren Trümmerbrocken umher und machten Jagd auf die Sternjäger mit den roten Streifen. Ein verkohltes Metallteil prallte von Gellas Schilden ab, dann etwas, das wie ein Stiefel aussah, und sie war beinahe froh, als sie wieder dem grünen Flackern von Energie ausweichen musste, während sie auf den panischen Piloten zusteuerte.
»Melden, Alpha Eins«, sagte Meister Roys Stimme. Er klang alles andere als begeistert. »Kehrt unverzüglich zur Valiant zurück. Das ist ein Befehl.«
»Es tut mir leid, Meister. Aber dieser Pilot hat Todesangst. Er wird hier nicht mehr lange durchhalten.«
Ein missbilligendes Schnauben ertönte, gefolgt von: »Wir räumen Euch einen Weg vom Schlachtfeld frei.«
Gella hatte sich dem corellianischen Höllenjäger inzwischen so weit genähert, dass sie die Zahl sehen konnte, die auf seinen Flügel gemalt war. Neun. Die Maschine raste auf Eiram zu und feuerte dabei unablässig aus ihren nach vorne ausgerichteten Kanonen. Eirams Verteidiger versuchten, die Bedrohung zu eliminieren, und deswegen kämpften die anderen Höllenjäger gegen sie.
Gella überlegte, aus welchem Winkel sie feuern müsste, um seinen Flügel zu streifen und ihn von Eiram fortzulenken, denn sollte er die Meereswelt erreichen, würde er einen weiteren, noch ernsteren interplanetaren Zwischenfall auslösen.
»Eins nach dem anderen«, ermahnte sie sich.
Ihre Sensoren zeigten zwei Schiffe, die sich ihr in hohem Tempo näherten, also leitete sie ein Ausweichmanöver ein und zog das Steuer hart zu sich heran, um die beiden abzuschütteln. Doch die Schiffe neigten sich ebenfalls nach oben und brachen aus dem Trümmerfeld hervor, eines links von ihr, das andere zu ihrer Rechten.
Eine drängende Stimme meldete sich aus dem Komm. »Hier ist Captain Xiri A’lbaran. Drehen Sie ab, Alpha, oder ich werde schießen. Das ist Ihre letzte Warnung.«
»Oh, Captain«, meldete sich eine zweite, verbitterte Stimme. »Wir hätten uns denken sollen, dass Sie etwas im Schilde führen. Sie sind genauso verlogen wie Ihr Vater.«
»Das ist ein Missverständnis, General«, erwiderte Captain A’lbaran, ihre Worte unterbrochen von statischem Rauschen und einem unmerklichen Zögern. »Ich bin bereit, das Feuer einzustellen. Lassen Sie meine Schiffe nur unbehelligt zu dem Frachter.«
»Glauben Sie, mich interessiert eine Ladung Eis, wenn ein feindliches Schiff direkt auf meine Hauptstadt zurast?«
»Er hat die Kontrolle über seine Maschine verloren!«, rief Captain A’lbaran.
Gella spürte, dass die Situation nach Taten verlangte, nicht nach Worten. Sie hasste es zu fliegen, aber in ihrem Herzen war kein Platz für Furcht. Also riss sie das Steuer herum und flog in einem diagonalen Bogen durch die Lücke zwischen den zwei Schiffen, dicht genug, dass die Flügelspitzen des Alpha-3 auf beiden Seiten über Metall schabten. Das laute Kreischen marterte ihre Ohren, aber zumindest hatte sie jetzt die ungeteilte Aufmerksamkeit der verfeindeten Piloten.
»Also schön«, sagte Gella, noch immer mit wild pochendem Herzen. »General, Captain, ich möchte Ihnen helfen, verstehen Sie?«
»Helfen?« Captain A’lbaran schnaubte, während sie weiter hinter Gella herraste.
»Ganz recht, helfen. Ich bin Jedi-Ritterin Gella Nattai.«
»Eine Jedi-Ritterin?« Der überraschte Ausruf stammte von einem der anderen Piloten. Offenbar gab es keinen Ort in der Galaxis, wo ihr Titel nicht überrascht wiederholt wurde. Gella betonte ihre Zugehörigkeit zum Orden aber nicht etwa aus Stolz, sondern weil dem Begriff Jedi ein Gefühl von Gerechtigkeit anhaftete, das sich nur schwer in Worte fassen ließ.
»Rufen Sie Ihre Jäger zurück«, forderte sie.
