Die Magie der Weltentore: Fantasy Paket 3 Romane - Alfred Bekker - E-Book

Die Magie der Weltentore: Fantasy Paket 3 Romane E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Die Magie der Weltentore:Fantasy Paket 3 Romane von Alfred Bekker Über diesen Band: Dieses Buch enthält folgende Fantasy Romane von Alfred Bekker: Das Höllentor in eine andere Welt Überfall der Trolle Stadt der Helden Der zwölfjährige Finn hat eine Leidenschaft: Er zeichnet Comics und träumt sich nach Zauber City, eine Stadt, in der Magie real ist, die von magischen Wesen bevölkert wird und in der mächtige Superhelden gegen Schurken und Ungeheuer kämpfen. Doch da beginnt Finn die Geschichte außer Kontrolle zu geraten. Sein Held Dunkelauge entwickelt sich zu einem Schreckensherrscher. Finn erreicht über den Abgrund der Welten hinweg der Hilferuf des Feenmädchens Aylin. Er muss die Welt, die er geschaffen hat vor dem Helden retten, der sie eigentlich beschützen soll und dazu über sich hinaus wachsen... Dazu zeichnet Finn sich selbst in die Geschichte hinein und ist auf einmal in einer fantastischen Welt, die er zu kennen glaubte und die doch mehr Geheimnisse bereit hält, als er für möglich hielt.

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Die Magie der Weltentore: Fantasy Paket 3 Romane

Alfred Bekker

Published by Alfred Bekker, 2021.

Inhaltsverzeichnis

Title Page

Die Magie der Weltentore:Fantasy Paket 3 Romane

Copyright

Das Höllentor in eine andere Welt

Das Höllentor in eine andere Welt

Copyright

Kapitel 1: Das Spiel der Spiele

Kapitel 2: Der Horror zu Hause

Kapitel 3: Im Reich der Verdammten

Kapitel 4: Kreaturen der Finsternis

Kapitel 5 : Hexenspuk im Nebel

Kapitel 6: Der Weg der weißen Wölfe

Kapitel 7: Gefrorene Gesichter

Kapitel 8: Das Dorf der lebenden Toten

Kapitel 9: Der Kampf gegen die Schattengeschöpfe

Kapitel 10: Im Schloss der Blutsauger

Kapitel 11: Der Namenlose Magier

Kapitel 12: Jarmila

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Orks und Helden: Zwei Fantasy Abenteuer

Orks und Helden – Zwei Fantasy Abenteuer

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Die wilden Orks: Überfall der Trolle

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Stadt der Helden: Fantasy Sonder-Edition

Copyright

Die Stadt der Magie

Der magische Zeichner

Die veränderte Zeichnung

Dunkelauges Schreckensherrschaft

Verwirrende Träume

Eine seltsame Begegnung

Zauber City braucht Hilfe

Der Schöpfer trifft auf seine Geschöpfe

Gondolas, der Elf

In der geheimen Wohnung

Finn gegen Dunkelauge

In Sicherheit

In der Tiefenstadt

Das Duell am Weltentor

Die Entscheidung

Meine Stadt

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Further Reading: Elfen gegen Orks: Die Saga um Ravic

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Die Magie der Weltentore:Fantasy Paket 3 Romane

von Alfred Bekker

Über diesen Band:

Dieses Buch enthält folgende Fantasy Romane von Alfred Bekker:

Das Höllentor in eine andere Welt

Überfall der Trolle

Stadt der Helden

––––––––

Der zwölfjährige Finn hat eine Leidenschaft: Er zeichnet Comics und träumt sich nach Zauber City, eine Stadt, in der Magie real ist, die von magischen Wesen bevölkert wird und in der mächtige Superhelden gegen Schurken und Ungeheuer kämpfen. 

Doch da beginnt Finn die Geschichte außer Kontrolle zu geraten. Sein Held Dunkelauge entwickelt sich zu einem Schreckensherrscher. Finn erreicht über den Abgrund der Welten hinweg der Hilferuf des Feenmädchens Aylin. 

Er muss die Welt, die er geschaffen hat vor dem Helden retten, der sie eigentlich beschützen soll und dazu über sich hinaus wachsen... Dazu zeichnet Finn sich selbst in die Geschichte hinein und ist auf einmal in einer fantastischen Welt, die er zu kennen glaubte und die doch mehr Geheimnisse bereit hält, als er für möglich hielt. 

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker (https://www.lovelybooks.de/autor/Alfred-Bekker/)

© Roman by Author / COVER WERNER ÖCKL

© dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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Alles rund um Belletristik!

Das Höllentor in eine andere Welt

Das Höllentor in eine andere Welt

Alfred Bekker

Published by Alfred Bekker, 2021.

Table of Contents

UPDATE ME

Das Höllentor in eine andere Welt

von Alfred Bekker

Der Umfang dieses Buchs entspricht 123 Taschenbuchseiten.

"Hellgate"- Das Tor zur Hölle! So heißt das neue Computerspiel, das Robert auf der Straße bei einem abgedrehten Gothic-Typen gekauft hat. Als er es mit seiner Freundin Brenda spielt, werden beide in die Höllenwelt hineingesaugt und müssen sich mit immer neu erscheinenden Waffen und Kräften gegen Vampirfledermäuse, Zombies und Hexen von Level zu Level kämpfen, bis sie dem mächtigen Dämon selbst gegenüberstehen.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author / COVER STEVE MAYER nach Motiven von Ivan Constantinovich Aivazovsky

© dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

www.AlfredBekker.de

[email protected]

Kapitel 1: Das Spiel der Spiele

Robert Thornton hatte gerade die Subway Station DeKalb Street in Brooklyn, New York, verlassen, als ihm der Stand des fliegenden Händlers auffiel.

Auf einem Tapeziertisch lagen Computerspiele aus.

Robert atmete tief durch. Seine Eltern hatten ihm das Taschengeld halbiert, weil seine Schulleistungen momentan stark zu wünschen übrig ließen. Er griff unwillkürlich in die weiten Taschen seiner Cargo-Hose und fühlte sein Portemonnaie, aber er ließ es stecken. Schließlich wusste er auch so, dass er nur noch fünf Dollar hatte.

Fünf Dollar für den Rest des Monats.

Trotzdem trat Robert etwas näher an den Tisch heran.

Dort lagen fast ausschließlich Exemplare eines Spiels, das Hellgate hieß.

Cool! , dachte Robert. Das Tor zur Hölle!

Eine Menagerie des Schreckens war auf dem Cover abgebildet. Mischwesen aus Vampir und Fledermaus, Zombies mit stumpfem Totenblick, bei denen sich das faulige Fleisch von den Knochen löste... Im Hintergrund war ein Friedhof zu sehen, dessen Grabsteine zum Teil umgestoßen waren. Totenhände ragten bereits aus der Erde hervor und griffen nach einer jungen Frau in zerfetzter Kleidung, die verzweifelt zu fliehen versuchte.

Robert nahm eines der Spiele, drehte es um und sah auf die Alterskennung.

Es war immer dasselbe. Die wirklich guten Spiele waren erst ab 18. Robert war für seine sechzehn Jahre zwar recht gut entwickelt, aber wenn ein Altersnachweis verlangt wurde, stand er dumm da.

Bei einem fliegenden Händler hatte er vielleicht Glück. Es kam schon mal vor, dass ein oder zwei Augen zugedrückt wurden. Nur zu dumm, dass er nicht das nötige Kleingeld hatte.

„Hellgate – das Spiel der Spiele!“, sagte die sehr tiefe Stimme des Händlers. „Kann ich nur empfehlen!“ Diese Stimme hatte auf Robert eine elektrisierende Wirkung. Das war eine Stimme von unerbittlicher Autorität.

Eine Stimme, die einem Schuldirektor oder einem Navy-Offizier hätte gehören können.

Robert blickte auf.

Der Mann war groß, breitschultrig und hatte beängstigend dürre und langfingrige Hände. Sein schwarzer Ledermantel reichte fast bis zu den Knöcheln. Sein haarloser Kopf erinnerte an einen Totenschädel, der durch den dunklen Kinnbart noch länger wirkte. Ganz im Gegensatz zu dem haarlosen Schädel besaß er sehr buschige und nach oben gebogene Augenbrauen.

Ein Gothic-Opa! , dachte Robert. So wie der riecht, hat er es mit dem Leichenöl für seine Körperpflege aber ein bisschen übertrieben!

„Tja, das Spiel sieht cool aus, aber ich fürchte, ich habe nicht genug Geld dabei“, bekannte Robert. „Sind Sie öfter her?“

„Das Spiel kostet fünf Dollar.“

„Hey, das ist ja genauso viel wie...“

„Du kannst es bezahlen – und ich sage dir, du wirst diesen Tag nicht vergessen. Ein Spiel wie Hellgate hast du noch nicht gespielt. Es sprengt alle Dimensionen, bringt dich in Gefilde des Schreckens, von deren Existenz du bisher nicht einmal etwas geahnt hast!“

„Mich interessiert eigentlich mehr, mit welcher Grafik-Engine da gearbeitet wird und...“

Der Händler unterbrach ihn.

„Du wirst dich in einer anderen Wirklichkeit befinden, Junge! Dieses Spiel ist ein Tor zur Hölle. Wenn du etwas erleben willst, dann kauf es. Wenn du dich weiter mit Kinderkram abgeben willst, dann verschwendest du hier nur deine Zeit.“

Robert atmete tief durch.

Die Sache kam ihm merkwürdig vor. Der Händler hatte etwas an sich, das ihn beunruhigte. Etwas, das nichts mit seiner Verkleidung zu tun hatte, die ihn aussehen ließ wie eine Kopie von Morpheus aus Matrix. Robert hatte keine Erklärung dafür. Er spürte nur, dass eine Gänsehaut seinen gesamten Körper überzog, sobald dieser Mann seine Stimme erhob.

Ihre Blicke trafen sich.

Ein überlegenes, triumphierendes Lächeln spielte um die Lippen des Händlers. Das Lächeln eines Mannes, der wusste, dass er bekam was er wollte. Immer. Und zu seinen Bedingungen.

„Ich bin nur dieses eine Mal hier – und du hast doch die fünf Dollar! Du würdest es bereuen, wenn du jetzt einfach weitergehst.“ Das Lächeln wurde breiter. „Aber in Wahrheit hast du dich doch auch längst schon entschieden.“

„Ich nehme an, das sind Raubkopien... Bei dem Preis!“

„Es sind Originale.“ Er kicherte. „Frisch aus der Höllenpresse...“

„Sind die Dinger geklaut oder wie können Sie die so günstig anbieten?“

„Das braucht dich ebenso wenig zu kümmern, wie es mich kümmert, dass du erst sechzehn bist.“

Robert war perplex. „Wie...?“

„Habe ich doch richtig schätzt, oder?“

„Also greif schon zu! Du bezahlst mit fünf Dollar und deiner Seele, an die du doch sowieso nicht glaubst. Da kommen wir beide auf unsere Kosten! Glaub mir!“ Robert schluckte. Der Händler bedachte ihn mit einem Blick, der ihn unwillkürlich schaudern ließ. Er hatte das Gefühl, dass dieser Mann ihm bis auf den Grund seiner Seele blicken konnte und alles über ihn wusste.

Wirklich alles.

Das ist doch Quatsch! , dachte er.

Dann sah er sich noch einmal das Cover des Spiels an.

Vielleicht ist es ja wirklich so supercool, wie der Typ sagt!, überlegte Robert. Bei einem Preis von fünf Dollar ging er jedenfalls kein großes Risiko ein.

„In Ordnung“, sagte Robert, legte seine Schulbücher kurz auf den Tisch des Händlers und kramte sein Portemonnaie hervor.

Er ahnte nicht, dass damit das Grauen begonnen hatte.

*

Robert ging bis zur nächsten Straßenecke, dort musste er abbiegen. Dabei blickte er immer wieder auf das Cover von Hellgate. Die dämonischen Wesen, die dort abgebildet waren, schienen ihm mit ihrem Blick zu folgen, gleichgültig, aus welchem Winkel er sie betrachtete.

Wenn die Cover-Graphik schon so geil ist, lässt das ja einiges für das Spiel hoffen! , dachte er.

Er probierte es mehrfach aus. Ein eigentümlicher Sog schien von diesem Cover und den darauf abgebildeten Gestalten auszugehen. Fast glaubte er schon, das Rascheln der Fledermausflügel zu hören...

Bevor er abbog, blickte er noch einmal zurück zu dem kahlköpfigen Händler.

Aber er war samt seinem Stand verschwunden.

Wie vom Erdboden verschluckt.

Zwei Polizisten standen in der Nähe und unterhielten sich.

Der eine aß einen Hot Dog, der andere gestikulierte mit den Armen. Wahrscheinlich durfte der Kerl hier gar nicht seinen Stand eröffnen! , dachte Robert. Komischer Typ! Ein alter Mann, der versucht cool zu wirken, damit er seine Spiele besser verkauft! Der war doch mindestens dreißig!

Kapitel 2: Der Horror zu Hause

„Hi Mom, Hi Dad!“

Robert ging gleich die Treppe hinauf, aber er war nicht schnell genug, um seiner Mom auszuweichen.

Sie kam in den Flur, als es Robert gerade bis zum Treppenabsatz geschafft hatte.

„Kommst du gleich essen, Robert?“

„Ja, sicher.“

„Wie war’s in der Schule?“

„Wie immer.“

Ihr Blick fiel auf das Cover von Hellgate, woraufhin sich ihr Gesicht sofort veränderte. „Hast du dir wieder dieses Zeug gekauft! Du weißt doch, wie du in der Schule stehst.

Willst du unbedingt das Jahr noch mal machen?“

„Nein, Mom.“

„Aber wenn du dauernd vor der Kiste hängst und mit diesen Spielen deine Zeit vertrödelst, wird es darauf hinauslaufen.“

„Brenda kommt nachher noch zum Lernen“, sagte er. Eine Antwort, die ihm in diesem Augenblick vielleicht noch retten konnte.

„Heute Abend noch?“, fragte seine Mom.

„Gleich, um halb sechs. Wir schreiben doch morgen den Test in Mathe – und da ist Brenda einfach der Spitzen-Crack!“ Mom seufzte. „Fällt dir ein bisschen früh ein, für den Test zu üben. Stattdessen bringst du seit Wochen deine freie Zeit damit zu, diese Ballerspiele zu spielen, bei denen es nur darum geht, irgendwelche Gegner abzuschießen. Grässlich!“

„Wenn ich mich in zwei Jahren zu den Scharfschützen der Army melde, kann ich das gut gebrauchen!“, erwiderte er.

Das war Moms Horror-Vorstellung. Ihr einziges Kind meldete sich zur Army und starb bei irgendeinem Auslandeinsatz.

Robert hatte das gar nicht vor. Er wusste noch nicht genau, was er später mal werden wollte, aber diese Antwort war immer ein gutes Mittel gewesen, um Moms Argumentationsfluss treffsicher zu stoppen. Meistens war sie dann erstmal gar nicht mehr in der Lage, überhaupt etwas zu sagen.

Aber heute hatte sie offenbar ihren schlagfertigen Tag.

„Robert, mit deinem Zeugnis nimmt die Army dich nicht mal fürs Wachpersonal – geschweige denn bei den Scharfschützen!“

*

Nach dem Essen war vor der Verabredung mit Brenda noch etwas Zeit. Robert ging in sein Zimmer und fuhr den Computer hoch.

Dann packte er das Computerspiel aus.

Warum nicht noch einen kurzen Blick hineinwerfen? , fragte er sich. Er legte die DVD ein und startete das Spiel.

„Willkommen am Tor zur Hölle!“, sagte ein Zombie mit verrotteter Kleidung und glühenden Augen. Er hielt eine Sense in der Hand, mit der er auf ein flammendes Tor deutete. „Wenn du dieses Tor durchschreitest, bist du im Reich der Verdammten und es gibt dann kein Zurück mehr. Click hier, wenn du dem Satan deine Seele überantwortest – denn nur dann kannst du Zutritt ins Höllenreich erhalten.“ Mal sehen, was passiert! , dachte Robert und führte den Click aus.

Auf einmal spürte er einen unbeschreiblichen Sog. Alles schien sich vor seine Augen zu drehen. Er hatte das Gefühl, in einen Strudel zu geraten, dem man nicht widerstehen konnte.

Für den Bruchteil einer Sekunde schien er ins bodenlose Nichts zu fallen, dann spürte er festen Grund unter seinen Füßen. Er sank leicht ein. Plötzlich wurden die Bilder vor seinen Augen wieder klarer. Der Strudel aus Farben und Formen wich eindeutig umrissenen Konturen.

Instinktiv blickte Robert zuerst nach unten.

Er stellte fest, dass er auf Schnee stand.

Dann sah er sich um. Eine gefrorene, zu Eis erstarrte Landschaft umgab ihn. Schwere Zapfen hingen von den knorrigen Bäumen herab, deren verwachsene Stämme aussahen, als hätten sie Gesichter. Es war Nacht. Der Mond verbreitete ein fahles Licht und die Schreie von Eulen, Krähen und anderen, namenlosen Kreaturen unterbrachen immer wieder die Stille.

Fledermäuse flogen in Schwärmen um die Burgzinnen herum, sammelten sich zu Formationen, bevor sie auseinander stoben und sich in alle Richtungen zerstreuten.

„Cool!“, stieß er hervor.

Er verfügte nun wirklich schon über eine reichhaltige Erfahrung in Sachen PC Games und träumte insgeheim davon, eines Tages als Profispieler auf E-Sport-Turnieren sein Geld zu verdienen.

Aber etwas, das mit dem Effekt von Hellgate vergleichbar war, hatte er noch bei keinem Spiel erlebt.

„Wähle die Waffen, o Verdammter!“, ertönte jetzt eine hallende Stimme.

Im nächsten Moment erschienen in der Luft drei verschiedene Schwerter, eine Streitaxt und eine Armbrust, die mit Holzpflöcken geladen wurde.

„Wähle die Waffen, o Verdammter!“, wiederholte die Stimme.

Das ließ sich Robert nicht zweimal sagen. Seine Mom, sein Dad, ihr Gemecker über seine Schulleistungen, Brenda...

Das war in diesem Moment alles vergessen. Auch die Frage, wie es eigentlich möglich war, dass dieses Spiel ihn förmlich in seine Höllenwelt hinein gesogen hatte, trat in den Hintergrund.

Er wählte eines der Schwerter.

Eine zweischneidige Klinge, wie er schnell merkte.

Und dazu sehr scharf.

Als er die Klinge mit der linken Hand berührte, hatte er sich sofort geschnitten. Blut troff daraus hervor in den Schnee.

Es tat sogar weh.

„Das gibt’s doch nicht!“, entfuhr es ihm.

„Und nun überlebe!“, meldete sich noch einmal die Stimme, woraufhin, die in der Luft schwebenden und von einem hellen Schein umgebenden Waffen plötzlich verschwanden.

Robert focht mit dem Schwert in der Luft herum. Der Schnitt an der linken behinderte ihn etwas. Wie ist es nur möglich, das so realistisch zu machen!, durchfuhr es ihn.