»Auf keinen Fall«, zischte der General. »Da fliegt gerade ein feindliches Schiff auf Erasmus zu.«
»Eiram hat uns um Hilfe gebeten, General«, erinnerte Gella ihn. »Ich kann die Maschine ruhig halten, bis der Pilot wieder die Kontrolle hat. Bitte, vertrauen Sie mir.«
Kurz herrschte Stille, das nervenzehrende Knistern eines offenen Kanals, dann schließlich ein zähneknirschendes: »Na schön.«
»Ich komme mit Ihnen«, erklärte Captain A’lbaran.
Gella hatte nicht vor, noch mehr Zeit zu verschwenden. Sie raste los und beschleunigte auf maximale Geschwindigkeit, um den e’ronischen Höllenjäger einzuholen. Die eiramischen Schiffe blieben eins nach dem anderen hinter ihr zurück, und die Staffel von Captain A’lbaran ging rings um den alten Frachter in Position. Die Valiant und die Paxion glitten derweil weiter auf den silbernen Mond zwischen den beiden Schwesterwelten zu. Gella ließ erleichtert den angehaltenen Atem entweichen, aber sie wusste, dass es noch zu früh war, um zu jubeln.
»Neun, melden Sie sich«, sagte sie, nachdem sie sich neben den Jäger gesetzt hatte. Vor ihnen wuchs der blaue Planet rasend schnell heran. »Wie heißen Sie?«
Gella stieß das Schiff von der rechten Seite an und drückte es mit ihrem Flügel nach oben. Jetzt war es zumindest nicht mehr auf Kollisionskurs mit der Hauptstadt.
»Ich kann nicht abbremsen! Ich weiß nicht …«
»Konzentrieren Sie sich auf meine Stimme.« Sie sprach ruhig, aber eindringlich genug, dass die Worte durch das Komm in seine Gedanken schnitten. »Wie heißen Sie?«
»Wer sind Sie?«, fragte der Pilot. Gella konnte hören, wie jung und verängstigt er war.
»Es ist in Ordnung. Sie können ihr antworten, Blitz«, warf Captain A’lbaran ein.
»Bly«, sagte er keuchend. »Bly Tevin, aber alle nennen mich Blitz.«
»In Ordnung, Blitz. Ich möchte, dass Sie auf Ihren Captain hören.«
Sein Höllenjäger rempelte ihren Alpha-3 an, und eine Salve automatischen Kanonenfeuers zuckte aus seinen vorderen Kanonen. Die Maschine versuchte, auf ihren vorigen Kurs zurückzukehren – zurück in Richtung Eiram. Captain A’lbaran näherte sich von der anderen Seite, und gemeinsam nahmen sie und Gella Blitz in ihre Mitte. Metall knirschte, und Funken flogen, als Metall gegen Metall kratzte. Gella griff mit der Macht hinaus und konzentrierte sich auf den jungen Piloten. Wenn sie ihn besser verstand, wäre sie vielleicht in der Lage, die wogenden Emotionen zu beruhigen, die sein Handeln umnebelten. Im Augenblick schien das die beste Option zu sein.
»Blitz«, drängte Captain Xiri. »Schalten Sie den Antrieb ab.«
»Ich kann nicht! Ich …«
»Sie können und Sie werden«, sagte Gella, sodass die ruhige Vibration ihrer Stimme über ihn hinwegschwappte.
Sie spürte ein neues Aufflackern von Panik, als Blitz einmal mehr die Kontrolle über sich selbst und seinen Höllenjäger verlor. Er stieß erst gegen A’lbarans Schiff, dann gegen Gellas Alpha-3, und die beiden hatten alle Hände voll zu tun, um ihn in ihrer Mitte zu halten.
»Es funktioniert nicht«, rief Blitz. »Der Autopilot hat sich eingeschaltet. Ich kann nichts machen. Sie … Sie werden mich abschießen müssen.«
»Das steht nicht zur Debatte, Thylefeuer Neun«, entgegnete Captain Xiri. »Selbst wenn Sie die Kontrolltafel mit bloßen Händen aufbrechen müssen, Sie werden einen Weg finden, den Antrieb runterzufahren.«
Falls Blitz antwortete, so konnte Gella es nicht hören. Sie stemmte sich gegen das Steuer, so fest sie nur konnte. Der Alpha-3 war leichter als der E’roni-Sternjäger; Blitz von seinem Kurs wegzudrücken, würde die Maschine in Stücke reißen. Und ihre Machtverbindung mit ihm drohte ebenfalls zu zerbröckeln, als eine neue, gutturale Stimme aus dem Komm plärrte.