Das Schwert lag jedenfalls gut in der Hand, so dachte er.

„Ja, jetzt soll nur kommen, wer kommen mag! Wo sind sie, die Kreaturen des Bösen?“, rief er lachend.

Ein Flügelschlag ließ Robert herumfahren. Es war vollkommen still geworden.

Auf einem der knorrigen Bäume hatte eine Kreatur sich niedergelassen, die nur als dunkler Schattenriss zu erkennen war. Die Augen leuchteten wie glühende Kohlen und beobachteten Robert.

Das muss der erste Gegner sein, dachte Robert. Und wahrscheinlich residierte der Herr des Bösen in dem dunklen Schloss und musste am Ende vom Spieler besiegt werden.

Aber erst nachdem er es geschafft hatte, sämtliche Schattenkreaturen mit einer der Waffen zu zerhacken.

Na ja, nicht unbedingt ein besonders intelligenter Plot, dachte Robert. Da gab es wirklich schon Raffinierteres auf dem Markt. Aber die Umsetzung ist einsame Spitze! , fand er.

„Na, nun komm schon, du Riesen-Eule!“, rief Robert provozierend. „Ich will jetzt kämpfen und sehen, wie die Waffen wirken!“

Das hast du doch bereits! , meldete sich eine Gedankenstimme. Robert schauderte, denn er hatte keine Sekunde lang einen Zweifel daran, dass diese Gedankenstimme der Kreatur auf dem knorrigen Baum gehörte.

Dann breitete dieses Wesen die Flügel aus und es wurde für Robert Thornton jetzt erkennbar, dass diese Schattenkreatur keinerlei Ähnlichkeit mit einer Eule hatte. Die Flughäute mit den daran befindlichen Händen erinnerten vielmehr an Fledermäuse.

Das Wesen erhob sich in die Luft. Dabei stieß es einen Schrei aus, der so schrill und durchdringend war, das er Robert durch Mark und Bein ging.

Das fahle Mondlicht ließ ihn jetzt das Wesen besser erkennen. Es handelte sich um eine bizarre Mischung aus Mensch und Fledermaus.

Zusätzlich zu den Flügeln gab es noch ein weiteres, sehr menschlich wirkendes Armpaar. Aus den langen Fingern wuchsen Krallen heraus.

Das zu einer Maske verzerrte Gesicht offenbarte lange Vampirzähne.

Das Wesen stürzte sich auf Robert.

Dieser versuchte, es mit seinem Schwert zu treffen, die Kreatur stieß ihn grob zu Boden. Er fiel in den Schnee und wirbelte herum, ehe die Kreatur einen Bogen geflogen war und sich erneut auf ihn stürzen konnte.

Er hieb mit dem Schwert nach dem Angreifer und ritzte leicht dessen Flughaut.

Die Kreatur brüllte wütend auf.

Dann kehrte sie zurück. Von der Wunde war nichts mehr zu sehen. Sie schien inzwischen geheilt zu sein. Wie willst du denn die Kreaturen des Todes töten, du Narr? , meldete sich die Gedankenstimme, bevor das Wesen erneut zum Angriff auf den am Boden Liegenden ansetzte.

Robert fasste das Schwert mit beiden Händen und schlug zu.

Das Schwert fuhr durch den Arm, mit dem die Kreatur angriff, drang aber nur bis zum Knochen vor.

Das Wesen schien dies nicht weiter zu stören.

Robert fühlte die Krallenhand bereits an seinem Hals und rang nach Atem.

Ein großmäuliger Narr bist du! Dein Blut für den Schlossherrn – deine Seele für den Herrn der Hölle! , meldete sich die Gedankenstimme.

Die Kreatur öffnete den an das Maul eines Affen erinnernden Mund und schickte sich an, seine langen Vampirzähne in Roberts Fleisch zu schlagen.

Robert konnte noch spüren, wie die Zähne den Hals aufrissen und etwas Warmes an ihm hinab lief.

Sein eigenes Blut.

Er schrie.

Er schrie wie noch nie zuvor in seinem Leben.

*

„Robert!“

Wie aus weiter Ferne hörte er diese Stimme. Sie war hell und irgendwie vertraut.

„Robert!“

Ihr Klang wurde von einer anderen Stimme überlagert, die sehr viel deutlicher zu hören war. „Der Vorgang konnte nicht abgeschlossen werden. Kein Zugriff.“

Jemand fasste ihn bei den Schultern.

Einen Augenblick lang war Robert schwarz vor Augen.

Ein Cocktail aus verschiedenen Farben und Formen tauchte dann auf und nur sehr langsam formten sich daraus Gegenstände. Der Schirm eines Computers, die Tastatur...

Er wurde herumgerissen und blickte in ein Gesicht.

„Robert, was ist los mit dir? Du blutest ja!“ Robert sah in ein weibliches, feingeschnittenes Gesicht, das von kinnlangen, blonden Haaren umrahmt wurde.

„Brenda!“, stieß er hervor.

Es war kaum mehr als ein heiseres Krächzen, das über seine Lippen kam. Einen Augenblick lang konnte Robert kaum fassen, dass er sich wieder zu Hause in seinem Zimmer befand. Brenda hatte ihn bei den Schultern gepackt und gerüttelt.

Und jetzt starrte sie ihn gleichermaßen irritiert und besorgt an.

„Deine Hand blutet“, stellte sie fest. „Ich sag deiner Mom Bescheid und besorge ein Pflaster.“

Er blickte auf seine Hand und erschrak. Der Schnitt, den er sich mit dem Schwert zugezogen hatte, war keinesfalls Einbildung gewesen.

Brenda wollte bereits gehen, aber Robert hielt sie zurück.

„Nein, lass!“, murmelte er, während der noch ganz unter dem Eindruck des Erlebten stand. Es fehlte gerade, dass er jetzt mit seinen Eltern darüber diskutieren musste, woher die Verletzung kam – zumal es ihm ohnehin niemand geglaubt hätte.

Auf jeden Fall hat der kahlköpfige Typ an der DeKalb Station keineswegs übertrieben, dachte er. Dies war tatsächlich das Spiel der Spiele.

Brenda sah ihn stirnrunzelnd an. 15 Jahre war sie, hieß mit vollem Namen Brenda Lucille Coogan, war vorzeitig eingeschult worden und abgesehen davon, dass sie einfach einen sehr viel besseren Draht zur Mathematik hatte als Robert, war sie auch noch sehr nett.

Brenda und Robert waren kein Paar, aber keiner von beiden hätte wohl etwas dagegen gehabt, wenn sich ihre Beziehung in naher Zukunft mal in diese Richtung entwickelte.

„Was ist los? Deine Mom hat mich zu dir heraufgeschickt und mich schon vorgewarnt, weil da so komische, gurgelnde Geräusche aus deinem Zimmer kamen und dann sehe ich dich da, wie...“

Sie sprach nicht weiter.

„Wie was?“, hakte er nach.

Erneut starrte sie ihn an wie ein exotisches Tier. Ihre Augenbrauen zogen sich dabei zusammen. Sie deutete auf seinen Hals. „Robert, da ist alles ganz rot, so als hätte dich jemand gewürgt, der lange Fingernägel hatte...“ Robert schluckte unwillkürlich.

Die Erinnerung an sein Erlebnis mit der Vampirfledermaus wurde jetzt noch einmal sehr lebendig.

„Sieht man das?“

„Natürlich sieht man das. Was denkst du denn?“

„Als du herein kamst, was hast du beobachtet?“

„Du saßt auf deinem Stuhl und hast auf den Bildschirm geschaut, wo irgendwelche Monster herumgeturnt sind. Aber du warst völlig weggetreten.“

Robert lächelte. „Ja, ich habe vorhin, als ich aus der Schule kam, dieses Hammerspiel gekauft. Hellgate heißt es...“ Er blickte zum Bildschirm. Das Bild war erstarrt.

Ein Fledermausmonster beugte sich über einen am Boden liegenden jungen Mann, dessen Gesicht zur Maske des Schreckens geworden war, während ihm das Vampirgebiss des Monsters den Hals aufriss.

Brenda glaubte ihren Augen nicht zu trauen. „Das bist ja du, Robert!“, stellte sie fest. „Dein Gesicht!“

„Mist!“, sagte Robert. „Abgestürzt. Aber das verstehe ich nicht. Die Hardware-Vorrausetzungen stimmen eigentlich.“ Brenda konnte es noch immer nicht fassen, was sie gesehen hatte. „Robert, das bist du da auf dem Bildschirm!“, wiederholte sie. „Wie kommst du dort hinein? Wird die Grafik nach einem Foto des Benutzers generiert oder hast du den Machern des Spiels Modell gestanden und dich abscannen lassen?“

„Weder noch!“

„Dann verstehe ich das nicht. Ich habe doch nichts an den Augen, oder?“

Sie beugte sich noch etwas näher an den Bildschirm und schien doch ihrem Blick noch nicht so recht trauen zu können.

„Es stimmt“, lächelte er. „Das bin ich. Ich verstehe das auch nicht ganz, aber bei diesem Hammerspiel ist man völlig in der Spielwelt drin. Das musst du selbst erlebt haben!“ Brenda nahm sich das Cover.

„Hellgate – das Tor zur Hölle. Das klingt...“

„Cool, oder?“

„Ich wollte sagen, das klingt eigentlich nicht gerade nach einer Umgebung, die man unbedingt besuchen möchte.“

„Brenda, das ist ein Spiel! Du begegnest Monstern und schlägst sie tot, damit du überlebst. Das ist alles. Ein Riesenspaß eben!“

„Na, ich weiß nicht.“

„Du musst das unbedingt auch mal probieren.“

„Das ist doch wahrscheinlich nur Daumentraining!“

„Nein, bei diesem Spiel nicht. Der Typ, der es mir verkaufte, hatte Recht, es ist wirklich das Spiel der Spiele.

Du bist vollkommen in der Spielwelt drin, so als wärst du ein Teil davon. Ich habe keine Ahnung, wie die das machen, aber es ist einfach so.“

Brenda sah ihn skeptisch an und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie blickte kurz zu dem Bildschirm hinüber und las sich dann noch einmal den Covertext durch.

„Ich bin eigentlich kein besonders großer Fan von so etwas.“

„Aber das wird dich überzeugen, Brenda!“

„Hör mal, ich bin eigentlich hier, um mit dir Mathe zu lernen. Wir schreiben doch morgen den Test.“

„Ja, ich weiß“, murmelte Robert. „Aber weißt du was? Ich fahre den Rechner jetzt noch einmal hoch und dann probierst du es einfach mal. Nur ein paar Minuten, dann wirst du begreifen, was ich meine.“

Sie seufzte. „Okay“, stimmte sie schließlich zu. „Zehn Minuten. Und dann üben wir. Sonst verhaust du morgen den Test. Und ich denke, du weißt, was davon abhängt.“

Kapitel 3: Im Reich der Verdammten

Robert ließ den Computer erneut hochfahren und startete das Spiel. In der Beschreibung sah er nach, wie man den Modus für zwei Personen einstellte.

Brenda hatte sich inzwischen den zweiten Stuhl in Roberts Zimmer passend zurechtgestellt. „Na, dann mal los“, sagte sie und lachte ihn an. Grübchen entstanden dabei auf ihren Wangen.

Auf dem Bildschirm erschien wieder das flammende Höllentor, das von einem Zombie mit scharfer Sense bewacht wurde.

„Und das soll gruselig sein?“, fragte Brenda.

„Warte es ab.“

„Das ist zum Gähnen!“

„Ich sagte: Warte ab!“

„Eine moderne Version der Addams Family. Aber nichts, wovor man sich fürchten müsste.“

„Dann amüsier dich meinetwegen, wenn du es so witzig findest.“

„Ach, Robert!“

„Willkommen am Tor zur Hölle!“, sagte der Zombie mit verrotteter Kleidung und glühenden Augen. Er deutete wieder mit seiner Sense auf das flammende Tor. „Wenn ihr dieses Tor durchschreitet, seid ihr im Reich der Verdammten und es gibt dann kein Zurück mehr. Click hier, wenn ihr dem Satan eure Seelen überantworten wollt – denn nur dann könnt ihr Zutritt ins Höllenreich erhalten.“

„Es ist wirklich zu blöd, Robert!“

„Etwas Geduld, Brenda!“

„Dann schalte die Lautstärke etwas herunter.“

„Wieso?“

„Na, deine Eltern denken doch, dass wir hier fleißig lernen!“

„Click jetzt! Na, los!“

Sie seufzte. „Meinetwegen. Und jetzt du!“ Im nächsten Augenblick erfasste sie beide der unheimliche Sog, den Robert bereits einmal gespürt hatte. Ein Sog, dem man nicht widerstehen konnte. Alles drehte sich vor den Augen und sie schienen in einen bunten Strudel aus Farben und Formen zu stürzen.

Dann wurde es für kurze Zeit dunkel.

Im nächsten Moment fanden sie sich in jener bizarren, tief gefrorenen Welt wieder, die den Hintergrund für einen Horrorfilm hätte abgeben können - der fahle Mond, der helle Schnee, die verwachsenen Bäume und die tierischen Schreie namenloser Kreaturen, die immer wieder die gespenstische Stille unterbrachen.

In der Ferne lag – erhaben und Furcht einflößend – das Schloss, aus dem die riesenhafte Vampirfledermaus gekommen war.

Robert musterte Brenda. Sie sah sich um, machte einen Schritt nach vorn und stellte fest, dass ihre Füße tatsächlich ein Stück in den Schnee einsanken.

„Das ist...“

Sie sprach nicht weiter und hatte offenbar keine Worte für das, was sich ihr darbot.

„Das ist cool, oder?“, meinte Robert. „Gib es zu, so was hättest du nicht erwartet!“

Sie schüttelte den Kopf. „Okay, ich gebe zu, dass dies wirklich ein ganz außergewöhnliches Spiel sein muss!“

„Habe ich es dir doch gesagt!“

„Wie kommen wir hier her? Wie haben die das gemacht?“

„Keine Ahnung, Brenda. Ich weiß nur, dass ich noch nie ein Spiel gespielt habe, das auch nur annähernd an diesen Effekt herankam!“

Brenda trat ein paar Schritte vor und pflückte einen Eiszapfen von einem erstarrten Strauch.

Wenig später ließ sie ihn fallen.

„Der ist ja wirklich kalt!“, stellte sie fest.

„Na klar, was denkst denn?“

„Was ist mit der Verwundung an deiner Hand? Kommt die auch...“, Brenda zögerte, ehe sie weiter sprach, „...von hier?“

Robert nickte. „Ja. Du musst bei den Schwertern aufpassen.

Die sind scharf wie Rasierklingen – und zwar auf beiden Seiten.“

„Was für Schwerter?“

„Wirst du gleich sehen. Eigentlich wundert es mich, dass wir noch keine Waffen zur Auswahl bekommen haben.“ Sie rieb sie die Hände und sagte dann: „Robert, wir sollten jetzt damit aufhören. Wie kommen wir wieder zurück?“

„Aber wir sind doch gerade erst hier!“

„Vergiss nicht, dass wir lernen wollten!“ In diesem Augenblick ertönte eine Stimme.

„Wählt eure Waffen – und versucht zu überleben. Im Schloss wartet der Herr des Bösen auf euch und freut sich, euer Blut kosten zu dürfen. Eure Seelen hingegen, wird ein anderer bekommen, dessen Namen ich nicht auszusprechen wage.“ Im nächsten Moment erschienen nacheinander verschiedene Waffen. Sie schwebten genau wie beim ersten Mal einfach in der Luft, nur war diesmal das zur Verfügung stehende Arsenal etwas größer.

Es gab neben Streitäxten, Schwertern und einer Armbrust auch noch verschiedene Dolche und Rapiers sowie einen Langbogen.

„Jetzt haben wir die Qual der Wahl“, sagte Robert. „Also eins weiß ich, diesmal werde ich mich etwas besser ausrüsten als beim letzten Mal. Ich würde dir dasselbe empfehlen Brenda, sonst hast du nämlich gegen die Monster keine Chance.“

„Quatsch, wir gehen jetzt zurück!“, beharrte Brenda. „Das reicht mir. Vor allem ist mir schrecklich kalt. Auf einen Schiurlaub war ich nämlich nicht so richtig eingestellt!“ Die Stimme meldete sich wieder.

„Wählt die Waffen und überlebt! Aber bedenkt, dass ihr Verdammte seid. Verdammt zu sterben, verdammt eure Seelen und euer Blut zu geben...“

Ein Gelächter ertönte.

„Schluss jetzt mit dem Gequatsche!“, sagte Brenda entschieden und stemmte die Hände in die Hüften. „Ich will jetzt zurück! Definitiv!“

„Wählt die Waffen!“, beharrte die stark verhallte Stimme, deren Kathedralen-Akustik einen eigentümlichen Kontrast zu der Schnee gedämpften Stille dieser gefrorenen Landschaft stand.

Brenda wandte sich an Robert. „Hör mal, was soll das denn?

Gibt es hier keine Escape-Funktion?“

„Anscheinend nicht in diesem Menue“, murmelte Robert.

„Wählt die Waffen oder ihr werdet den Mächten des Bösen ein leichtes Opfer werden. Aber den Jägern des Blutes macht es keine Freude, ihre Beute ohne Kampf zu erjagen!“, verkündete die Stimme. Ein gehässiges Kichern ertönte. Dazu ein schauriger Chor von schrillen Stimmen, die wie ein Singsang zwei Wörter wiederholten.

„Blut!“

„Durst!“

„Blut!“

„Durst!“

„Ich würde sagen, wir bringen es hinter uns!“, sagte Robert.

„Du willst jetzt hier eine Runde spielen, oder was?“

„Klar! Wir hauen ein Monster tot und dann gibt es sicher einen Zugang zur Escape-Funktion!“

„Das ist nicht dein Ernst, Robert! Wir wollen lernen!“

„Das geht bestimmt ganz schnell. Bei jedem Spiel kann man aussteigen, wann man will, nur muss man gegebenenfalls in einem tieferen Level wieder anfangen.“

„Tja, aber hier scheint das anders zu sein, Robert!“

„Besser wir wählen jetzt die Waffen, sonst sind sie weg!“, schlug Robert vor.

Er wählte ein Schwert, das dazugehörige Futteral, um es sich auf den Rücken zu schnallen, die Armbrust mit Holzpflöcken, einen Dolch und ein Rapier.

Zur Armbrust gehörte auch noch eine Ledertasche für die Holzpflöcke.

Als er auch noch die Axt nehmen wollte, wurde diese plötzlich transparent.

„Du hast keine Waffenpunkte mehr!“, sagte die hallende Stimme.

Brenda wählte auch.

Sie nahm ein Schwert, einen Dolch und den Bogen mit einem Köcher voller Pfeile.

Sie besaßen keine Metallspitzen, sondern waren aus Holz.

„Ist doch logisch!“, fand Robert, als Brenda sich darüber wunderte. „Vampire tötet man durch Holzpflöcke. Noch wie was von Dracula gehört?“

„Da gab’s bestimmt im Eingangsmenue eine Funktion für Fragen und Erklärungen“, erwiderte sie.