»Tut mir leid, Prinzessin«, rief der Fremde. »Aber dafür werden wir nicht bezahlt. Wir werfen die Fracht ab.«
Gella sah, wie der Frachter in einem Lichtblitz aus dem Sektor verschwand und gewaltige Container in das Trümmerfeld trudelten, während die Prinzessin einen Strom von Verwünschungen ausstieß.
In diesem Moment der Abgelenktheit brach Blitz’ Höllenjäger zwischen ihren beiden Schiffen hervor. Er kippte wieder nach unten, seinem Ziel auf Eiram entgegen. »Sie haben das Eis abgeworfen und sind geflohen! Lieutenant Segaru, wir dürfen diese Ladung nicht verlieren!«
Einen Moment später erloschen plötzlich die Antriebe des verrücktspielenden Höllenjägers, und er begann, in einer trudelnden Spirale tiefer zu sinken. »Ich hab’s geschafft! Ich habe einen Weg gefunden.«
Gella spürte Blitz’ Erleichterung, aber da war immer noch raue Furcht in ihm, die wie Sandpapier über ihre Haut kratzte.
»General Lao, bitte …«, begann Captain A’lbaran. Blitz war noch immer auf einem Kollisionskurs mit Eiram, aber zumindest feuerte er nicht länger.
»Ich verstehe«, sagte der General nach kurzem Zögern. »Ich werde persönlich dafür sorgen, dass Sie beide nach Hause zurückkehren können.«
»Vielen Dank, General«, sagte Captain A’lbaran, während Gella ihren Alpha-3 von den beiden Höllenjägern fortschwenkte und in Richtung der Valiant flog.
»Captain?« Mit einem Mal loderte Blitz’ Furcht wieder hoch. Gella drehte den Kopf und sah, dass Captain A’lbaran und der General noch immer hinter ihm herflogen. Aber irgendetwas stimmte nicht. »Ich habe hier ein Problem. Ich …«
Bevor er den Satz beenden – oder Gella wenden – konnte, explodierte Bly Tevins Höllenjäger in einer rot-weißen Feuerwolke.
Bly Tevin hatte die blauen Ozeane von Eiram schon immer mal aus der Nähe sehen wollen, auch wenn er den Planeten eigentlich hassen sollte. Aber der Junge, den alle nur Blitz nannten, konnte niemanden hassen, jedenfalls nicht wirklich. Nicht so wie die anderen Piloten, mit diesem Zorn, der sich ihnen förmlich ins Fleisch eingebrannt hatte. Diese Mission hätte der erste Tag einer langen Militärlaufbahn sein sollen. Eine Gelegenheit, zu Ende zu bringen, was seine Schwester begonnen und wofür schon sein Großvater als junger Mann gekämpft hatte. Die Rettung E’ronohs.
Als man ihm einen der neuen Sternenjäger zugewiesen hatte, war er voller Ehrfurcht aus der Atmosphäre in die grenzenlose Weite des Alls gerast. Das war etwas, worauf einen kein Simulator vorbereiten konnte und auch keine Übungsflüge in der Widderkopfschlucht. Er war entschlossen gewesen, sich zu beweisen. Anstatt Blitz, den tollpatschigen Piloten, würde man ihn schon bald Bly Tevin nennen, den Helden von E’ronoh.
Doch er war nicht der große Held, von dem er manchmal träumte. In dem Moment, als er die Kontrolle verlor, versuchte er, den Höllenjäger von seinen Kameraden wegzulenken. Dafür hätte man ihn als Deserteur brandmarken können, aber er wollte nicht, dass irgendjemand zu Schaden kam, und das Schiff reagierte einfach nicht. Die Waffen waren darauf programmiert, zu feuern, die Antriebe darauf, in die Hauptstadt von Eiram hinabzurasen.
Es fühlte sich an, als hätte er bereits stundenlang mit den Kontrollen gekämpft und sich die Seele aus dem Leib geschrien, als er plötzlich ihre Stimme hörte. Ein leichter Druck legte sich auf seine Brust, wie von einer warmen Decke, und die Wolken der Furcht lichteten sich, bis er wieder klar denken konnte. Er erinnerte sich an die zeremonielle Schicksalsklinge an seiner Hüfte und zog sie mit verschwitzten, zitternden Fingern aus der Hülle. Das Messer, das einst seinem Großvater gehört hatte, war nicht scharf genug, als dass man sich noch daran schneiden könnte, aber es sollte ausreichen. Er rammte die Klinge in den Eingabeschlitz der Konsole, und der folgende Kurzschluss legte nicht nur das Navigationssystem lahm, sondern das gesamte Schiff.
»Ich hab’s geschafft! Ich habe einen Weg gefunden.«