„Die haben wir wohl übersehen. Aber darauf kommt es auch nicht so an. Wir wollten doch nur kurz mal in dieses Game hinein schnuppern und dann lernen.“ Er zwinkerte ihr zu.

„Oder?“

Brenda schien die ganze Situation gar nicht mehr komisch zu finden. „Das ist kein normales Spiel, Robert!“

„Was sag ich denn die ganze Zeit!“

„Was war das denn für ein Typ, der dir Hellgate verkauft hat?“

„Sah aus wie Morpheus aus Matrix. Langer Ledermantel, kahler Kopf und ein schwarzer Knebelbart. Außerdem roch er nach Leichenöl.“

Brenda runzelte die Stirn. „Wie bitte?“

„Ja, damit schmieren sich doch Grufties ein, um ihrem Outfit gemäß zu riechen. Wusstest du das nicht?“

„Also mein Fall ist das nicht! Ein klassisches Deo tut’s doch auch, finde ich.“

„Ich sage dir, der hatte sich damit so doll einbalsamiert wie eine ganze Gruftbelegschaft. Aber seine Preise waren cool. Fünf Dollar und meine Seele wollte er haben. Also so gut wie nichts.“

Eine Pause entstand. In der Ferne krächzte eine Krähe und der Wind heulte um die Mauern des fernen Schlosses auf der Anhöhe.

„Robert...“

„Ja?“

„An deiner Stelle würde ich von meiner Seele nicht als ‚so gut wie nichts’ sprechen.“

„Na ja...“

„Und außerdem kannst du wetten, dass mit dem Typ und seiner Ware was nicht in Ordnung war. Geklaut, kopiert oder sonst was.“

„Ist doch egal!“

Sie rieb sich die Arme.

„Mir ist verdammt kalt und ich hätte gerne etwas Wärmeres zum Anziehen, wenn wir hier länger bleiben. Und danach sieht es ja leider aus.“

Robert zuckte die Schultern. „Warum rufen wir nicht einfach die Stimme?“ Er stapfte ein paar Schritte durch den Schnee. „Heh, Stimme? Wir brauchen Kleider! Es ist verdammt kalt hier!“

Keine Reaktion.

Robert versuchte es noch einmal, wieder gab es keine Antwort.

Plötzlich knackten Zweige im nahen Unterholz. Robert schob die Armbrust, die ihm an einem Riemen über der Schulter hing etwas weiter nach hinten und riss das Schwert aus dem Rückenfutteral.

„Pass auf, dass du nicht schneidest!“, sorgte sich Brenda.

„Keine Sorge, das habe ich jetzt im Griff!“

„Lass uns einfach nur einen Weg finden, der möglich schnell hier herausführt, Robert!“

„Sicher!“

Wieder knackte es im Unterholz eines nahen Waldstücks.

Nebelschwaden waberten über den Boden, sodass man kaum etwas davon sehen konnte, was dort geschah. Krähen wurden aufgescheucht. Der Schlag ihrer dunklen Schwingen erzeugte ein raschelndes Geräusch.

Aus dem Unterholz kam eine Gestalt, kaum größer als einen Meter und fast genauso breit.

Ein Gnom mit einem Kopf, der fast ein Drittel seines Körpers ausmachte und der ein tierhaftes, mit spitzen Zähnen bewehrtes Maul besaß. Die Beine waren kurz und stämmig. Die Arme so dick und kräftig, wie die Oberschenkel eines ausgewachsenen Mannes - und so lang, dass sie über den Boden schlürten, wenn er sie nicht verschränkte.

Robert senkte das Schwert.

„Gegen Zwerge kämpfe ich nicht, das ist unfair!“

„Sag das nicht!“, stieß Brenda hervor. „Der sieht ziemlich böse aus!“

Der Gnom näherte sich. „Ich bin Karashlon, der dienstbare Dämon. Für den Schlossherrn das Blut! Für den Herrn der Hölle die Seelen!“ Er kicherte wie irre. „Wer schreit da um einen ungerechtfertigten Bonus?“

Brenda und Robert wechselten irritierten Blick.

„Uns ist kalt“, sagte Brenda schließlich. „Wir brauchen Kleidung. Aber genau genommen wollen wir eigentlich auf dem schnellsten Weg hier raus und zurück...“

„Zurück?“, echote der Gnom und kicherte erneut. „Zurück?

Habe ich das richtig verstanden? Ihr wollt zurück, obwohl die Bewohner des Dorfes dort hinten ihre verzweifelte Hoffnung darauf setzen, dass ihr das schafft, was niemand zuvor schaffte? Nämlich den Mächten des Bösen die Stirn zu bieten und sie von immerwährenden Qualen zu erlösen? Wollt ihr die Verdammten enttäuschen und davonlaufen wie Feiglinge? Und wollt Ihr außerdem den Mächten des Bösen das Vergnügen rauben, euer Blut wie guten Wein zu schlürfen und eure Seele zu einer Sklavenseele zu machen? Diese Mächte wollen euch kämpfen sehen. Sie wollen miterleben, wie ihr euch vergeblich bemüht und letztlich scheitert. Ich rate es euch, ihnen nicht diese Freude zu nehmen, denn ihre Rache dafür würde furchtbar sein.“

„Jetzt ist der Spaß vorbei!“, bestimmte Robert. „Wir wollen hier raus. Wo ist die Escape-Funktion?“ Brenda registrierte sehr genau die Veränderung in Roberts Tonfall. Wenn er jetzt schon genug von der Sache hat, dann ist wohl tatsächlich nicht alles in Ordnung.

„Spaß?“, echote der Gnom. „Hast du wirklich Spaß gesagt?

Ihr seid im Reich der Verdammten, da ist der Begriff Spaß wohl völlig fehl am Platz! Und was die Escape-Funktion angeht...“ Er kicherte gehässig. „Die ist hier nicht vorgesehen!“

„Wie bitte?“, fragte Robert. Sein Gesicht war jetzt kreideweiß geworden – genau wie das von Brenda. „Das ist doch ein Scherz, oder?“

„Habt ihr angeklickt, dass ihr eure Seelen dem Herrn der Hölle überantwortet oder nicht?“, fragte der Gnom. Er wartete die Antwort gar nicht erst ab. „Na also! Worüber beklagt ihr euch? Es gibt kein Zurück, es sei denn...“

„Was?“, fragte Robert.

„Es sei denn, dass Programm hängt sich auf oder ihr schafft es, den Endgegner der letzten Ebene zu besiegen.

Aber, ich kann euch versichern, dass dies noch niemandem gelang.“

Schrille, durchdringende Schreie drangen jetzt vom Schloss her. Mehrere der Fledermausmonster zogen dort ihre Kreise.

Das fahle Mondlicht tauchte sie in ein geisterhaftes Licht.

Robert vermochte bereits Gedankenstimmen zu hören – wenn das dafür überhaupt das richtige Wort war.

Euer Blut ist unser. Wie schlürfen es wie Wein und weiden uns ans eurer Furcht, auf dass auch ihr Kreaturen der Finsternis werdet!

„Was war das?“, fragte Brenda.

Sie hatte es offenbar auch wahrgenommen.

„Und jetzt wehrt euch! Fürchtet euch und macht den Mächten des Bösen Freude durch eure Angst und euren Schrecken!“, tönte der Gnom. „Und was die Kleider angeht, die ihr verlangt habt, so verdient sie euch doch! Wenn ihr es schafft, ein paar Angreifer abzuwehren, bin ich vielleicht bereit, euch behilflich zu sein.“ Er lachte schallend und trommelte dabei auf seinen vorgewölbten Bauch.

Unterdessen wurden die Kreise, die die Fledermausmonster zogen, immer enger. Sie näherten sich, obwohl sie auf Robert einen nicht besonders zielstrebigen Eindruck machten.

Wir wollen eure Angst etwas länger genießen! , war eine Gedankenstimme zu hören. Wenn wir euch zu schnell töten, dann ist das Vergnügen für unsere Oberen zu rasch vorbei... Und wer wollte so missgünstig sein, ihnen zu verwehren, was den Mächten des Bösen gebührt?

„Bitte hilf uns hier heraus!“, flehte Brenda an den Gnom gewandt. „Das ganze ist ein Irrtum gewesen.“ Der Gnom runzelte die Stirn.

„Ein Irrtum? Nein, das glaube ich kaum. Ihr bekommt, was ihr gewollt habt und verdient.“ Er schüttelte seinen Kopf und fletschte grimmig die Zähne. „Wie gerne würde ich selbst euch zerfleischen und euer Blut in meinen Hals rinnen lassen, aber das lasse ich lieber, denn dann bekomme ich Ärger.

Schließlich bin ich ja nur ein Diener-Dämon.“

„Dann diene auch und lass uns hier raus oder gib uns wenigstens warme Kleider!“, forderte Robert.

„Du hast die Bezeichnung Diener-Dämon vielleicht etwas missverstanden, junger Mann“, antwortete der Gnom. „Tut mir leid, das ist vielleicht meine Schuld, schließlich habe ich euch recht großzügig mit Waffen ausgestattet, sodass ihr vielleicht auf die irrige Idee kommen konntet, ich sei in diesem Spiel, um euch zu dienen. Aber das ist nicht der Fall.

Ich diene den Mächten des Bösen, zu deren Vergnügen ihr hier seid!“

Inzwischen wurde klar, dass die Fledermausmonster noch auf zwei weitere ihrer Art gewartet hatten, bevor sie zum Angriff aufbrechen wollten. Sechs dieser monströsen Mischgeschöpfe aus Mensch und Riesenfledermaus schwebten jetzt am Himmel.

Sie nahmen eine v-förmige Formation ein und flogen auf Brenda und Robert zu.

„Ich schlage vor, wir verschwinden hier!“, sagte Robert.

„Ich dachte, das ist alles nur ein cooles Spiel!“, rief Brenda.

„War offensichtlich ein Irrtum!“

„Na, toll!“

„Komm jetzt!“

Robert steckte das Schwert wieder ins Rückenfutteral. „Da vorne im Wald dürften wir etwas mehr Schutz haben. Sollen sich die Biester an den Ästen die Flughäute aufreißen!“ Wie gebannt stand Brenda da und starrte die herannahenden Monstren an. Das dämonische Leuchten in den Augen dieser Nachtkreaturen hatte eine beinahe hypnotische Wirkung auf sie.

Robert nahm sie bei der Hand und riss sie mit sich.

„Los jetzt, sonst können sie auf offenem Feld angreifen.“ Sie rannten zum Waldrand.

Der Gnom war inzwischen verschwunden. Von einem Augenblick zum anderen war er nicht mehr da gewesen. Aber über seinen Verbleib machten sich die beiden jetzt am allerwenigsten Gedanken.

Sie rannten auf den Nebel verhangenen Wald zu, der aus seltsam verwachsenen Bäumen bestand. Dazwischen war dichtes Unterholz. Hier da fanden sich auch Nadelbäume, von denen Eiszapfen hingen.

Der Schnee wurde hier allerdings plötzlich tiefer. Bis zu den Knien sanken sie ein und kamen kaum noch vorwärts.

So leicht macht ihr es uns? Welch ein Enttäuschung!, nahmen sie beide die Gedankenstimme eines ihrer Verfolger wahr. Ein Chor aus kreischendem Gelächter erscholl.

Robert spürte, wie ihn etwas im Rücken berührte und einen Schlag versetzte, der ihn in den Schnee taumeln ließ.

Er drehte sich am Boden um die eigene Achse, riss das Rapier heraus, aber sein Handgelenk wurde von der Klauenhand der Nachtkreatur gepackt und zur Seite gebogen. Ein Griff wie ein Schraubstock, gegen den Robert nichts tun konnte.

Eine namenlose, unfassbare Kälte ging von dieser Berührung aus. Die Kälte dieser Winterlandschaft war nichts dagegen.

Eine zweite Klauenhand griff nach Roberts Hals.

Das tierhafte Maul des Monstrums öffnete sich und ein fauliger, übel riechender Atem betäubte Roberts Sinne. Das dämonische Leuchten hypnotisierte ihn. Er spürt, wie sein Willem zum Widerstand erlahmte und ihm langsam, aber sicher alles gleichgültig wurde.

Der bleiche, an einen Halbaffen erinnernde Kopf senkte sich nieder und schon berührten die spitzen Reißzähne Roberts Haut.

Die triumphierende Äußerung der Gedankenstimme erreichte ihn noch.

Schwächling! Es war schnell zu Ende mit dir!

Kapitel 4: Kreaturen der Finsternis

Irgendwo hatte Robert mal gelesen, dass man das eigene Leben wie einen Film innerhalb von Sekunden vor sich ablaufen sah, wenn man seine letzten Momente erlebte.

Er hatte sich das nie richtig vorstellen können und deshalb für Unsinn gehalten. Aber jetzt geschah genau das! Er sah Szenen aus seinem bisherigen Leben vor sich. Wie Zeitrafferaufnahmen wirkte das. Aber es lief immer wieder auf dasselbe hinaus. Der Typ an der DeKalb Station... Verdammt, ich hätte mich nie von ihm anquatschen lassen sollen...

Aber für diese Erkenntnis war es jetzt zu spät.

Das Fledermausmonster, das sich über ihn beugte, stieß jetzt einen tiefen, grollenden Laut aus, der ein paar ausgesprochen schrille Obertöne hatte, die Robert fast das Gehör raubten.

Blut! , dachte das Wesen.

Plötzlich surrte etwas durch die Luft.

Ein Pfeil!

Brenda musste ihn abgeschossen haben. Er fuhr dem Monstrum in die Schulter. Die Nachtkreatur brüllte laut auf.

Ein weiterer Pfeil fuhr ihr in den Oberkörper und durchbohrte ihn.

Nein!

Der Schrei der Gedankenstimme fuhr wie ein schmerzhafter Stich durch Roberts Hirn. Das Wesen zerfiel zu übel riechendem Staub, der auf Robert herabrieselte und ihm schier den Atem nehmen drohte.

Nichts blieb von dem Ungeheuer. Nicht einmal die Knochen.

Der beinahe hypnotische Bann der dämonischen Augen war gebrochen. Robert drehte auf dem Boden herum.

Dort, wir er gerade noch gelegen hatte, stürzte sich eine andere Nachtkreatur mit geöffnetem Maul zu Boden, um das Werk seines Vorgängers zu vollenden.

Auch dieses Wesen wurde von Brendas Pfeil getroffen und zerfiel zu Staub. Robert richtete sich auf. Im nächsten Moment stand er wieder auf den Beinen als bereits die dritte Kreatur herannahte.

Diesmal griff Robert zum Schwertgriff. Er zog die zweischneidige Klinge aus dem Futteral auf seinem Rücken und hielt sie mit beiden Händen. Das Wesen stürzte sich auf ihn.

Der Schrei, der dabei ausgestoßen wurde, war so schrill, dass er kaum zu ertragen war und einen allein schon in den Wahnsinn treiben konnte.

Robert hieb der Kreatur den Kopf ab.

Auch sie zerfiel zu Staub, der grau über den weißen Schnee gestreut wurde.

Drei Angreifer waren noch übrig, doch die waren jetzt vorsichtiger geworden. Sie zogen Kreise über den Köpfen von Brenda und Robert.

„Danke übrigens!“, sagte Robert keuchend. „Das war ziemlich knapp eben!“

„Schon gut. Aber sag nie wieder, dass das alles nur ein Spiel ist!“

„Das wirst du nicht mehr von mir hören, Brenda!“, versprach Robert.

Sie legte einen weiteren Pfeil ein und schoss ihn ab, aber er ging daneben.

„Wir dürfen unsere Waffe nur benutzen, wenn wir absolut sicher sind, damit auch einen Erfolg zu erzielen“, sagte Robert.

„Du meinst, dieser nicht gerade sehr zuvorkommende Diener-Dämon gibt uns keine weiteren Pfeile?“

„Sehr hilfsbereit schien er mir jedenfalls nicht.“ Sie gingen Schritt für Schritt weiter in den Wald. Robert schlug das gefrorene Geäst des Unterholzes aus dem Weg. Hier, zwischen den knorrigen, eigenartig verwachsenen Bäumen und dem größtenteils blattlosen und von einer Eisschicht überzogenen Geäst der Sträucher, war es für die Fledermaus-Monster sehr viel schwerer, ihre Beute am Boden anzugreifen.

Zahllose gefrorene Äste behinderten sie dabei.

Mochten diese Schattenwesen auch über eine erstaunliche Regenerationsfähigkeit nach Verletzungen verfügen, so stand nach Roberts Beobachtungen allerdings fest, dass auch sie es vorzogen, nicht verletzt zu werden.

Aber wenn sie nicht in dem Gewirr aus gefrorenen Ästen hängen bleiben wollten, dann mussten sie sich schon auf den Boden begeben.

Aber dort waren sie leichter zu stellen und zu vernichten.

Für einige Momente schienen die Kreaturen etwas ratlos zu sein. Mit aufgeregtem Flügelschlag zogen sie ihre Runden über den beiden Flüchtenden, die immer weiter in den Wald vorstießen.

Brenda lehnte sich schließlich völlig außer Atem gegen einen Baum. Ihr Kopf war hochrot. Sie glühte förmlich.

Robert nahm die Armbrust von der Schulter und legte einen der Holzpflöcke ein. Man musste ziemlich viel Kraft aufwenden, um die Waffe zu spannen. Aber schließlich gelang es ihm.

„Robert, die beobachten uns und warten nur darauf, zuschlagen zu können!“

„Ich weiß. Gehen wir tiefer in den Wald. Es wird dort immer schwieriger für sie, uns zu erreichen.“ Brenda zuckte plötzlich zusammen, als von oben etwas auf sie herabstürzte.

Ein Eiszapfen hatte sich von einem der oberen Äste des Baumes, an die sich gerade anlehnte, gelöst.

Wie die Klinge eines riesigen Dolchs fuhr dieser mehr als ein Meter lange Zapfen mit seiner Spitze in den Boden.

Brenda schluckte. „Ganz ungefährlich ist es hier aber auch nicht“, stieß sie hervor.

„Jedenfalls wissen wir inzwischen, dass für diese Monstren das meiste zu gelten scheint, was in klassischen Vampirgeschichten über die Blutsauger bekannt ist.“

„Du meinst, man kann sie pfählen! Wie tröstlich!“

„Und man tötet sie auch, wenn man ihnen den Kopf abschlägt. Aber es wäre ja auch möglich, dass sie auf das Sonnenlicht reagieren. Dann hätten wir zumindest am Tag zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang Ruhe vor ihnen.“ Sie stapften weiter durch den Schnee und hatten dabei immer wieder ängstlich den Blick empor gerichtet. Einerseits, um nicht von einem der zahllosen Eiszapfen erschlagen zu werden, die von den Bäumen herabhingen und andererseits um die drei Nachtkreaturen im Auge zu behalten, die ihre Jagd offenbar noch lägst nicht aufgegeben hatten.

So schnell werdet ihr uns nicht los! , meldete sich die Gedankenstimme.

Sie warteten offenbar nur auf einen geeigneten Moment um zuschlagen zu können.

Irgendwann werden eure Kräfte erlahmen und dann schlägt unsere Stunde. Und zuvor werden wir uns an eurer Furcht weiden!

„Sadisten!“, stieß Brenda ärgerlich hervor.

Eine der Kreaturen streifte jetzt im Tiefflug durch die Baumkronen, griff dabei an die Äste und riss daran.

Ein Dutzend Eiszapfen sausten hernieder und bohrten sich rechts und links von den beiden Flüchtenden in den Boden. Die beiden rannten weiter – geradewegs in eine Zone hinein, die von dichten Nebelschwaden erfüllt wurde.

Der Kreatur schien es Freude zu machen, Brenda und Robert auf diese Weise in Angst und Schrecken zu versetzen.

Robert hob seine Armbrust und zielte. „Dieser garstige Gnom hat ja versprochen, uns warme Sachen zu geben, wenn wir genug dieser Bestien ausgeschaltet haben!“

„Auf die Versprechen dieses kleinen Teufels würde ich nicht allzu viel setzen“, lautete Brendas bissiger Kommentar.

Robert drückte ab.

Der angespitzte Holzpflock durchbohrte die Nachtkreatur.

Im Flug zerfiel sie. Staub und Knochen rieselten in die Baumkronen. Mehrere Eiszapfen lösten sich und noch ehe die Knochen den Boden berührten, waren sie ebenfalls zu einer pulverigen grauen Masse zerbröselt, die auf dem weißen Schnee Muster hinterließ.

„War doch gar nicht schlecht – für den erste Schuss!“ Er griff nach dem nächsten Pflock aus der Tasche und begann damit, ihn in die Waffe einzulegen.

Zwei Nachtkreaturen hatten noch überlebt. Ein Schwall wütender Gedanken erreichte Brenda und Robert. Sie bestanden aus einer Kette unflätiger Beschimpfungen und üblen Verwünschungen. Zum Teil jedoch handelte es sich nur um ein sinnloses, aufgebrachtes Gestammel - kombiniert mit eindrücklichen Gedankenbildern, die zeigten, was die Schattenwesen vorhatten. Mit schmerzhafter Intensität brannten sich dieser Bilder ins Bewusstsein, sodass es schwer wurde, sich auf das Laden der Waffe zu konzentrieren.

„Versuch es zu ignorieren, Robert!“, schlug Brenda vor, die unter demselben Bewusstseinsstrom litt und sich vor Schmerzen die Schläfe hielt, während vor ihrem inneren Auge kurze, schlaglichtartige Szenen erschienen, in denen zu sehen war, wie die Nachtkreaturen über sie herfielen, ihr den Hals aufrissen, das Blut aus der Schlagader hoch empor spritzte und sie mit ihren spitzen Vampirzähnen regelrecht zerrissen.

Ein Rascheln ging durch das Geäst, als Dutzende von Eiszapfen und hier und da auch eine Ladung Schnee zu Boden rutschten, während die Nachtkreatur zu Boden glitt und dabei zahllose Äste abknickten.

Hier und da riss das Monstrum sich sogar die Flughäute auf, aber man konnte zusehen, wie sie heilten.

Es stürzte sich auf Brenda.

Sie versuchte noch, einen Pfeil abzuschießen, aber die Kreatur war zu schnell. Sie bewegte sich für Sekunden mit einer schier unglaublichen Geschwindigkeit.

Brendas überhasteter Schuss ging daneben.

Das Wesen warf sie zu Boden und drückte sie in den Schnee.

Schon spürte sie den Griff der Klauenhand. Sie schrie aus Leibeskräften, aber dann brachte sie der hypnotische Blick der dämonisch glühenden Augen abrupt zum Schweigen. Jeder Widerstand erlahmte.

Das zweite Schattenwesen schickte jetzt zur Landung an.

Robert hatte die Armbrust inzwischen schussbereit.

Er drückte ab. Der hölzerne Bolzen bohrte sich in das offene Maul der Riesenfledermaus und nagelte sie an einen der knorrigen Bäume, wo der hölzerne Bolzen zitternd stecken blieb.

Die Kreatur zerfiel zu Staub.

Robert warf die Armbrust zur Seite, denn um Brenda zu helfen konnte diese Waffe nicht benutzen. Es war unmöglich, einen Bolzen schnell genug einzulegen, um noch verhindern zu können, dass das Schattenwesen seine Vampirzähne in den Hals des Mädchens hineinschlug.

Er griff nach dem Schwert in seinem Rückenfutteral und riss es heraus.

Die zweischneidige Klinge fasste er mit beiden Händen und stürzte sich auf das Fledermausmonster.

Mit einem Hieb trennte er den Kopf vom Rumpf.

Der Kopf rollte in den Schnee. Die zur Grimasse erstarrten Züge der Nachtkreatur verfielen innerhalb von Sekunden. Im nächsten Moment sah man einen lemurenartigen Totenschädel, der ebenfalls zu Staub wurde.

Dasselbe geschah mit dem Körper des Schattenwesens. Ein graues, ascheartiges Pulver rieselte auf Brenda nieder.

Gleichzeitig verbreitete sich unbeschreiblicher Geruch von Fäulnis und Verwesung. Brenda strich sich den Staub von der Kleidung.

Sie verzog angewidert das Gesicht.

Schreckensbleich sah sie aus – aber auch Roberts Züge waren durch das, was sie soeben durchgemacht hatten, gezeichnet. Das war weder cool noch ein Spiel, sondern eine leibhaftige Hölle, in der sie beide offensichtlich verdammt dazu waren, gegen Schattenkreaturen zu kämpfen, die sich an ihrer Furcht weideten.

Wie fern lag da jetzt der Gedanke an die morgige Matheklausur – und daran, dass Robert noch kein bisschen dafür getan hatte. Wie fern die ewigen Nervensägen-Predigten über eine verpfuschte Zukunft und irgendwelchen Brücken, unter denen man schlafen würde müssen, wenn man in der Schule nichts zu Stande brachte.

Robert war inzwischen so weit, dass er sich den täglichen Horror zu Hause sehnlichst zurückwünschte, wenn er dafür aus dem Bann dieser grotesken Höllenwelt hätte gelangen können.

Aber danach sah es nicht aus.

Robert trat auf Brenda zu und half ihr auf.

„Danke!“, stieß sie hervor. „Du hattest echt Mut!“

„War ja gerade noch rechtzeitig!“

„Aber später hätte es auch nicht sein dürfen.“ Sie fasste sich unwillkürlich an die Kehle und schluckte.

„Jedenfalls können wir sicher sein, dass die phänomenale Heilkraft der Biester nicht wirkt, wenn man ihnen den Kopf abschlägt.“

„Gott sei Dank!“

Robert Thornton atmete tief durch. Sein Blick traf sich mit Brendas. Er hatte sie immer schon gemocht. Jetzt sah er in ihren meergrünen Augen die Angst aufleuchten. Pures Entsetzen vor einem Schrecken, der völlig unfassbar war. Und ich bin schuld daran, dachte er. Wenn ich sie nicht überredet hätte, wäre wir jetzt nicht hier, sondern würden über irgendwelchen Gleichungen brüten...

Vor kurzem wäre diese Vorstellung noch der Verkörperung des reinen Schreckens gleichgekommen – nicht Brendas, sondern der Gleichungen und Formeln wegen, die Robert hasste wie die Pest. Jetzt jedoch erschien im der Gedanke daran fast idyllisch.

„Es tut mir leid“, sagte er.

„Was?“

„Wenn ich nicht so dämlich gewesen wäre, dich zu bereden, bei diesem Spiel mitzumachen.“

„Das konntest du ja nicht wissen, Robert.“

„Der Typ, der mir das Spiel verkauft hat, kam mir gleich ziemlich seltsam vor. Ich kann es nicht erklären, aber irgendetwas stimmte mit dem nicht. Und das hatte nichts damit zu tun, dass seine Ware vielleicht aus zweifelhaften Quellen stammte. Da war etwas...“ Er brach ab und schüttelte den Kopf.

„Etwas, das einem den Willen nimmt!“

„So, wie wenn man diesen Vampirbestien in die Augen schaut!“, stellte Brenda fest.

Robert nickte.

„Ja, genau so!“

„Aber, das ist doch alles absurd! Was sollte dieser komische Gothic-Opa, von dem du gesprochen hast, mit diesem Spiel zu tun haben?“

„Die Grenzen zwischen der Spielwelt und der Wirklichkeit scheinen nicht ganz so genau gezogen worden zu sein, wie das eigentlich normal wäre“, erwiderte Robert. „Du erinnerst dich doch an das Bild auf dem Computerschirm...“

„Du meinst, als eine Vampirbestie dir die Kehle aufreißen wollte!“

„Ja, genau!“

Brenda schwieg einen Moment. „Wir sind auf irgendeine, nicht zu erklärende Weise tatsächlich in die Welt dieses Spiels hineingelangt.“

„Ja, so muss es sein. Jedenfalls fällt mir keine plausiblere Erklärung ein. Ich dachte, es wäre ein Trick oder eine besondere Technik, die direkt auf das Gehirn wirkt.“

„So ein Quatsch!“

„Das ist kein Quatsch. Wusstest du, dass die schnellen Schnitte in Kombination mit den bunten Farben in japanischen Animés epileptische Anfälle auslösen können?“

„Echt?“

„Natürlich nur bei bestimmten, sehr empfindlich reagierenden Personen, aber es kommt vor und letztlich weiß man nicht genau, weshalb das so ist. Warum sollte also nicht auch so ein Programm direkt auf das Gehirn wirken können?“ Brenda schüttelte den Kopf. Sie bückte sich und nahm etwas von dem Schnee in ihre Hand, der im nächsten Moment darin zu schmelzen begann. „Das hier ist mehr, Robert. Viel mehr. Nenn die Kraft, die uns hier hergebracht hat meinetwegen Magie oder wie immer du auch willst! Aber im Moment ist diese Höllenwelt für uns offenbar die einzige Realität. Wir frieren hier, wir verletzen uns – vielleicht sterben wir auch hier, wenn wir müde werden und für kurze Zeit nicht aufpassen.“

„Ja“, murmelte Robert düster.

Er wandte sich um und ging zu der im Schnee liegenden Armbrust, die er sich wieder über die Schulter hängte.

Er zitterte leicht und versuchte es zu unterdrücken. Aber inzwischen war er ebenso vollkommen durchgefroren wie Brenda, deren Lippen sich bereits blau zu verfärben begannen.

Anschließend ging er zu dem knorrigen, sehr verwachsenen und durch viele, knollenartige Missbildungen verunstalteten Baum, in der noch der angespitzte Holzpflock steckte, den Robert mit der Armbrust verschossen hatte. Es war schließlich besser, wenn sie sparsam mit der Munition umgingen.

Schließlich hatte keiner von ihnen Lust, den Gnom allzu bald erneut um Hilfe bitten zu müssen, um dann anschließend doch nur ein höhnisches Gelächter zu ernten.

Brenda sammelte in der Zwischenzeit ihren Bogen vom Boden auf.

„Wohin gehen wir jetzt?“, fragte Brenda.

Robert sah sich um.

Von allen Seiten umgab sie der von Nebel durchwirkte Wald.

Wohin man auch blickte, war nur eine graue Wand zu sehen.

„Wir müssen zum Schloss“, sagte Robert. „Schließlich scheint der einzige Weg, der uns aus dieser Hölle herausführt nur dann eröffnet, wenn wir den Schlossherrn töten.

Wahrscheinlich handelt es sich dabei um eine Art Super-Vampir

- etwas größer, älter, schauriger als die Kreaturen, die er uns bis jetzt geschickt hat.“

„Und woher sollen wir wissen, ob das alles, was man uns gesagt hat, überhaupt stimmt?“, fragte Brenda.

Er zuckte die Schultern.

„Keine Ahnung, mein Vorschlag ist besser, als gar nichts zu unternehmen und abzuwarten, bis der Schlossherr wieder ein paar seiner fiesen Kreaturen auf den Weg schickt, um uns zu töten.“

„Wenn du meinst...“

„Auf dem Weg zum Schloss müssten wir an dem Dorf vorbeikommen, von dem der Gnom gesprochen hat. Vielleicht erhalten wir dort noch etwas mehr an Informationen.“

„Und warme Kleider! Himmel, ist mir kalt, Robert!“

„Mir auch.“

„Aber das ist keine gewöhnliche Kälte. Klar, hier liegt Schnee und überall sind Eiszapfen, vor denen man sich vorsehen muss, damit sie einen nicht erschlagen. Aber diese Kälte...“ Es gelang ihr nicht, das Zittern zu unterdrücken.

„Robert, diese Kälte geht einem durch und durch. Als ob sie das tiefste Innere erreicht und langsam gefrieren lässt.“ Robert machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ich würde sagen, der letzte Blizzard in New York war schlimmer...“ Sie schüttelte den Kopf. „Nein, Robert! Das ist etwas völlig anderes. Ich kann es schwer beschreiben. Mir kommt es vor wie die Kälte des Todes, die einem langsam überall hin kriecht. Sie bewirkt, dass wir langsam von innen heraus sterben. Auch warme Kleidung wird dagegen nicht helfen!“

Kapitel 5 : Hexenspuk im Nebel

Die Nebelschwaden waberten zwischen den knorrigen Bäumen her und wirkten wie die Arme eines konturenlosen Ungeheuers.

Von dem Schloss auf der Anhöhe war jedenfalls nichts mehr zu sehen.

„Hast du noch eine Ahnung, in welche Richtung wir uns wenden müssen, wenn wir zum Schloss wollen?“, fragte Brenda.

Roberts Gesicht wirkte genauso ratlos wie das seiner Begleiterin.

Er deutete in Richtung eines verwaschenen Lichtflecks, der durch die dichte Nebelfront hindurchschimmerte.

„Das muss der Mond sein!“, war er überzeugt. Er streckte den Arm aus. „Dann liegt das Schloss in dieser Richtung!“, verkündete er im Brustton der Überzeugung.

„Na, Hauptsache, du weißt, wohin wir gehen.“

„Von wissen kann keine Rede sein, Brenda. Aber ich denke, alles ist besser, als hier zu bleiben.“ Er nahm ihre Hand.

Sie war eiskalt.

Wie die Hand einer Toten, durchfuhr es Robert. Ihn schauderte unwillkürlich. As sie seinen Blick erwiderte, wusste er, dass sie bei der Berührung seiner Hand denselben Schauder empfand.

Keiner von ihnen sagte jedoch ein Wort.

Sie hat Recht, dachte Robert. Wir sterben. Langsam aber unaufhaltsam.

*

Robert und Brenda setzten ihren Weg fort, auch wenn sie sich im Laufe der Zeit immer unsicherer darüber wurden, ob er sie tatsächlich an ihr Ziel bringen würde.

Zunächst mussten sie sich ihren Weg durch knietiefen Schnee und dichtes Gestrüpp bahnen. Dann liefen sie über vereisten Waldboden, der so hart wie Asphalt war. Die Sicht wurde immer schlechter. Das Mondlicht verschwand schließlich beinahe zur Gänze im Nebel und so verloren sie zeitweilig jede Möglichkeit, sich zu orientieren.

Immer wieder mussten sie sich vor plötzlich in die Tiefe stürzenden Eiszapfen in Acht nehmen und einmal begrub sie eine Ladung nasser Schnee unter sich.

Ihre Kleidung war inzwischen längst klamm und kalt.

„Wir werden uns hier eine Lungenentzündung holen“, glaubte Robert irgendwann und nieste.

Brenda reagierte kaum. Sie wirkte apathisch.

Nicht einmal die schrillen Schreie, die immer wieder die Stille des Waldes unterbrachen, ließen sie jetzt noch zusammenzucken.

Sie setzte einfach nur einen Fuß vor den anderen.

Wenn das so weiter geht, werden wir selbst zu Zombies, ging es Robert durch den Kopf.

*

Während Brenda und Robert ihren Weg fortsetzten, verloren sie nach und nach jeden Bezug zur Zeit. Ihre Uhren, das hatten sie inzwischen festgestellt, waren stehen geblieben.

Und zwar genau in dem Moment, in dem dieses dämonische Höllenspiel sie auf magische Weise in sich hinein gesogen hatte.

„Ich frage mich, wann in dieser Welt die Sonne aufgeht und endlich diesen Nebel vertreibt“, sagte Robert irgendwann in die Stille hinein.

Sie stoppte und lehnte sich gegen einen der knorrigen Bäume, die aussahen, als würden sie jeden Augenblick aus ihrer Totenstarre erwachen, sich bewegen und zu einem unheimlichen Eigenleben erwachen. Schon jetzt war es ja kaum möglich, die groben Strukturen seiner Rinde mit den knollenförmigen Missbildungen und Wucherungen anzusehen, ohne Gesichter darin zu erblicken.

Brendas Blick wirkte erschöpft, die Augen glänzten fiebrig.

Sie hob den Kopf.

„Vielleicht gibt es in dieser Welt weder einen Sonnenaufgang, noch einen Tag“, befürchtete sie.

„Das wäre doch absurd.“

„Nicht absurder, als alles andere, was hier geschieht.“

*

Irgendwann schimmerte dann wieder das Mondlicht durch die grauen Nebelschwaden. Zumindest glaubten Brenda und Robert zunächst, dass es sich um das Mondlicht handelte.

Aber schon bald waren sie sich da gar nicht mehr so sicher, denn plötzlich tauchten mehrere derartige Lichtflecke in verschiedenen Richtungen auf.

Robert blieb stehen. „Das gibt es doch nicht!“, stieß er hervor.

Brenda wurde durch das Auftauchen dieser zusätzlichen Lichter aus ihrer Apathie gerissen.

„Das müssen Irrlichter sein!“, war sie überzeugt.

„Irrlichter, die nur den Sinn haben, uns zu verwirren.“

„Meinst du wirklich?“

„Auf jeden Fall irgendeine Teufelei!“

„Fragt sich nur, nach welchem dieser Lichter wir uns jetzt richten sollen.“

„Spielt das noch eine Rolle?“

Sie entschieden sich für eines der Lichter, aber schon nach kurzer Zeit tauchten weitere Lichter aus dem Nebel auf.

Manche bewegten sich, als würde jemand eine Fackel schwenken.

Andere verschmolzen scheinbar miteinander oder teilten sich aus unerfindlichen Gründen.

Jedenfalls verloren Robert und Brenda schon nach kurzer Zeit den letzten Rest ihrer Orientierung.

Bald hatten sie sich vollkommen verlaufen.

„Gib’s zu, wir könnten jetzt schon stundenlang im Kreis laufen und würden es nicht merken!“, erklärte Brenda irgendwann.

Das Heulen eines Wolfes ließ sie beide plötzlich aufhorchen.

„Das kam ganz aus der Nähe!“, glaubte Robert.

Er hielt die Armbrust mit beiden Händen, konnte im Nebel nichts erkennen. Äste knickten. Dann war erst einmal nichts mehr zu hören.